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BAG, Ur­teil vom 17.01.2008, 2 AZR 536/06

   
Schlagworte: Leistungsschwäche, Low Performance, Kündigung: Verhaltensbedingt
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 2 AZR 536/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 17.01.2008
   
Leitsätze:

1. Die verhaltensbedingte Kündigung gegenüber einem leistungsschwachen Arbeitnehmer kann nach § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch vorwerfbar verletzt, dass er fehlerhaft arbeitet.

2. Ein Arbeitnehmer genügt - mangels anderer Vereinbarungen - seiner Vertragspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet. Er verstößt gegen seine Arbeitspflicht nicht allein dadurch, dass er die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller Arbeitnehmer überschreitet.

3. Allerdings kann die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote je nach tatsächlicher Fehlerzahl, Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt. Legt der Arbeitgeber dies im Prozess dar, so muss der Arbeitnehmer erläutern, warum er trotz erheblich unterdurchschnittlicher Leistungen seine Leistungsfähigkeit ausschöpft.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Leipzig, Urteil vom 15.04.2005, 8 Ca 8012/04
Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 7.04.2006, 3 Sa 425/05
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


2 AZR 536/06
3 Sa 425/05

Säch­si­sches
Lan­des­ar­beits­ge­richt

 

Im Na­men des Vol­kes!

 

Verkündet am

17. Ja­nu­ar 2008

UR­TEIL

Schmidt, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 17. Ja­nu­ar 2008 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Rost, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Bröhl und Schmitz-Scho­le­mann so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Ba­er­baum und Lücke für Recht er­kannt:

Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Säch­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 7. April 2006 - 3 Sa 425/05 - auf-ge­ho­ben.

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Der Rechts­streit wird zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung - auch über die Kos­ten der Re­vi­si­on - an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten noch über ei­ne or­dent­li­che Ar­beit­ge­berkündi­gung we­gen Min­der­leis­tung und ei­nen Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag der Kläge­rin.

Die 1956 ge­bo­re­ne Kläge­rin ist seit 16. Ja­nu­ar 1995 in dem Ver­sand­kauf­haus der Be­klag­ten als La­ger- und Ver­sand­ar­bei­te­rin zu ei­nem Brut­to­ver­dienst von zu­letzt 1.265,00 Eu­ro (Grund­vergütung und leis­tungs­abhängi­ge Prämie) bei ei­ner 31-St­un­den-Wo­che beschäftigt. Sie ist im „Sor­ter-Ver­sand“ ein­ge­setzt. Dort wer­den die Wa­rensen­dun­gen auf der Grund­la­ge der Kun­den­be­stel­lun­gen fer­tig­ge­stellt. Die Be­klag­te wirft der Kläge­rin vor, ih­re Feh­lerhäufig­keit lie­ge um ein Mehr­fa­ches über der ih­rer mit ver­gleich­ba­ren Ar­bei­ten beschäftig­ten Kol­le­gin­nen. Aus­weis­lich der elek­tro­ni­schen Feh­ler­do­ku­men­ta­ti­on ha­be die Kläge­rin in den Jah­ren 2003 - 2004 ei­ne Feh­ler­quo­te zwi­schen 4,01 Pro­mil­le und 5,44 Pro­mil­le ver­ur­sacht. Die durch­schnitt­li­che Feh­ler­quo­te der 209 ein­ge­setz­ten Mit­ar­bei­ter ha­be dem­ge­genüber im drit­ten Quar­tal 2004 nur 1,34 Pro­mil­le be­tra­gen. Als sich aus Sicht der Be­klag­ten die Leis­tun­gen der Kläge­rin trotz schrift­li­cher Ab­mah­nun­gen vom 25. Au­gust 2003 und vom 28. Ju­ni 2004 nicht bes­ser­ten, kündig­te die Be­klag­te der Kläge­rin mit Schrei­ben vom 30. No­vem­ber 2004 ver­hal­tens­be­dingt zum 31. März 2005. Der zu­vor an­gehörte Be­triebs­rat hat­te ge­gen die Kündi­gung Be­den­ken geäußert.

Die Kläge­rin hat Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben und ih­re Wei­ter­beschäfti­gung be­gehrt. Die Ab­mah­nun­gen entsprächen nicht den Tat­sa­chen und sei­en nicht hin­rei­chend kon­kret. Sie be­strei­te die Zahl der ihr vor­ge­wor­fe­nen Feh­ler. Das EDV-Sys­tem ermögli­che kei­ne zu­tref­fen­de Feh­ler­fest­stel­lung. Ei­ne kündi­gungs-re­le­van­te Min­der­leis­tung könne schon des­halb nicht vor­lie­gen, weil nach der ein­schlägi­gen Be­triebs­ver­ein­ba­rung ihr auch bei Un­ter­stel­lung des Vor­brin­gens der Be­klag­ten zur Feh­lerhäufig­keit noch 50 % der sich aus der Be­triebs­ver­ein­ba­rung er­ge­ben­den Prämie zu­ste­he.
 


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Die Kläge­rin hat - so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von In­ter­es­se - be­an­tragt:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 30. No­vem­ber 2004 nicht be­en­det wor­den ist.


2. Im Fal­le des Ob­sie­gens mit dem An­trag zu 1), die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, die Kläge­rin bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens zu un­veränder­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen als La­ger- und Ver­sand­ar­bei­te­rin wei­ter­zu­beschäfti­gen.

Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt. Sie hat be­haup­tet, es ste­he fest, dass die Kläge­rin trotz mehr­fa­cher Gespräche, Er­mah­nun­gen und Ab­mah­nun­gen fahrlässig über ei­nen länge­ren Zeit­raum hin­weg ih­re Sorg­falts­pflich­ten bei der Ver­rich­tung ih­rer Tätig­keit ver­letzt ha­be. Die von der Kläge­rin und den an­de­ren Mit­ar­bei­te­rin­nen der Ver­sand­ab­tei­lung ver­ur­sach­ten Feh­ler ließen sich durch die elek­tro­ni­sche Feh­ler­do­ku­men­ta­ti­on lücken­los fest­stel­len. Die feh­ler­haf­te Ar­beits­leis­tung der Kläge­rin führe in nicht mehr hin­nehm­ba­rem Maße da­zu, dass bei ein­zel­nen Sen­dun­gen Wa­renstücke fehl­ten, Kun­den ver­wech­selt würden und Sen­dun­gen den fal­schen Ver­sand­auf­kle­ber er­hiel­ten. Dies führe zu ei­nem Image­ver­lust beim Kun­den. Die Be­he­bung der Feh­ler ver­ur­sa­che darüber hin­aus nicht un­er­heb­li­che Kos­ten. Auf die Prämi­en­re­ge­lung der Be­triebs­ver­ein­ba­rung könne sich die Kläge­rin nicht be­ru­fen. Mit der Prämie wer­de le­dig­lich der von dem je­wei­li­gen Ar­beit­neh­mer er­reich­te Zeit­grad, al­so die Ar­beits­men­ge ho­no­riert. Der Prämi­en­ab­zug sol­le dem­ge­genüber nur si­cher­stel­len, dass ei­ne Min­dest­qua­lität der Ar­beits­leis­tung ein­ge­hal­ten wer­de.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge in dem noch strei­ti­gen Um­fang statt­ge­ge­ben.
Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Be­klag­te ih­ren Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag wei­ter.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on ist be­gründet. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­ge­be­nen Be­gründung konn­te die Be­ru­fung der Be­klag­ten nicht zurück­ge­wie­sen wer­den. Ob die Kündi­gung der Be­klag­ten so­zi­al­wid­rig oder aus an­de­ren Gründen rechts­un­wirk­sam ist, kann der Se­nat auf Grund­la­ge der bis­he­ri­gen tatsächli­chen Fest­stel­lun­gen nicht
 


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ab­sch­ließend be­ur­tei­len. Dies führt zur Zurück­ver­wei­sung des Rechts­streits (§ 563 ZPO).

A. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, ei­ne er­heb­li­che Un­ter­schrei­tung der Durch­schnitts­leis­tung könne dem Tat­sa­chen­vor­brin­gen der Be­klag­ten nicht ent­nom­men wer­den. Es sei ins­be­son­de­re nicht be­kannt, aus wel­cher Art von Feh­lern sich die Durch­schnitts­feh­ler­quo­te der an­de­ren Ar­beit­neh­mer zu­sam­men­set­ze. Nach der Be­triebs­ver­ein­ba­rung, die bei ei­ner der Kläge­rin an­ge­las­te­ten Feh­ler­quo­te im­mer­hin noch 50 vom Hun­dert der Prämie be­ste­hen las­se, spre­che vie­les dafür, dass erst bei ei­ner Feh­ler­quo­te von 5 Pro­mil­le ei­ne er­heb­li­che Ab­wei­chung der Durch­schnitts­leis­tung an­zu­neh­men sei. Je­den­falls ver­let­ze die Kündi­gung den Verhält­nismäßig­keits­grund­satz. Als mil­de­res Mit­tel sei ei­ne Re­du­zie­rung der Vergütung der Kläge­rin in Be­tracht ge­kom­men.


B. Dem folgt der Se­nat we­der im Er­geb­nis noch in der Be­gründung.

I. Die vom Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­ge­be­ne Be­gründung hält der Über­prüfung an § 1 Abs. 2 KSchG nicht stand.

1. Die Ent­schei­dung des Be­ru­fungs­ge­richts über die So­zi­al­wid­rig­keit ei­ner Kündi­gung ist in der Re­vi­si­ons­in­stanz nur be­schränkt nach­prüfbar. Bei der Fra­ge der So­zi­al­wid­rig­keit (§ 1 Abs. 2 KSchG) han­delt es sich um die An­wen­dung ei­nes un­be­stimm­ten Rechts­be­griffs, die vom Re­vi­si­ons­ge­richt nur dar­auf über­prüft wer­den kann, ob das Be­ru­fungs­ge­richt den Rechts­be­griff selbst ver­kannt hat, bei der Un­ter­ord­nung des Sach­ver­halts un­ter die Rechts­norm des § 1 KSchG Denk­ge­set­ze oder all­ge­mei­ne Er­fah­rungssätze ver­letzt hat, ob es bei der ge­bo­te­nen In­ter­es­sen­abwägung, bei der dem Tat­sa­chen­rich­ter ein Be­ur­tei­lungs­spiel­raum zu­steht, al­le we­sent­li­chen Umstände berück­sich­tigt hat und ob das Ur­teil in sich wi­der­spruchs­frei ist (st. Rspr., statt vie­ler Se­nat 31. Mai 2007 - 2 AZR 200/06 - Rn. 12, AP KSchG 1969 § 1 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung Nr. 57 = EzA KSchG § 1 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung Nr. 71).

2. Auch die­sem ein­ge­schränk­ten Über­prüfungs­maßstab wird das Be­ru­fungs­ur­teil nicht ge­recht.

a) Für ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung genügen sol­che, im Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers lie­gen­den Umstände, die bei verständi­ger Würdi­gung in Abwägung der
 


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In­ter­es­sen der Ver­trags­par­tei­en zu­min­dest die Kündi­gung als bil­li­gens­wert und an­ge­mes­sen er­schei­nen las­sen. Als ver­hal­tens­be­ding­ter Grund ist ins­be­son­de­re ei­ne rechts- oder (ver­trags-)wid­ri­ge Pflicht­ver­let­zung aus dem Ar­beits­verhält­nis ge­eig­net, wo­bei re­gelmäßig Ver­schul­den er­for­der­lich ist; die Leis­tungsstörung muss dem Ar­beit­neh­mer vor­werf­bar sein (Se­nat 21. No­vem­ber 1996 - 2 AZR 357/95 - AP BGB § 626 Nr. 130 = EzA KSchG § 1 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung Nr. 50, zu II 3 b der Gründe; 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - BA­GE 70, 262, zu II 2 b der Gründe; 17. Ja­nu­ar 1991 - 2 AZR 375/90 - BA­GE 67, 75, zu II 2 a der Gründe). In­so­fern genügt ein Um­stand, der ei­nen ru­hig und verständig ur­tei­len­den Ar­beit­ge­ber zur Kündi­gung be­stim­men kann (vgl. Se­nat 17. Ju­ni 2003 - 2 AZR 62/02 - EzA KSchG § 1 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung Nr. 59, zu B II der Gründe; 21. Mai 1992 - 2 AZR 10/92 - aaO).


b) Auf Pflicht­ver­let­zun­gen be­ru­hen­de Schlecht­leis­tun­gen sind ge­eig­net, ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen (st. Rspr. Se­nat 26. Ju­ni 1997 - 2 AZR 502/96 - RzK I 5i Nr. 126, zu B I 3 der Gründe; v. Ho­y­nin­gen-Hue­ne/Linck KSchG 14. Aufl. § 1
Rn. 652 ff.; HWK/Quecke 2. Aufl. § 1 KSchG Rn. 239 f.; KR-Grie­be­ling 8. Aufl. § 1 KSchG Rn. 448).

c) Ob ei­ne Leis­tung als Schlecht­leis­tung an­zu­se­hen ist, be­ur­teilt sich nach den ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen der Par­tei­en. Ist die Ar­beits­leis­tung im Ver­trag, wie meis­tens, der Men­ge und der Qua­lität nach nicht oder nicht näher be­schrie­ben, so rich­tet sich der In­halt des Leis­tungs­ver­spre­chens zum ei­nen nach dem vom Ar­beit­ge­ber durch Ausübung des Di­rek­ti­ons­rechts fest­zu­le­gen­den Ar­beits­in­halt und zum an­de­ren nach dem persönli­chen, sub­jek­ti­ven Leis­tungs­vermögen des Ar­beit­neh­mers. Der Ar­beit­neh­mer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann. Die Leis­tungs­pflicht ist nicht starr, son­dern dy­na­misch und ori­en­tiert sich an der Leis­tungsfähig­keit des Ar­beit­neh­mers. Ein ob­jek­ti­ver Maßstab ist nicht an­zu­set­zen (Se­nat 21. Mai 1992
- 2 AZR 551/91 - AP KSchG 1969 § 1 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung Nr. 42, zu II 3 a der Gründe; BAG 14. Ja­nu­ar 1986 - 1 ABR 75/83 - BA­GE 50, 330, zu B 3 der Gründe; 16. Ju­li 1970
- 3 AZR 423/69 - BA­GE 22, 402, zu III 1 der Gründe; Bit­ter AR-Blat­tei SD 190 (Ar­beits­pflicht des Ar­beit­neh­mers) Rn. 76 f.; Bru­ne AR-Blat­tei SD 1420 (Schlecht­leis­tung) Rn. 13 ff. mwN). Der ge­gen­tei­li­gen Auf­fas­sung (Hunold BB 2003, 2345, 2346), wo­nach der Ar­beit­neh­mer in An­leh­nung an § 243 BGB aF ei­ne „ob­jek­ti­ve Nor­mal­leis­tung“ schul­de, ist der Se­nat nicht ge­folgt. Die­se Auf­fas­sung berück­sich­tigt
 


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nicht aus­rei­chend, dass der Ar­beits­ver­trag als Dienst­ver­trag kei­ne „Er­folgs­haf­tung“ des Ar­beit­neh­mers kennt. Der Dienst­ver­pflich­te­te schul­det das „Wir­ken“, nicht das „Werk“.

d) Dar­aus ist al­ler­dings nicht zu fol­gern, dass der Ar­beit­neh­mer sei­ne Ar­beits­pflicht selbst willkürlich be­stim­men kann. Dem Ar­beit­neh­mer ist es nicht ge­stat­tet, das Verhält­nis von Leis­tung und Ge­gen­leis­tung ein­sei­tig nach sei­nem Be­lie­ben zu be­stim­men (zum um­ge­kehr­ten Fall: BAG 13. Mai 1987 - 5 AZR 125/86 - BA­GE 55, 275, zu II 2 der Gründe). Er muss viel­mehr un­ter an­ge­mes­se­ner Ausschöpfung sei­ner persönli­chen Leis­tungsfähig­keit ar­bei­ten. Ob der Ar­beit­neh­mer die­ser Ver­pflich­tung nach­kommt, ist für den Ar­beit­ge­ber an­hand ob­jek­ti­vier­ba­rer Kri­te­ri­en nicht im­mer er­kenn­bar. Der Um­stand, dass der Ar­beit­neh­mer un­ter­durch­schnitt­li­che Leis­tun­gen er­bringt, muss nicht zwangsläufig be­deu­ten, dass der Ar­beit­neh­mer sei­ne persönli­che Leis­tungsfähig­keit nicht ausschöpft (Se­nat 22. Ju­li 1982 - 2 AZR 30/81 - AP KSchG 1969 § 1 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung Nr. 5 = EzA KSchG § 1 Ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung Nr. 10, zu III 3 c der Gründe). In ei­ner Ver­gleichs­grup­pe ist stets ein An­gehöri­ger der Grup­pe das „Schluss­licht“. Das kann sei­ne Ur­sa­che auch dar­in ha­ben, dass die übri­gen Grup­pen­an­gehöri­gen be­son­ders leis­tungs­stark sind, sich über­for­dern oder dass um­ge­kehrt der grup­pen­schwächs­te Ar­beit­neh­mer be­son­ders leis­tungs­schwach ist. An­de­rer­seits ist das deut­li­che und länger­fris­ti­ge Un­ter­schrei­ten des von ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mern er­reich­ba­ren Mit­tel­werts oft der ein­zi­ge für den Ar­beit­ge­ber er­kenn­ba­re Hin­weis dar­auf, dass der schwa­che Er­geb­nis­se er­zie­len­de Ar­beit­neh­mer Re­ser­ven nicht ausschöpft, die mit zu­mut­ba­ren An­stren­gun­gen nutz­bar wären. Dem muss auch im Rah­men des Kündi­gungs­schutz­rechts Rech­nung ge­tra­gen wer­den, da an­sons­ten ei­ner Ver­trags­par­tei die Möglich­keit ge­nom­men würde, ei­nen ver­trags­wid­ri­gen Zu­stand mit recht­lich zulässi­gen Mit­teln zu be­sei­ti­gen.

e) Die­ser Kon­flikt zwi­schen den ge­nann­ten wi­der­strei­ten­den Ge­sichts­punk­ten kann nach den Re­geln der ab­ge­stuf­ten Dar­le­gungs­last an­ge­mes­sen gelöst wer­den (Se­nat 11. De­zem­ber 2003 - 2 AZR 667/02 - BA­GE 109, 87, zu B I 2 d der Gründe).

aa) Da­bei ist es zunächst Sa­che des Ar­beit­ge­bers, zu den Leis­tungsmängeln das vor­zu­tra­gen, was er wis­sen kann. Kennt er le­dig­lich die ob­jek­tiv mess­ba­ren Ar­beits­er­geb­nis­se, so genügt er sei­ner Dar­le­gungs­last, wenn er Tat­sa­chen vorträgt, aus de­nen er­sicht­lich ist, dass die Leis­tun­gen des be­tref­fen­den Ar­beit­neh­mers deut­lich hin­ter de­nen ver­gleich­ba­rer Ar­beit­neh­mer zurück­blei­ben, al­so die Durch­schnitts­leis­tung er­heb­lich un­ter­schrei­ten. Da­von kann dann ge­spro­chen wer­den, wenn,

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ge­mes­sen an der durch­schnitt­li­chen Leis­tung der ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mer, das Verhält­nis von Leis­tung und Ge­gen­leis­tung stark be­ein­träch­tigt ist.


Hat der Ar­beit­ge­ber vor­ge­tra­gen, dass die Leis­tun­gen des Ar­beit­neh­mers über ei­nen länge­ren Zeit­raum den Durch­schnitt im vor­ge­nann­ten Sin­ne un­ter­schrit­ten ha­ben, ist es Sa­che des Ar­beit­neh­mers, hier­auf zu ent­geg­nen, ggf. das Zah­len­werk und sei­ne Aus­sa­gefähig­keit im Ein­zel­nen zu be­strei­ten und/oder dar­zu­le­gen, war­um er mit sei­ner deut­lich un­ter­durch­schnitt­li­chen Leis­tung den­noch sei­ne persönli­che Leis­tungsfähig­keit ausschöpft. Hier können al­ters­be­ding­te Leis­tungs­de­fi­zi­te, Be­ein­träch­ti­gun­gen durch Krank­heit, aber auch be­trieb­li­che Umstände ei­ne Rol­le spie­len. Legt der Ar­beit­neh­mer der­ar­ti­ge Umstände plau­si­bel dar, so ist es als­dann Sa­che des Ar­beit­ge­bers, sie zu wi­der­le­gen. Trägt der Ar­beit­neh­mer hin­ge­gen der­ar­ti­ge Umstände nicht vor, so gilt das schlüssi­ge Vor­brin­gen des Ar­beit­ge­bers als zu­ge­stan­den (§ 138 Abs. 3 ZPO). Es ist dann da­von aus­zu­ge­hen, dass der Ar­beit­neh­mer sei­ne Leis­tungsfähig­keit nicht ausschöpft.


bb) Bei quan­ti­ta­ti­ven Min­der­leis­tun­gen hat sich der Se­nat (11. De­zem­ber 2003 - 2 AZR 667/02 - BA­GE 109, 87, zu B I 2 d der Gründe) an den Wer­ten ori­en­tiert, die für die An­nah­me ei­ner grund­le­gen­den Störung des Leis­tungs­gleich­ge­wichts her­an­ge­zo­gen wor­den sind.

cc) Für den Fall qua­li­ta­ti­ver Min­der­leis­tung sind sol­che auf die bloße Feh­lerhäufig­keit ab­stel­len­de Gren­zen, auch wenn sie für ei­ne rechts­si­che­re Hand­ha­bung durch die Tat­sa­chen­in­stan­zen wünschens­wert wären, für sich nicht ge­eig­net, die Kündi­gungs­re­le­vanz der dem Ar­beit­neh­mer kon­kret vor­ge­wor­fe­nen Pflicht­ver­let­zun­gen hin­rei­chend si­cher ein­zu­gren­zen. Ab­so­lu­te Be­zugs­größen, et­wa der­ge­stalt, dass bei ei­ner dop­pel­ten oder, wo­von das Ar­beits­ge­richt wohl aus­ge­gan­gen ist, drei­fa­chen Feh­ler­quo­te ein ver­hal­tens­be­ding­ter Kündi­gungs­grund an­ge­nom­men wird, berück-sich­ti­gen nicht hin­rei­chend, dass je nach Art der Tätig­keit und der da­bei mögli­cher­wei­se auf­tre­ten­den Feh­ler die­sen ein sehr un­ter­schied­li­ches kündi­gungs­re­le­van­tes Ge­wicht bei­zu­mes­sen ist. Es sind Tätig­kei­ten denk­bar, bei de­nen be­reits ein ein­ma­li­ger Feh­ler der­art weit­rei­chen­de Kon­se­quen­zen hat, dass ei­ne Ver­trags­pflicht­ver­let­zung er­heb­lich eher an­zu­neh­men ist als bei an­de­ren Feh­lern (zB Sorg­falts­pflich­ten ei­nes Pi­lo­ten). An­de­rer­seits gibt es Tätig­kei­ten, bei de­nen Feh­ler nach der Art der Tätig­keit vom Ar­beit­neh­mer kaum zu ver­mei­den und vom Ar­beit­ge­ber eher hin­zu­neh­men sind, weil ih­re Fol­gen das Ar­beits­verhält­nis nicht all zu stark be­las­ten. Des­halb ist in der­ar­ti­gen Fällen über die bloße Be­trach­tung der Feh­lerhäufig­keit hin­aus ei­ne


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ein­zel­fall­be­zo­ge­ne Be­trach­tungs­wei­se un­ter Berück­sich­ti­gung der kon­kre­ten Ar­beits­an­for­de­run­gen und der kon­kre­ten Ge­ge­ben­hei­ten des Ar­beits­plat­zes ge­bo­ten. Die Prüfung hat sich auch hier an dem Maßstab zu ori­en­tie­ren, ob und ggf. in wel­chem Um­fang das Verhält­nis von Leis­tung und Ge­gen­leis­tung be­ein­träch­tigt ist.


dd) Bei ei­ner Kündi­gung we­gen qua­li­ta­ti­ver Min­der­leis­tung des Ar­beit­neh­mers ist es da­nach zunächst Sa­che des Ar­beit­ge­bers, zu den auf­ge­tre­te­nen Leis­tungsmängeln das vor­zu­tra­gen, was er über die Feh­ler­zahl, die Art und Schwe­re so­wie Fol­gen der feh­ler­haf­ten Ar­beits­leis­tung des Ar­beit­neh­mers wis­sen kann. Kann der Ar­beit­ge­ber dar­le­gen, dass der Ar­beit­neh­mer länger­fris­tig die durch­schnitt­li­che Feh­lerhäufig­keit al­ler mit ver­gleich­ba­ren Ar­bei­ten beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer er­heb­lich über­schrei­tet, so kann dies ein An­halts­punkt dafür sein, dass der Ar­beit­neh­mer vor­werf­bar sei­ne ver­trag­li­chen Pflich­ten ver­letzt. Da je­doch der Ver­gleich durch­schnitt­li­cher Feh­ler­quo­ten für sich noch kei­nen hin­rei­chen­den Auf­schluss darüber gibt, ob durch die feh­ler­haf­te Ar­beit des gekündig­ten Ar­beit­neh­mers das Verhält­nis von Leis­tung und Ge­gen­leis­tung stark be­ein­träch­tigt ist, muss der Ar­beit­ge­ber hier wei­te­re Umstände dar­le­gen. An­hand der tatsächli­chen Feh­ler­zahl, der Art, Schwe­re und Fol­gen der feh­ler­haf­ten Ar­beits­leis­tung des be­tref­fen­den Ar­beit­neh­mers ist näher dar­zu­le­gen, dass die länger­fris­ti­ge deut­li­che Über­schrei­tung der durch­schnitt­li­chen Feh­ler­quo­ten nach den Ge­samt-umständen dar­auf hin­weist, dass der Ar­beit­neh­mer vor­werf­bar sei­ne ver­trag­li­chen Pflich­ten ver­letzt. Legt der Ar­beit­ge­ber dies im Pro­zess dar, so muss der Ar­beit­neh­mer erläutern, war­um er trotz er­heb­lich un­ter­durch­schnitt­li­cher Leis­tun­gen sei­ne Leis­tungsfähig­keit ausschöpft. Hier­bei ist ins­be­son­de­re dar­zu­le­gen, wel­che be­trieb­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen durch die kon­kret dar­zu­le­gen­den Feh­ler ver­ur­sacht wer­den und dass es sich in­so­weit nicht le­dig­lich um Feh­ler han­delt, die trotz ei­ner ge­wis­sen Häufig­keit an­ge­sichts der kon­kre­ten Umstände der Ar­beits­leis­tung vom Ar­beit­ge­ber hin­zu­neh­men sind.


f) Die­sen Maßstäben wird die Würdi­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht ge­recht. Sie stellt oh­ne wei­te­re Prüfung der Ge­samt­umstände ent­schei­dend auf die abs­trak­te Feh­lerhäufig­keit der Kläge­rin im Verhält­nis zu den an­de­ren Mit­ar­bei­tern ab. Dies greift zu kurz.


aa) Im Aus­gangs­punkt zu­tref­fend geht das Lan­des­ar­beits­ge­richt da­von aus, dass der Be­triebs­ver­ein­ba­rung „Prämien­ent­loh­nung BVL 9602“ und der ihr bei­gefügten An­la­ge 3, über de­ren Gel­tungs­dau­er die Par­tei­en strei­ten, ein ge­wis­ses In­diz dafür
 


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ent­nom­men wer­den kann, wel­che Feh­lerhäufig­keit nach der Wer­tung der Be­triebs­part­ner vom Ar­beit­ge­ber hin­zu­neh­men ist. Bei ei­ner re­pe­ti­ti­ven Tätig­keit wie der im „Sor­ter-Ver­sand“ ent­spricht es der men­sch­li­chen Na­tur, dass über ei­nen länge­ren Zeit­raum hin­weg ei­ne na­he­zu feh­ler­lo­se Ar­beits­wei­se kaum möglich und des­halb vom Ar­beit­neh­mer nicht zu ver­lan­gen und auch nicht zu er­war­ten ist. Wenn da­nach die Be­triebs­par­tei­en von ei­ner To­le­ranz­größe der Feh­ler­quo­te von zwei Pro­mil­le aus¬ge­hen, und auch die von der Be­klag­ten dar­ge­leg­te durch­schnitt­li­che Feh­ler­quo­te al­ler Ar­beit­neh­mer sich in die­ser Größen­ord­nung hält und so­gar et­was dar­un­ter­liegt, so spricht dies dafür, dass nach der Wer­tung der Be­triebs­par­tei­en ei­ne Feh­lerhäufig­keit in der Schwan­kungs­brei­te bis et­wa zwei Pro­mil­le nicht schon als Ver­trags­pflicht­ver­let­zung der be­tref­fen­den Ar­beit­neh­mer an­ge­se­hen wer­den kann. Dies recht­fer­tigt es je­doch nicht, bei ei­ner Feh­lerhäufig­keit, die zwei Pro­mil­le er­heb­lich über­schrei­tet, oh­ne Wei­te­res eben­falls ent­schei­dend auf die Be­triebs­ver­ein­ba­rung ab­zu­stel­len und abs­trak­te Grenz­wer­te fest­zu­le­gen, ab de­ren Er­rei­chen ei­ne Ver­trags­pflicht­ver­let­zung schon oder noch nicht an­zu­neh­men ist. Die Be­triebs­ver­ein­ba­rung legt kei­ne Prämie für ei­ne qua­li­ta­tiv gu­te Leis­tung fest. Prämiert wird viel­mehr al­lein der er­reich­te Leis­tungs­grad, al­so die in ei­ner be­stimm­ten Zeit ge­leis­te­te Ar­beits­men­ge. Der Prämi­en­ab­zug soll nach dem Ge­sam­tin­halt der Be­triebs­ver­ein­ba­rung le­dig­lich die Ar­beit­neh­mer da­zu an­hal­ten, nicht pflicht­wid­rig zu ver­su­chen, die Ar­beits­men­ge da­durch zu stei­gern, dass sie qua­li­ta­tiv schlech­te Ar­beit leis­ten. Es stellt da­mit kei­nen taug­li­chen Maßstab für den Grad der Ver­trags­wid­rig­keit ei­ner feh­ler­haf­ten Ar­beits­leis­tung dar, wie die Be­triebs­part­ner in dem völlig an­de­ren Zu­sam­men­hang ei­ner auf die Ar­beits­men­ge ab­stel­len­den Prämie den Prämi­en­ab­zug für feh­ler­haf­te Ar­beit re­geln.


bb) So­weit das Lan­des­ar­beits­ge­richt aus­ge­hend von der Be­triebs­ver­ein­ba­rung meint, ei­ne er­heb­li­che Un­ter­schrei­tung der Durch­schnitts­leis­tung durch die Kläge­rin könne nicht fest­ge­stellt wer­den, folgt der Se­nat dem nicht. Zu­tref­fend weist das Lan­des­ar­beits­ge­richt zwar zunächst dar­auf hin, dass for­mel­haf­te Be­rech­nun­gen aus dem Be­reich der quan­ti­ta­ti­ven Min­der­leis­tung auf Fälle der qua­li­ta­ti­ven Min­der­leis­tung nicht oh­ne Wei­te­res über­tra­gen wer­den können. Al­ler­dings nimmt das Lan­des­ar­beits­ge­richt dann doch mit ei­ner im we­sent­li­chen rech­ne­risch be­gründe­ten Wer­tung an, der Aus­sa­ge­wert ei­ner das Drei­fa­che der durch­schnitt­li­chen Feh­ler­quo­te sei oh­ne je­de Aus­sa­ge­kraft. Die Her­an­zie­hung der Prämi­en­abzüge nach der An­la­ge 3 der BVL 9602 ist - wie be­reits dar­ge­legt - nicht ge­eig­net, die Fra­ge der er­heb­li­chen Ab­wei­chung ver­bind­lich zu be­ur­tei­len und et­wa erst beim Über­schrei­ten ei­ner Feh­ler­quo­te von mehr als 5 Pro­mil­le Kündi­gungs­re­le­vanz an­zu­neh­men. Die Prämie wird in ers­ter Li­nie
 


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ge­zahlt, um die An­zahl der ge­fer­tig­ten Sen­dun­gen zu erhöhen. Die Ver­rin­ge­rung der Feh­ler­quo­te hat sie al­len­falls auf dem Um­weg des Prämi­en­ab­zugs im Au­ge. Wel­che qua­li­ta­ti­ven An­for­de­run­gen an die Ar­beit al­ler im „Sor­ter-Ver­sand“ täti­gen Ar­beit­neh­mer zu stel­len sind und ab wel­cher Feh­ler­quo­te ei­ne pflicht­wid­ri­ge Schlecht­leis­tung an­zu­neh­men ist, muss des­halb an­hand der Ge­samt­umstände be­ur­teilt wer­den.


cc) Des­halb war die Sa­che an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen, § 563 ZPO. Ob die Kläge­rin pflicht­wid­rig er­heb­lich un­ter­durch­schnitt­li­che Leis­tun­gen er­bracht hat, ist als un­be­stimm­ter Rechts­be­griff mit ei­nem Wer­tungs- und Be­ur­tei­lungs­spiel­raum der Tat­sa­chen­in­stan­zen ver­se­hen, in den der Se­nat nicht ein­grei­fen möch­te. Zwar ist ei­ne ge­genüber dem Ab­tei­lungs­durch­schnitt drei­fach höhe­re Feh­ler­quo­te als ein deut­li­cher An­halts­punkt für ein mögli­ches pflicht­wid­ri­ges Ver­hal­ten der Kläge­rin ein­zu­stu­fen, als ab­so­lu­ter Wert ist sie aber un­ge­eig­net.

3. Die Zurück­ver­wei­sung ist auch nicht des­halb ent­behr­lich, weil sich das Ur­teil aus an­de­ren Gründen als rich­tig er­weist, § 561 ZPO. Auch die Würdi­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, die Kündi­gung ver­s­toße im Er­geb­nis ge­gen den Verhält­nismäßig­keits­grund­satz, ist rechts­feh­ler­haft. Zu­min­dest mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­ge­be­nen Be­gründung lässt sich ein Ver­s­toß ge­gen den Verhält­nismäßig­keits­grund­satz nicht be­ja­hen.

a) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, ei­ne Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung fol­ge in­so­weit nicht be­reits aus dem Um­stand, dass die an­de­re Beschäfti­gung der Kläge­rin zu geänder­ten Be­din­gun­gen möglich ge­we­sen wäre, denn die Kläge­rin ha­be ent­spre­chen­de Möglich­kei­ten nicht auf­ge­zeigt. Ge­gen die­se Würdi­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts wen­det sich die Kläge­rin in der Re­vi­si­ons­in­stanz nicht.

b) Zu Un­recht geht das Lan­des­ar­beits­ge­richt da­von aus, die Kündi­gung sei gleich­wohl un­wirk­sam, weil die Be­klag­te das mil­de­re Mit­tel ei­ner Ände­rungskündi­gung zur Ent­gelt­re­du­zie­rung nicht ge­nutzt ha­be.

Die­ser Ar­gu­men­ta­ti­on kann nicht ge­folgt wer­den. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ver­kennt hier, dass in Fällen ei­ner qua­li­ta­ti­ven Schlecht­leis­tung ei­ne Ent­gelt­re­du­zie­rung kaum ge­eig­net ist, ei­ne rechts­si­che­re Hand­ha­bung zu gewähr­leis­ten. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt legt auch nicht dar, in wel­chem Um­fang durch ei­ne Ände­rungskündi­gung das Ge­halt der Kläge­rin re­du­ziert wer­den soll. Die Prämi­en­re­du­zie­rung durch die Be­triebs­ver­ein­ba­rung ist an­ge­sichts des von der Kläge­rin er­reich­ten
 


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Leis­tungs­gra­des oh­ne­hin mar­gi­nal. Auch ei­ne Erhöhung der Prämi­en­min­de­rung et­wa auf das Drei­fa­che oder das Fünf­fa­che würde des­halb für die Kläge­rin kei­nen hin-rei­chen­den An­reiz zu ei­ner Re­du­zie­rung ih­rer Feh­ler­quo­te bie­ten. Ei­ne sol­che Ände­rungskündi­gung wäre zu­dem wohl un­verhält­nismäßig, weil der ge­rin­ge Um­fang der Ge­halts­re­du­zie­rung ei­ne Be­stands­gefähr­dung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht recht­fer­ti­gen würde.


c) So­weit das Lan­des­ar­beits­ge­richt meint, die Kündi­gung sei auch des­halb un­verhält­nismäßig, weil die Ab­mah­nun­gen der Be­klag­ten vom 25. Au­gust/2. Sep­tem­ber 2003 und 28. Ju­ni 2004 nicht deut­lich ge­nug sei­en, über­schrei­tet das Lan­des­ar­beits­ge­richt den ihm zu­ste­hen­den Be­ur­tei­lungs­spiel­raum. Aus den Ab­mah­nun­gen konn­te die Kläge­rin die Auf­for­de­rung ent­neh­men, sie möge ih­re Ar­beits­leis­tung sorg-fälti­ger er­brin­gen und ih­re Feh­ler­quo­te ver­rin­gern. Auch die Kläge­rin hat of­fen­sicht­lich die Ab­mah­nun­gen so ver­stan­den, denn sie hat zunächst ih­re Feh­ler­quo­te deut­lich ver­rin­gert. Von ei­ner Un­be­stimmt­heit der Ab­mah­nun­gen durf­te das Lan­des­ar­beits­ge­richt bei die­ser Sach­la­ge nicht aus­ge­hen.

Ab­ge­se­hen da­von war die Kläge­rin schon da­durch ge­warnt, dass seit ge­rau­mer Zeit bei ihr auf Grund­la­ge der BVL 9602 Prämi­en­abzüge we­gen Über­schrei­tens der Feh­ler­quo­ten vor­ge­nom­men wur­den. Die Kläge­rin muss­te des­halb da­von aus­ge­hen, dass ihr Ver­hal­ten nicht fol­gen­los blei­ben würde. Außer­dem war vor dem Prämi­en­ab­zug das ge­stuf­te In­ter­ven­ti­ons­ver­fah­ren durch­geführt wor­den. Es spielt in die­sem Zu­sam­men­hang kei­ne Rol­le, ob die An­la­ge 3 zur BVL 9602 im Ka­len­der­jahr 2004 noch Gültig­keit hat­te. Das In­ter­ven­ti­ons­ver­fah­ren hat­te vor dem Prämi­en­ab­zug statt­ge­fun­den, den die Kläge­rin un­strei­tig schon ge­rau­me Zeit vor Aus­spruch der Kündi­gung hin­zu­neh­men hat­te.


4. Von sei­nem recht­li­chen Stand­punkt aus kon­se­quent, hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt kei­ne ab­sch­ließen­de In­ter­es­sen­abwägung durch­geführt. Die­se wird es ggf. nach­zu­ho­len ha­ben. Von Hin­wei­sen hier­zu wird ab­ge­se­hen, da das Lan­des­ar­beits­ge­richt hier­zu kei­ner­lei Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen und auch kei­ne Würdi­gun­gen vor­ge­nom­men hat.


II. Auch der auf vorläufi­ge Wei­ter­beschäfti­gung während der Dau­er des Rechts­streits ge­rich­te­te An­trag zu 2) un­ter­liegt da­mit der Zurück­ver­wei­sung.
 


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III. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat auch über die Kos­ten der Re­vi­si­on zu ent­schei­den.


Rost 

Bröhl 

Schmitz-Scho­le­mann

J. Lücke 

Ba­er­baum

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