HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 16/292

Zeug­nis mit feh­ler­haf­ter Un­ter­schrift

Ver­läuft die Un­ter­schrift quer zum Zeug­nis­text von links oben nach rechts un­ten, liegt kein schrift­li­ches Zeug­nis vor: Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm, Be­schluss vom 27.07.2016, 4 Ta 118/16
Dokument mit Unterschriftenzeile und Füller

16.09.2016. Ar­beit­ge­ber müs­sen manch­mal zu Stift und Pa­pier grei­fen, auch wenn sie nor­ma­ler­wei­se pa­pier­los bzw. rein di­gi­tal ar­bei­ten: Wenn ein Ar­beit­neh­mer ein Zeug­nis ver­langt, ist es schrift­lich zu er­tei­len.

Da­her müs­sen Zeug­nis­se kor­rekt un­ter­schrie­ben sein. We­der ge­nügt ein klei­ner Schnör­kel mit ein oder zwei An­fangs­buch­sta­ben des Un­ter­zeich­nen­den noch wä­re ei­ne Erst­kläss­ler-Schrift in Ord­nung, denn in bei­den Fäl­len lässt die Un­ter­zeich­nung nicht er­ken­nen, wer das Zeug­nis un­ter­schrie­ben hat.

In ei­nem ak­tu­el­len Fall hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Hamm klar­ge­stellt, dass auch ei­ne schräg von oben nach un­ten ver­lau­fen­de Un­ter­schrift den Zeug­nis­an­spruch nicht er­füllt, da hier ein un­zu­läs­si­ges (ne­ga­ti­ves) Ge­heim­zei­chen vor­liegt: LAG Hamm, Be­schluss vom 27.07.2016, 4 Ta 118/16.

Wer muss ein Zeug­nis un­ter­schrei­ben und wie muss das ge­macht wer­den?

Ar­beit­neh­mer können bei Be­en­di­gung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses gemäß § 109 Abs.1 Ge­wer­be­ord­nung (Ge­wO) ein schrift­li­ches und qua­li­fi­zier­tes Ar­beits­zeug­nis ver­lan­gen.

"Qua­li­fi­ziert" ist ein Zeug­nis, das die Leis­tun­gen und das Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers im Ar­beits­verhält­nis be­wer­tet, al­so ei­ne Be­no­tung enthält. Und "schrift­lich" ist das Zeug­nis, wenn es auf dem Fir­men­pa­pier des Ar­beit­ge­bers aus­ge­fer­tigt und von ihm oder ei­nem Vor­ge­setz­ten ei­genhändig un­ter­schrie­ben ist (§ 126 Abs.1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch - BGB).

Kommt es vor der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zu Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer oder gar zu ei­nem Kündi­gungs­schutz­pro­zess, können man­che Ar­beit­ge­ber der Ver­su­chung nicht wi­der­ste­hen, sich beim Zeug­nis zu re­van­chie­ren. Dann wird das Zeug­nis so aus­ge­stellt, dass der Ar­beit­neh­mer kei­ne Freu­de dar­an hat: Es ge­knickt oder enthält Schreib­feh­ler oder es ist von ei­nem nach­ge­ord­ne­ten Sach­be­ar­bei­ter der Per­so­nal­ab­tei­lung un­ter­schrie­ben usw.

Der­ar­ti­ge Feh­ler oder Auffällig­kei­ten können ei­ne ver­deck­te Ne­ga­tiv­be­wer­tung der Leis­tun­gen des Ar­beit­neh­mers zum Aus­druck brin­gen. Sol­che "Ge­heim­codes" sind ver­bo­ten. Denn in § 109 Abs.2 Satz 2 Ge­wO heißt es, dass das Zeug­nis

"kei­ne Merk­ma­le oder For­mu­lie­run­gen ent­hal­ten (darf), die den Zweck ha­ben, ei­ne an­de­re als aus der äußeren Form oder aus dem Wort­laut er­sicht­li­che Aus­sa­ge über den Ar­beit­neh­mer zu tref­fen."

So klar die­ses ge­setz­li­che Ver­bot an sich ist, so um­strit­ten ist in kon­kre­ten Fällen im­mer wie­der die Fra­ge, ob der Ar­beit­ge­ber da­ge­gen ver­s­toßen hat. Im­mer­hin gibt es zu ei­ni­gen Ge­heim­bot­schaf­ten Ge­richts­ent­schei­dun­gen. So hat das Ar­beits­ge­richt München ent­schie­den, dass der im Zeug­nis ge­nann­te Aus­stel­ler auch persönlich un­ter­schrei­ben muss (Be­schluss vom 18.08.2010, 21 Ca 12890/09, wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 11/054 Ar­beits­zeug­nis: Un­ter­schrift nur vom Aus­stel­ler persönlich).

In ei­nem ak­tu­el­len Fall des LAG Hamm ging es nicht um die Fra­ge, wer das Zeug­nis un­ter­schrei­ben muss, son­dern in wel­cher Wei­se die Un­ter­schrift auf dem Zeug­nis an­zu­brin­gen ist: Ist ei­ne Un­ter­schrift, die quer von oben nach un­ten verläuft, in Ord­nung oder ei­ne ver­deck­te Ent­wer­tung des Zeug­nis­ses?

Un­ter­schrift ein­mal an­ders: Nicht von links nach rechts, son­dern von oben nach un­ten

Im Streit­fall hat­te ei­ne langjährig beschäftig­te Ar­beit­neh­me­rin ge­gen ei­ne Kündi­gung ih­res Ar­beit­ge­bers ge­klagt und sich mit ihm ver­gli­chen. Nach dem Ver­gleich muss­te der Ar­beit­ge­ber ein wohl­wol­len­des qua­li­fi­zier­tes Ar­beits­zeug­nis er­tei­len. Das tat er auch, doch war das Zeug­nis nicht vom Geschäftsführer un­ter­schrie­ben, son­dern von ei­nem Per­so­nal­re­fe­ren­ten.

Da­her zog die Ar­beit­neh­me­rin er­neut vor Ge­richt, und auch dies­mal kam nicht zu ei­nem Ur­teil, son­dern zu ei­nem Ver­gleich. Dar­in ver­pflich­te­te sich der Ar­beit­ge­ber, das der Ar­beit­neh­me­rin be­reits er­teil­te Zeug­nis durch ih­ren Geschäftsführer un­ter­schrei­ben zu las­sen und der Ar­beit­neh­me­rin aus­zuhändi­gen.

An die­sen Ver­gleich hielt sich der Ar­beit­ge­ber bzw. sein Geschäftsführer auch, al­ler­dings nicht so, wie die Ar­beit­neh­me­rin das er­war­tet hätte. Der Geschäftsführer un­ter­zeich­ne­te nämlich in ei­ner Art Kin­der­schrift. Die­ser Schrift fehl­ten die in­di­vi­du­el­len Merk­ma­le, die die Un­ter­schrif­ten des Geschäftsführers nor­ma­ler­wei­se aus­zeich­ne­ten. Zur Be­gründung hieß es, der Geschäftsführer ha­be ei­nen Schlüssel­bein­bruch er­lit­ten.

Der Ar­beit­neh­me­rin wur­de es zu bunt und sie be­an­trag­te bei Ge­richt ein Zwangs­geld, um den Ar­beit­ge­ber im We­ge der Zwangs­voll­stre­ckung da­zu an­zu­hal­ten, sei­ne Pflicht zur Neu­aus­fer­ti­gung des Zeug­nis­ses zu erfüllen. Das Ar­beits­ge­richt Iser­lohn setz­te 1.000,00 EUR Zwangs­geld fest.

Da­ge­gen leg­te der Ar­beit­ge­ber so­for­ti­ge Be­schwer­de ein, er­teil­te das Zeug­nis aber vor­sichts­hal­ber ein wei­te­res Mal, wo­bei der Geschäftsführer dies­mal sei­ne nor­ma­le (Er­wach­se­nen-)Un­ter­schrift zu Pa­pier brach­te. Al­ler­dings schrieb er da­bei nicht von links nach rechts, son­dern schräg von links oben nach rechts un­ten.

LAG Hamm: Verläuft die Un­ter­schrift quer zum Zeug­nis­text von oben nach un­ten, liegt kein schrift­li­ches Zeug­nis vor

Das LAG Hamm wies die so­for­ti­ge Be­schwer­de des Ar­beit­ge­bers zurück, denn er hat­te sei­ne im Ver­gleich ti­tu­lier­te Pflicht, das Zeug­nis mit ei­ner Un­ter­schrift ih­res Geschäftsführers zu ver­se­hen, bis­her nicht erfüllt.

Die an ei­ne Kin­der­schrift er­in­nern­de Un­ter­zeich­nung ließ das LAG nicht als Un­ter­schrift gel­ten, weil der Geschäftsführer geschäft­li­che Schrei­ben gewöhn­lich in ei­ner an­de­ren Wei­se un­ter­zeich­ne­te, nämlich mit ei­ner Un­ter­schrift, die in­di­vi­du­el­le Züge trug. Ei­ne Un­ter­schrift soll aber, so das LAG, die Iden­tität des Un­ter­zeich­nen­den er­ken­nen las­sen und da­mit die Echt­heit der Ur­kun­de gewähr­leis­ten und be­weis­bar ma­chen. Da­von konn­te hier kei­ne Re­de sein, so dass die "Kin­der-Un­ter­schrift" als ein Hand­zeich­nen an­zu­se­hen war.

Auch die dia­go­nal ver­lau­fen­de Un­ter­schrift war kei­ne kor­rek­te Neu­aus­fer­ti­gung des Zeug­nis­ses, denn hier han­del­te es sich nach An­sicht des LAG um ein Ge­heim­zei­chen, das durch § 109 Abs.2 Satz 2 Ge­wO ver­bo­ten ist. Zur Be­gründung heißt es in dem Ur­teil:

"Ei­ne der­ar­ti­ge Form der Un­ter­schrifts­leis­tung ist im Rechts­ver­kehr völlig unüblich. Ein Zeug­nis­le­ser wird dies auf den ers­ten Blick fest­stel­len und sich ver­an­lasst se­hen, sich über den Grund ei­ner der­ar­ti­gen Un­ter­schrifts­leis­tung Ge­dan­ken zu ma­chen. Die von der Gläubi­ge­rin befürch­te­te Möglich­keit, dass dies als ei­ne Dis­tan­zie­rung vom Zeug­nis­text ver­stan­den wird, ist da­bei na­he­lie­gend. Je­den­falls be­gründet die­se Art der Un­ter­schrift er­heb­li­che Zwei­fel an der Ernst­haf­tig­keit des Zeug­nis­tex­tes und ent­wer­tet die­sen vollständig. Die frag­li­che Un­ter­schrift verstößt so­mit ge­gen § 109 Abs. 2 Satz 2 Ge­wO (...)"

Fa­zit: Ar­beit­ge­ber müssen nicht je­de über­trie­be­ne Lob­hu­de­lei, die Ar­beit­neh­mer ger­ne in ih­rem Zeug­nis le­sen würden, mit­ma­chen. Ist der In­halt des Zeug­nis­ses aber - wie hier im Streit­fall - kein Pro­blem, dann soll­te man sich nicht lächer­lich ma­chen, in­dem man das Zeug­nis mut­wil­lig ver­hunzt, nur um dem Ar­beit­neh­mer nachträglich eins aus­zu­wi­schen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den sie hier:

Letzte Überarbeitung: 1. November 2018

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 5.0 von 5 Sternen (1 Bewertung)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de