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LAG Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 15.09.2008, 9 SA 525/07

   
Schlagworte: Aufhebungsvertrag, Abfindung, Diskriminierung: Alter
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Aktenzeichen: 9 SA 525/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 15.09.2008
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hannover, 9. Februar 2007, Az: 7 Ca 506/06, Urteil
   

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT

NIE­DERSACHSEN

 

Verkündet am:

15.09.2008

Ge­richts­an­ge­stell­te als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

9 Sa 525/07

7 Ca 506/06 ArbG Han­no­ver

In dem Rechts­streit 

Kläger und Be­ru­fungskläger,

ge­gen

Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te,

 

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hat die 9. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 15. Sep­tem­ber 2008 durch

die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Hart­wig,
die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Frau Hoff­mann-Mer­ten,
die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Frau Hand­ke 

für Recht er­kannt:

Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Han­no­ver vom 09.02.2007 – 7 Ca 506/06 – wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über den Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges mit ei­ner Ab­fin­dungs­zah­lung zu Guns­ten des Klägers in Höhe von 171.720,-- € so­wie um Fest­stel­lung von Scha­dens­er­satz­ansprüchen.

Der am 00.00.1949 ge­bo­re­ne Kläger ist seit dem 13.10.1971 bei der Be­klag­ten im Werk A-Stadt mit ei­nem Ent­gelt nach der Ent­gelt­stu­fe 9 des Mo­nats­ent­gelt­ta­rif­ver­trags für die ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­neh­me­rin­nen der V. beschäftigt. Das ent­spricht ei­nem durch­schnitt­li­chen Brut­to­mo­nats­ein­kom­men von 3.788,55 €. Bei der Be­klag­ten gibt es die ta­rif­li­che Möglich­keit, ei­nen Al­ters­teil­zeit­ver­trag ab­zu­sch­ließen (Ta­rif­ver­trag Al­ters­teil­zeit vom 14.07.1997). Nach § 5 des Ta­rif­ver­tra­ges vom 28.09.1995 i. d. F. vom 03.11.2004 zur Si­che­rung der Stand­or­te und der Beschäfti­gung sind be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen der­zeit aus­ge­schlos­sen. Im Ju­ni 2006 gab die Be­klag­te das zu Blatt 11 und 12 d. A. ge­reich­te Rund­schrei­ben her­aus, nach des­sen In­halt Mit­ar­bei­ter ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung von bis zu 249.480,-- € brut­to bis zum 30. Sep­tem­ber 2006 aus dem Un­ter­neh­men aus­schei­den konn­ten. Aus­weis­lich des Rund­schrei­bens rich­te­te sich die­ses An­ge­bot an Mit­ar­bei­ter der Jahrgänge ab 1952 und jünger der V. so­wie V. Nutz­fahr­zeu­ge, Kon­zern-/ und Mar­ken­stel­len- und Toch­ter­ge­sell­schaf­ten mit Ar­beits­verträgen der V.. In dem Rund­schrei­ben heisst es wei­ter: „Al­le Ab­fin­dungs­an­ge­bo­te be­ru­hen auf Frei­wil­lig­keit, und zwar so­wohl von Mit­ar­bei­ter- als auch von Un­ter­neh­mens­sei­te aus. Al­le An­fra­gen von In­ter­es­sen­ten wer­den in­di­vi­du­ell dar­auf­hin ge­prüft, ob ein Auf­he­bungs­ver­trag be­trieb­lich möglich ist.“ Des Wei­te­ren enthält das Rund­schrei­ben ver­schie­de­ne Be­rech­nungs­bei­spie­le für Ab­fin­dun­gen. Mit Schrei­ben vom 13.06.2006 for­der­te der Kläger die

 

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Be­klag­te auf, auch ihm ein der­ar­ti­ges An­ge­bot zu ma­chen. Das lehn­te die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 22.06.2006 (Blatt 14 d. A.) ab. Gleich­zei­tig bot sie dem Kläger den Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges mit ei­ner Ab­fin­dungs­re­ge­lung an, de­ren Sum­me sich in et­wa an den Al­ters­teil­zeit­re­ge­lun­gen ori­en­tie­re. Für den ge­nau­en In­halt des Schrei­bens wird auf Blatt 14 d. A. Be­zug ge­nom­men. Im Lau­fe des erst­in­stanz­li­chen Ver­fah­rens bot die Be­klag­te dem Kläger ei­ne Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­gen Zah­lung ei­nes Be­tra­ges von ca. 58.700,-- € net­to an. Mit Schrei­ben vom 30.10.2006 (Blatt 43 d. A.) erläuter­te die Be­klag­te, dass die Net­to­sum­me sich nach den Mo­na­ten bis zu ei­nem frühestmögli­chen Ren­ten­ein­tritt des Klägers be­rech­ne.

Der Kläger hat mit sei­ner am 22.09.2006 er­ho­be­nen Kla­ge die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass sein Aus­schluss aus der Möglich­keit ei­nes Ab­schlus­ses ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges gemäß den in dem Rund­schrei­ben ge­nann­ten Be­din­gun­gen ei­ne nicht­ge­recht­fer­tig­te Un­gleich­be­hand­lung dar­stel­le.

Er hat be­an­tragt,
1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, dem Kläger ein An­ge­bot zum Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges, der ei­ne Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses und Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 117.720,00 EUR zuzüglich ei­nes Zu­schla­ges von 54.000,00 EUR, ins­ge­samt als ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von 171.720,00 EUR be­inhal­tet, zu un­ter­brei­ten

so­wie

2. fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, dem Kläger al­le ma­te­ri­el­len und im­ma­te­ri­el­len Schäden zu er­set­zen, die dem Kläger da­durch ent­stan­den sind und ent­ste­hen wer­den, dass die Be­klag­te dem Kläger we­gen sei­nes Al­ters kei­nen Auf­he­bungs­ver­trag über die Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum 30.09.2006 und Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 117.720,00 EUR zuzüglich Zu­schlag in Höhe von 54.000,00 EUR, ins­ge­samt al­so ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von 171.720,00 EUR, an­ge­bo­ten hat.


Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass sie den Kläger nicht bes­ser be­han­deln könne, als Mit­ar­bei­ter, die ei­ne Al­ters­teil­zeit­re­ge­lung ab­ge­schlos­sen hätten. Dem­ent­spre­chend ori­en­tie­re sich ei­ne Ab­fin­dungs­sum­me, die dem Kläger an­ge­bo­ten wer­den könne, auch an die­sen Be­din­gun­gen.

 

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Beim Ar­beits­ge­richt Han­no­ver sind noch wei­te­re fünf Par­al­lel­ver­fah­ren anhängig (8 Ca 320/07, 2 Ca 360/07, 11 Ca 464/07, 6 Ca 82/07, 11 Ca 231/07). In wei­te­ren zwei Ver­fah­ren 1 Ca 116/07 und 1 Ca 123/07 ha­ben die Par­tei­en Un­ter­wer­fungs­ver­glei­che ge­schlos­sen.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge durch Ur­teil vom 09.02.2007 ab­ge­wie­sen. Ein An­spruch des Klägers auf Ab­schluss des be­gehr­ten Auf­he­bungs­ver­tra­ges er­ge­be sich we­der aus dem ar­beits­recht­li­chen Gleich­heits­grund­satz noch aus dem All­ge­mei­nen Gleich­heits­ge­setz. Für den In­halt der Ent­schei­dungs­gründe wird auf Sei­te 3 bis 6 des Ur­teils ver­wie­sen (Blatt 47 bis 50 d. A.).

Das Ur­teil wur­de dem Kläger am 06.03.2007 zu­ge­stellt. Hier­ge­gen hat er mit am 03.04.2007 ein­ge­gan­ge­nem Fax­schrift­satz beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Nie­der­sach­sen Be­ru­fung ein­ge­legt. Die Be­ru­fung wur­de mit am 07.06.2007 ein­ge­gan­ge­nem Fax­schrift­satz be­gründet, nach­dem die Be­ru­fungs­be­gründungs­frist auf An­trag der Kläger­ver­tre­te­rin vom 04.05.2007 durch Be­schluss vom 07.05.2007 bis 08.06.2007 verlängert wor­den ist.

Mit der Be­ru­fungs­be­gründung wie­der­holt und ver­tieft der Kläger zunächst sein erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen. Da­bei weist er dar­auf hin, dass we­gen des Aus­schlus­ses be­triebs­be­ding­ter Kündi­gungs­gründe die Ar­beits­platz­si­cher­heit kei­nen sach­li­chen Grund für die Recht­fer­ti­gung ei­ner Un­gleich­be­hand­lung dar­stel­len könne. Das­sel­be gel­te für die Möglich­keit, gemäß der ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen der Be­klag­ten Al­ters­teil­zeit in An­spruch neh­men zu können. Nach § 3 des Ta­rif­ver­tra­ges Al­ters­teil­zeit sei Vor­aus­set­zung, dass die Al­ters­teil­zeit min­des­tens 24 Mo­na­te, je­doch höchs­tens 60 Mo­na­te daue­re. Der Kläger ha­be auf Grund der ren­ten­recht­li­chen Ände­run­gen erst im Jah­re 2009 in Al­ters­teil­zeit ge­hen können. Auch stel­le ei­ne vor­zei­ti­ge In­an­spruch­nah­me ei­ner Al­ters­ren­te kei­ne adäqua­te Ab­si­che­rung dar, da Ab­schläge hin­zu­neh­men sei­en. Im Übri­gen ha­be die Be­klag­te fal­sche Ver­gleichs­grup­pen ge­bil­det. Maßgeb­lich sei­en nicht die Ar­beit­neh­mer, die älter als Jahr­gang 1952 sei­en im Ver­gleich zu den jünge­ren Mit­ar­bei­tern. Die Ver­gleichs­grup­pe sei viel­mehr die­je­ni­ge Grup­pe von Ar­beit­neh­mern, die ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung ab­sch­ließen wol­len. Ar­beit­neh­mer, die bis zum Ren­ten­be­ginn wei­ter­ar­bei­ten woll­ten, sei­en mit dem Kläger nicht ver­gleich­bar. Im Übri­gen sei nach Auf­fas­sung des Klägers das All­ge­mei­ne Gleich­ber­hand­lungs­ge­setz (AGG) auf den strei­ti­gen Fall an­wend­bar, da die Be­klag­te auch nach In­kraft­tre­ten des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes den Ab­schluss des Auf­he­bungs­ver­tra­ges zu den be­gehr­ten Be­din­gun­gen ab­ge­lehnt hat. Der von der Be­klag­ten an­ge­ge­be­ne mit der Ab­fin­dungs­re­ge-

 

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lung ver­folg­te Zweck des Per­so­nal­ab­baus könne auch da­durch ver­folgt wer­den, dass dem Kläger der Ab­schluss des Auf­he­bungs­ver­tra­ges an­ge­bo­ten wer­de. Im Übri­gen stel­le die­ser Zweck kein le­gi­ti­mes und an­ge­mes­se­nes Ziel i. S. des § 10 AGG dar. Erst­mals mit der Be­ru­fungs­be­gründung be­haup­tet der Kläger, die Be­klag­te ha­be ins­ge­samt 24 Auf­he­bungs­verträge mit Ar­beit­neh­mern ge­schlos­sen, die älter als Jahr­gang 1952 sei­en. Er be­zieht sich für sein Vor­brin­gen auf den so­ge­nann­ten Flash-Re­port der Be­klag­ten vom 01.01.2007, mit dem der Rea­li­sie­rungs­stand der ab­ge­schlos­se­nen Auf­he­bungs­verträge per 01.01.2007, 06:00 Uhr, fest­ge­stellt wird (Blatt 200 – 211 d. A.). Der Kläger schließt aus der Zu­sam­men­fas­sung des Flash-Re­por­tes (Blatt 210 d. A.), dass es sich bei den 24 Ar­beit­neh­mern, die über 55 Jah­re sind, um sol­che han­delt, mit de­nen Auf­he­bungs­verträge zu den Be­din­gun­gen der so­ge­nann­ten Tur­bo-Prämie ab­ge­schlos­sen wor­den sei­en. An­de­ren­falls würden sie in der Sta­tis­tik nicht auf­tau­chen, weil die­se sich nach Sinn und Zweck die­ser Sta­tis­tik le­dig­lich auf die Tur­bo-Prämie be­zie­he. Die Mit­ar­bei­ter sei­en ihm auch na­ment­lich nicht be­kannt, so­dass ihm wei­te­re Dar­le­gun­gen nicht möglich sei­en. Hin­sicht­lich sei­nes Scha­dens­fest­stel­lungs­an­tra­ges be­zieht er sich auf Zinsschäden, die auf Grund er­for­der­li­cher An­schluss­fi­nan­zie­run­gen be­ste­hen­der Dar­le­hen er­for­der­lich ge­we­sen sei­en. In­wie­weit wei­te­re Schäden im Zu­sam­men­hang mit er­folg­ten Kre­dit­auf­nah­men ent­stan­den sei­en, sei zum jet­zi­gen Zeit­punkt nicht ab­seh­bar. Da­her be­ste­he ein In­ter­es­se an der Fest­stel­lung von Scha­dens­er­satz­ansprüchen.

Der Kläger be­an­tragt,

un­ter Abände­rung der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts Han­no­ver vom 09.02.2007, 7 Ca 506/06,

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, dem Kläger ein An­ge­bot zum Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges, der ei­ne Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses und Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 117.720 Eu­ro zuzüglich ei­nes Zu­schla­ges in Höhe von 54.000 Eu­ro, ins­ge­samt al­so ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von 171.720 Eu­ro be­inhal­tet, zu un­ter­brei­ten so­wie

2. fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, dem Kläger al­le ma­te­ri­el­len und im­ma­te­ri­el­len Schäden zu er­set­zen, die dem Kläger da­durch ent­stan­den sind und ent­ste­hen wer­den, dass die Be­klag­te dem Kläger we­gen sei­nes Al­ters kei­nen Auf­he­bungs­ver­trag über die Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum 30.09.2006 und Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 117.720 Eu­ro zuzüglich Zu­schlag in Höhe von 54.000 Eu­ro, ins­ge­samt al­so ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von 171.720 Eu­ro an­ge­bo­ten hat.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

 

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Die Be­klag­te ver­weist in Ergänzung ih­res erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens zunächst dar­auf, dass der Ab­schluss der Auf­he­bungs­verträge un­ter ei­nem dop­pel­ten Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt ge­stan­den ha­be. We­gen des be­ste­hen­den Ver­bo­tes be­triebs­be­ding­ter Kündi­gun­gen sei die Be­klag­te dar­auf an­ge­wie­sen ge­we­sen, Per­so­nal­ab­bau durch ent­spre­chen­de fi­nan­zi­el­le An­rei­ze durch­zuführen. Die An­ders­be­hand­lung der Ar­beit­neh­mer, die älter als Jahr­gang 1952 sei­en, ha­be ih­ren Grund nicht in dem Al­ter, son­dern in der Möglich­keit die­ser Ar­beit­neh­mer­grup­pe, durch vor­zei­ti­ge In­an­spruch­nah­me von Al­ters­ren­te, z. B. we­gen vor­an­ge­gan­ge­ner Al­ters­teil­zeit ei­ne fi­nan­zi­el­le Ab­si­che­rung durch die Al­ters­ren­te zu er­hal­ten. Für Ar­beit­neh­mer des Jahr­gangs 1952 und jünger ha­be die­se Möglich­keit nicht mehr be­stan­den. Bei die­sen sei bei vor­zei­ti­gem Aus­schei­den aus dem Ar­beits­verhält­nis die feh­len­de wirt­schaft­li­che Ab­si­che­rung ent­spre­chend aus­zu­glei­chen. Da­bei meint die Be­klag­te, dass der Kläger durch die Nicht­an­nah­me sei­nes An­ge­bo­tes zum Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges kei­nen Nach­teil er­lit­ten ha­be, weil für ihn die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses am vor­teil­haf­tes­ten sei. Im Ge­gen­zug sei die Al­ters­teil­zeit be­zo­gen auf das Ar­beits­verhält­nis mit dem Kläger für die Be­klag­te so­gar teu­rer, wenn kei­ne Förder­beträge ge­zahlt würden. Sie be­zieht sich dafür auf die Bei­spiels­rech­nung zu Blatt 146 bis 150 (An­la­ge B5). Im Übri­gen fände das AGG nach Auf­fas­sung der Be­klag­ten kei­ne An­wen­dung, weil die­ses nicht für Altfälle gel­ten könne. Der Vor­stand ha­be die strei­ti­ge Re­ge­lung am 20.04.2006 be­schlos­sen. Sie sei nach Ab­stim­mung mit dem Be­triebs­rat per 01.06.2006 in Kraft ge­tre­ten. Im Übri­gen läge auch ihr Ab­leh­nungs­schrei­ben vom 22.06.2006 zeit­lich vor dem In­kraft­tre­ten des AGG. Der Kläger könne mit Voll­endung des 63. Le­bens­jah­res Ren­te be­zie­hen, da für Jahrgänge ab 1946 ei­ne Ver­trau­ens­re­ge­lung bei Ab­schluss ei­nes Al­ters­teil­zeit­ver­tra­ges bis 31.12.2003 be­ste­he. Selbst im An­wen­dungs­be­reich des AGG sei ei­ne An­ders­be­hand­lung des Klägers ge­recht­fer­tigt, weil die Ab­fin­dungs­zah­lun­gen Über­brückungs­funk­tio­nen hätten, die beim Kläger nicht er­for­der­lich sei­en. Bei­spiels­wei­se dürf­te auch in So­zi­alplänen nach dem Al­ter die Höhe der Ab­fin­dun­gen dif­fe­ren­ziert wer­den bzw. Höchst­be­trags­klau­seln ein­ge­setzt wer­den. Dem­ent­spre­chend sei die Möglich­keit für Ar­beit­neh­mer, in Al­ters­teil­zeit zu ge­hen, ein taug­li­ches Dif­fe­ren­zie­rungs­kri­te­ri­um. Jahrgänge, die vor 1952 ge­bo­ren sei­en, könn­ten mit 63 Le­bens­jah­ren mit ei­nem Ab­schlag in Höhe von 7,2 % in Al­ters­ren­te ge­hen. Der Be­haup­tung des Klägers, auch mit älte­ren als 55jähri­gen Ar­beit­neh­mern sei­en Auf­he­bungs­verträge zu den von ihm be­gehr­ten Be­din­gun­gen ge­schlos­sen wor­den, tritt die Be­klag­te ent­ge­gen. Sie ver­weist dar­auf, dass auch mit die­ser Ar­beit­neh­mer­grup­pe Ab­fin­dungs­verträge ge­schlos­sen wer­den, je­doch zu an­de­ren Kon­di­tio­nen. Über die Höhe der ge­zahl­ten Ab­fin­dun­gen sa­ge der Flash-Re­port nichts aus. Der

 

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Flash-Re­port stel­le ei­ne Aus­wer­tung dar, mit wie vie­len Ar­beit­neh­mern ein­ver­nehm­li­che Aus­schei­dens­re­ge­lun­gen ge­trof­fen wor­den sei­en. Bei­spiels­wei­se nennt sie hier­zu die Mit­ar­bei­ter St., Sch.und L.übeck aus dem Werk A-Stadt. Im Übri­gen be­zie­he sich die Sta­tis­tik auf das Un­ter­neh­men bun­des­weit. Der Um­stand, dass dem Kläger sei­ner­zeit ein Net­to­be­trag in Höhe von 58.700,-- € an­ge­bo­ten wur­de, ände­re nichts dar­an, dass die­ser Be­trag mit ei­ner Brut­to­hoch­rech­nung in die Sta­tis­tik auf­ge­nom­men wer­den könne. In­so­fern ge­he auch der Ein­wand des Klägers ins Lee­re, dass älte­ren Ar­beit­neh­mern im­mer Net­to­an­ge­bo­te ge­macht würden und die­se folg­lich in der Sta­tis­tik nicht auf­tau­chen könn­ten.

Ent­schei­dungs­gründe

I.
Die Be­ru­fung ist zulässig, ins­be­son­de­re ist sie form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und statt­haft (§§ 64, 66 ArbGG, § 519, 520 Abs. 3 ZPO).

II.
Die Be­ru­fung ist je­doch nicht be­gründet.

Das Ar­beits­ge­richt hat zu Recht fest­ge­stellt, dass ein An­spruch des Klägers auf Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 171.720,-- € (sog. Tur­bo-Ab­fin­dung) nicht be­steht. Dem­ent­spre­chend be­steht auch kein An­spruch auf Scha­dens­fest­stel­lung.

1.
Der Kläger hat kei­nen An­spruch auf Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 171.720,-- €. Das Kla­ge­be­geh­ren ist auf die Ab­ga­be ei­ner Wil­lens­erklärung ge­rich­tet (§ 894 ZPO).

a)
Ein An­spruch des Klägers er­gibt sich nicht be­reits dar­aus, dass er sich nach Be­kannt­wer­den des Rund­schrei­bens im Ju­ni 2006 an die Be­klag­te ge­wandt und be­kun­det hat, dass er an ei­nem ent­spre­chen­den An­ge­bot in­ter­es­siert sei. Das Rund­schrei­ben der Be­klag­ten selbst ist noch kein bin­den­des An­ge­bot zum Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges. Es rich­tet sich an die Be­leg­schaft all­ge­mein und steht un­ter dem Vor­be­halt der Prüfung ent-

 

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spre­chen­der Ab­fin­dungs­an­ge­bo­te. Dem­ent­spre­chend kann in dem Schrei­ben des Klägers auch kei­ne An­nah­me ei­nes An­ge­bots erklärt wer­den.

b)
Ein An­spruch auf Ab­schluss ei­nes ent­spre­chen­den Auf­he­bungs­ver­tra­ges er­gibt sich nicht aus § 7 Abs. 2 AGG i. V. mit ei­ner Gleich­be­hand­lungs­pflicht des Ar­beit­ge­bers.

aa)
§ 7 Abs. 2 AGG stellt zwar in­halt­lich kei­ne An­spruchs­grund­la­ge dar, son­dern schreibt le­dig­lich die Rechts­fol­ge der Un­wirk­sam­keit ei­ner be­nach­tei­li­gen­den Maßnah­me vor. Aus der Un­wirk­sam­keit der Maßnah­me folgt je­doch der An­spruch der be­nach­tei­lig­ten Ar­beit­neh­mer auf Gleich­stel­lung, weil an­de­ren­falls die be­nach­tei­li­gen­de Maßnah­me weit­ge­hend un­ge­ahn­det blie­be (BAG vom 11.12.2007, 3 AZR 249/06, AP Nr. 1 zu § 2 AGG = NZA 2008, 532, jew. Rn. 45 und Bau­er/Göpfert/Krie­ger, AGG § 7 Rn. 1 so­wie Löwisch, BB 2006, 1729/1731; für den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz: BAG vom 15. No­vem­ber 1994, 5 AZR 682/93, BA­GE 78, 272 zu I 1. der Gründe; BAG vom 07.03.1995, 3 AZR 282/94, AP Nr. 26 zu § 1 Be­trAVG Gleich­be­hand­lung = NZA 1996, S. 48; BAG vom 20. Au­gust 2002, 9 AZR 710/00, BA­GE 102, 225 zu B I der Gründe).

bb)
Der Kläger hat je­doch kei­ne Ansprüche aus dem AGG, da die be­nach­tei­li­gen­de Maßnah­me vor dem In­kraft­trte­ten des AGG lag. Ob ei­ne Be­nach­tei­li­gung i. S. d. § 3 Abs. 1 AGG und ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters nach § 10 Abs. 1 AGG vor­liegt, rich­tet sich da­nach, ob das AGG über­haupt An­wen­dung fin­det. Das AGG ist am 18.08.2006 in Kraft ge­tre­ten. Es enthält kei­ne Über­g­angs­vor­schrift. § 33 Abs. 3 AGG be­stimmt le­dig­lich, dass bei Be­nach­tei­li­gun­gen u. a. des Al­ters die §§ 19 bis 21 nicht auf Schuld­verhält­nis­se an­zu­wen­den sind, die vor dem 01. De­zem­ber 2006 be­gründet wor­den sind. An­sons­ten sind kei­ne Über­g­angs­be­stim­mun­gen ge­trof­fen. § 33 Abs. 1 AGG be­stimmt, dass bei Be­nach­tei­li­gun­gen nach den §§ 611, 611 b und 612 Abs. 3 des Bürger­li­chen Ge­setz­buchs oder se­xu­el­len Belästi­gun­gen nach dem Beschäftig­ten­schutz­ge­setz das vor dem 18. Au­gust 2006 maßgeb­li­che Recht an­zu­wen­den ist. Das gilt über den Ge­set­zes­wort­laut hin­aus für al­le Fälle von Dis­kri­mi­nie­run­gen, wie in der amt­li­chen Be­gründung zum Aus­druck kommt (BT-Druck­sa­che 16/1780, Sei­te 53; zi­tiert nach Bau­er/Göpfert/Krie­ger, AGG, An­hang G). Ei­ne rück­wir­ken­de In­kraft­set­zung des AGG ist da­her aus­drück­lich aus­ge­schlos­sen.

 

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Maßgeb­lich ist da­her, zu wel­chem Zeit­punkt die Be­nach­tei­li­gung ein­ge­tre­ten ist. Bei rechts­geschäft­li­chen Erklärun­gen ist in der Re­gel maßgeb­lich, wann ei­ne Ent­schei­dung dem Erklärungs­empfänger zu­ge­gan­gen ist . Bei Dau­er­sach­ver­hal­ten kommt es dar­auf an, ob es sich um bis zum 17.8.2006 ab­ge­schlos­se­ne Sach­ver­hal­te han­delt oder ob die­se noch – wenn auch nur teil­wei­se – noch an­dau­ern. Nur in letz­te­rem Fall ist das AGG als neu­es Recht an­zu­wen­den, weil in schon ab­ge­wi­ckel­te Rechts­be­zie­hun­gen nicht mehr ein­ge­grif­fen wer­den kann (Schleu­se­ner/Suckow/Voigt, AGG § 33 Rn. 3; Däubler, AGG, § 33 Rn. 4, Bau­er/Göpfert/Grie­ger, AGG § 33 Rn. 9 und 11; Löwisch, DB 2006, 1729/31 f.; vgl. auch BAG vom 11.12.2007, 3 AZR 249/06, a. a. O., Rn. 21 und Rn. 33). Bei Kol­lek­tiv­verträgen (Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen und Ta­rif­verträgen), die vor In­kraft­tre­ten des AGG ver­ein­bart wa­ren, aber später um­ge­setzt wer­den, soll auf den Um­set­zungs­zeit­punkt ab­zu­stel­len sein (Schleu­se­ner/Suckow/Voigt, AGG § 33 Rn. 3; Bau­er/Göpfert/Grie­ger, AGG § 33 Rn. 13). Die Ab­leh­nung der Be­klag­ten mit Schrei­ben vom 22.06.2006 stellt die ge­genüber dem Kläger maßgeb­li­che Ver­let­zungs­hand­lung dar. Die­se ist vor In­kraft­tre­ten des AGG er­folgt und kann da­her auch nicht nach des­sen Vor­schrif­ten über­prüft wer­den. Al­les was bis zum In­kraft­tre­ten des AGG zulässig war, kann nicht als In­diz für ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung ge­wer­tet wer­den, auch wenn die Be­klag­te die Ver­let­zungs­hand­lung wie­der­holt. Der Kläger be­zieht sich dar­auf, dass das An­ge­bot ei­ner Ab­fin­dungs­zah­lung, wie es mit Schrei­ben vom 30.10.2006 erläutert wur­de, nach In­kraft­tre­ten des AGG er­folg­te. Das führt nicht da­zu, dass die ursprüng­li­che Ver­let­zungs­hand­lung vom 22.06.2006 nach dem AGG über­prüft würde. Wie­der­ho­lungs­maßnah­men wie z. B. auch der Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag der Be­klag­ten stel­len kei­ne ei­ge­ne Ver­let­zungs­hand­lung dar, son­dern le­dig­lich de­ren Be­kräfti­gung. Die Be­klag­te ist nicht ver­pflich­tet, durch das In­kraft­tre­ten ei­nes wei­te­ren Ge­set­zes und ei­ner neu­en Rechts­la­ge ih­re ursprüng­li­che Ab­leh­nung er­neut un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner an­de­re Rechts­la­ge zu prüfen. In­so­fern be­steht Ver­trau­ens­schutz für die Be­klag­te im Zeit­punkt der Ab­leh­nung des An­ge­bots an den Kläger.

Ob be­reits der Vor­stands­be­schluss der Be­klag­ten aus­reicht, als be­nach­tei­li­gen­de Hand­lung an­ge­se­hen zu wer­den, weil mit dem Be­schluss die maßgeb­li­chen Kri­te­ri­en für den Ab­schluss von Auf­he­bungs­verträgen be­schlos­sen wur­den, kann da­hin­ste­hen. So­wohl das Auf­stel­len der Richt­li­ni­en durch den Vor­stand als auch die Ab­leh­nung ge­genüber dem Kläger er­folg­te vor In­kraft­tre­ten des AGG.

c)
Ein An­spruch des Klägers auf Ab­schluss des be­gehr­ten Auf­he­bungs­ver­trags er­gibt sich auch nicht aus dem Eu­ropäischen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz. Letzt­end­lich kann da­hin-

 

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ste­hen, ob das AGG An­wen­dung fin­det, weil nach der Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­ho­fes auch vor dem In­kraft­tre­ten des AGG die be­nach­tei­li­gen­de Maßnah­me nicht ge­gen ei­nen Eu­ropäischen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ver­s­toßen hat.

aa)
Der Eu­ropäische Ge­richts­hof hat mit sei­ner Ent­schei­dung vom 22.11.2005 (- C – 144/04, AP Richt­li­nie 2000/78/EG Nr. 1 = EZA TZ­B­fG § 14 Nr. 1 „Man­gold“) fest­ge­stellt, dass das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters sich nicht aus der Rah­men­richt­li­nie 2000/78/EG selbst er­ge­be, son­dern dass es als all­ge­mei­ner Grund­satz des Ge­mein­schafts­rechts an­zu­se­hen sei. Das fol­ge dar­aus, dass das grundsätz­li­che Ver­bot u. a. auch die­ser Form der Dis­kri­mi­nie­rung als Teil des all­ge­mei­nen Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung sei­nen Ur­sprung in ver­schie­de­nen völker­recht­li­chen Verträgen und den ge­mein­sa­men Ver­fas­sungs­tra­di­tio­nen der Mit­glied­staa­ten ha­be (Rn. 74 ff.). Es ob­lie­ge da­her dem na­tio­na­len Ge­richt, bei dem ein Rechts­streit über das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters anhängig ist, im Rah­men sei­ner Zuständig­keit den recht­li­chen Schutz, der sich für den Ein­zel­nen aus dem Ge­mein­schafts­recht er­gibt, zu gewähr­leis­ten und die vol­le Wirk­sam­keit des Ge­mein­schafts­rechts zu ga­ran­tie­ren, in­dem es je­de mögli­cher­wei­se ent­ge­gen­ste­hen­de Be­stim­mung des Na­tio­na­len Rechts un­an­ge­wen­det lässt, auch wenn die Frist zur Um­set­zung der Richt­li­ni­en noch nicht ab­ge­lau­fen ist. Letz­te­res ist hier der Fall, da die Richt­li­nie 2000/78/EG frist­ge­recht um­ge­setzt wur­de und die Um­set­zungs­frist am 22. Ju­ni 2006 noch nicht ab­ge­lau­fen war.

bb)
Ob und un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen ein Eu­ropäischer Gleich­be­hand­lungs­grund­satz, der zu­dem zwi­schen den Par­tei­en ei­nes Rechts­strei­tes un­mit­tel­bar gel­ten würde, an­zu­er­ken­nen ist, ist wie­der­um frag­lich (vgl. Preis, NZA 2006, 401/404): Mit Ur­teil vom 16.10.2007 – C. 411/05 (so­ge­nann­te Pa­la­ci­os-Ent­schei­dung), NZA 2007, Sei­te 1219 hat der Eu­ropäische Ge­richts­hof die Gel­tung ei­nes sol­chen Grund­sat­zes wie­der­holt und Al­ters­gren­zen in Ta­rif­verträgen, die vom Ge­setz­ge­ber ge­bil­ligt wa­ren, nach den Maßstäben des eu­ropäischen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes für wirk­sam er­ach­tet. Er hat die Gel­tung des eu­ropäischen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes auch vor Ab­lauf der Um­set­zungs­frist der Gleich­be­hand­lungs­richt­li­nie an­ge­nom­men. Prüfungs­maßstab war da­bei Ar­ti­kel 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG, der lau­tet:

Un­ge­ach­tet des Art. 2 Abs. 2 können die Mit­glied­staa­ten vor­se­hen, dass Un­gleich­be­hand­lun­gen we­gen des Al­ters kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung dar­stel­len, so­fern sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen sind und im Rah­men des na­tio­na­len Rechts durch ein

 

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le­gi­ti­mes Ziel, wor­un­ter ins­be­son­de­re rechtmäßige Zie­le aus den Be­rei­chen Beschäfti­gungs­po­li­tik, Ar­beits­markt und be­ruf­li­che Bil­dung zu ver­ste­hen sind, ge­recht­fer­tigt sind und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind.

Der Eu­ropäische Ge­richts­hof ( Ur­teil vom 16.10.2007, a.a.O. Rn. 64) hat dar­auf ab­ge­stellt, dass ei­ne mit Hil­fe von ta­rif­li­chen Al­ters­gren­zen ver­folg­te Beschäfti­gungsförde­rung ein im All­ge­mein­wohl ste­hen­des Ziel sei, dass in Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie aus­drück­lich ge­nannt wer­de. Da­bei müsse die na­tio­na­le Be­stim­mung nicht das an­ge­streb­te zulässi­ge Re­ge­lungs­ziel ge­nau an­ge­ben. Es müsse nur fest­stell­bar sein, dass die Re­ge­lung ein le­gi­ti­mes Ziel i. S. von Ar­ti­kel 6 der Richt­li­nie 2000/78/EG ver­fol­ge. Für die dem Rechts­streit zu Grun­de lie­gen­de – spa­ni­sche – Ge­set­zes­re­ge­lung hat der EUGH dar­auf ab­ge­stellt, dass sie dar­auf ab­zie­le, den na­tio­na­len Ar­beits­markt zu re­gu­lie­ren, um u. a. die Ar­beits­lo­sig­keit – durch die Förde­rung von Ein­stel­lun­gen – ein­zudämmen. Le­gi­ti­me Ziel können da­her nur sol­che Zie­le sein, die ei­ne ge­setz­li­che An­er­ken­nung er­fah­ren ha­ben. Dem­ent­spre­chend wer­den als le­gi­ti­me Zie­le auch Fra­gen der Beschäfti­gungs­po­li­tik, der Ar­beits­markt­po­li­tik und der be­ruf­li­chen Bil­dung, wie in Art. 6.1 der Richt­li­nie bei­spiel­haft ge­nannt, als aus­rei­chend an­ge­se­hen. Die­se müssen nicht aus­drück­lich in ge­setz­li­chen Vor­ga­ben ent­hal­ten sein, son­dern abs­trakt als mögli­ches Ziel auch nur des Ar­beit­ge­bers auf­geführt wer­den. Ar­ti­kel 6 Abs. 1 er­laubt ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung nach dem Al­ter, wenn sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen ist und im Rah­men des na­tio­na­len Rechts durch ein sol­ches le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt ist. Außer­dem muss sie im Ein­zel­fall ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen sein. Das be­deu­tet, dass der In­halt des Eu­ropäischen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes zu­min­dest für Fälle der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung letz­lich doch durch die Richt­li­nie 2000/78/EG be­stimmt wird.

cc)
Der 1. Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts ( Be­schluss vom 02.10.2007, 1 AZN 793/06, zit. nach Ju­ris, Rn. 16) hat fest­ge­stellt, dass Höchst­be­trags­klau­seln in So­zi­alplänen kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung dar­stel­len und im Übri­gen bei ei­nem mögli­chen Ver­s­toß ge­gen das Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung zulässig sei­en. Das sei vor Ab­lauf der Um­set­zungs­frist der Richt­li­nie 2000/78/EG nicht an­ders zu be­ur­tei­len als da­nach. Vom 2. Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts wur­de mit der Ent­schei­dung vom 19.6.2007 – 2 AZR 304/06, NZA 2008, 103/107 = Rn. 44 im Rah­men der Prüfung ei­ner Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung bei ei­ner Grup­pen­bil­dung im Rah­men des § 1 Abs. 3 Abs. 5 KSchG die Er­hal­tung der Al­ters­struk­tur im Be­trieb als le­gi­ti­mes Ziel an­er­kannt, wel­ches auch ei­nem Eu­ropäischen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ge­recht würde. All­ge­mein­wohl­in­ter­es­sen wer­den nicht ver­langt. Mit Vor­la­ge­be­schluss vom 27.06.2006 hat der 3. Se­nat (3 AZR 352/05 (A), AP Nr. 6 zu § 1 b Be­trAVG)

 

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dem EUGH die Fra­ge vor­ge­legt, wel­chen An­wen­dungs­be­reich der Eu­ropäische Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ha­be und wel­chen An­for­de­run­gen ei­ne Recht­fer­ti­gung ei­ner evtl. Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung un­ter­lie­ge.

dd)
Ge­mes­sen an den vom Eu­ropäischen Ge­richts­hof ge­setz­ten Maßstäben verstößt die Dif­fe­ren­zie­rung der Be­klag­ten nicht ge­gen ei­nen Eu­ropäischen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz. Da­her kann of­fen blei­ben, ob und mit wel­chem An­wen­dungs­be­reich und In­halt ein sol­cher an­zu­er­ken­nen ist.

(1)
Die von der Be­klag­ten vor­ge­nom­me­ne Grup­pen­bil­dung ist nicht zu be­an­stan­den. Der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ge­bie­tet dem Ar­beit­ge­ber, sei­ne Ar­beit­neh­mer oder Grup­pen von Ar­beit­neh­mern, die sich in ver­gleich­ba­rer La­ge be­fin­den, bei An­wen­dung ei­ner selbst ge­ge­be­nen Re­ge­lung gleich zu be­han­deln (BAG vom 14.03.2007 – 5 AZR 420/06, AP Nr. 204 zu § 242 Gleich­be­hand­lung = EzA § 242 BGB 2002 Gleich­be­hand­lung Nr. 12, Rn. 19). Die Be­klag­te un­ter­schei­det in An­leh­nung an ren­ten­recht­li­che Al­ters­gren­zen zwi­schen Ar­beit­neh­mern, die vor 1952 ge­bo­ren sind und sol­chen, die 1952 oder später ge­bo­ren sind. Auf sub­jek­ti­ve Kom­po­nen­ten kommt es bei der Grup­pen­bil­dung nicht an.

(2)
Auch im An­wen­dungs­be­reich ei­nes eu­ropäischen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes ist die vor­lie­gen­de Dif­fe­ren­zie­rung durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt und ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen. Da­bei ist nicht auf den von der Be­klag­ten an­ge­streb­ten Per­so­nal­ab­bau ab­zu­stel­len, son­dern auf die gewähl­ten Mit­tel des Per­so­nal­ab­baus, nämlich Auf­he­bungs­verträge mit Tur­bo-Ab­fin­dung ei­ner­seits und An­ge­bot von Al­ters­teil­zeit­verträgen an­de­rer­seits. Der Per­so­nal­ab­bau ist nicht das Dif­fe­ren­zie­rungs­kri­te­ri­um, weil von ihm bei­de Ar­beit­neh­mer­grup­pen be­trof­fen sind. Dif­fen­zie­rungs­kri­te­ri­um ist viel­mehr die ge­setz­li­che und ta­rif­li­che Möglich­keit, Al­ters­teil­zeit mit an­sch­ließen­der Al­ters­ren­te in An­spruch neh­men zu können, al­so ei­ne an­der­wei­ti­ge Ab­si­che­rung der Ar­beit­neh­mer als durch Ab­fin­dungs­zah­lung.

Ein le­gi­ti­mes Ziel liegt vor, denn § 1 Abs. 1 Al­ters­teil­zeit­ge­setz (ATG) nennt als Ziel der Al­ters­teil­zeit aus­drück­lich den glei­ten­den Über­gang vom Er­werbs­le­ben in die Al­ters­ren­te. Das ist ein vom Ge­setz­ge­ber ver­folg­tes Ziel. So­weit Al­ters­teil­zeit als Mit­tel des Per­so­nal­ab­bau­es ge­nutzt wird, hat dies Kon­se­quen­zen für die Leis­tungs­er­stat­tung an den Ar­beit­ge­ber nach §§ 4, 5 ATG. Sie ändert an dem in § 1 Abs. 1 Al­ters­teil­zeit­ge­setz for­mu­lier­ten

 

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Ziel aber nichts. Es ist da­her durch­aus vernünf­tig und an­ge­mes­sen, wenn die Be­klag­te zwi­schen Ar­beit­neh­mern, die die Möglich­keit ha­ben, ei­ne vor­ge­zo­ge­ne Al­ters­ren­te über Al­ters­teil­zeit in An­spruch zu neh­men und sol­chen, die die­se Möglich­keit nicht ha­ben, dif­fe­ren­ziert. Der Um­stand, dass der Kläger selbst im Jah­re 2006 noch nicht die Al­ters­teil­zeit mit der Fol­ge der Al­ters­ren­te in An­spruch neh­men konn­te, steht dem nicht ent­ge­gen. Der Ge­setz­ge­ber hat mit dem Stich­tag „1.Ja­nu­ar 1952“ die Ar­beit­neh­mer­grup­pen selbst „vor­ge­ge­ben“. Nach § 237 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI ha­ben ver­si­cher­te Ar­beit­neh­mer An­spruch auf Al­ters­ren­te nach Al­ters­teil­zeit, wenn sie vor dem 1. Ja­nu­ar 1952 ge­bo­ren sind. Jünge­re Ar­beit­neh­mer ha­ben die­se Möglich­keit al­so aus­drück­lich nicht. Nach § 237 Abs. 3 SGB VI wird die Al­ters­gren­ze von 60 Jah­ren für Ar­beit­neh­mer, die nach dem 31. De­zem­ber 1936 ge­bo­ren sind, wie­der­um schritt­wei­se an­ge­ho­ben. Dass mit zu­neh­men­dem Zeit­ab­lauf für be­stimm­te Jahrgänge, die älter als 1952 ge­bo­ren sind, ei­ne (frühzei­ti­ge) Al­ters­ren­te nicht mehr in Be­tracht kommt, liegt in der Na­tur der Sa­che. Für den Kläger be­stand die Möglich­keit der In­an­spruch­nah­me von Al­ters­teil­zeit. Ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung beim Per­so­nal­ab­bau zwi­schen Ar­beit­neh­mern, die die Möglich­keit der In­an­spruch­nah­me von Al­ters­teil­zeit ha­ben und an­de­ren, ist we­der un­vernünf­tig noch un­an­ge­mes­sen und ent­spricht für die Grup­pe die­ser älte­ren Ar­beit­neh­mer auch dem Ziel des § 1 Abs. 1 Al­ters­teil­zeit­ge­setz. Dem­ent­spre­chend wur­den bei­spiels­wei­se auch Al­ters­gren­zen für die Ein­stel­lung von Be­am­ten und zu be­am­tenähn­li­chen Be­din­gun­gen für ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen ge­hal­ten (vgl. BAG vom 11.4.2006 – 9 AZR 528/05, NZA 2006, S. 1217 Rn. 34 bis Rn. 40; OVG Müns­ter vom 18.7.2007 – 6 A 2170/05, zit. n. ju­ris Rn. 54 ff. zu § 10 AGG).

Die Maßnah­me ist auch im Ein­zel­fall für den Kläger ob­jek­tiv und nicht un­an­ge­mes­sen, weil er ei­ne ent­spre­chen­de fi­nan­zi­el­le Ab­si­che­rung hat. Der Kläger ist we­der ver­pflich­tet, aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­zu­schei­den noch in Al­ters­teil­zeit zu ge­hen.

d)
Die Dif­fe­ren­zie­rung wäre auch im Rah­men des all­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes ge­recht­fer­tigt. Die­ser ist ein­schlägig, wenn zwi­schen Ar­beit­neh­mern ei­ner be­stimm­ten Ord­nung sach­fremd dif­fe­ren­ziert wird. Das­sel­be gilt, wenn die Ver­gleichs­grup­pen nach sach­frem­den Kri­te­ri­en ge­bil­det wer­den (BAG vom 14.06.2006 und 31.08.2005). Hier gilt letzt­end­lich nichts an­de­res als für die Grup­pen­bil­dung im Rah­men von Al­ters­dis­kri­mi­nie­run­gen im An­wen­dungs­be­reich des AGG oder Eu­ropäischen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes. Der ar­beits­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­grund­satz setzt für die Recht­fer­ti­gung von Un­gleich­be­hand­lun­gen al­ler­dings nur das Vor­lie­gen ei­nes sach­li­chen Grun­des für den vom Ar­beit­ge­ber ver­folg­ten Zweck vor­aus (BAG vom 14.3.2007, a.a.O. Rn. 19 und

 

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18.09.2007, 9 AZR 788/06, AP Nr. 29 zu § 307 BGB = EzA § 282 BGB, 2002 Gleich­be­hand­lung Nr. 15 Rn. 18). Wenn die un­gleich­be­han­deln­de Maßnah­me den An­for­de­run­gen des Eu­ropäischen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes – wie aus­geführt - genügt, weil sie durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt und ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen ist, liegt ein sach­li­cher Grund im Rah­men des ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes oh­ne­hin vor. Wei­te­re Ausführun­gen hier­zu erübri­gen sich dem­ent­spre­chend.

e)
Der Kläger hat auch kei­nen An­spruch auf Gleich­be­hand­lung mit den 24 Ar­beit­neh­mern, die älter als 55 Jah­re alt sind (mit dem Kläger al­so ver­gleich­bar) und die be­gehr­ten Auf­he­bungs­verträge er­hal­ten ha­ben sol­len. Er hat nicht nach­ge­wie­sen, dass die Be­klag­te von ih­rem ei­ge­nen Dif­fe­ren­zie­rungs­sys­tem ab­weicht und Aus­nah­men zulässt. Ver­gleich­bar wären dann in­ner­halb der Grup­pe der vor dem 1952 ge­bo­re­nen Ar­beit­neh­mer die­je­ni­gen, die ein An­got zum Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges mit „Tur­bo-Ab­fin­dung“ , mit de­nen, die Ab­fin­dun­gen in An­leh­nung an die Al­ters­teil­zeit­re­ge­lun­gen er­hal­ten ha­ben. Der Kläger hat ent­spre­chend sei­ner Dar­le­gungs- und Be­weis­last das Vor­lie­gen ei­ner sol­chen Grup­pen­bil­dung nicht zur Über­zeu­gung der Kam­mer vor­ge­tra­gen. Es ist nicht plau­si­bel, dass die in dem Flash-Re­port auf­geführ­ten 24 Ar­beit­neh­mer tatsächlich auch die so­ge­nann­te Tur­bo-Ab­fin­dung er­hal­ten ha­ben. Die Be­klag­te hat den In­halt des Flash-Re­ports erläutert. An­ge­sichts der Tat­sa­che, dass sie un­strei­tig auch dem Kläger ei­ne Ab­fin­dung, wenn auch zu an­de­ren Kon­di­tio­nen, an­ge­bo­ten hat, folgt, dass die Be­klag­te durch­aus auch älte­ren Ar­beit­neh­mern Ab­fin­dun­gen an­bie­tet; die­se al­so in der Sta­tis­tik auch auf­tau­chen können, so­dass das Be­strei­ten der Be­klag­ten auch aus­rei­chend ist. Es hätte nun dem Kläger ob­le­gen, wei­te­re In­di­zi­en dafür vor­zu­tra­gen, aus de­nen zwin­gend ge­schlos­sen wer­den kann, dass sein Vor­brin­gen rich­tig ist. Es gilt der all­ge­mei­ne Grund­satz, dass der An­spruch­stel­ler die Be­weis­last für die rechts­be­gründen­den, der An­spruchs­geg­ner für die rechts­ver­nich­ten­den, rechts­hin­dern­den und rechts­hem­men­den Tat­be­stands­merk­ma­le trägt. Da­mit kor­re­spon­diert die Dar­le­gungs­last des An­spruch­stel­lers (vgl. Gre­ger in Zöller, ZPO, 26. Aufl. Vor 284 Rn. 17 und 18 und § 138 Rn. 8; BGH vom 14.01.1991 II ZR 190/89, NJW 1991 S. 1052/53 Ziff. I 3 der Gründe und BGH vom 28.10.1998 XII ZR 255/96, NJW 99 S. 352/353 Ziff. II 3 b aa der Gründe). Da­nach muss die an­spruch­stel­len­de Par­tei ih­rer Dar­le­gungs­last Genüge ge­tan ha­ben, das heißt die zur Recht­fer­ti­gung ih­res An­tra­ges er­for­der­li­chen Sa­chen vor­ge­tra­gen ha­ben. An­de­ren­falls würde die Erklärungs­pflicht des Geg­ners nach § 138 Abs. 1 ZPO in Aus­for­schung und Um­kehr der Dar­le­gungs- und Be­weis­last aus­ar­ten. Es be­steht kei­ne Ver­pflich­tung, dass Vor­brin­gen des Geg­ners zu ergänzen oder zu erläutern (BGH vom 05.05.193 III ZR 187/81 (KG) NJW

 

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1983 S. 2879 Ziff. I 2 b der Gründe; vom 11.06.1990 II ZR 159/89, NJW 1990 S. 3151 Ziff. III 1 der Gründe;). Auch wenn an die Sub­stan­ti­ie­rungs­last des Dar­le­gungs­pflich­ti­gen kei­ne über­zo­ge­nen An­for­de­run­gen ge­stellt wer­den dürfen, das heißt die­ser nicht ver­pflich­tet ist, den strei­ti­gen Le­bens­vor­gang in al­len Ein­zel­hei­ten dar­zu­stel­len, muss ei­ne ge­wis­se Wahr­schein­lich­keit für den be­haup­te­ten Sach­ver­halt be­ste­hen. Da­zu ist die Wie­der­ga­be der Umstände er­for­der­lich, aus de­nen sich die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen der be­gehr­ten Rechts­fol­ge er­ge­ben (BGH vom 23.04.1991 X ZR 77/89, NJW 1991 S. 2707 Ziff. II 4 b aa der Gründe; vom 18.05.1999 X ZR 158/97, NJW 1999 S. 2887/2888 Ziff. 2 c der Gründe; vom 04.07.2000 VI ZR 236/99 NJW 2000 S. 3285/86). Er­sicht­lich ins Blaue hin­ein auf­ge­stell­te Be­haup­tun­gen, die den Geg­ner le­dig­lich zu ei­ner Preis­ga­be von In­for­ma­tio­nen ver­an­las­sen sol­len, lösen kei­ne Pflicht des Be­klag­ten zu sub­stan­ti­ier­ten Erklärun­gen aus.

Der Kläger hat nicht aus­geführt, war­um es ihm nicht möglich oder zu­mut­bar ist, über die Auf­he­bungs­verträge der mit den von der Be­klag­ten für das Werk A-Stadt be­nann­ten Mit­ar­bei­ter Aus­kunft zu ge­ben, bei­spiels­wei­se durch Kon­takt­auf­nah­me mit die­sen Mit­ar­bei­tern. Auch sind wei­te­re In­di­zi­en, die für sei­ne Ver­mu­tung spre­chen, nicht er­sicht­lich. Die Be­klag­te war dem­nach nicht ver­pflich­tet, wei­te­re De­tails über die­se 24 un­ter­neh­mens­weit ab­ge­schlos­se­nen Auf­he­bungs­verträge of­fen­zu­le­gen.

2.
Der An­trag auf Fest­stel­lung ei­ner künf­ti­gen Scha­dens­er­satz­pflicht ist zwar zulässig, nach­dem der Kläger mögli­che Zinsschäden be­haup­tet. Das be­son­de­re Fest­stel­lungs­in­ter­es­se des § 256 Abs. 1 ZPO muß als Sa­chur­teils­vor­aus­set­zung in je­der La­ge des Ver­fah­rens ge­ge­ben sein. Sein Vor­lie­gen ist von Amts we­gen zu prüfen. Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se zu be­ja­hen, wenn ei­ne ge­wis­se Wahr­schein­lich­keit des Scha­den­s­ein­tritts be­steht (BAG vom 12.12.2003 – 8 AZR 497/01- AP Nr. 25 zu § 611 BGB Haf­tung des Ar­beit­neh­mers; BAG 5. März 1981 - 3 AZR 335/78 - nv., zu 8 a der Gründe; BGH 3. De­zem­ber 1951 - III ZR 119/51 - BGHZ 4, 133; 9. März 1961 - VII ZR 145/50 - NJW 1961, 1165 f.). Da der Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges nicht in Be­tracht kommt, war die­ser An­trag je­doch eben­falls un­be­gründet. Ansprüche aus PVV des Ar­beits­ver­tra­ges be­ste­hen nicht, weil kei­ne Ver­pflich­tung zum An­ge­bot ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges mit sog. „Tur­bo-Ab­fin­dung“ be­stand.

 

- 16 -

III.
We­gen des vollständi­gen Un­ter­lie­gens des Klägers hat die­ser die Kos­ten der Be­ru­fung zu tra­gen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

We­gen der grundsätz­li­chen Be­deu­tung des Rechts­streits zum zeit­li­chen An­wen­dungs­be­reich des AGG war die Re­vi­si­on zu­zu­las­sen (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). Un­abhängig da­von sind auch die An­for­de­run­gen, die an ei­ne Recht­fer­ti­gung ei­ner Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung im Rah­men ei­nes Eu­ropäischen Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes bzw. – im Fal­le der An­wend­bar­keit des AGG – im Rah­men des § 10 AGG be­ste­hen, von grundsätz­li­cher Be­deu­tung.


Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil fin­det, wie sich aus der Ur­teils­for­mel er­gibt, die Re­vi­si­on statt.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils, die Re­vi­si­ons­be­gründung in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils bei dem Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­hen.

Die An­schrift des Bun­des­ar­beits­ge­richts lau­tet:

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Te­le­fax-Nr.: (0361) 26 36 – 20 00

Die Re­vi­si­ons- und die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift müssen von ei­nem Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

Die Re­vi­si­ons­schrift, die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift und die sons­ti­gen wech­sel­sei­ti­gen Schriftsätze im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren sol­len 7-fach – für je­den wei­te­ren Be­tei­lig­ten ein Ex­em­plar mehr – ein­ge­reicht wer­den

 

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