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BAG, Ur­teil vom 11.12.2019, 5 AZR 505/18

   
Schlagworte: Entgeltfortzahlung, Krankheit, Krankheit: Folgeerkrankung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 5 AZR 505/18
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 11.12.2019
   
Leitsätze:

Nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls ist der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit auf die Dauer von sechs Wochen begrenzt, wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.

Ein einheitlicher Verhinderungsfall ist regelmäßig hinreichend indiziert, wenn zwischen einer „ersten“ krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und einer dem Arbeitnehmer im Wege der „Erstbescheinigung“ attestierten weiteren Arbeitsunfähigkeit ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht. Hiervon ist auszugehen, wenn die bescheinigten Arbeitsverhinderungen zeitlich entweder unmittelbar aufeinanderfolgen oder zwischen ihnen lediglich ein für den erkrankten Arbeitnehmer arbeitsfreier Tag oder ein arbeitsfreies Wochenende liegt.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hannover, Urteil vom 07.03.2018, 11 Ca 378/17,
Landesarbeitsgericht Niedersachen, Urteil vom 26.09.2018, 7 Sa 336/18
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

5 AZR 505/18
7 Sa 336/18
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Nie­der­sach­sen

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
11. De­zem­ber 2019

UR­TEIL

 

Schmidt-Bren­ner, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

 

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­onskläge­rin,

 

pp.

 

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

 

hat der Fünf­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 11. De­zem­ber 2019 durch den Vi­ze­präsi­den­ten des Bun­de­sar­beits­ge­richts Dr. Linck, die Rich­te­rin­nen am Bun­des­ar­beits­ge­richt Ber­ger und Dr. Volk so­wie die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Teich­fuß und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Bor­mann für Recht er­kannt:

 

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  1. Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen vom 26. Sep­tem­ber 2018 - 7 Sa 336/18 - wird zurück­ge­wie­sen.
  2. Die Kläge­rin hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

 

Von Rechts we­gen!

 

Tat­be­stand

 

Die Par­tei­en strei­ten über Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall für die Zeit vom 19. Mai bis zum 29. Ju­ni 2017.

Die 1954 ge­bo­re­ne Kläge­rin war bis ein­sch­ließlich Ju­li 2017 bei der Be­klag­ten als Fach­kraft in der Al­ten­pfle­ge beschäftigt. Seit Au­gust 2017 be­fin­det sie sich im Ru­he­stand.

2

In der Zeit vom 9. bis zum 25. Ja­nu­ar 2017 war die Kläge­rin ar­beit­sun­fähig er­krankt. Vom 26. Ja­nu­ar bis zum 6. Fe­bru­ar 2017 be­fand sie sich im Er­ho­lungs­ur­laub. Seit dem 7. Fe­bru­ar 2017 war sie in­fol­ge ei­nes psy­chi­schen Lei­dens er­neut ar­beits­unfähig. Die Be­klag­te leis­te­te Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall bis ein­sch­ließlich 20. März 2017. An­sch­ließend be­zog die Kläge­rin auf der Grund­la­ge von Fol­ge­be­schei­ni­gun­gen ih­rer Hausärz­te, die ihr ei­ne fort­be­ste­hen­de Ar­beits­unfähig­keit bis ein­sch­ließlich Don­ners­tag, dem 18. Mai 2017 at­tes­tier­ten, Kran­ken­geld.

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Am Frei­tag, dem 19. Mai 2017 un­ter­zog sich die Kläge­rin we­gen ei­ner Gebärmut­ter­sen­kung ei­ner seit länge­rem ge­plan­ten Ope­ra­ti­on. Be­reits am Vor­tag, dem 18. Mai 2017, wur­de der Kläge­rin durch ih­re nie­der­ge­las­se­ne Frau­en­ärz­tin mit ei­ner „Erst­be­schei­ni­gung“ Ar­beits­unfähig­keit vom 19. Mai bis zu­nächst 16. Ju­ni 2017 und mit ei­ner „Fol­ge­be­schei­ni­gung“ bis vor­aus­sicht­lich 30. Ju­ni 2017 at­tes­tiert.

 

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Im Ju­li 2017 er­brach­te die Kläge­rin auf­grund von Ur­laub und zum Ab­bau von Über­stun­den gewähr­ten Frei­zeit­aus­gleichs kei­ne Ar­beits­leis­tun­gen mehr. Im glei­chen Zeit­raum be­gann sie ei­ne psy­cho­the­ra­peu­ti­sche Be­hand­lung bei ei­nem Neu­ro­lo­gen. Be­glei­tend wur­den ihr - wie be­reits seit Be­ginn ih­rer psy­chi­schen Er­kran­kung - Psy­cho­phar­ma­ka ver­ord­net.

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Für die Zeit vom 19. Mai bis zum 29. Ju­ni 2017 leis­te­te we­der die Be­klag­te Ent­gelt­fort­zah­lung noch wur­de der Kläge­rin sei­tens ih­rer Kran­ken­kas­se Kran­ken­geld be­wil­ligt.

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Mit ih­rer Kla­ge hat die Kläge­rin gel­tend ge­macht, die Ar­beits­unfähig­keit we­gen ih­rer psy­chi­schen Er­kran­kung ha­be am 18. Mai 2017 ge­en­det. Erst die Ope­ra­ti­on vom 19. Mai 2017 ha­be er­neut zu ei­ner Ar­beits­unfähig­keit geführt. Ab die­sem Tag sei des­halb ein neu­er Ent­gelt­fort­zah­lungs­an­spruch für die Dau­er von sechs Wo­chen ent­stan­den.

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Die Kläge­rin hat, so­weit für die Re­vi­si­on von In­ter­es­se, be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie 3.364,90 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 7. Sep­tem­ber 2017 zu zah­len.

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Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt und be­haup­tet, die Kläge­rin sei we­gen ih­res gynäko­lo­gi­schen Lei­dens schon vor dem 19. Mai 2017 ar­beits­unfähig ge­we­sen. Un­ge­ach­tet des­sen sei da­von aus­zu­ge­hen, dass die fort­be­ste­hen­de psy­chi­sche Er­kran­kung der Kläge­rin über den 18. Mai 2017 hin­aus Ar­beits­unfähig­keit ver­ur­sacht ha­be. Nach dem Grund­satz der Ein­heit des Ver­hin­de­rungs­falls ha­be ih­re Ent­gelt­fort­zah­lungs­pflicht da­her mit dem Ab­lauf von sechs Wo­chen am 20. März 2017 ge­en­det.

 

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Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt die Kla­ge - nach Ver­neh­mung der be­han­deln­den Ärz­te Dr. R, S und Dr. H - ab­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on be­gehrt die Kläge­rin die Wie­der­her­stel­lung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils.

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Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ist un­be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts zu Recht ab­geändert und die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Die zulässi­ge Kla­ge ist un­be­gründet.

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I. Die Kläge­rin hat für die Zeit vom 19. Mai bis zum 29. Ju­ni 2017 kei­nen An­spruch auf Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall aus § 3 Abs. 1 EFZG.

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1. Wird ein Ar­beit­neh­mer durch Ar­beits­unfähig­keit in­fol­ge Krank­heit an sei­ner Ar­beits­leis­tung ver­hin­dert, oh­ne dass ihn ein Ver­schul­den trifft, ist der Ent­gelt­fort­zah­lungs­an­spruch nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG auf die Dau­er von sechs Wo­chen be­grenzt. Dies gilt nach dem Grund­satz der Ein­heit des Ver­hin­de­rungs­falls auch dann, wenn während ei­ner be­ste­hen­den Ar­beits­unfähig­keit ei­ne neue Krank­heit auf­tritt, die eben­falls Ar­beits­unfähig­keit zur Fol­ge hat. In ei­nem sol­chen Fall kann der Ar­beit­neh­mer bei ent­spre­chen­der Dau­er der durch bei­de Er­kran­kun­gen ver­ur­sach­ten Ar­beits­ver­hin­de­rung die Sechs-Wo­chen-Frist nur ein­mal in An­spruch neh­men. Ein neu­er Ent­gelt­fort­zah­lungs­an­spruch ent­steht nur, wenn die ers­te krank­heits­be­ding­te Ar­beits­ver­hin­de­rung be­reits in dem Zeit­punkt be­en­det war, in dem die wei­te­re Er­kran­kung zu ei­ner er­neu­ten Ar­beits­ver­hin­de­rung führt. Das ist an­zu­neh­men, wenn der Ar­beit­neh­mer zwi­schen zwei Krank­hei­ten tatsächlich ge­ar­bei­tet hat oder je­den­falls ar­beitsfähig war, sei es auch nur für we­ni­ge außer­halb der Ar­beits­zeit lie­gen­de St­un­den. Maßgeb­lich für die Dau­er der Ar­beits­unfähig­keit und da­mit für das En­de des Ver­hin­de­rungs­falls ist grundsätz­lich die Ent­schei­dung des Arz­tes, der Ar­beits­unfähig­keit - un­ge­ach­tet der in­di­vi­du­el­len Ar­beits­zeit des be­tref­fen­den Ar­beit­neh­mers -

 

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im Zwei­fel bis zum En­de ei­nes Ka­len­der­tags be­schei­ni­gen wird. Das gilt un­ab­hängig da­von, ob das En­de der Ar­beits­unfähig­keit auf ei­nen Ar­beits- oder ar­beits­frei­en Tag fällt (BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 318/15 - Rn. 13 mwN, BA­GE 155, 196).

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2. Die An­nah­me des Lan­des­ar­beits­ge­richts, nach die­sen Grundsätzen ha­be die Ar­beits­unfähig­keit der Kläge­rin ab dem 19. Mai 2017 kei­nen neu­en Ent­gelt­fort­zah­lungs­an­spruch be­gründet, ist rechts­feh­ler­frei. Die Kläge­rin hat nicht be­wie­sen, dass die neue Er­kran­kung erst zu ei­nem Zeit­punkt Ar­beits­unfä­hig­keit aus­gelöst hat, zu dem die vor­an­ge­gan­ge­ne krank­heits­be­ding­te Ar­beits­ver­hin­de­rung be­reits be­en­det war.

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a) Die Be­klag­te hat sich im Streit­fall auf den Grund­satz der Ein­heit des Ver­hin­de­rungs­falls be­ru­fen und da­bei ua. be­strit­ten, dass die Ar­beits­unfähig­keit der Kläge­rin in­fol­ge ih­rer psy­chi­schen Er­kran­kung vor Ein­tritt der Ar­beits­ver­hin­de­rung we­gen ih­res gynäko­lo­gi­schen Lei­dens be­en­det war. Die­se Tat­sa­che dar­zu­le­gen und zu be­wei­sen, war, wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­tref­fend er­kannt hat, Sa­che der Kläge­rin.

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aa) Nach all­ge­mei­nen Grundsätzen trägt der Ar­beit­neh­mer die Dar­le­gungs- und Be­weis­last für die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG (BAG 13. Ju­li 2005 - 5 AZR 389/04 - zu I 6 der Gründe, BA­GE 115, 206). Eben­so wie er für die Tat­sa­che der Ar­beits­unfähig­keit als sol­cher be­weis­pflich­tig ist, trifft ihn auch für de­ren Be­ginn und En­de die ob­jek­ti­ve Be­weis­last. Mel­det sich der Ar­beit­neh­mer in un­mit­tel­ba­rem An­schluss an den aus­geschöpften Sechs-Wo­chen-Zeit­raum des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG er­neut mit ei­ner Erst­be­schei­ni­gung ar­beits­unfähig krank und be­strei­tet der Ar­beit­ge­ber un­ter Be­ru­fung auf den Grund­satz der Ein­heit des Ver­hin­de­rungs­falls, dass Ar­beits­unfähig­keit in­fol­ge der „neu­en“ Krank­heit erst jetzt ein­ge­tre­ten sei, hat der Ar­beit­neh­mer als an­spruchs­be­gründen­de Tat­sa­che dar­zu­le­gen und im Streit­fall zu be­wei­sen, dass die neue Ar­beits­unfähig­keit erst zu ei­nem Zeit­punkt ein­ge­tre­ten ist, zu dem die ers­te krank­heits­be­ding­te Ar­beits­ver­hin­de­rung be­reits be­en­det war (BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 318/15 - Rn. 19 f., BA­GE 155, 196; so auch die hM im Schrift­tum, zu­letzt bspw. MHdB ArbR/Grei­ner 4. Aufl. § 80 Rn. 74; Laws

 

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FA 2017, 101, 106 f.; MüKoBGB/Müller-Glöge 8. Aufl. EFZG § 3 Rn. 78; Stau­din­ger/Oet­ker (2019) BGB § 616 Rn. 538; ErfK/Rein­hard 20. Aufl. EFZG § 3 Rn. 44; Be­ckOK ArbR/Ri­cken 1. De­zem­ber 2019 EFZG § 3 Rn. 63). Der Ar­beit­neh­mer ist mit an­de­ren Wor­ten dar­le­gungs- und be­weis­pflich­tig dafür, dass sei­ne bis­he­ri­ge Er­kran­kung bei Ein­tritt der mit neu­er Erst­be­schei­ni­gung at­tes­tier­ten Ar­beits­ver­hin­de­rung kei­ne Ar­beits­unfähig­keit mehr aus­gelöst hat. Das gilt auch dann, wenn sich an den aus­geschöpften Sechs-Wo­chen-Zeit­raum des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG ein Kran­ken­geld­be­zug an­ge­schlos­sen hat und der Ar­beit­neh­mer in der Fol­ge vom Ar­beit­ge­ber un­ter Vor­la­ge ei­ner neu­en Erst­be­schei­ni­gung Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall we­gen ei­ner sich un­mit­tel­bar an den Kran­ken­geld­be­zug an­sch­ließen­den Ar­beits­ver­hin­de­rung ver­langt.

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bb) Die Ver­tei­lung der Dar­le­gungs- und Be­weis­last un­ter­schei­det sich in­ so­weit von der bei Fort­set­zungs­er­kran­kun­gen. De­ren recht­li­che Be­wer­tung in § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG ist ei­ne durch Ge­setz zu­guns­ten des Ar­beit­ge­bers ge­trof­fe­ne Aus­nah­me­re­ge­lung von dem all­ge­mei­nen Grund­satz der Ent­gelt­fort-zah­lung im Krank­heits­fall. Zwar muss der Ar­beit­neh­mer, der in­ner­halb der Zeit­räume des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG länger als sechs Wo­chen ar­beits­unfähig ist, dar­le­gen, dass kei­ne Fort­set­zungs­er­kran­kung vor­liegt und - be­strei­tet der Ar­beit­ge­ber den Ein­tritt ei­ner neu­en, auf ei­nem an­de­ren Grund­lei­den be­ru­hen­den Krank­heit - den Arzt von der Schwei­ge­pflicht ent­bin­den. Doch hat die Fol­gen der Nich­ter­weis­lich­keit ei­ner Fort­set­zungs­er­kran­kung der Ar­beit­ge­ber zu tra­gen, weil nach der sprach­li­chen Fas­sung des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG ihn und nicht den Ar­beit­neh­mer die ob­jek­ti­ve Be­weis­last trifft (BAG 10. Sep­tem­ber 2014 - 10 AZR 651/12 - Rn. 27, BA­GE 149, 101; 13. Ju­li 2005 - 5 AZR 389/04 - zu I 5 und 6 der Gründe, BA­GE 115, 206; Schaub ArbR-HdB/Linck 18. Aufl. § 98 Rn. 61; Be­ckOK ArbR/Ri­cken 1. De­zem­ber 2019 EFZG § 3 Rn. 73).

 

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cc) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on steht die­sem Verständ­nis das Ur­teil des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 5. No­vem­ber 2003 (- 5 AZR 562/02 -) nicht ent­ge­gen. Ge­gen­stand die­ser Ent­schei­dung sind nicht Ansprüche auf Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall, son­dern Ansprüche des Ar­beit­neh­mers aus An­nah­me­ver­zug. Tritt der Ar­beit­ge­ber ei­nem sol­chen An­spruch mit der Be­haup­tung ent­ge­gen, der vor­mals ar­beits­unfähi­ge Ar­beit­neh­mer sei im maß­geb­li­chen An­nah­me­ver­zugs­zeit­raum wei­ter­hin in­fol­ge Krank­heit an der Ar­beits­leis­tung ge­hin­dert, be­ruft er sich auf ein Un­vermögen iSv. § 297 BGB. Nach die­ser Be­stim­mung kommt der Gläubi­ger nicht in Ver­zug, wenn der Schuld­ner zur Zeit des An­ge­bots oder im Fall des § 296 BGB zu der für die Hand­lung des Gläubi­gers be­stimm­ten Zeit außer­stan­de ist, die Leis­tung zu be­wir­ken. Die sprach­li­che Fas­sung von § 297 BGB gibt da­mit vor, dass der Ar­beit­ge­ber ei­ne Ein­wen­dung er­hebt, wenn er ge­genüber ei­nem An­spruch aus An­nah­me­ver­zug gel­tend macht, ei­ne vor dem Streit­zeit­raum be­ste­hen­de Ar­beits­unfähig­keit des Ar­beit­neh­mers ha­be nicht vor die­sem ge­en­det, son­dern fort­be­stan­den. Für die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen die­ser Ein­wen­dung trägt der Ar­beit­ge­ber als Gläubi­ger die Dar­le­gungs- und Be­weis­last (st. Rspr., jüngst BAG 28. Au­gust 2019 - 5 AZN 381/19 - Rn. 7; 22. Au­gust 2018 - 5 AZR 592/17 - Rn. 25). Hie­raus las­sen sich je­doch kei­ne Rück­schlüsse auf die Be­weis­last­ver­tei­lung bei der Gel­tend­ma­chung von Ent­gelt­fort­zah­lungs­ansprüchen nach § 3 Abs. 1 EFZG zie­hen.

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b) Für die Dar­le­gung und den Nach­weis von Be­ginn und En­de ei­ner auf ei­ner be­stimm­ten Krank­heit be­ru­hen­den Ar­beits­unfähig­keit kann sich der Ar­beit­neh­mer zunächst auf die ärzt­li­che Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gung stützen (zu de­ren Be­weis­wert sh. BAG 26. Fe­bru­ar 2003 - 5 AZR 112/02 - zu I 1 der Gründe, BA­GE 105, 171; zu den ab 1. Ja­nu­ar 2016 ein­geführ­ten Vor­dru­cken vgl. Klei­ne­brink Ar­bRB 2016, 47 ff., 93 ff.). Ist je­doch un­strei­tig oder bringt der Ar­beit­ge­ber ge­wich­ti­ge In­di­zi­en dafür vor, dass sich die Er­kran­kun­gen, hin­sicht­lich de­rer dem Ar­beit­neh­mer je­weils Ar­beits­unfähig­keit at­tes­tiert wor­den ist, über­schnei­den, so ist der Be­weis­wert der dem Ar­beit­neh­mer hin­sicht­lich der „neu­en“ Krank­heit aus­ge­stell­ten „Erst­be­schei­ni­gung“ erschüttert. Der Ar­beit­neh­mer muss nun­mehr für den Zeit­punkt der Be­en­di­gung sei­ner Ar­beits­unfä-

 

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hig­keit we­gen ei­ner „frühe­ren“ Krank­heit vor Ein­tritt der neu­er­li­chen Ar­beits­ver­hin­de­rung vol­len Be­weis er­brin­gen. Dafür steht ihm das Zeug­nis des be­han­deln­den Arz­tes als Be­weis­mit­tel zur Verfügung (vgl. BAG 25. Mai 2016 - 5 AZR 318/15 - Rn. 22, BA­GE 155, 196).

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aa) Bei der nähe­ren Be­stim­mung der An­for­de­run­gen an die wech­sel­sei­ti­ge Dar­le­gungs­last der Par­tei­en darf nicht über­se­hen wer­den, dass der Ar­beit­ge­ber in al­ler Re­gel kei­ne Kennt­nis von den Krank­heits­ur­sa­chen hat und kaum in der La­ge ist, be­last­ba­re In­di­ztat­sa­chen für das Vor­lie­gen ei­nes ein­heit­li­chen Ver­hin­de­rungs­falls vor­zu­tra­gen (Vos­sen DB 2017, 1976). Die für den Ar­beit­ge­ber be­ste­hen­de Möglich­keit ei­nes Aus­kunfts­er­su­chens an die zuständi­ge Kran­ken­kas­se nach § 69 Abs. 4 SGB X be­zieht sich auf das Vor­lie­gen ei­ner Fort­set­zungs­er­kran­kung und schließt die Über­mitt­lung von Dia­gno­se­da­ten aus­drück­lich aus. Zu­dem greift die Be­stim­mung nur bei Ar­beit­neh­mern ein, die in ei­ner ge­setz­li­chen Kran­ken­kas­se ver­si­chert sind. Für pri­vat Ver­si­cher­te be­steht kein ent­spre­chen­der ge­setz­li­cher Aus­kunfts­an­spruch. Un­abhängig da­von hat der Ar­beit­ge­ber kei­ne Möglich­keit, die Mit­tei­lung der Kran­ken­kas­se zu über­prüfen. In An­be­tracht die­ser Schwie­rig­kei­ten hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt be­reits er­kannt, dass dem Ar­beit­ge­ber, der sich auf ei­ne Fort­set­zungs­er­kran­kung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 2 EFZG be­ruft, hin­sicht­lich der ihn in­so­weit tref­fen­den Dar­le­gungs-und Be­weis­last Er­leich­te­run­gen zu­zu­bil­li­gen sind (vgl. da­zu BAG 13. Ju­li 2005 - 5 AZR 389/04 - zu I 6 der Gründe, BA­GE 115, 206). Ent­spre­chen­des hat in Be­zug auf die vom Ar­beit­ge­ber im Rah­men von § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG vor­zu­tra­gen­den In­di­zi­en für das Vor­lie­gen ei­nes ein­heit­li­chen Ver­hin­de­rungs­falls zu gel­ten. Auch da­bei ist der Un­kennt­nis des Ar­beit­ge­bers von den Krankeits­ur­sa-chen an­ge­mes­sen Rech­nung zu tra­gen.

 

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bb) Hier­von aus­ge­hend be­steht ein hin­rei­chend ge­wich­ti­ges In­diz für das Vor­lie­gen ei­nes ein­heit­li­chen Ver­hin­de­rungs­falls re­gelmäßig dann, wenn sich an ei­ne „ers­te“ Ar­beits­ver­hin­de­rung in en­gem zeit­li­chen Zu­sam­men­hang ei­ne dem Ar­beit­neh­mer im We­ge der „Erst­be­schei­ni­gung“ at­tes­tier­te wei­te­re Ar­beits­unfähig­keit der­ge­stalt an­sch­ließt, dass die be­schei­nig­ten Ar­beits­ver­hin­de­run­gen zeit­lich ent­we­der un­mit­tel­bar auf­ein­an­der­fol­gen oder dass zwi­schen ih­nen le­dig­lich ein für den er­krank­ten Ar­beit­neh­mer ar­beits­frei­er Tag oder ein ar­beits­frei­es Wo­chen­en­de liegt. Bei sol­chen Sach­ver­hal­ten ist es dem Ar­beit­ge­ber an­ge­sichts feh­len­der zwi­schen­zeit­li­cher Ar­beits­ver­pflich­tung des Ar­beit­neh­mers na­he­zu unmöglich, kon­kre­te An­halts­punk­te zur Erschütte­rung des Be­weis­werts der ärzt­li­chen Be­schei­ni­gun­gen vor­zu­tra­gen (vgl. Vos­sen DB 2017, 1976; zu wei­te­ren In­di­ztat­sa­chen LAG Köln 15. No­vem­ber 2016 - 12 Sa 453/16 -). Es ist des­halb dem Ar­beit­neh­mer auch un­ter Berück­sich­ti­gung sei­ner Sachnähe zu­zu­mu­ten, sei­ne Be­haup­tung, es lägen von­ein­an­der zu tren­nen­de Ver­hin­de­rungsfälle vor, durch kon­kre­ten Vor­trag zu den Krank­heits­ur­sa­chen so­wie zum En­de bzw. Be­ginn der je­wei­li­gen Ar­beits­unfähig­keit zu kon­kre­ti­sie­ren und hierfür ggf. vol­len Be­weis zu er­brin­gen.

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c) Im Streit­fall ist ein en­ger zeit­li­cher Zu­sam­men­hang zwi­schen den der Kläge­rin be­schei­nig­ten Ar­beits­unfähig­kei­ten ge­ge­ben.

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aa) Durch ih­re be­han­deln­den Hausärz­te wur­de der Kläge­rin - un­ter Berück­sich­ti­gung der zu­letzt aus­ge­stell­ten „Fol­ge­be­schei­ni­gung“ - Ar­beits­unfähig­keit bis vor­aus­sicht­lich zum 18. Mai 2017 be­schei­nigt. Dar­an schloss sich die der Kläge­rin am 18. Mai 2017 durch ih­re Gynäko­lo­gin ab dem 19. Mai 2017 im We­ge ei­ner Erst­be­schei­ni­gung at­tes­tier­te Ar­beits­unfähig­keit un­mit­tel­bar an. Schon aus­ge­hend hier­von ist im Streit­fall das Vor­lie­gen ei­nes ein­heit­li­chen Ver­hin­de­rungs­falls aus­rei­chend in­di­ziert. Un­abhängig da­von spricht zu­dem viel für die An­nah­me des Lan­des­ar­beits­ge­richts, in dem un­strei­ti­gen Fort­be­stand der psy­chi­schen Er­kran­kung über den 18. Mai 2017 hin­aus und der da­mit zu­sam­men­hängen­den Be­hand­lung der Kläge­rin lie­ge ein aus­rei­chen­des In­diz für das Be­ste­hen ei­nes ein­heit­li­chen Ver­hin­de­rungs­falls.

 

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bb) Es ob­lag so­mit der Kläge­rin, vol­len Be­weis für den Aus­schluss ei­nes ein­heit­li­chen Ver­hin­de­rungs­falls zu er­brin­gen. Das ist ihr nicht ge­lun­gen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat hier­zu auf An­trag der Kläge­rin drei be­han­deln­de Ärz­te als sach­verständi­ge Zeu­gen ver­nom­men. Auf der Grund­la­ge des Er­geb­nis­ses der Be­weis­auf­nah­me ist es rechts­feh­ler­frei von ei­nem non li­quet aus­ge­gan­gen.

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(1) Das Re­vi­si­ons­ge­richt kann die vom Be­ru­fungs­ge­richt nach § 286 Abs. 1 ZPO vor­ge­nom­me­ne Würdi­gung des ge­sam­ten In­halts der Ver­hand­lung und des Er­geb­nis­ses ei­ner Be­weis­auf­nah­me nur dar­auf­hin über­prüfen, ob die Be­weiswürdi­gung in sich wi­der­spruchs­frei und oh­ne Ver­let­zung von Denk­ge­set­zen und all­ge­mei­nen Er­fah­rungssätzen er­folgt ist, ob sie recht­lich möglich ist und ob das Be­ru­fungs­ge­richt al­le für die Be­ur­tei­lung we­sent­li­chen Umstände berück­sich­tigt hat (st. Rspr., zB BAG 28. Ju­ni 2012 - 6 AZR 682/10 - Rn. 70 mwN, BA­GE 142, 225).

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(2) Da­nach ist die Be­weiswürdi­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht zu be­an­stan­den. Es hat al­le fall­re­le­van­ten Ge­sichts­punk­te berück­sich­tigt und das Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me wi­der­spruchs­frei gewürdigt. So­weit es den Zeu­gen Dr. R und die Zeu­gin S auf An­trag der Kläge­rin zu de­ren Be­haup­tung ver­nom­men hat, die Ar­beits­unfähig­keit we­gen ih­rer psy­chi­schen Er­kran­kung ha­be am 18. Mai 2017 ge­en­det, hat es die Aus­sa­gen der Ärz­te für nicht er­gie­big er­ach­tet. Die Be­ur­tei­lung wird von der Re­vi­si­on nicht an­ge­grif­fen und ist nach­voll­zieh­bar. Das gilt um­so mehr als der Zeu­ge Dr. R die Kläge­rin nach ei­ge­ner Aus­sa­ge letzt­ma­lig am 7. April 2017 persönlich ge­se­hen hat­te, und hier­bei noch von ei­ner Ar­beits­unfähig­keit bis vor­aus­sicht­lich zum 21. April 2017 aus­ge­gan­gen war. So­weit der Zeu­ge geäußert hat, die von ihm fest­ge­stell­te Ar­beits­unfä­hig­keit we­gen des psy­chi­schen Lei­dens sei am 18. Mai 2017 „ab­ge­schlos­sen ge­we­sen“, hat er dies nicht auf ei­ge­ne Be­fun­de, son­dern dar­auf gestützt, dass die Kläge­rin nach die­sem Ter­min in der Haus­arzt­pra­xis nicht mehr vor­stel­lig ge­wor­den sei. Da­bei han­delt es sich aber um nicht mehr als ei­ne Ver­mu­tung des Arz­tes, die das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu Recht nicht von der zu be­wei­sen­den Tat­sa­che über­zeu­gen konn­te. Die Zeu­gin S hat be­kun­det, sie ha­be die von ihr am 21. April 2017 und 5. Mai 2017 ge­zeich­ne­ten Ar­beits­unfähig­keits­be-

 

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schei­ni­gun­gen in Ver­tre­tung ih­res Kol­le­gen Dr. R und nach des­sen Vor­ga­ben aus­ge­stellt, oh­ne da­bei die Kläge­rin un­ter­sucht oder persönlich ge­spro­chen zu ha­ben. Wes­halb die Krank­schrei­bung durch „Fol­ge­be­schei­ni­gun­gen“ zu­letzt bis Don­ners­tag, den 18. Mai 2017 er­folg­te, konn­te die Zeu­gin nicht erläutern.

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cc) Hat die Kläge­rin da­nach ei­ne Be­en­di­gung der Ar­beits­unfähig­keit we­gen ih­rer psy­chi­schen Er­kran­kung vor dem 19. Mai 2017 nicht nach­zu­wei­sen ver­mocht, kam es auf die wei­te­re Streit­fra­ge der Par­tei­en, ob das gynäko­lo­gi­sche Lei­den der Kläge­rin nicht erst am Ta­ge ih­rer Ope­ra­ti­on, son­dern schon früher, je­den­falls am 18. Mai 2017, zu Ar­beits­unfähig­keit geführt hat, nicht mehr ent­schei­dungs­er­heb­lich an. Es ist des­halb unschädlich, dass sich das Lan­de­sar­beits­ge­richt mit der Aus­sa­ge der zu die­ser Fra­ge ver­nom­me­nen Zeu­gin Dr. H nicht näher aus­ein­an­der­ge­setzt hat. Al­ler­dings er­gibt sich aus dem über die Ver­neh­mung der Zeu­gin ge­fer­tig­ten Sit­zungs­pro­to­koll vom 29. Au­gust 2018, dass die Ärz­tin die Kläge­rin am 18. Mai 2017 nicht un­ter­sucht hat. Auch lässt die Aus­sa­ge der Ärz­tin nicht er­ken­nen, dass sie sich am 18. Mai 2017 nach an­der­wei­ti­gen Er­kran­kun­gen der Kläge­rin und ei­ner dies­bezüglich ggf. von an­de­rer Sei­te er­folg­ten Krank­schrei­bung er­kun­digt hat. Ob da­zu un­ter den ge­ge­be­nen Umständen zwin­gend An­lass be­stand, hat der Se­nat nicht zu be­wer­ten. Der Aus­sa­ge der Ärz­tin ist je­den­falls nicht zu ent­neh­men, dass sie sich am 18. Mai 2017 ein um­fas­sen­des Bild von dem see­li­schen und körper­li­chen Ge­sund­heits­zu­stand der Kläge­rin ver­schafft hat.

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3. Da es der Kläge­rin be­reits aus den dar­ge­stell­ten Gründen nicht ge­lun­gen ist, das Be­ste­hen ei­nes ein­heit­li­chen Ver­hin­de­rungs­falls aus­zu­sch­ließen, kann im Streit­fall of­fen­blei­ben, ob sich der ei­ner Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni-gung all­ge­mein zu­er­kann­te ho­he Be­weis­wert über­haupt auf die Tat­sa­che be­zieht, dass die Ar­beits­ver­hin­de­rung des Ar­beit­neh­mers am letz­ten Tag der Be­schei­ni­gung en­det, und wel­che Be­deu­tung in die­sem Zu­sam­men­hang der nach § 5 Abs. 4 Satz 3 der Richt­li­nie über die Be­ur­tei­lung der Ar­beits­unfähig­keit und die Maßnah­men der stu­fen­wei­sen Wie­der­ein­glie­de­rung (Ar­beits­unfähig­keits-Richt­li­nie) idF des Be­schlus­ses vom 20. Ok­to­ber 2016 (BAnz AT 23. De­zem­ber 2016 B5) be­ste­hen­den Möglich­keit zu­kommt, ei­ne Ar­beits­unfähig­keits­be­sch­ei-

 

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ni­gung als „End­be­schei­ni­gung“ zu kenn­zeich­nen, wenn zum Zeit­punkt ih­rer Aus­stel­lung be­reits si­cher ein­geschätzt wer­den kann, dass die Ar­beits­unfähig­keit mit Ab­lauf des be­schei­nig­ten Zeit­raums en­den wird (vgl. da­zu Klei­ne­brink Ar­bRB 2016, 47, 48). Auch kommt es nicht dar­auf an, dass die Ar­beits­unfähig-keits­be­schei­ni­gun­gen, mit de­nen der Kläge­rin Ar­beits­unfähig­keit bis zum 18. Mai und ab dem 19. Mai 2017 be­schei­nigt wur­de, je­weils oh­ne ärzt­li­che Un­ter­su­chung aus­ge­stellt wur­den. Dass ei­ne sol­che Un­ter­su­chung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Ar­beits­unfähig­keits-Richt­li­nie zur Fest­stel­lung der Ar­beits­unfähig­keit zu er­fol­gen hat, ist aber ei­ner der Gründe dafür, wes­halb nach der Le­bens­er­fah­rung der ärzt­li­chen Be­schei­ni­gung in der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts hin­sicht­lich der Dar­le­gung der Vor­aus­set­zun­gen des An­spruchs auf Ent­gelt­fort­zah­lung ein ho­her Be­weis­wert zu­er­kannt wird (vgl. nur BAG 26. Fe­bru­ar 2003 - 5 AZR 112/02 - zu I 1 der Gründe, BA­GE 105, 171 so­wie grund­le­gend BAG 11. Au­gust 1976 - 5 AZR 422/75 - zu 3 a der Gründe, BA­GE 28, 144). Da­her wird auch im Schrift­tum be­zwei­felt, ob ei­ner ärzt­li­chen Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gung, die un­ter Nut­zung neu­er te­le­me­di­zi­ni­scher Möglich­kei­ten zu­stan­de ge­kom­men ist, ein Be­weis­wert für das Vor­lie­gen ei­ner Ar­beits­unfähig­keit bei der Gel­tend­ma­chung des Ent­gelt­fort­zah­lungs­an­spruchs zu­er­kannt wer­den kann (zur Pro­ble­ma­tik vgl. nur Jüngst B+P 2019, 163, 165 ff.; Klei­ne­brink Ar­bRB 2019, 147). Dies be­darf im Streit­fall in­des kei­ner nähe­ren Erörte­rung und Be­ant­wor­tung.

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4. Nach dem Grund­satz der Ein­heit des Ver­hin­de­rungs­falls konn­te die Kläge­rin so­mit für die Zeit vom 7. Fe­bru­ar bis zum 30. Ju­ni 2017 Ent­gelt­fort­zah-lung im Krank­heits­fall nur ein­mal für die Dau­er von sechs Wo­chen ver­lan­gen. Zwi­schen den Par­tei­en steht außer Streit, dass die Be­klag­te die­sen An­spruch durch die bis zum 20. März 2017 er­brach­ten Leis­tun­gen erfüllt hat.

 

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5. Man­gels Haupt­for­de­rung be­steht auch kein An­spruch der Kläge­rin auf 30
Zin­sen.

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II. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. 31

 

Linck

Volk

Ber­ger 

S. Teich­fuß 

Bor­mann 

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