HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 10.04.2008, 5 Sa 1836/07

   
Schlagworte: Diskriminierung: Religion, Kopftuch
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Aktenzeichen: 5 Sa 1836/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 10.04.2008
   
Leitsätze:

1. § 57 Abs. 4 Satz 1 SchG NW ist Ausdruck des staatlichen Neutralitätsgebots. Das in § 57 Abs. 4 Satz 1 SchG NW statuierte Bekundungsverbot knüpft an einen abstrakten Gefährdungstatbestand an. Es will abstrakten Gefahren vorbeugen, um damit sicherzustellen, dass konkrete Gefahren für die Neutralität der Schule unterbunden werden. Trägt eine Sozialpädagogin anstelle des zuvor getragenen islamischen Kopftuchs eine Baskenmütze, die das Haar, den Haaransatz und die Ohren komplett verdeckt, verstößt sie damit gegen das staatliche Neutralitätsgebot des § 57 Abs. 4 Satz 1 SchG NW und kann deswegen abgemahnt werden.

2. § 57 SchG NW ist mit dem Grundgesetz vereinbar und verstößt insbesondere nicht gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG und die in Art. 4 GG beschriebene Religionsfreiheit.

3. § 57 Abs. 4 SchG NW steht auch in Einklang mit Art. 9 EMRK.

4. Das Verbot, dauerhaft eine Baskenmütze zu tragen, stellt keine Benachteiligung im Sinne der §§ 1, 3 AGG dar; jedenfalls ist eine derartige Benachteiligung gemäß § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 29.06.2007, 12 Ca 175/07
   

5 Sa 1836/07

12 Ca 175/07
Ar­beits­ge­richt Düssel­dorf 

Verkündet

am 10. April 2008

gez.: Lind­ner Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT DÜSSEL­DORF

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

der Frau B. B.-N., T. Straße 171, L.,

- Kläge­rin und Be­ru­fungskläge­rin -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: Rechts­se­kretär E. C.,
DGB Rechts­schutz GmbH, G.-F.-Str. 34 - 38, E.,

g e g e n

das Land Nord­rhein-West­fa­len, ver­tre­ten durch die Be­zirks­re­gie­rung Düssel­dorf, Ce­ci­li­en­al­lee 2, 40474 Düssel­dorf,

- Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter: Rechts­an­walt N. F. T.,
X. str. 25, E.,

hat die 5. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 10.04.2008
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Gött­ling als Vor­sit­zen­den so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Nie­haus und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Pley

für R e c h t er­kannt:

1) Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 29.06.2007 - 12 Ca 175/07 - wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

2) Die Re­vi­si­on wird für die Kläge­rin zu­ge­las­sen.

 

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T A T B E S T A N D :

Die Par­tei­en strei­ten über die Rechts­wirk­sam­keit ei­ner Ab­mah­nung.

Die am 14.05.1971 ge­bo­re­ne Kläge­rin ist aus­ge­bil­de­te So­zi­alpädago­gin und seit dem 07.10.1997 bei dem be­klag­ten Land beschäftigt. Sie wird der­zeit mit Auf­ga­ben aus dem so­zi­al­be­treue­ri­schen Be­reich zur Sch­lich­tung von Schul­kon­flik­ten an der E.-For­te-Ge­samt­schu­le in E. be­traut. Da­bei kommt sie mit Schülern un­ter­schied­li­cher Na­tio­na­litäten und re­li­giöser Zu­gehörig­kei­ten in Kon­takt. Das Brut­to­mo­nats­ge­halt der Kläge­rin beträgt bei ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 38,5 St­un­den 2.800,-- €.

Seit dem 01.08.2006 fin­den in Nord­rhein-West­fa­len neue Re­ge­lun­gen des Schul­ge­set­zes NRW (SchG NRW) An­wen­dung, die das Ver­hal­ten der Leh­rer in der Schu­le be­tref­fen.

§ 57 Abs. 4 SchG NRW lau­tet:

Leh­re­rin­nen und Leh­rer dürfen in der Schu­le kei­ne po­li­ti­schen, re­li­giösen, welt­an­schau­li­chen oder ähn­li­che äußere Be­kun­dun­gen ab­ge­ben, die ge­eig­net sind, die Neu­tra­lität des Lan­des ge­genüber Schüle­rin­nen und Schülern so­wie El­tern oder den po­li­ti­schen, re­li­giösen, welt­an­schau­li­chen Schul­frie­den zu gefähr­den oder zu stören. Ins­be­son­de­re ist ein äußeres Ver­hal­ten un­zulässig, wel­ches bei Schüle­rin­nen und Schülern oder den El­tern den Ein­druck her­vor­ru­fen kann, dass ei­ne Leh­re­rin oder ein Leh­rer ge­gen die Men­schenwürde, die Gleich­be­rech­ti­gung nach Ar­ti­kel 3 des Grund­ge­set­zes, die Frei­heits­grund­rech­te oder die frei­heit­lich-de­mo­kra­ti­sche Grund­ord­nung auf­tritt. Die Wahr­neh­mung des Er­zie­hungs­auf­trags nach Ar­ti­kel 7 und 12 Abs. 6 der Ver­fas­sung des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len und die ent­spre­chen­de Dar­stel­lung christ­li­cher und abendländi­scher Bil­dungs- und Kul­tur­wer­te oder Tra­di­tio­nen wi­der­spricht nicht dem Ver­hal­tens­ge­bot nach Satz 1. Das Neu­tra­litäts­ge­bot des Sat­zes 1 gilt nicht im Re­li­gi­ons­un­ter­richt und in den Be­kennt­nis- und Welt­an­schau­ungs­schu­len.

 

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Darüber hin­aus fin­det sich im Schul­ge­setz NRW noch die nach­fol­gen­de Be­stim­mung:

§ 58
Pädago­gi­sches und so­zi­alpädago­gi­sches Per­so­nal

Sons­ti­ge im Lan­des­dienst ste­hen­de pädago­gi­sche und so­zi­alpädago­gi­sche Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter wir­ken bei der Bil­dungs- und Er­zie­hungs­ar­beit mit. § 57 Abs. 4 und 6 gilt ent­spre­chend.

Nach In­kraft­tre­ten der ge­setz­li­chen Neu­re­ge­lung for­der­te das be­klag­te Land die Kläge­rin mit Schrei­ben vom 09.08.2006 auf, das is­la­mi­sche Kopf­tuch, das die Kläge­rin 18 Jah­re – auch in der Schu­le – ge­tra­gen hat­te, ab­zu­neh­men. Die­ser Auf­for­de­rung kam die Kläge­rin am 25.09.2006 nach, er­setz­te aber das Kopf­tuch durch ei­ne Bas­kenmütze mit Strick­bund, die ihr Haar, den Haar­an­satz und die Oh­ren kom­plett be­deckt.

In ei­nem Per­so­nal­gespräch am 07.11.2006 erklärte die Kläge­rin ge­genüber ih­rer Schul­lei­te­rin, dass sie das Kopf­tuch in der Ver­gan­gen­heit stets aus re­li­giösen Gründen ge­tra­gen hätte. Ent­spre­chen­de Nach­fra­gen zum Mo­tiv für das Tra­gen der Bas­kenmütze blie­ben in die­sem Gespräch un­be­ant­wor­tet.

Mit Schrei­ben vom 19.12.2006 er­teil­te das be­klag­te Land der Kläge­rin ei­ne Ab­mah­nung und droh­te ihr für den Fall un­veränder­ten Ver­hal­tens ei­ne Kündi­gung an.

Mit ih­rer am 08.01.2007 beim Ar­beits­ge­richt Düssel­dorf anhängig ge­mach­ten Kla­ge hat die Kläge­rin die Ent­fer­nung der Ab­mah­nung aus ih­rer Per­so­nal­ak­te be­gehrt.

Sie hat zunächst die Rechts­auf­fas­sung ver­tre­ten, dass § 57 Abs. 4 SchG NRW nicht ein­schlägig wäre, weil die Vor­schrift aus­sch­ließlich Leh­re­rin­nen und Leh­rer, nicht aber an­de­re, be­treue­risch wir­ken­de Mit­ar­bei­ter beträfe. Hin­zu kom­me, dass das Tra­gen ei­nes Kopf­tu­ches in der ge­nann­ten Vor­schrift nicht erwähnt

 

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wer­de und auch des­halb ge­genüber der Kläge­rin nicht zur An­wen­dung kom­men könne.

Die Kläge­rin hat wei­ter dar­auf ver­wie­sen, dass die Bas­kenmütze von ihr nicht aus re­li­giösen Gründen ge­tra­gen wer­de; es han­de­le sich viel­mehr um ei­nen mo­di­schen Kopf­schmuck, der welt­an­schau­lich neu­tral wäre und in ers­ter Li­nie da­zu die­ne, dem Gefühl des Nicht­an­ge­zo­gen­seins zu be­geg­nen.

Die Kläge­rin hat schließlich ge­meint, dass die Ab­mah­nung des be­klag­ten Lan­des ihr all­ge­mei­nes, grund­recht­lich geschütz­tes Persönlich­keits­recht ver­let­ze, zu­mal ei­ne kon­kre­te Gefähr­dung von ihr oder ih­rer Bas­kenmütze nicht aus­ge­he.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

das be­klag­te Land zu ver­ur­tei­len, die ihr mit Schrei­ben vom 19.12.2006 er­teil­te Ab­mah­nung aus ih­rer Per­so­nal­ak­te zu ent­fer­nen.

Das be­klag­te Land hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Das be­klag­te Land hat sich zur Recht­fer­ti­gung sei­ner Ab­mah­nung auf § 58 SchG NRW be­ru­fen und die Rechts­auf­fas­sung ver­tre­ten, dass auch die Kläge­rin hier­nach an das Ver­bot des § 57 Abs. 4 SchG NRW ge­bun­den wäre.

Das be­klag­te Land hat in der Bas­kenmütze ein Sur­ro­gat für das vor­her aus re­li­giösen Gründen ge­tra­ge­ne Kopf­tuch ge­se­hen. Es hat hier­zu vor al­lem dar­auf ver­wie­sen, dass die Kläge­rin zeit­lich lücken­los das is­la­mi­sche Kopf­tuch durch die äußerst auffälli­ge Bas­kenmütze er­setzt hätte, de­ren verhüllen­de Wir­kung mit der des Kopf­tu­ches iden­tisch sei.

 

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Das be­klag­te Land hat ge­meint, dass die Kläge­rin durch das Tra­gen der Bas­kenmütze auch die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des § 57 Abs. 4 SchG NRW erfülle. Da­bei kom­me es letzt­lich nicht dar­auf an, wie das Tra­gen der Mütze – sub­jek­tiv – mo­ti­viert sei. Ent­schei­dend müsse viel­mehr auf die abs­trak­te Eig­nung zur Gefähr­dung des Schul­frie­dens ab­ge­stellt wer­den; hier­bei kom­me es auf den ob­jek­ti­ven Empfänger­ho­ri­zont an.

Im Hin­blick auf das zwi­schen den Par­tei­en dis­ku­tier­te Tra­gen des Non­nen­ha­b­its durch zwei Lehr­kräfte in Müns­ter und Pa­der­born hat das be­klag­te Land ein Voll­zugs­de­fi­zit und das Vor­lie­gen ei­ner mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung ver­neint. Selbst für den Fall ei­ner – un­ter­stell­ten – Un­gleich­be­hand­lung müsse je­den­falls von ei­nem sach­li­chen und da­mit recht­fer­ti­gen­den Grund aus­ge­gan­gen wer­den, der sich aus der Art der Leh­rertätig­keit ergäbe.

Mit Ur­teil vom 29.06.2007 hat die 12. Kam­mer des Ar­beits­ge­richts Düssel­dorf – 12 Ca 175/07 – die Kla­ge ab­ge­wie­sen. In den Ent­schei­dungs­gründen, auf die im Übri­gen Be­zug ge­nom­men wird, hat das Ar­beits­ge­richt aus­geführt, dass die Ab­mah­nung des be­klag­ten Lan­des ge­recht­fer­tigt sei und des­halb nicht aus der Per­so­nal­ak­te ent­fernt wer­den müss­te. Das Tra­gen der Bas­kenmütze stel­le viel­mehr ei­nen Ver­s­toß ge­gen § 57 Abs. 4 Satz 1 SchG NRW dar, weil die Kläge­rin be­reits ge­gen das Ver­bot der re­li­giösen Be­kun­dung im Sin­ne der ge­nann­ten Norm ver­stieße.

Die Bas­kenmütze stel­le nämlich zwei­fels­frei ein Sur­ro­gat für das bis­her von der Kläge­rin ge­tra­ge­ne Kopf­tuch dar und sei da­mit in­so­weit ge­eig­net, die Neu­tra­lität des be­klag­ten Lan­des ge­genüber Schüle­rin­nen und Schülern so­wie El­tern oder den re­li­giösen Schul­frie­den zu stören. Hier­zu rei­che ei­ne abs­trak­te Gefähr­dung aus, die vor­lie­gend zu be­ja­hen sei.

Das Ar­beits­ge­richt hat wei­ter aus­geführt, § 57 Abs. 4 Satz 1 SchG NRW ver­s­toße auch nicht ge­gen höher­ran­gi­ges Recht wie et­wa Art. 3 und 4 GG und ste­he zu­dem in Ein­klang mit Ar­ti­kel 9 der Eu­ropäischen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on (EM­RK). Ein Voll­zugs­de­fi­zit hat das Ar­beits­ge­richt eben­falls ver­eint und

 

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hin­sicht­lich des Tra­gens des Non­nen­ha­b­its auf be­ste­hen­de Son­der­si­tua­tio­nen ver­wie­sen.

Die Kläge­rin hat ge­gen das ihr am 27.09.2007 zu­ge­stell­te Ur­teil mit ei­nem am 26.10.2007 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se mit ei­nem am 27.11.2007 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet.

Sie wie­der­holt im We­sent­li­chen ih­ren Sach­vor­trag aus dem ers­ten Rechts­zug und ver­weist er­neut dar­auf, dass sie die Bas­kenmütze al­lein aus mo­di­schen Gründen tra­ge. Darüber hin­aus han­de­le es sich mitt­ler­wei­le und in ers­ter Li­nie um ei­ne Fra­ge der Ge­wohn­heit vor dem bio­gra­fi­schen Hin­ter­grund der Kläge­rin, nach­dem die­se fast zwei Jahr­zehn­te ei­ne Kopf­be­de­ckung ge­tra­gen hätte.

Die Kläge­rin ver­tritt da­nach ins­ge­samt die Auf­fas­sung, dass die Bas­kenmütze welt­an­schau­lich neu­tral sei und ge­ra­de kein Sur­ro­gat für das Kopf­tuch dar­stel­le. Sie meint zu­dem, dass an­ge­sichts ständig wech­seln­der Schüler­schaf­ten auch kei­ne abs­trak­te Gefähr­dung des Schul­frie­dens oder an­de­rer recht­lich geschütz­ter Güter zu be­sor­gen sei.

Die Kläge­rin be­zieht sich schließlich auf ein zu den Ak­ten ge­reich­tes Gut­ach­ten von Herrn Prof. Dr. X. (Bl. 198 bis 241 d. A.) und ver­tritt die Rechts­auf­fas­sung, dass die Re­ge­lung in § 57 Abs. 4 SchG NRW grund­ge­setz- und eu­ro­pa­rechts­wid­rig wäre.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 29.06.2007 – 12 Ca 175/07 – auf­zu­he­ben und den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, die der Kläge­rin mit Schrei­ben vom 19.12.2006 er­teil­te Ab­mah­nung aus der Per­so­nal­ak­te zu ent­fer­nen.

 

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Das be­klag­te Land be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Das be­klag­te Land ver­tei­digt das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil und wie­der­holt eben­falls sei­nen Sach­vor­trag aus der In­stanz.

Das be­klag­te Land un­ter­streicht da­bei er­neut sei­ne Auf­fas­sung, wo­nach durch das Tra­gen der Bas­kenmütze zeit­lich lücken­los nach dem Tra­gen des is­la­mi­schen Kopf­tu­ches der re­li­giöse Cha­rak­ter der Kopf­be­de­ckung be­tont wer­de. Der Bas­kenmütze kom­me dem­gemäß der in § 57 Abs. 4 Satz 1 SchG NRW an­ge­spro­che­ne Be­kun­dungs­cha­rak­ter zu.

Das be­klag­te Land meint schließlich, dass § 57 Abs. 4 SchG NRW auch nicht ge­gen höher­ran­gi­ges Recht ver­s­toße und ver­weist hier­zu auf die ein­schlägi­ge Recht­spre­chung der Ver­wal­tungs­ge­rich­te und des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt der zu den Ak­ten ge­reich­ten Ur­kun­den und der zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze ver­wie­sen.

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :

I.

Die Be­ru­fung ist zulässig.

Sie ist nämlich an sich statt­haft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Be-schwer­de­ge­gen­stan­des zulässig (§ 64 Abs. 2 Zif­fer b ArbGG) so­wie form- und

 

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frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

In der Sa­che selbst hat­te das Rechts­mit­tel kei­nen Er­folg.

Die Kläge­rin hat ge­gen das be­klag­te Land we­der aus §§ 1004, 242 BGB noch aus an­de­ren Rechts­gründen An­spruch auf Ent­fer­nung der Ab­mah­nung aus ih­rer Per­so­nal­ak­te.

1. Das be­klag­te Land hat der Kläge­rin zu Recht die in Streit ste­hen­de Ab­mah­nung aus­ge­spro­chen.

1.1 Mit ei­ner Ab­mah­nung übt ein Ar­beit­ge­ber sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Gläubi­ger­rech­te aus. Er weist den Ar­beit­neh­mer als sei­nen Schuld­ner auf des­sen ver­trag­li­che Pflich­ten hin und macht ihn auf die Ver­let­zung die­ser Pflich­ten auf­merk­sam (Rüge- und Do­ku­men­ta­ti­ons­funk­ti­on). Zu­gleich for­dert er ihn für die Zu­kunft zu ei­nem ver­trags­treu­en Ver­hal­ten auf und kündigt, weil ihm dies an­ge­bracht er­scheint, in­di­vi­du­al­recht­li­che Kon­se­quen­zen für den Fall ei­ner er­neu­ten Pflicht­ver­let­zung an (Warn­funk­ti­on). Da ei­ne zur Per­so­nal­ak­te ge­nom­me­ne Ab­mah­nung ge­eig­net ist, den Ar­beit­neh­mer in sei­nem be­ruf­li­chen Fort­kom­men und sei­nem Persönlich­keits­recht zu be­ein­träch­ti­gen, darf ein verständi­ger Ar­beit­ge­ber nicht oh­ne aus­rei­chen­den An­lass ei­ne Ab­mah­nung er­tei­len und sie nur für ei­nen an­ge­mes­se­nen Zeit­raum auf­be­wah­ren. Der be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer kann da­her in ent­spre­chen­der An­wen­dung der §§ 242, 1004 BGB die Ent­fer­nung ei­ner zu Un­recht er­teil­ten Ab­mah­nung aus sei­nen Per­so­nal­un­ter­la­gen ver­lan­gen, wenn das be­rech­tig­te In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an der Ausübung sei­nes Gläubi­ger­rechts fehlt. Ein Ar­beit­neh­mer kann folg­lich die Be­sei­ti­gung die­ser Be­ein­träch­ti­gung ver­lan­gen, wenn die Ab­mah­nung for­mell nicht ord­nungs­gemäß zu­stan­de ge­kom­men ist, sie un­rich­ti­ge Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen enthält, sie den Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit ver­letzt oder kein schutzwürdi­ges In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers am Ver­bleib der Ab­mah­nung in der

 

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Per­so­nal­ak­te mehr be­steht. So­weit dem Ar­beit­neh­mer ei­ne Ver­let­zung sei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten vor­ge­wor­fen wird, kommt es nicht dar­auf an, ob die­ser Pflich­ten­ver­s­toß dem Ar­beit­neh­mer sub­jek­tiv vor­werf­bar ist. Es reicht viel­mehr aus, wenn der Ar­beit­ge­ber ei­nen ob­jek­ti­ven Ver­s­toß des Ar­beit­neh­mers ge­gen die ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten rügt. Ei­ne sol­che Rüge ist nicht nur un­ge­recht­fer­tigt, wenn sie un­rich­ti­ge Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen enthält, son­dern auch dann, wenn sie auf ei­ner un­zu­tref­fen­den recht­li­chen Be­wer­tung des Ver­hal­tens des Ar­beit­neh­mers be­ruht (BAG 11.12.2001 – 9 AZR 464/00 – AP Nr. 8 zu § 611 BGB Ne­bentätig­keit; BAG 30.05.1996 – 6 AZR 537/95 – AP Nr. 2 zu § 611 BGB Ne­bentätig­keit).

1.2 Hier­nach be­steht kein An­spruch auf Ent­fer­nung der Ab­mah­nung vom 19.12.2006 aus der Per­so­nal­ak­te, weil die Ab­mah­nung we­der un­rich­ti­ge Tat­sa­chen­be­haup­tun­gen enthält noch auf ei­ner un­zu­tref­fen­den recht­li­chen Be­wer­tung des Ver­hal­tens der Kläge­rin be­ruht. Ins­be­son­de­re kann sich das be­klag­te Land zur Recht­fer­ti­gung der Ab­mah­nung auf § 57 Abs. 4 SchG NRW be­ru­fen, der das vom be­klag­ten Land gerügte Tra­gen der Bas­kenmütze durch die Kläge­rin ver­bie­tet.

2. § 57 Abs. 4 SchG NRW ist auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en an­wend­bar. Nach § 58 SchG NRW wir­ken im Lan­des­dienst ste­hen­de pädago­gi­sche und so­zi­alpädago­gi­sche Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter bei der Bil­dungs-und Er­zie­hungs­ar­beit mit. § 58 Satz 2 SchG NRW hält darüber hin­aus aus­drück­lich fest, dass § 57 Abs. 4 und 6 SchG NRW ent­spre­chend gel­ten sol­len. Die Kläge­rin ist als ge­lern­te So­zi­alpädago­gin im Schul­dienst des be­klag­ten Lan­des ein­ge­setzt und nimmt dort so­zi­alpädago­gi­sche Be­treu­ungstätig­kei­ten wahr. Sie gehört da­mit zwei­fels­oh­ne zu dem in § 58 SchG NRW ge­nann­ten Per­so­nal und ist dem­gemäß ver­pflich­tet, ihr Ver­hal­ten an den Vor­ga­ben des § 57 Abs. 4 SchG NRW aus­zu­rich­ten.

3. § 57 Abs. 4 SchG NRW und ins­be­son­de­re § 57 Abs. 4 Satz 1 SchG NRW sind – ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin – mit höher­ran­gi­gem Recht ver­ein­bar. Die vor­be­zeich­ne­ten Nor­men ver­s­toßen ins­be­son­de­re nicht ge­gen

 

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Grund­rech­te der Kläge­rin aus dem Grund­ge­setz und auch nicht ge­gen eu­ropäisches Recht.

3.1 So­weit man in § 57 Abs. 4 SchG NRW ein Ver­bot für das Tra­gen des is­la­mi­schen Kopf­tu­ches in der Schu­le sieht und so­weit sich die­ses Ver­bot auch auf das Tra­gen ei­ner Bas­kenmütze durch die Kläge­rin be­zieht (sie­he hier­zu un­ten Zif­fer 6 bis 8), verstößt § 57 Abs. 4 Satz 1 SchG NRW nicht ge­gen Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.

3.1.1 Die er­ken­nen­de Be­ru­fungs­kam­mer folgt zunächst den grundsätz­li­chen Erwägun­gen des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts im so ge­nann­ten Kopf­tuch­fall (BVerfG, Ur­teil vom 24.09.2003 – 2 BvR 1436/02 – NJW 2003, 3111). Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat in die­ser Ent­schei­dung zu den grundsätz­li­chen An­for­de­run­gen an das Ver­bot ei­nes Kopf­tuch­t­ra­gens im Schul­un­ter­richt Stel­lung ge­nom­men und da­bei zunächst fest­ge­stellt, dass das Tra­gen ei­nes Kopf­tuchs auch in der Schu­le re­gelmäßig un­ter den Schutz­be­reich der in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verbürg­ten Glau­bens­frei­heit fällt. Das – is­la­mi­sche – Kopf­tuch stellt ein Sym­bol für ei­ne be­stimm­te re­li­giöse Über­zeu­gung dar. We­gen der Be­deu­tung, die Mus­li­me dem Kopf­tuch bei­le­gen, gilt es als Sinn­bild ei­ner be­stimm­ten Glau­bensüber­zeu­gung, als Aus­druck des Be­kennt­nis­ses der Träge­rin zum is­la­mi­schen Glau­ben und da­mit als sicht­ba­res Zei­chen für die Ausübung ih­rer Re­li­gi­on. Da­bei kann nach Mei­nung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG 10.12.2002 – 2 AZR 472/01 – AP Nr. 44 zu § 1 KSchG 1969 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung) da­hin­ste­hen, ob das Kopf­tuch­t­ra­gen Aus­druck ei­nes zwin­gen­den re­li­giösen Ge­bots des Ko­rans ist, was un­ter den is­la­mi­schen Au­to­ritäten um­strit­ten ist. Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG gewähr­leis­tet nämlich als Grund­recht nicht nur die persönli­che Frei­heit, nach Maßga­be ei­ner au­to­ri­ta­ti­ven oder all­ge­mein an­er­kann­ten Leh­re ei­ner Re­li­gi­ons­ge­mein­schaft zu le­ben, son­dern auch die in­di­vi­du­el­le Re­li­gi­ons­frei­heit als Recht des Ein­zel­nen, sein ge­sam­tes Ver­hal­ten an den Leh­ren sei­nes Glau­bens aus­zu­rich­ten und sei­ner in­ne­ren Glau­bensüber­zeu­gung gemäß zu han­deln. Ins­be­son­de­re überlässt das Grund­recht es dem Ein­zel­nen, wel­che re­li­giösen Sym­bo­le er an­er­kennt und ver­wen­det.

 

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3.1.2 Die An­for­de­run­gen, die an das Ver­bot ei­nes Kopf­tuch­t­ra­gens im Schul­un­ter­richt mit Blick auf grund­ge­setz­li­che Re­ge­lun­gen zu stel­len sind, hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (Ur­teil vom 24.09.2003, a. a. O.) im Ein­zel­nen erläutert. Da­nach be­darf es ei­nes Lan­des­ge­set­zes, bei dem der Ge­setz­ge­ber über ei­ne Einschätzungs­präro­ga­ti­ve verfügt, ob er ei­ne Lösung wählt, die es ermöglicht, die zu­neh­men­de re­li­giöse Viel­falt in die Schu­le auf­zu­neh­men und als Mit­tel für die Einübung ge­gen­sei­ti­ger To­le­ranz zu nut­zen oder ob er we­gen des größeren Po­ten­ti­als mögli­cher Kon­flik­te an der Schu­le den Weg geht, der staat­li­chen Neu­tra­litäts­pflicht im schu­li­schen Be­reich ei­ne größere Be­deu­tung bei­zu­mes­sen. Das Land Nord­rhein-West­fa­len hat mit Schaf­fung des § 57 Abs. 4 SchG NRW den zu­letzt ge­nann­ten Weg be­schrit­ten und sich dafür ent­schie­den, der staat­li­chen Pflicht zu welt­an­schau­lich-re­li­giöser Neu­tra­lität, dem Er­zie­hungs­recht der El­tern so­wie der ne­ga­ti­ven Glau­bens­frei­heit der Schüle­rin­nen und Schüler ein stärke­res Ge­wicht bei­zu­mes­sen als der po­si­ti­ven Glau­bens­frei­heit ei­nes Leh­rers.

3.1.3 Dies ist grundsätz­lich nicht zu be­an­stan­den. Das Kopf­tuch­ver­bot im Schul­un­ter­richt ist Aus­fluss der prak­ti­schen Kon­kor­danz, d. h. ei­nes verhält­nismäßigen Aus­gleichs zwi­schen den un­ter­schied­li­chen und wi­der­strei­ten­den Grund­rech­ten und Ver­fas­sungs­wer­ten. In­so­weit ste­hen sich die in­di­vi­du­el­len Frei­heits­rech­te der Leh­re­rin­nen und die in­di­vi­du­el­len Frei­heits­rech­te der Schüle­rin­nen und Schüler so­wie der ih­rer El­tern ge­genüber. Sie sind in ein verhält­nismäßiges Gleich­ge­wicht zu brin­gen, bei dem die Be­fug­nis des Staa­tes, die äußere und in­halt­li­che Ge­stal­tung des Schul­un­ter­richts fest­zu­le­gen, so­wie die staat­li­che Neu­tra­litäts­pflicht zu be­ach­ten sind (Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts­ent­schei­dung, 24.09.2003, a. a. O.; VG Gel­sen­kir­chen 27.02.2008 – 1 K 1466/07 – n. v.; VG Düssel­dorf 14.08.2007 – 2 K 1752/07 – n. v.; VG Düssel­dorf 05.06.2007 – 2 K 6225/06 – n. v.).

3.1.4 Nach dem oben Ge­sag­ten be­tref­fen re­li­giöse Be­kun­dun­gen von Lehr­kräften de­ren po­si­ti­ve Re­li­gi­ons­ausübungs­frei­heit. Als mit der Glau­bens­frei­heit in Wi­der­streit tre­ten­de Ver­fas­sungsgüter kom­men dann aber ne­ben dem staat­li­chen Er­zie­hungs­auf­trag (Art. 7 Abs. 1 GG), der un­ter Wah­rung der Pflicht zu

 

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welt­an­schau­lich-re­li­giöser Neu­tra­lität zu erfüllen ist, das el­ter­li­che Er­zie­hungs­recht (Art. 6 Abs. 2 GG) und die ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit der Schul­kin­der (Art. 4 Abs. 1 GG) in Be­tracht (BVerfG 24.09.2003, a. a. O.). Wird ei­ner Leh­re­rin un­ter­sagt, im Un­ter­richt und bei der all­ge­mei­nen Dien­stausübung in der Schu­le re­li­giöse Be­kun­dun­gen ab­zu­ge­ben, die ge­eig­net sind, die Neu­tra­lität des Lan­des oder den re­li­giösen Schul­frie­den zu gefähr­den, wird da­mit ih­re po­si­ti­ve Re­li­gi­ons­ausübungs­frei­heit – zu­min­dest zeit­wei­lig - un­ter­bun­den. Dies aber ist ei­ne von ihr hin­nehm­ba­re und verhält­nismäßige Ein­schränkung ih­rer Grund­rechts­po­si­ti­on. Zum ei­nen wird sie nur zeit­lich, räum­lich und funk­ti­onsmäßig ein­ge­schränkt. Aus­sch­ließlich während der Dien­stausübung als Leh­re­rin muss das Frei­heits­recht der Lehr­kraft zurück­tre­ten, um nicht die ge­genläufi­gen Frei­heits­rech­te der Schüle­rin­nen und Schüler so­wie de­ren El­tern und das Ge­bot staat­li­cher Neu­tra­lität zu ver­let­zen. Zum an­de­ren kann aber auch nicht un­be-rück­sich­tigt blei­ben, dass ei­ne Leh­re­rin in die Vor­ga­ben und An­for­de­run­gen, die der Dienst­herr an ih­re Dien­stausübung stellt, ein­ge­bun­den ist und ih­re po­si­ti­ve Re­li­gi­ons­ausübungs­frei­heit aus die­sem Grun­de zu­mal mit Blick auf die dem Staat ge­bo­te­ne re­li­giös-welt­an­schau­li­che Neu­tra­lität Ein­schränkun­gen un­ter­liegt. Ei­ne be­am­te­te Lehr­kraft kann nicht auf der ei­nen Sei­te die aus ih­rer be­am­ten­recht­li­chen Stel­lung er­wach­sen­den po­si­ti­ven Sei­ten in An­spruch neh­men, während sie die wei­te­re Ver­pflich­tung des Staa­tes, re­li­giös-welt­an­schau­lich strikt neu­tral zu sein, nicht ak­tiv un­terstützt, son­dern durch re­li­giöse Be­kun­dun­gen die­se Vor­ga­ben des Dienst­herrn of­fen ab­lehnt. Da­bei ist auch zu berück­sich­ti­gen, dass der Neu­tra­litäts­pflicht des Staa­tes in dem sen­si­blen Be­reich der Schu­le be­son­de­re Be­deu­tung zu­kommt. In der Schu­le tref­fen die Lehr­kräfte auf emo­tio­nal und bin­dungsmäßig noch stark be­ein­fluss­ba­re Schüle­rin­nen und Schüler, die in ih­ren An­schau­un­gen noch nicht ge­fes­tigt sind, Kri­tik­vermögen und Aus­bil­dung ei­ge­ner Stand­punk­te erst er­ler­nen sol­len und da­her in ei­ner men­ta­len Be­ein­flus­sung be­son­ders leicht zugäng­lich sind (BVerfG 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91 – BVerfG 93, 1 bis 37; VG Gel­sen­kir­chen, 27.02.2008, a. a. O.).

3.1.5 Die so dar­ge­stell­ten Grundsätze gel­ten nach Auf­fas­sung der er­ken­nen­den Be­ru­fungs­kam­mer auch dann, wenn das Ver­hal­ten von an­ge­stell­ten Leh­re­rin­nen und Leh­rern bzw. sol­cher Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter zur Dis­kus­si-

 

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on steht, die in § 58 SchG NRW an­ge­spro­chen sind. Auch sie ha­ben den Vor­ga­ben und An­for­de­run­gen zu ent­spre­chen, die ihr Ar­beit­ge­ber, nämlich das be­klag­te Land, an ih­re Ar­beits­ausübung stellt. Sie sind ein­ge­bun­den in den staat­li­chen Er­zie­hungs­auf­trag und da­mit auch ein­ge­bun­den in die Ein­schränkun­gen, die dem Staat auf­grund sei­ner re­li­giös, welt­an­schau­li­chen Neu­tra­lität auf­er­legt sind. Auch ih­nen ge­genüber ist es des­halb ge­recht­fer­tigt, die po­si­ti­ve Re­li­gi­ons­ausübungs­frei­heit in dem oben dar­ge­stell­ten Sin­ne zu be­schränken; § 57 Abs. 4 SchG NRW verstößt dem­gemäß auch in­so­weit nicht ge­gen Art. 4 Abs. 1 und 2 GG.

3.2 Das Ver­bot, in der Schu­le re­li­giöse Be­kun­dun­gen ab­zu­ge­ben, verstößt wei­ter nicht ge­gen den Gleich­heits­grund­satz nach Art. 3 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 3 GG.

3.2.1 Hier­bei ist zunächst zu berück­sich­ti­gen, dass Be­kun­dun­gen an­de­rer Glau­bens­in­hal­te durch Lehr­kräfte an öffent­li­chen Schu­len, von de­nen Gefähr­dun­gen oder Störun­gen der staat­li­chen Neu­tra­lität oder des Schul­frie­dens aus­ge­hen können, glei­cher­maßen un­ter­sagt sind. So sind ins­be­son­de­re das Non­nen­ha­bit und die Kip­pa eben­falls von dem Ver­bot re­li­giöser Be­kun­dun­gen in § 57 Abs. 4 Satz 1 SchG NRW er­fasst. Die vor­be­zeich­ne­te Norm un­ter­schei­det ge­ra­de nicht nach be­stimm­ten Re­li­gio­nen oder Welt­an­schau­un­gen, son­dern stellt ein­zig und al­lein auf ent­spre­chen­de äußere Be­kun­dun­gen ab und de­ren abs­trak­te Eig­nung, den Schul­frie­den zu gefähr­den oder zu stören.

Die­ser recht­li­chen Einschätzung steht § 57 Abs. 4 Satz 3 SchG NRW nicht ent­ge­gen. Zu die­ser Vor­schrift ha­ben in der nähe­ren Ver­gan­gen­heit meh­re­re Ver­wal­tungs­ge­rich­te in Nord­rhein-West­fa­len (VG Gel­sen­kir­chen 27.02.2008, a. a. O.; VG Düssel­dorf 14.08.2007, a. a. O.; VG Düssel­dorf 05.06.2007, a. a. O.; VG Aa­chen 09.11.2007 – 1 K 323/07 – n. v.) und das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt zum wei­test­ge­hend wort­glei­chen § 38 SchG BW (BVerwG 24.06.2004 – 2 Ca 45/03 – NJW 2004, 3581) Stel­lung ge­nom­men. Da­nach er­gibt sich ei­ne un­zulässi­ge Be­vor­zu­gung christ­li­cher Glau­bens­be­kun­dun­gen nicht aus der Klar­stel­lung in § 57 Abs. 4 Satz 3 SchG NRW, wo­nach die Wahr­neh­mung des Er­zie-

 

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hungs­auf­trags nach Art. 7 und 12 Abs. 6 der Ver­fas­sung des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len und die ent­spre­chen­de Dar­stel­lung christ­li­cher und abendländi­scher Bil­dungs- und Kul­tur­wer­te oder Tra­di­tio­nen nicht dem Ver­hal­tens­ge­bot nach Satz 1 wi­der­spricht. Der ver­wen­de­te Be­griff des „christ­li­chen“ soll nämlich eben­so wie die ent­spre­chen­de Be­stim­mung des § 38 Abs. 2 Satz 3 SchG BW da­hin­ge­hend aus­ge­legt wer­den, dass ei­ne von Glau­bens­in­hal­ten los­gelöste, aus der Tra­di­ti­on der christ­lich abendländi­schen Kul­tur her­vor­ge­gan­ge­ne Wer­te­welt be­zeich­net wird, die er­kenn­bar auch dem Grund­ge­setz zu­grun­de liegt und un­abhängig von ih­rer re­li­giösen Fun­die­rung Gel­tung be­an­sprucht (so aus­drück­lich: BVerwG 24.06.2004, a. a. O.).

Das­sel­be gilt glei­cher­maßen für die Be­zug­nah­me auf die Art. 7 und 12 Abs. 6 der Lan­des­ver­fas­sung NRW, in de­nen die all­ge­mei­nen und die schu­li­schen Er­zie­hungs­grundsätze nie­der­ge­legt sind. Auch die Ver­fas­sung des Lan­des Nord-rhein-West­fa­len be­zieht sich hier auf christ­li­che Tu­gen­den und nicht auf spe­zi­el­le Glau­bens­in­hal­te. In die­sen Ar­ti­keln ist das Er­zie­hungs­ziel ver­an­kert, in Kin­dern Ehr­furcht vor Gott, Ach­tung vor der Würde des Men­schen und Be­reit­schaft zum so­zia­len Han­deln zu we­cken. Die Ju­gend soll er­zo­gen wer­den im Geist der Men­sch­lich­keit, der De­mo­kra­tie und der Frei­heit, zur Duld­sam­keit und zur Ach­tung vor der Über­zeu­gung des an­de­ren, zur Ver­ant­wor­tung für Tie­re und die Er­hal­tung der natürli­chen Le­bens­grund­la­gen, in Lie­be zu Volk und Hei­mat, zur Völker­ge­mein­schaft und Frie­dens­ge­sin­nung (vgl. Art. 7 der Lan­des­ver­fas­sung NRW). Nach Art. 12 Abs. 6 Satz 1 der Lan­des­ver­fas­sung NRW wer­den die Kin­der in Ge­mein­schafts­schu­len auf der Grund­la­ge christ­li­cher Bil­dungs- und Kul­tur­wer­te un­ter­rich­tet und er­zo­gen. Dass die­se Norm des­halb nicht auf die Ver­mitt­lung be­stimm­ter Glau­bens­in­hal­te ab­zielt, fin­det vor al­len Din­gen dar­in be­son­de­ren Aus­druck, dass die Er­zie­hung „in Of­fen­heit für die christ­li­chen Be­kennt­nis­se und für an­de­re re­li­giöse und welt­an­schau­li­che Über­zeu­gun­gen“ er­folgt (so aus­drück­lich: VG Düssel­dorf 14.08.2007, a. a. O.).

So­weit die Be­gründung des dem Zwei­ten Schul­rechtsände­rungs­ge­setz vom 27. Ju­ni 2006 zu­grun­de lie­gen­den Ge­setz­ent­wurfs der Frak­ti­on von CDU und FDP vom 31. Ok­to­ber 2005 (LT-Drucks. 14/569, Sei­te 9) da­von aus­geht, dass äuße-

 

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re Sym­bo­le und Klei­dungsstücke, die den ver­fas­sungs­recht­li­chen Grund­wer­ten und den Bil­dungs­zie­len der Ver­fas­sung ein­sch­ließlich den christ­lich-abendländi­schen Bil­dungs- und Kul­tur­wer­ten ent­spre­chen, „et­wa die Tracht von Or­dens­schwes­tern oder die jüdi­sche Kip­pa“, zulässig blie­ben, hat die­se Auf­fas­sung im Wort­laut des Ge­set­zes ge­ra­de kei­nen hin­rei­chen­den Nie­der­schlag ge­fun­den. Das VG Düssel­dorf (Ur­teil vom 14.08.2007, a. a. O.) weist in die­sem Zu­sam­men­hang zu­tref­fend dar­auf hin, dass dann aber aus der Ent­ste­hungs­ge­schich­te und den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en sich er­ge­ben­de sub­jek­ti­ve Ziel­vor­stel­lun­gen der am Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren Be­tei­lig­ten dem ob­jek­ti­ven Ge­set­zes­in­halt nicht gleichstünden. Der Wil­le der ge­setz­ge­ben­den In­stan­zen kann für die In­ter­pre­ta­ti­on nur in­so­weit be­deut­sam sein, als er sich auch im Ge­set­zes­text selbst wie­der­fin­det. Dies in­des­sen hat der Ge­setz­ge­ber bei der Fas­sung des § 57 Abs. 4 SchG NRW und ins­be­son­de­re bei der For­mu­lie­rung in § 57 Abs. 4 Satz 3 SchG NRW un­ter­las­sen. Dann aber muss die zu­letzt be­zeich­ne­te Vor­schrift – auch nach dem Ge­bot der ver­fas­sungs­kon­for­men Aus­le­gung – da­hin­ge­hend in­ter­pre­tiert wer­den, dass im Be­reich öffent­li­cher Schu­len zwar die Dar­stel­lung christ­li­cher Bil­dungs- und Kul­tur­wer­te statt­haft bleibt, so­weit sie sich nicht auf be­stimm­te Glau­bens­in­hal­te be­zieht, Be­kun­dun­gen, die ei­nem in­di­vi­du­el­len Glau­bens­be­kennt­nis, et­wa durch be­son­de­re Klei­dung – Aus­druck ver­lei­hen, je­doch zu un­ter­blei­ben ha­ben (so auch: VG Düssel­dorf 14.08.2007, a. a. O.; VG Gel­sen­kir­chen, 27.02.2008, a. a. O.).

3.3 So­weit die Kläge­rin für sich ei­ne Ver­let­zung ih­res all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts gemäß Art. 2 Abs. 1 GG und der Be­rufs­ausübungs­frei­heit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG re­kla­miert, gilt das oben un­ter Zif­fer 3.1 Ge­sag­te ent­spre­chend. Auch die­sen Grund­rech­ten der Kläge­rin ste­hen die ne­ga­ti­ve Glau­bens­frei­heit der be­trof­fe­nen Schüle­rin­nen und Schüler nach Art. 4 GG, das el­ter­li­che Er­zie­hungs­recht gemäß Art. 6 Abs. 2 GG und der staat­li­che Er­zie­hungs­auf­trag gemäß Art. 7 Abs. 1 GG ent­ge­gen und ver­drängen die Grund­rech­te aus Art. 2 und 12 GG.

 

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4. § 57 Abs. 4 SchG NRW steht auch nicht in Wi­der­spruch zu den Vor­schrif­ten des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes (AGG).

4.1 Ziel die­ses Ge­set­zes ist es gemäß § 1 AGG, Be­nach­tei­li­gun­gen un­ter an­de­rem we­gen des Ge­schlechts oder der Re­li­gi­on zu ver­hin­dern oder zu be­sei­ti­gen. Die in §§ 57 Abs. 4, 58 SchG NRW an­ge­spro­che­nen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter fal­len auch grundsätz­lich in den persönli­chen An­wen­dungs­be­reich des AGG, § 6 Abs. 1 Zif­fer 1 AGG. Gemäß § 7 Abs. 1 AGG dürfen die in § 6 ge­nann­ten Per­so­nen nicht we­gen ei­nes in § 1 ge­nann­ten Grun­des be­nach­tei­ligt wer­den. Ver­bo­ten sind da­bei so­wohl die un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung gemäß § 3 Abs. 1 AGG wie auch ei­ne mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung gemäß § 3 Abs. 2 AGG.

4.2 In­des­sen kann nach Auf­fas­sung der er­ken­nen­den Be­ru­fungs­kam­mer da­hin­ge­stellt blei­ben, ob hier­nach tatsächlich ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen der Re­li­gi­on oder we­gen des Ge­schlechts vor­liegt. Gemäß § 8 Abs. 1 AGG wäre nämlich ei­ne der­ar­ti­ge Be­nach­tei­li­gung ge­recht­fer­tigt.

Die vor­ge­nann­te Norm ge­stat­tet ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung dann, wenn sie we­gen der Art der aus­zuüben­den Tätig­keit oder der Be­din­gun­gen ih­rer Ausübung ei­ne we­sent­li­che und ent­schei­den­de be­ruf­li­che An­for­de­rung dar­stellt, so­fern der Zweck rechtmäßig und die An­for­de­rung an­ge­mes­sen ist. Ei­ne sol­che Ein­schränkung er­gibt sich aus dem oben be­reits mehr­fach an­ge­spro­che­nen Neu­tra­litäts­ge­bot für Leh­re­rin­nen und Leh­rer in Nord­rhein-West­fa­len. Die­ses ist auch und ge­ra­de in dem be­son­ders sen­si­blen Be­reich der Schu­le, in dem die ver­schie­de­nen wi­der­strei­ten­den Grund­rech­te und Ver­fas­sungs­wer­te in ei­nem verhält­nismäßigen Aus­gleich zu brin­gen sind, ein we­sent­li­ches und ent­schei­den­des be­ruf­li­ches Kri­te­ri­um, oh­ne wel­ches die­se Tätig­keit nicht aus­geübt wer­den kann. Da­bei muss es als aus­rei­chend an­ge­se­hen wer­den, dass mit dem Tra­gen des Kopf­tu­ches in ei­ner Wei­se in den Schul­be­trieb ein­ge­grif­fen wird, die das – vom Ge­setz­ge­ber an­ge­mes­sen aus­gefüll­te – Neu­tra­litäts­ge­bot ver­letzt und die Ord­nungs- und Re­ge­lungs­funk­ti­on des Staa­tes in die­sem Be­reich un­terläuft (VG Düssel­dorf 14.08.2007, a. a. O.; VG Aa­chen 09.11.2007, a. a. O.).

 

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5. So­weit die Kläge­rin un­ter Hin­weis auf das zu den Ak­ten ge­reich­te Gut­ach­ten von Herrn Prof. Dr. X. ei­nen Ver­s­toß ge­gen eu­ropäische Rechts­set­zungs­ak­te an­nimmt, ist dem die er­ken­nen­de Be­ru­fungs­kam­mer nicht ge­folgt.

5.1 In Be­tracht zu zie­hen ist hier­bei vor al­lem, dass § 57 Abs. 4 Satz 1 SchG NRW ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung aus Gründen der Re­li­gi­on nach Art. 2 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78/EG dar­stel­len könn­te. Hier­zu hat die Be­ru­fungs­kam­mer aber be­reits im Rah­men der Dis­kus­si­on des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes aus­geführt, dass ei­ne mögli­cher­wei­se vor­lie­gen­de Be­nach­tei­li­gung gemäß § 8 Abs. 1 AGG ge­recht­fer­tigt wäre. Die­sel­ben Erwägun­gen gel­ten auch für das Ein­grei­fen des Art. 2 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/78/EG; auf die ent­spre­chen­den Ausführun­gen oben un­ter Zif­fer 4.2 wird ver­wie­sen.

5.2 § 57 Abs. 4 SchG NRW steht schließlich auch in Ein­klang mit Art. 9 EM­RK. Das Ver­bot des „Kopf­tuch­t­ra­gens“ in öffent­li­chen Schu­len stellt zwar grundsätz­lich ei­nen Ein­griff in die Re­li­gi­ons­frei­heit nach Art. 9 EM­RK dar, der je­doch im Sin­ne von Art. 9 Abs. 2 EM­RK ge­setz­lich vor­ge­se­hen ist. Mit ihm wird ein be­rech­tig­tes Ziel ver­folgt, der Ein­griff selbst ist nicht un­verhält­nismäßig und kann des­we­gen ins­ge­samt kei­nen Ver­s­toß ge­gen Art. 9 EM­RK be­gründen (vgl. hier­zu: Eu­ropäischer Ge­richts­hof für Men­schen­rech­te 15.02.2001 – 42393/98 – [Dah­l­ab/Schweiz] NJW 2001, 2871; Eu­ropäischer Ge­richts­hof für Men­schen­rech­te 10.11.2005 – 44774/98 – [Ley­la Sa­hin/Türkei], NJW 2006, 1389; vgl. auch: VG Düssel­dorf 14.08.2007, a. a. O.).

6. Steht da­mit fest, dass § 57 Abs. 4 SchG NRW nicht ge­gen höher­ran­gi­ges Recht verstößt, so stellt sich das Tra­gen ei­nes „is­la­mi­schen Kopf­tu­ches“ aus re­li­giösen Gründen als ei­ne äußere Be­kun­dung dar, die ge­eig­net ist, die Neu­tra­lität des Lan­des ge­genüber Schüle­rin­nen und Schülern so­wie El­tern oder den po­li­ti­schen, re­li­giösen oder welt­an­schau­li­chen Schul­frie­den zu gefähr­den oder zu stören, dar; sie ist gemäß § 57 Abs. 4 Satz 1 SchG NRW ver­bo­ten.

 

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6.1 Ei­ne Leh­re­rin, die in der Schu­le ein so ge­nann­tes is­la­mi­sches Kopf­tuch trägt, gibt da­mit in ein­deu­ti­ger Wei­se zu ver­ste­hen, dass sie sich zur Re­li­gi­on des Is­lam be­kennt und sich ge­hal­ten sieht, des­sen von ihr als ver­pflich­tend emp­fun­de­ne Be­klei­dungs­vor­schrif­ten zu be­ach­ten. Hier­in liegt ei­ne Be­kun­dung, nämlich die be­wuss­te, an die Außen­welt ge­rich­te­te Kund­ga­be ei­ner re­li­giösen Über­zeu­gung. Ob die­se Be­kun­dung vom Schutz der Re­li­gi­ons- oder Mei­nungsäußerung um­fasst wird, ist in die­sem Zu­sam­men­hang eben­so un­be­acht­lich wie das ihr zu­grun­de lie­gen­de Mo­tiv, al­so die Fra­ge, ob die Be­kun­dung frei­wil­lig ist oder im Sin­ne ei­nes tra­dier­ten Rol­len­verständ­nis­ses auf ei­nem mehr oder we­ni­ger star­ken äußeren Zwang be­ruht. Ent­schei­dend sind die von Drit­ten wahr­ge­nom­me­nen Erklärungs­wer­te die­ser Be­kun­dung, nicht die Bot­schaft, die die Mit­ar­bei­te­rin­nen mit dem Tra­gen des Kopf­tuchs ver­mit­teln wol­len. Ent­schei­dend ist der so be­zeich­ne­te Empfänger­ho­ri­zont, wo­bei es nicht auf die Sicht ein­zel­ner an­kommt. Es ist viel­mehr ab­zu­stel­len auf die Sicht der Schüler und El­tern, die durch das Band der all­ge­mei­nen Schul­pflicht in ei­ner en­gen Be­zie­hung zum Staat ste­hen (BVerwG 24.06.2004, a. a. O.; vgl. zum „Empfänger­ho­ri­zont“ auch: BVerwG 24.09.2003, a. a. O.).

Das Tra­gen des Kopf­tu­ches durch die Kläge­rin in der Ver­gan­gen­heit war ei­ne der­ar­ti­ge äußere Be­kun­dung. Sie hat, von ihr selbst auch so ein­geräumt, da­mit in ein­deu­ti­ger Wei­se zu ver­ste­hen ge­ge­ben, dass sie sich zur Re­li­gi­on des Is­lam be­ken­ne und sich ge­hal­ten ge­se­hen hat, des­sen von ihr als ver­pflich­tend emp­fun­de­ne Be­klei­dungs­vor­schrif­ten zu be­ach­ten.

6.2. Dem kann die Kläge­rin nicht ent­ge­gen hal­ten, dass sie über lan­ge Jah­re un­be­an­stan­det das Kopf­tuch ge­tra­gen hat, dass es zu kei­ner­lei Ir­ri­ta­tio­nen oder gar Be­schwer­den ge­kom­men ist und dass auch ei­ne ak­tu­el­le und kon­kre­te Gefähr­dungs­si­tua­ti­on nicht vor­liegt. § 57 Abs. 4 Satz 1 SchG NRW knüpft nämlich an ei­nen abs­trak­ten Gefähr­dungs­tat­be­stand an. Nicht erst Be­kun­dun­gen, wel­che die Neu­tra­lität des Lan­des oder den Schul­frie­den kon­kret gefähr­den oder gar stören, fal­len un­ter das Ver­bot. Es soll viel­mehr schon abs­trak­ten Ge­fah­ren vor­ge­beugt wer­den, um kon­kre­te Ge­fah­ren für die Neu­tra­lität der Schu­le oder den Schul­frie­den gar nicht erst ein­tre­ten zu las­sen. Im Ge­set­zes­wort­laut kommt

 

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dies – nach Mei­nung der er­ken­nen­den Kam­mer – ein­deu­tig dar­in zum Aus­druck, dass die­ser ent­spre­chen­de Ver­hal­tens­wei­sen be­reits dann ver­bie­tet, wenn sie nur „ge­eig­net“ sind, die ge­nann­ten Schutzgüter zu gefähr­den. Ei­ne Be­trach­tung der kon­kre­ten Verhält­nis­se an ein­zel­nen Schu­len, ge­gen ein­zel­nen Schüle­rin­nen und Schülern und ori­en­tiert an be­stimm­ten schu­li­schen Si­tua­tio­nen ist da­nach ge­ra­de nicht vor­ge­se­hen (so aus­drück­lich: VG Düssel­dorf 14.08.2007, a. a. O.; vgl. auch: BVerwG 24.06.2004, a. a. O.).

Durch das Tra­gen des is­la­mi­schen Kopf­tu­ches hat­te die Kläge­rin in der Ver­gan­gen­heit ihr Be­kennt­nis zu ei­ner be­stimm­ten Re­li­gi­on nach außen ver­laut­bart. Be­reits da­mit war ei­ne abs­trak­te Gefähr­dung der Neu­tra­lität des Lan­des ge­genüber Schüle­rin­nen, Schülern und Leh­rern ein­ge­tre­ten und es be­stand die – abs­trak­te – Ge­fahr, den Schul­frie­den zu gefähr­den oder zu stören.

7. Die­sem Gefähr­dungs­tat­be­stand kann die Kläge­rin nicht da­durch ent­ge­hen, dass sie auf das Tra­gen des is­la­mi­schen Kopf­tu­ches ver­zich­tet und statt­des­sen ei­ne Bas­kenmütze trägt.

7.1 Es ist be­reits mehr­fach, vor al­lem un­ter Zif­fer 6.2 die­ses Ur­teils, dar­auf hin­ge­wie­sen wor­den, dass An­knüpfungs­punkt für die Fest­stel­lung, dass ein Ver­s­toß ge­gen § 57 Abs. 4 Satz 1 SchG NRW vor­liegt, die abs­trak­te Gefähr­dung der dort ge­nann­ten Rechts­po­si­tio­nen ist, wo­bei in­so­weit auf den „ob­jek­ti­ven Empfänger­ho­ri­zont“ ab­zu­stel­len ist (BVerfG 24.09.2003, a. a. O.; BVerwG 24.06.2004, a. a. O.). Ent­schei­dend ist da­nach der – ob­jek­ti­ve – Erklärungs­wert der Kopf­be­de­ckung, die die Kläge­rin im Rah­men ih­rer Dienst­ver­rich­tung in der Schu­le an­legt. Er­weist sich da­nach auch die­se Kopf­be­de­ckung als ei­ne sol­che, mit der sym­bol­haft auf be­stimm­te Glau­bens­in­hal­te hin­ge­wie­sen und die­se nach außen of­fen­bart wer­den, so ist auch dies gemäß § 57 Abs. 4 Satz 1 SchG NRW ver­bo­ten.

7.2 Ge­nau hier­von ist nach Einschätzung der er­ken­nen­den Be­ru­fungs­kam­mer aber auch aus­zu­ge­hen, weil sich die Bas­kenmütze im Er­geb­nis nur als ein Sur­ro­gat für das nicht mehr be­nutz­te Kopf­tuch er­weist.

 

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Für ei­ne der­ar­ti­ge In­ter­pre­ta­ti­on spre­chen ver­schie­de­ne – ob­jek­ti­ve - Ge­sichts­punk­te, die den re­li­giösen Cha­rak­ter der Kopf­be­de­ckung be­le­gen. So fällt zunächst auf, dass der Kläge­rin un­ter dem 09.08.2006 auf­ge­ge­ben wor­den war, das bis da­hin ge­tra­ge­ne „is­la­mi­sche Kopf­tuch“ ab­zu­le­gen. Sie war die­ser Auf­for­de­rung zwar zeit­nah am 25.09.2006 nach­ge­kom­men. Al­ler­dings hat­te sie es – of­fen­sicht­lich be­wusst – ver­mie­den, zu ir­gend­ei­nem Zeit­punkt in der Schu­le zu er­schei­nen, oh­ne das Kopf­tuch oder ei­ne ver­gleich­ba­re Kopf­be­de­ckung zu tra­gen. Die Kläge­rin hat­te naht- und über­g­angs­los das Kopf­tuch durch die Bas­kenmütze er­setzt und da­mit kaum Zwei­fel auf­kom­men las­sen, dass sie nicht nur an ih­rem äußeren Er­schei­nungs­bild fest­hal­ten woll­te. Sie hat­te schon durch die­ses Ver­hal­ten ein­drucks­voll do­ku­men­tiert, dass sie den re­li­giösen Be­kun­dungs­cha­rak­ter ih­rer Kopf­be­de­ckung nicht ändern woll­te. Da­mit trägt sie zwar kein tra­di­tio­nell is­la­misch ge­bun­de­nes Kopf­tuch mehr; die von ihr be­vor­zug­te Bas­kenmütze er­weckt aber bei ob­jek­ti­ven Drit­ten oh­ne wei­te­res den Ein­druck, dass die Kläge­rin sich zum Is­lam be­kennt. So konn­te die er­ken­nen­de Kam­mer im Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung vom 10.04.2008 fest­stel­len, dass die von der Kläge­rin als Sur­ro­gat für das is­la­mi­sche Kopf­tuch ge­tra­ge­ne Bas­kenmütze vollständig die Körper­tei­le verhüllt, die auch durch das bis­her ge­tra­ge­ne Kopf­tuch verhüllt wur­den. Im Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung trug die Kläge­rin darüber hin­aus ne­ben der Bas­kenmütze ei­nen gleich­far­bi­gen Roll­kra­gen­pull­over, wo­bei die­se Be­klei­dungs­va­ri­an­te den Ein­druck der er­ken­nen­den Kam­mer noch verstärk­te, dass es sich da­bei – ei­gent­lich – um ein Kopf­tuch han­del­te. Durch die be­wuss­te Wahl von Be­klei­dungs­be­stand­tei­len und Kopf­be­de­ckung und dem da­mit er­reich­ten Er­geb­nis, die dem des is­la­mi­schen Kopf­tuchs gleich­kom­men, ver­mit­tel­te und ver­mit­telt die Kläge­rin ge­genüber Drit­ten ein­drucks­voll ihr Be­kennt­nis zum Is­lam.

Der Kläge­rin ist es auch im Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht ge­lun­gen, die dar­ge­stell­ten Ar­gu­men­te, die auf den re­li­giösen Cha­rak­ter ih­rer Be­kun­dun­gen hin­deu­ten, zu ent­kräften. Zwar mag man die von der Kläge­rin gewähl­te Kopf­be­de­ckung, die of­fen­sicht­lich in ver­schie­de­nen Far­ben vorrätig ge­hal­ten wird, noch als mo­disch emp­fin­den. In­des­sen war die Kläge­rin nicht in der La­ge, nach­voll­zieh­bar zu be­le­gen, wes­halb sie die

 

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Bas­kenmütze auch in ge­schlos­sen Räum­en, un­abhängig von jeg­li­chen Wit­te­rungs­ein­flüssen und un­abhängig von be­stimm­ten Ta­ges­zei­ten zu tra­gen pflegt. In die­sem Zu­sam­men­hang ist dann aber auch von be­son­de­rer Be­deu­tung, wie die Kläge­rin auf et­wai­ge Nach­fra­gen von Schüle­rin­nen und Schülern re­agie­ren würde, die das zu­min­dest un­ge­wohn­te Auf­tre­ten der Kläge­rin zum An­lass ent­spre­chen­der Nach­fra­gen ma­chen könn­ten. Auch in die­sem Zu­sam­men­hang ist nicht er­kenn­bar, dass an­de­re als re­li­giöse Gründe hin­ter der gewähl­ten Kopf­be­de­ckung ste­hen und dem­gemäß auch so zu ver­mit­teln wären.

7.3 Die von der Kläge­rin durch das Tra­gen der Bas­kenmütze ab­ge­ge­be­ne Be­kun­dung ist dann aber auch ge­eig­net, die Neu­tra­lität des Lan­des ge­genüber Schüle­rin­nen und Schülern so­wie El­tern oder den po­li­ti­schen, re­li­giösen oder welt­an­schau­li­chen Schul­frie­den zu gefähr­den oder zu stören.

Auch in die­sem Zu­sam­men­hang ist des­halb zunächst – wie im Fal­le des is­la­mi­schen Kopf­tuchs – dar­auf hin­zu­wei­sen, dass ei­ne aus­rei­chen­de abs­trak­te Gefähr­dung ge­ra­de der welt­an­schau­lich-re­li­giösen Neu­tra­lität der Schu­le und des re­li­giösen Schul­frie­dens auch von dem dau­er­haf­ten Tra­gen ei­ner Haa­re und Oh­ren be­de­cken­den Bas­kenmütze durch die Kläge­rin aus­geht. Es be­darf ent­ge­gen der Rechts­auf­fas­sung der Kläge­rin kei­ner kon­kre­ten Gefähr­dung, so dass es auch in die­sem Zu­sam­men­hang nicht dar­auf an­kommt, dass sie nach ih­ren ei­ge­nen An­ga­ben bis­lang kei­ne Ne­ga­tiv­re­ak­tio­nen auf die Bas­kenmütze er­hal­ten hat. Vor dem Hin­ter­grund, dass es im­mer mal wie­der und vor al­len Din­gen mit Schul­jah­res­be­ginn zu Wech­seln in der Schüler- und El­tern­schaft kommt und auch nicht aus­zu­sch­ließen ist, dass die Kläge­rin an ei­ne an­de­re Schu­le ver­setzt wer­den kann, er­sch­ließt sich, dass ei­ne abs­trak­te Gefähr­dung der in § 57 Abs. 4 SchG NRW an­ge­spro­che­nen Rechts­in­sti­tu­te aus­rei­chend sein muss.

Hin­zu kommt im Fal­le der Kläge­rin ent­schei­dend, dass sie als So­zi­alpädago­gin auf ei­nem Be­treu­ungs­ge­biet tätig wird, wo po­li­ti­sche, re­li­giöse und welt­an­schau­li­che Neu­tra­lität von be­son­de­rer Be­deu­tung sein dürf­ten. Die Kläge­rin ist an ih­rer Schu­le da­mit be­auf­tragt, schu­li­sche Strei­tig­kei­ten und Mei­nungs­ver-

 

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schie­den­hei­ten zu schlich­ten. Sie kommt da­bei täglich mit Schüle­rin­nen und Schülern un­ter­schied­li­cher Na­tio­na­litäten und vor al­len Din­gen auch un­ter­schied­li­cher Re­li­gi­on zu­sam­men. Hier be­steht schon die kon­kre­te Ge­fahr, dass sie mit der äußer­li­chen Be­kun­dung ih­rer Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit Vor­ur­tei­le darüber auf­kom­men las­sen könn­te, was ih­re Neu­tra­lität bei der­ar­ti­gen Sch­lich­tungstätig­kei­ten be­trifft. Es be­steht aber auf je­den Fall die abs­trak­te Ge­fahr, dass Schüle­rin­nen und Schüler sich be­ein­flus­sen las­sen könn­ten, wenn und so­weit die Kläge­rin auch wei­ter­hin durch ih­re Bas­kenmütze die Zu­gehörig­keit zum Is­lam be­tont.

8. So­weit sich die Kläge­rin im ers­ten Rechts­zug auf ein so ge­nann­tes Voll­zugs­de­fi­zit beim be­klag­ten Land be­ru­fen hat, hat sie die­ses Vor­brin­gen im zwei­ten Rechts­zug nicht mehr auf­recht er­hal­ten. Im Übri­gen ver­weist die Be­ru­fungs­kam­mer in­so­weit ergänzend auf die zu­tref­fen­den Ausführun­gen un­ter 2. h. des ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils.

9. An­halts­punk­te dafür, dass die streit­be­fan­ge­ne Ab­mah­nung vom 19.12.2006 den Grund­satz der Verhält­nismäßig­keit ver­letzt ha­ben könn­te, hat die Kläge­rin nicht vor­ge­tra­gen und sind auch sonst nicht er­sicht­lich. Ins­ge­samt er­weist sich der An­spruch auf Ent­fer­nung der Ab­mah­nung aus der Per­so­nal­ak­te als un­be­gründet.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die er­ken­nen­de Kam­mer hat die Re­vi­si­on für die Be­klag­te zu­ge­las­sen, weil sie das Vor­lie­gen ei­ner ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Rechts­fra­ge von grundsätz­li­cher Be­deu­tung be­jaht hat, § 72 Abs. 2 Zif­fer 1 ArbGG.

 

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R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der Kläge­rin

RE­VISION

ein­ge­legt wer­den.

Für die Be­klag­te ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Die Re­vi­si­on muss

in­ner­halb ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

nach der Zu­stel­lung die­ses Ur­teils schrift­lich beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt,

Hu­go-Preuß-Platz 1,

99084 Er­furt,

Fax: (0361) 2636 - 2000

ein­ge­legt wer­den.

Die Re­vi­si­on ist gleich­zei­tig oder

in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils

schrift­lich zu be­gründen.

 

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Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

 

gez.: Gött­ling 

gez.: Nie­haus 

gez.: Pley

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