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LAG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 07.11.2005, 14 Sa 370/05

   
Schlagworte: Kündigung: Betriebsbedingt
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Aktenzeichen: 14 Sa 370/05
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 07.11.2005
   
Leitsätze:
  1. Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich nicht gehindert, eine aufgrund eines Firmentarifvertrages bestehende ordentliche Unkündbarkeit im Falle einer wirtschaftlichen Notlage des Unternehmens einzuschränken, um diesem erforderliche Strukturmaßnahmen zur Überwindung der Krise zu ermöglichen. Das gilt auch dann, wenn bisher keine Ausnahmevorschrift über die Zulässigkeit betriebsbedingter Kündigungen bestand.
  2. Dem Arbeitgeber, der im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Begriff der "Entlassung" im Sinne von § 17 Abs 1 KSchG keine Massenentlassungsanzeige erstattet, ist für den Zeitraum bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 27.01.2005 - C-188/03 = AP Nr 18 zu § 17 KSchG 1969 zumindest Vertrauensschutz zu gewähren.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Essen
   

14 Sa 370/05

1 Ca 4192/04
Ar­beits­ge­richt Es­sen

 

Verkündet am
07. No­vem­ber 2005

Mil­les,
Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT DÜSSEL­DORF

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In Sa­chen

des Herrn I. T., N. str. 18, H.,

- Kläger und Be­ru­fungskläger -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: Rechts­anwälte L. & I.,
H. platz 1, H.,

g e g e n

den Be­rufsförde­rungs­zen­trum F. e.V., ver­tre­ten durch den Vor­stand, die­ser wie­der­um ver­tre­ten durch den Vor­stands­vor­sit­zen­den O. N., L. Str. 93, F.,

- Be­klag­ter und Be­ru­fungs­be­klag­ter -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: Rechts­anwälte B. u.a.,
B.-Straße 5, C.,

hat die 14. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 07.11.2005
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Sau­er­land als Vor­sit­zen­den so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Frank und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Knuth

für R e c h t er­kannt:

Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Es­sen vom 13.01.2005 – 1 Ca 4192/04 – wird auf sei­ne Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

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T a t b e s t a n d :

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner be­triebs­be­ding­ten or­dent­li­chen Kündi­gung.

Der am 09.11.1950 ge­bo­re­ne, ver­hei­ra­te­te Kläger war seit dem 01.09.1986 in dem Be­trieb des Be­klag­ten in F. als Aus­bil­der beschäftigt. Als staat­lich ge­prüfter Elek­tro­tech­ni­ker mit Aus­bil­der­befähi­gung wur­de der Kläger seit dem 01.03.2004 im Be­reich „Kauf­leu­te und Dienst­leis­tungs­be­ru­fe“ der Ab­tei­lung „Trai­ning“ ge­gen ei­ne mo­nat­li­che Brut­to­vergütung von 3.230,-- € ein­ge­setzt. Auf das Ar­beits­verhält­nis fin­det kraft ein­zel­ver­trag­li­cher Ab­re­de ein Haus­ta­rif­ver­trag („Bfz-Ta­rif­ver­trag“) in Ver­bin­dung mit dem Bun­des­an­ge­stell­ten-Ta­rif­ver­trag (BAT) und den die­sen ergänzen­den und ändern­den Ta­rif­verträgen An­wen­dung. Für den Zeit­raum vom 01.12.2005 bis 30.11.2010 hat­ten die Par­tei­en Al­ters­teil-zeit im Block­mo­dell ver­ein­bart.

Der Be­klag­te führt in der Rechts­form ei­nes ein­ge­tra­ge­nen Ver­eins von der Bun­des­agen­tur für Ar­beit geförder­te Um­schu­lungs- und Fort­bil­dungs­maßnah­men durch. Es be­steht fer­ner ein Toch­ter­un­ter­neh­men D. H. gGmbH.

Nach­dem sich die wirt­schaft­li­che Si­tua­ti­on des Be­klag­ten im Zu­ge der Ände­run­gen am Ar­beits­markt („Hartz-Re­for­men“) we­gen des Rück­gangs öffent­li­cher Förder­mit­tel ver­schlech­tert hat­te, schloss die­ser mit der Ge­werk­schaft ver.di am 03.02.2004 ei­nen „Not­la­gen­ta­rif­ver­trag“, der u.a. ei­ne Ab­sen­kung der mo­nat­li­chen Brut­to­vergütung der Ar­beit­neh­mer um 14,5 % für den Zeit­raum vom 01.02.2004 bis 31.01.2005 vor­sah. Die Ta­rif­part­ner ver­ein­bar­ten dann mit Ände­rungs­ta­rif­ver­trag vom 09.09.2004 mit Wir­kung ab dem 15.09.2004 ei­ne Abände­rung des Not­la­gen­ta­rif­ver­tra­ges vom 03.02.2004. Dort heißt es un­ter § 1 Abs. 1 wie folgt:

 

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„In § 3 des Not­la­gen­ta­rif­ver­tra­ges wird fol­gen­der Abs. 6 ein­gefügt:

§ 53 Abs. 3 BAT gilt beim Bfz-F. e.V. bis zum 31.12.2004 aus­sch­ließlich in fol­gen­der Fas­sung:

Nach ei­ner Beschäfti­gungs­zeit (§ 19) von 15 Jah­ren, frühes­tens je­doch nach Voll­endung des 40. Le­bens­jah­res, ist der An­ge­stell­te unkünd­bar. Dies gilt nicht, wenn der Ar­beit­neh­mer im Zu­ge ei­ner Be­triebsände­rung be­triebs­be­dingt ent­las­sen wird, die Zu­stim­mung des Be­triebs­ra­tes zur Kündi­gung vor­liegt und An­spruch auf Leis­tun­gen ei­nes So­zi­al­pla­nes be­steht. In die­sen Fällen beträgt die Kündi­gungs­frist 6 Mo­na­te zum Schluss ei­nes Ka­len­der­vier­tel­jah­res. Die vor­ste­hen­de Re­ge­lung gilt ent­spre­chend für § 58 MTArb.“

Ein zu die­ser Zeit vor­lie­gen­des Be­triebs­kon­zept des Be­klag­ten, der im Jah­re 2004 noch ca. 150 Ar­beit­neh­mer beschäftig­te, sah ne­ben ei­ner Re­du­zie­rung des Per­so­nals auf rund 74 Voll­zeit­stel­len u.a. ei­nen verstärk­ten Ein­satz von frei­en Mit­ar­bei­tern (Ho­no­rar­kräften) ins­be­son­de­re im Be­reich „Trai­ning“ vor, um fle­xi­bel auf Nach­fra­ge­schwan­kun­gen und Ent­wick­lun­gen der Märk­te re­agie­ren zu können und da­mit auch Kos­ten zu spa­ren. Die bei dem Be­klag­ten beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer im Be­reich der Schu­lun­gen soll­ten vor­ran­gig noch or­ga­ni­sa­to­ri­sche Auf­ga­ben wahr­neh­men und für sol­che Un­ter­richts­maßnah­men zuständig sein, bei de­nen Spe­zi­al­wis­sen ab­zu­ru­fen ist. Das Per­so­nal der D. H. gGmbH soll­te ins­ge­samt ab­ge­baut wer­den.

Im Hin­blick auf die­se Per­so­nal­maßnah­men ver­ein­bar­ten der Be­klag­te und sei­ne Toch­ter­ge­sell­schaft am 21.09.2004 mit dem Be­triebs­rat ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich. In der Präam­bel die­ses In­ter­es­sen­aus­gleichs wird dar­auf ver­wie­sen, dass der Be­klag­te in den Jah­ren 2004 und 2005 mit Um­satzrückgängen von 1 Mio. bzw. 4 Mio. € ge­genüber den ursprüng­li­chen Pla­nun­gen zu rech­nen ha­be und oh­ne Ge­gen­maßnah­men noch im Lau­fe des Jah­res 2004 man­gels Li­qui­dität In­sol­venz­an­trag ge­stellt wer­den müss­te. Dem In­ter­es­sen­aus­gleich war ei­ne von den Be­triebs­par­tei­en un­ter­zeich­ne­te Na­mens­lis­te mit 82 Ar­beit­neh­mern als An­la­ge 2 bei­gefügt. Die­sen Ar­beit­neh­mern soll­te frist­ge­recht gekündigt wer­den, falls sie ein An­ge­bot auf Über­tritt in ei­ne Trans­fer­ge­sell­schaft (be-

 

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triebs­or­ga­ni­sa­to­risch ei­genständi­ge Ein­heit) bis zum Ab­lauf der An­nah­me­frist nicht annähmen oder ein sol­ches An­ge­bot nicht ge­macht wer­den könne. Der Be­klag­te und die D. H. gGmbH ver­ein­bar­ten am 21.09.2004 fer­ner mit dem Be­triebs­rat ei­nen So­zi­al­plan. We­gen des­sen Leis­tun­gen im Ein­zel­nen wird auf Bl. 11 ff. d.A. ver­wie­sen. Durch Ver­ein­ba­rung vom 27.09.2004 ergänz­ten die Be­triebs­par­tei­en die Na­mens­lis­te zum In­ter­es­sen­aus­gleich um ei­nen wei­te­ren Mit­ar­bei­ter.

Nach­dem der Kläger den ihm nach dem So­zi­al­plan an­ge­bo­te­nen Über­tritt in die Trans­fer­ge­sell­schaft für die Dau­er von 12 Mo­na­ten ab­ge­lehnt hat­te, kündig­te der Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis mit Schrei­ben vom 28.09.2004 or­dent­lich zum 31.03.2005, hilfs­wei­se außer­or­dent­lich mit so­zia­ler Aus­lauf­frist zum glei­chen Zeit­punkt. Der Be­triebs­rat hat­te der Kündi­gung zu­vor zu­ge­stimmt. Von den zur Kündi­gung an­ste­hen­den Ar­beit­neh­mern wech­sel­ten ins­ge­samt 81 im Rah­men ei­nes drei­sei­ti­gen Ver­tra­ges un­ter Auf­he­bung ih­rer Ar­beits­verhält­nis­se zum 01.10.2004 in die ge­nann­te Trans­fer­ge­sell­schaft.

Der Kläger hat sich mit der Kla­ge ge­gen die Kündi­gung des Be­klag­ten ge­wandt. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, es lägen kei­ne drin­gen­den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­se vor, da der Be­klag­te in sei­nem Ar­beits­be­reich freie Mit­ar­bei­ter ein­set­ze und sol­che auch für an­de­re Tätig­kei­ten su­che. Die dies­bezügli­che un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung sei in Be­zug auf sei­ne Stel­le of­fen­sicht­lich un­vernünf­tig, da kei­ne Kos­ten­er­spar­nis ge­ge­ben sei. Der Be­klag­te ha­be zu­dem die So­zi­al­aus­wahl feh­ler­haft vor­ge­nom­men. Die Wirk­sam­keit der Kündi­gung schei­te­re auch dar­an, dass der Be­klag­te kei­ne Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge vor­ge­nom­men ha­be.

Der Kläger hat be­an­tragt,

fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en durch die Kündi­gung vom 28.09.2004 nicht be­en­det ist, son­dern über den 31.03.2005 hin­aus fort­be­steht.

 

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Der Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dem Kläger sei die Wi­der­le­gung der Be­triebs­be­dingt­heit der Kündi­gung nicht ge­lun­gen. Ein Bedürf­nis für die Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers sei nicht ge­ge­ben, da die Teil­neh­mer sei­ner Kur­se sich seit Ja­nu­ar 2005 in be­trieb­li­chen Prak­ti­ka befänden und vom Kläger un­ter­rich­te­te St­un­den von den ver­blie­be­nen Ar­beit­neh­mern N. und T. über­nom­men würden. Der Kläger ha­be auch nicht dar­le­gen können, dass die so­zia­le Aus­wahl grob feh­ler­haft ge­we­sen sei. Ei­ne Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge sei nicht er­for­der­lich ge­we­sen, da be­zo­gen auf den Kündi­gungs­ter­min der Schwel­len­wert des § 17 Abs. 1 KSchG nicht er­reicht wor­den sei.

Das Ar­beits­ge­richt Es­sen hat die Kla­ge durch Ur­teil vom 13.01.2005, auf des­sen In­halt im Ein­zel­nen Be­zug ge­nom­men wird, ab­ge­wie­sen.

Nach Zu­stel­lung des Ur­teils am 16.02.2005 hat der Kläger mit Ein­gang beim Lan­des­ar­beits­ge­richt am 17.03.2005 Be­ru­fung ein­ge­legt. Am 22.03.2005 hat der Kläger so­dann we­gen Versäum­ung der Be­ru­fungs­frist Wie­der­ein­set­zung in den vo­ri­gen Stand be­an­tragt. Er hat vor­ge­tra­gen, sein Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter ha­be den Brief mit der Be­ru­fungs­schrift be­reits am 14.03.2005 ge­gen 19.00 Uhr persönlich in den Post­brief­kas­ten beim „Haupt­post­amt“ in H.-C. ein­ge­wor­fen. Da die letz­te Lee­rung an die­sem Tag um 21.15 Uhr er­fol­ge, ha­be er un­ter Berück­sich­ti­gung der nor­ma­len Post­lauf­zeit von ei­nem Tag dar­auf ver­trau­en dürfen, dass die Be­ru­fung spätes­tens bis zum 16.03.2005 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­he.

Der Kläger macht nun­mehr gel­tend, sei­ne bis­he­ri­ge Tätig­keit sei nur teil­wei­se weg­ge­fal­len. Für die ver­blie­be­nen Auf­ga­ben set­ze der Be­klag­te den Frei­be­ruf-

 

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ler T. ein. Auch des­sen später er­wei­ter­ten Auf­ga­ben­be­reich könne er nach kur­zer Ein­ar­bei­tung über­neh­men. Sein Aus­tausch ge­gen ei­nen frei­en Mit­ar­bei­ter sei aus Kos­ten­gründen of­fen­sicht­lich un­vernünf­tig. Der Be­klag­te könne ihn im Übri­gen auch in an­de­ren Be­rei­chen ein­set­zen, in de­nen die­ser Ar­bei­ten auf Ho­no­rar­kräfte über­tra­ge. Das Ar­beits­ge­richt ha­be sich fer­ner nicht mit der Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung we­gen un­ter­las­se­ner Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge be­fasst. Auf­grund des Ur­teils des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs vom 27.01.2005 – Rs C 188/03 – sei für die An­zei­ge­pflicht gemäß § 17 Abs. 1 KSchG auf den Zeit­punkt der Kündi­gungs­erklärung ab­zu­stel­len, so­dass un­ter Berück­sich­ti­gung der mit an­de­ren Ar­beit­neh­mern ab­ge­schlos­se­nen Auf­he­bungs­verträge der Schwel­len­wert der Vor­schrift er­reicht sei.

Der Kläger be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts ab­zuändern und fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en durch die Kündi­gung des Be­klag­ten vom 28.09.2004 nicht zum 31.03.2005 auf­gelöst wor­den ist.

Der Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Der Be­klag­te ent­geg­net, die von dem Kläger aus­geführ­ten Ar­bei­ten würden über­haupt nicht mehr an­ge­bo­ten und sei­en des­halb auch nicht von frei­en Mit­ar­bei­tern über­nom­men wor­den. Auch wenn dies der Fall wäre, läge dar­in sei­ne freie Un­ter­neh­mer­ent­schei­dung, die le­dig­lich auf of­fen­sicht­li­che Un­vernünf­tig­keit oder Willkür über­prüft wer­den könne. Der fle­xi­ble Ein­satz von ver­gleich­ba­ren Ho­no­rar­kräften sei er­heb­lich kostengüns­ti­ger, zu­mal kei­ne Vor- oder Nach­be­rei­tung von St­un­den­ein­hei­ten so­wie Aus­fall­zei­ten wie Ur­laub und Krank­heit zu vergüten sei­en. Ent­spre­chend der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Bun­des-ar­beits­ge­richts sei für die Er­for­der­lich­keit ei­ner Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge auf den Zeit­punkt der tatsächli­chen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ab­zu­s­tel-

 

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len. Ei­ne richt­li­ni­en­kon­for­me Aus­le­gung der §§ 17, 18 KSchG im Sin­ne der Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs sei nicht möglich. Zu­min­dest sei ihm Ver­trau­ens­schutz zu gewähren.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt der zwi­schen den Par­tei­en in bei­den Rechtszügen ge­wech­sel­ten Schriftsätze so­wie auf die zu den Ak­ten ge­reich­ten Un­ter­la­gen Be­zug ge­nom­men.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

A. Die Be­ru­fung des Klägers ist un­be­gründet Das Ar­beits­ge­richt hat die
Kündi­gungs­schutz­kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en ist durch die or­dent­li­che Kündi­gung des Be­klag­ten vom 28.09.2004 auf­gelöst wor­den.

I. Die Be­ru­fung ist zulässig, ob­wohl der Kläger die ein­mo­na­ti­ge Frist zur Ein­le­gung der Be­ru­fung gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG versäumt hat.

1. Die Be­ru­fungs­frist be­gann gemäß § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils. Das an­ge­foch­te­ne Ur­teil wur­de dem Kläger am 16.02.2005 zu­ge­stellt. Da­mit lief die ein­mo­na­ti­ge Frist zur Ein­le­gung der Be­ru­fung bis zum 16.03.2005. Die Be­ru­fung des Klägers ist aus­weis­lich des Post­stem­pels der ge­mein­sa­men Post­an­nah­me­stel­le der im Ge­richts­gebäude Lud­wig-Er­hard-Al­lee 21 in Düssel­dorf ansässi­gen Ge­rich­te dort aber erst am 17.03.2005 ein­ge­gan­gen.

 

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2. Dem Kläger ist gemäß § 233 ZPO Wie­der­ein­set­zung in den vo­ri­gen Stand zu gewähren, da sei­nen Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten kein Ver­schul­den an der ver­späte­ten Ein­le­gung der Be­ru­fung trifft.

a) Es ist all­ge­mein an­er­kannt, dass ei­nen Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten im Re­gel­fall kein Ver­schul­den an dem ver­späte­ten Zu­gang ei­nes Schrift­sat­zes bei Ge­richt trifft, wenn er ver­an­lasst, dass der Schrift­satz so recht­zei­tig in den Brief­kas­ten ein­ge­wor­fen wird, dass er nach den nor­ma­len Post­lauf­zei­ten frist­ge­recht bei dem Ge­richt hätte ein­ge­hen müssen. Wenn dem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten kei­ne be­son­de­ren Umstände be­kannt sind, die zu ei­ner Verlänge­rung der nor­ma­len Post­lauf­zei­ten führen können, darf er dar­auf ver­trau­en, dass die­se auch ein­ge­hal­ten wer­den (vgl. BGH, Be­schluss vom 30.09.2003, NJW 2003, 3712 f., Zöller/Gre­ger, ZPO, 25. Auf­la­ge, § 233 Rn. 23 Stich­wort „Post­ver­kehr“ m.w.N.). Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ver­tritt in ständi­ger Recht­spre­chung die An­sicht, dass die Rechts­schutz­ga­ran­ti­en der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG es ver­bie­ten, den Par­tei­en den Zu­gang zu ei­ner in der Ver­fah­rens­ord­nung ein­geräum­ten In­stanz in un­zu­mut­ba­rer, aus Sach­gründen nicht mehr zu recht­fer­ti­gen­der Wei­se zu er­schwe­ren. Die Ge­rich­te dürfen da­her bei der Aus­le­gung der die Wie­der­ein­set­zung in den vo­ri­gen Stand re­geln­den Vor­schrif­ten die An­for­de­run­gen an das, was der Be­trof­fe­ne ver­an­lasst ha­ben muss, um ei­ne Wie­der­ein­set­zung zu er­lan­gen, nicht über­span­nen. Des­halb hat es das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ins­be­son­de­re als nicht zulässig an­ge­se­hen, dem Bürger Verzöge­run­gen bei der Brief­beförde­rung oder Zu­stel­lung durch die Deut­sche Bun­des­post als Ver­schul­den an­zu­rech­nen (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 11.01.1991, NJW 1992, 38 f.; zu pri­va­ten Beförde­rungs­diens­ten: BVerfG, Be­schluss vom 04.04.2000, NJW 2000, 2657 f.).

b) Der Kläger hat hin­rei­chend glaub­haft ge­macht, dass sein Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter den Brief mit der Be­ru­fungs­schrift so recht­zei­tig in ei­nen Post­brief­kas­ten ein­ge­wor­fen hat, dass die Be­ru­fung un­ter Berück­sich­ti­gung der nor­ma­len Post­lauf­zeit in­ner­halb der bis zum 16.03.2004 lau­fen­den Be­ru­fungs-

 

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frist beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf hätte ein­ge­gan­gen sein müssen. Nach der an­walt­li­chen Ver­si­che­rung des Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des Klägers, ge­gen die be­gründe­te Zwei­fel nicht an­geführt wer­den können, hat die­ser den Brief mit der Be­ru­fungs­schrift am 14.03.2005 ge­gen 19.00 Uhr persönlich in den Post­brief­kas­ten der Fi­lia­le der Deut­schen Post AG in H.-C. ein­ge­wor­fen. Der Brief war aus­weis­lich des Aus­drucks auf der Be­ru­fungs­schrift ord­nungs­gemäß adres­siert. Die­se be­fand sich in ei­nem so ge­nann­ten Fens­ter­um­schlag, wie sich aus Bl. 112 d. A. er­gibt. Da die Nacht­lee­rung des Post­brief­kas­tens bei der Fi­lia­le der Deut­schen Post AG in H.-C. abends um 21.15 Uhr er­folgt, hätte der am 15.03.2005 beim Brief­zen­trum Es­sen ein­ge­lie­fer­te Brief bei nor­ma­ler Lauf­zeit von ei­nem wei­te­ren Tag an sich am 16.03.2005 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Düssel­dorf ein­ge­hen müssen. Dies er­gibt sich aus der durch die Kam­mer bei der Nie­der­las­sung Es­sen der Deut­schen Post ein­ge­hol­ten Aus­kunft vom 14.07.2005, mit der die dies­bezügli­chen An­ga­ben in der an­walt­li­chen Ver­si­che­rung des Klägers im Er­geb­nis bestätigt wur­den. Be­son­de­re Umstände, die im vor­lie­gen­den Fall zu ei­ner Verlänge­rung der nor­ma­len Post­lauf­zeit hätten führen können, wa­ren für den Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten des Klägers nicht er­sicht­lich. Er durf­te da­nach dar­auf ver­trau­en, dass der Brief mit der Be­ru­fungs­schrift frist­ge­recht beim Lan­des­ar­beits­ge­richt in Düssel­dorf ein­geht.

II. Die Be­ru­fung des Klägers ist aber un­be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat zwar nicht sämt­li­che in Be­tracht kom­men­den Un­wirk­sam­keits­gründe um­fas­send ge­prüft. Die Kündi­gung des Be­klag­ten ist aber auch nach An­sicht des Be­ru­fungs­ge­richts im Er­geb­nis nicht zu be­an­stan­den.

1. Die or­dent­li­che Kündi­gung des Be­klag­ten verstößt nicht ge­gen ein auf­grund der ar­beits­ver­trag­li­chen Ab­re­de der Par­tei­en zur An­wen­dung kom­men­des ta­rif­li­ches Kündi­gungs­ver­bot.

 

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a) Kraft ar­beits­ver­trag­li­cher Ver­wei­sung gilt für das Ar­beits­verhält­nis über den für das Un­ter­neh­men des Be­klag­ten ab­ge­schlos­se­nen Haus­ta­rif­ver­trag, so­weit die­ser kei­ne ab­wei­chen­den Re­ge­lun­gen enthält, der Bun­des­an­ge­stell­ten-Ta­rif­ver­trag (BAT). Letz­te­rer be­stimmt in § 53 Abs. 3, dass der An­ge­stell­te nach ei­ner Beschäfti­gungs­zeit von 15 Jah­ren, frühes­tens je­doch nach Voll­endung des vier­zigs­ten Le­bens­jah­res, unkünd­bar ist. Ne­ben die­sem voll­umfäng­li­chen Aus­schluss ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung be­schränkt der BAT wei­ter auch das Recht des Ar­beit­ge­bers zur außer­or­dent­li­chen be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung, in­dem § 55 Abs. 2 bei Weg­fall der bis­he­ri­gen Beschäfti­gungsmöglich­keit nur ei­ne außer­or­dent­li­che Ände­rungskündi­gung zum Zwe­cke der Her­ab­grup­pie­rung um ei­ne Vergütungs­grup­pe zulässt. Nach § 1 Abs. 1 des Ände­rungs­ta­rif­ver­tra­ges zwi­schen dem Be­klag­ten und der Ge­werk­schaft ver.di vom 09.09.2004 zum Not­la­gen­ta­rif­ver­trag vom 03.02.2004 gilt die ta­rif­li­che Unkünd­bar­keit des § 53 Abs. 3 BAT in dem Un­ter­neh­men des Be­klag­ten für den Zeit­raum vom 15.09. bis 31.12.2004 je­doch nicht, wenn der be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer im Zu­ge ei­ner Be­triebsände­rung be­triebs­be­dingt ent­las­sen wird, die Zu­stim­mung des Be­triebs­rats zur Kündi­gung vor­liegt und An­spruch auf Leis­tun­gen ei­nes So­zi­al­pla­nes be­steht. In die­sen Fällen soll die zu be­ach­ten­de Kündi­gungs­frist 6 Mo­na­te zum Schluss ei­nes Ka­len­der­vier­tel­jah­res be­tra­gen. Der Ände­rungs­ta­rif­ver­trag eröff­net da­mit für ei­nen fest um­ris­se­nen Zeit­raum un­ter Ein­schränkung der Unkünd­bar­keits­klau­sel des § 53 Abs. 3 BAT für den Be­klag­ten die Möglich­keit, auch sol­chen Ar­beit­neh­mern aus drin­gen­den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­sen or­dent­lich zu kündi­gen, bei de­nen nach Beschäfti­gungs­zeit und Le­bens­al­ter an sich die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Unkünd­bar­keit vor­lie­gen. Der im Ände­rungs­ta­rif­ver­trag gewähl­te Be­griff der Be­triebsände­rung ist hin­rei­chend be­stimmt. Er knüpft an die Le­gal­de­fi­ni­ti­on in § 111 Be­trVG an. Wenn sich die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ei­nes sol­chen Ter­mi­nus aus der ju­ris­ti­schen Spra­che be­die­nen, ist da­von aus­zu­ge­hen, dass sie ihn mit der ent­spre­chen­den Be­deu­tung ver­wen­den wol­len (vgl. BAG, Ur­teil vom 19.08.1987, AP Nr. 3 zu § 1 TVG Ta­rif­verträge Fern­ver­kehr; vgl. LAG Düssel­dorf, Ur­teil vom 12.11.2004, LA­GE Nr. 5 zu § 4 TVG Rück­wir­kung).

 

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b) Die zeit­lich be­grenz­te Ein­schränkung der Unkünd­bar­keit auf­grund des
Ände­rungs­ta­rif­ver­tra­ges zum Not­la­gen­ta­rif­ver­trag ist rechts­wirk­sam. Der Kläger kann sich nicht mit Er­folg dar­auf stützen, die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en hätten nicht in sei­ne nach Ab­lauf von mehr als 15 Beschäfti­gungs­jah­ren be­reits be­ste­hen­de Unkünd­bar­keit gemäß § 53 Abs. 3 BAT ein­grei­fen dürfen.

aa) Ein zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers ent­stan­de­ner An­spruch, der aus ei­ner kol­lek­ti­ven Norm er­wach­sen ist, ist nicht von vorn­her­ein un­veränder­bar. Ta­rif­li­che Re­ge­lun­gen tra­gen auch während der Lauf­zeit des Ta­rif­ver­tra­ges den im­ma­nen­ten Vor­be­halt ih­rer rück­wir­ken­den Abänder­bar­keit durch Ta­rif­ver­trag in sich (vgl. BAG, Ur­teil vom 23.11.1994, AP Nr. 12 zu § 1 TVG Rück­wir­kung; BAG, Ur­teil vom 15.11.1995, AP Nr. 20 zu § 1 TVG Ta­rif­verträge Luft­han­sa). Für den Be­reich der Ar­beits- und Wirt­schafts­be­din­gun­gen geht die Be­fug­nis der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zur nor­ma­ti­ven Re­ge­lung im Grund­satz eben­so weit wie die des Ge­setz­ge­bers. Des­halb muss auch ein be­reits ganz oder über­wie­gend ent­stan­de­ner An­spruch des Ar­beit­neh­mers noch zur re­gel­ba­ren Ma­te­rie ge­rech­net wer­den, so­lan­ge er noch nicht ab­ge­wi­ckelt ist. Die Be­fug­nis zur nor­ma­ti­ven Ord­nung der ver­trag­li­chen Be­zie­hung zwi­schen Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber hat der Ge­setz­ge­ber den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en über­tra­gen, weil die­se die Be­lan­ge der die­ser Son­der­rechts­ord­nung Un­ter­wor­fe­nen selbst an­ge­mes­sen wah­ren können. Würde man den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en die Kon­trol­le der An­pas­sung ih­rer Son­der­rechts­ord­nung an die wei­te­re Ent­wick­lung ent­zie­hen, würde man in un­ge­recht­fer­tig­ter Wei­se die­se Be­fug­nis be­schränken. Dies be­trifft nicht nur die Löhne und die klas­si­schen Ar­beits­be­din­gun­gen, son­dern die in­halt­li­che Neu­be­stim­mung von Ansprüchen all­ge­mein (vgl. Bie­den­kopf, Gren­zen der Ta­rif­au­to­no­mie, 1964, S. 243; BAG, Ur­teil vom 23.11.1994, a.a.O.; ab­leh­nend zum Ent­zug ei­ner ta­rif­li­chen Unkünd­bar­keit: BAG, Ur­teil vom 16.02.1962, AP Nr. 11 zu § 4 TVG Güns­tig­keits­prin­zip; zur Mo­di­fi­zie­rung ei­ner Unkünd­bar­keits­klau­sel da­ge­gen: BAG, Ur­teil vom 15.11.1995, a.a.O.; vgl. da­zu auch: LAG Düssel­dorf, Ur­teil vom 12.11.2004, a.a.O.). Es sind al­ler­dings beim rück­wir­ken­den Ein­griff in

 

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Rechts­po­si­tio­nen durch abändern­den Ta­rif­ver­trag die aus dem Rechts­staats­prin­zip ab­ge­lei­te­ten Ge­bo­te des Ver­trau­ens­schut­zes und der Verhält­nismäßig­keit zu be­ach­ten.

bb) Die zeit­lich be­fris­te­te Ein­schränkung der über den Haus­ta­rif­ver­trag der Be­klag­ten zur An­wen­dung kom­men­den Unkünd­bar­keits­klau­sel des § 53 Abs. 3 BAT durch den Ände­rungs­ta­rif­ver­trag zum Not­la­gen­ta­rif­ver­trag ist mit den An­for­de­run­gen des rechts­staat­li­chen Rück­wir­kungs­ver­bots zu ver­ein­ba­ren.

(1) Der Ände­rungs­ta­rif­ver­trag be­inhal­tet kei­ne ech­te Rück­wir­kung, d.h. ei­nen Ein­griff in be­reits ab­ge­wi­ckel­te, der Ver­gan­gen­heit an­gehören­de Tat­bestände, die ver­fas­sungs­recht­lich nur in ganz be­son­de­ren Aus­nah­mefällen zulässig wäre. Da es um erst noch aus­zu­spre­chen­de Kündi­gun­gen des Ar­beit­ge­bers ging, liegt viel­mehr ei­ne so ge­nann­te un­ech­te Rück­wir­kung vor. Ei­ne sol­che ist ge­ge­ben, wenn ei­ne Norm auf ge­genwärti­ge, noch nicht ab­ge­schlos­se­ne Sach­ver­hal­te und Rechts­be­zie­hun­gen für die Zu­kunft ein­wirkt und da­mit zu­gleich die be­trof­fe­ne Rechts­po­si­ti­on nachträglich ent­wer­tet (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 08.02.1977, E 23, 242, 286). Ih­re Rechts­fol­gen tre­ten erst nach der Verkündung oder Be­kannt­ga­be der Norm – bzw. im Fal­le der Un­ter­zeich­nung des Ta­rif­ver­tra­ges erst nach des­sen Un­ter­zeich­nung – ein. Die­se Fall­grup­pe er­fasst aber Sach­ver­hal­te, die be­reits vor dem Ände­rungs­zeit­punkt „ins Werk ge­setzt“ wur­den (BVerfG, Be­schluss vom 05.02.2002, E 105, 17 ff.). Ei­ne un­ech­te Rück­wir­kung, wie sie hier ge­ge­ben ist, ist ver­fas­sungs­recht­lich grundsätz­lich zulässig. Al­ler­dings können sich aus dem Grund­satz des Ver­trau­ens­schut­zes und dem Verhält­nismäßig­keits­prin­zip Schran­ken er­ge­ben. Die­se sind erst über­schrit­ten, wenn die vom Norm­ge­ber an­ge­ord­ne­te un­ech­te Rück­wir­kung zur Er­rei­chung des Norm­zwecks nicht ge­eig­net oder er­for­der­lich ist oder wenn die Be­stands­in­ter­es­sen der Be­trof­fe­nen die Verände­rungs­gründe des Norm­ge­bers über­wie­gen (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 23.11.1999, E 101, 239, 263 m.w.N.).

 

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(2) Bei An­wen­dung die­ser Rechts­grundsätze können durch­grei­fen­de Be­den­ken ge­gen die Ein­schränkung der Unkünd­bar­keit durch den Ände­rungs­ta­rif­ver­trag vom 04.09.2004 nicht er­ho­ben wer­den. Der für das Un­ter­neh­men ge­schlos­se­ne Ta­rif­ver­trag ver­folg­te den Zweck, den per­so­nal­po­li­ti­schen Hand­lungs­spiel­raum des in die wirt­schaft­li­che Kri­se ge­ra­te­nen Be­klag­ten zu er­wei­tern. Die­sem soll­te ein Zeit­fens­ter zur Verfügung ste­hen, um die für not­wen­dig er­ach­te­ten Struk­tur­maßnah­men in vol­lem Um­fang durchführen zu können. Dass in die­sem Zu­sam­men­hang die Ein­schränkung der Unkünd­bar­keit er­for­der­lich war, ma­chen schon die erst­in­stanz­li­chen Ausführun­gen des Be­klag­ten zur der­zei­ti­gen per­so­nel­len Si­tua­ti­on in den Be­rei­chen „Kauf­leu­te und Dienst­leis­tungs­be­ru­fe“ so­wie „Elek­tro­nik & Au­to­ma­ti­sie­rungs­tech­nik“ deut­lich. Da­nach verfügten al­le dort ver­blie­be­nen ver­gleich­ba­ren Lehr­kräfte eben­so wie der Kläger über den Unkünd­bar­keits­sta­tus. Die Verände­rungs­gründe der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ha­ben schließlich ein größeres Ge­wicht als die Be­stands­in­ter­es­sen der von der Neu­re­ge­lung be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer. Die Kam­mer ver­kennt nicht, dass es vor­lie­gend nicht le­dig­lich dar­um ging, ei­ne Re­ge­lung über den Aus­schluss der or­dent­li­chen Kündi­gung durch Präzi­sie­rung von Aus­nah­me­tat­beständen zu mo­di­fi­zie­ren (zur Zulässig­keit: BAG, Ur­teil vom 15.11.1995, a.a.O.; Däubler/Dei­nert, Ta­rif­ver­trags­recht, S. 1054 f.). Die §§ 53 ff. BAT zie­len mit dem Aus­schluss ei­ner be­triebs­be­ding­ten Be­en­di­gungskündi­gung dar­auf ab, den An­ge­stell­ten des öffent­li­chen Diens­tes in Annäherung an den Be­am­ten­sta­tus ei­nen äußerst weit­ge­hen­den Be­stands­schutz zu ga­ran­tie­ren. Dem dar­aus er­wach­se­nen er­heb­li­chen Ver­trau­ens­schutz für die­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer, die be­reits die Vor­aus­set­zun­gen der Unkünd­bar­keit „er­dient“ hat­ten, stand je­doch die wirt­schaft­li­che Not­la­ge des Be­klag­ten ge­genüber. Die­se wird nicht nur durch den Um­stand do­ku­men­tiert, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en es für er­for­der­lich hiel­ten, mit dem Ände­rungs­ta­rif­ver­trag trotz ei­nes be­reits be­ste­hen­den Not­la­gen­ta­rif­ver­tra­ges wei­te­re Ein­grif­fe in ta­rif­li­che Rechts­po­si­tio­nen von Ar­beit­neh­mern vor­zu­neh­men. Auch die Ausführun­gen in der Präam­bel des kur­ze Zeit später ab­ge­schlos­se­nen In­ter­es­sen­aus­gleichs ver­wei­sen dar­auf, dass der Fort­be­stand des Un­ter­neh­mens des Be­klag­ten vor dem Hin­ter­grund ei­ner dro­hen-

 

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den In­sol­venz ins­ge­samt zur De­bat­te stand. Bei ei­ner sol­chen Sach­la­ge muss der Ver­trau­ens­schutz, der den von der Neu­re­ge­lung be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mern zu­zu­bil­li­gen ist, in der Ge­samt­abwägung letzt­lich zurück­ste­hen. Zu berück­sich­ti­gen ist da­bei, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en die Unkünd­bar­keit nicht nur le­dig­lich für ei­nen be­grenz­ten Zeit­raum ein­ge­schränkt, son­dern den Aus­nah­me­tat­be­stand zu­guns­ten des Be­klag­ten darüber hin­aus zur Si­che­rung der In­ter­es­sen der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer noch zusätz­lich an be­stimm­te Be­din­gun­gen ge­knüpft ha­ben. Je­den­falls in Hin­blick auf die­se Umstände ist die Re­ge­lung des Ände­rungs­ta­rif­ver­tra­ges nicht zu be­an­stan­den. Ob der von den Ta­rif­ver­trags­part­nern be­schrit­te­ne Weg tatsächlich das wirt­schaft­li­che Über­le­ben des Be­klag­ten si­chert, hat die Kam­mer nicht zu prüfen. Den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en steht in­so­weit ei­ne Einschätzungs­präro­ga­ti­ve zu.

c) Die im Ände­rungs­ta­rif­ver­trag ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen für die Zulässig­keit ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung ge­genüber dem an­sons­ten gemäß § 53 Abs. 3 BAT unkünd­ba­ren Kläger sind im Streit­fall erfüllt.

aa) Die Kündi­gung des Klägers wur­de auf­grund ei­ner Be­triebsände­rung gemäß § 111 Be­trVG aus­ge­spro­chen. Nach § 111 Satz 3 Nr. 1 Be­trVG gel­ten als Be­triebsände­rung im Sin­ne des § 111 Satz 1 Be­trVG die Ein­schränkung und Still­le­gung des gan­zen Be­triebs oder von we­sent­li­chen Be­triebs­tei­len. Auch ein bloßer Per­so­nal­ab­bau oh­ne Ver­rin­ge­rung der sächli­chen Be­triebs­mit­tel kann ei­ne Be­triebsände­rung sein, wenn ei­ne größere An­zahl von Ar­beit­neh­mern be­trof­fen ist. Da­bei wird in der Recht­spre­chung auf die Zah­len- und Pro­zent­an­ga­ben des § 17 Abs. 1 KSchG als Richt­schnur ab­ge­stellt (vgl. BAG, Ur­teil vom 10.12.1966, AP Nr. 32 zu § 113 Be­trVG 1972; BAG, Ur­teil vom 21.02.2002, EzA Nr. 10 zu § 1 KSchG In­ter­es­sen­aus­gleich). Die­se Größen­ord­nung ist hier er­reicht. Der vor­ge­se­he­ne Per­so­nal­ab­bau be­traf mehr als 25 Ar­beit­neh­mer bzw. ei­nen An­teil von 10 vom Hun­dert der Be­leg­schaft gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG. Dies gilt selbst dann, wenn man die Per­so­nal­re­du­zie­rung bei dem Toch­ter­un­ter­neh­men des Be­klag­ten nicht ein­be­zieht.

 

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bb) Auch die wei­te­re Vor­aus­set­zung des Ände­rungs­ta­rif­ver­tra­ges liegt vor, da der bei dem Be­klag­ten be­ste­hen­de Be­triebs­rat der or­dent­li­chen Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem Kläger aus­drück­lich zu­ge­stimmt hat.

cc) Der So­zi­al­plan vom 21.09.2004 sieht schließlich Leis­tun­gen des Be­klag­ten zum Aus­gleich oder zur Mil­de­rung der wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le vor, die den be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mern in­fol­ge der Be­triebsände­rung ent­ste­hen. Der So­zi­al­plan re­gelt zum ei­nen die Ansprüche der­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer, die das An­ge­bot auf Über­tritt in ei­ne be­triebs­or­ga­ni­sa­to­risch ei­genständi­ge Ein­heit (Trans­fer­ge­sell­schaft) an­neh­men. Die­se er­hal­ten ne­ben den in die­sem Zu­sam­men­hang erwähn­ten Zu­satz­leis­tun­gen des Be­klag­ten wie die Auf­sto­ckung des Kurz­ar­bei­ter­gel­des nach Zif­fer IV 3 des So­zi­al­pla­nes auch ei­ne Ab­fin­dung. Ei­nen An­spruch auf Ab­fin­dung ha­ben gemäß Zif­fer VI 1 auch Ar­beit­neh­mer, de­nen der Ein­tritt in die Trans­fer­ge­sell­schaft aus be­trieb­li­chen Gründen gar nicht an­ge­bo­ten wer­den kann. Dem Kläger steht al­ler­dings ent­ge­gen der Dar­stel­lung im an­ge­foch­te­nen Ur­teil nach den Be­stim­mun­gen des So­zi­al­pla­nes kei­ne Ab­fin­dung zu, da er den ihm an­ge­bo­te­nen Wech­sel in die Trans­fer­ge­sell­schaft ab­ge­lehnt hat. Für die­sen Fall schließt der So­zi­al­plan ei­ne sol­che Leis­tung aus­drück­lich aus (vgl. Zif­fer V 3). Un­abhängig da­von hat der Kläger aber gemäß Zif­fer V 2 des So­zi­al­plans zu­min­dest An­spruch auf Zah­lung ei­nes Vergütungs­be­tra­ges in Höhe von ca. 5.500,-- € , der sich dar­aus er­gibt, dass die im Not­la­gen­ta­rif­ver­trag vom 03.02.2004 ver­ein­bar­te Ab­sen­kung der Brut­to­ab­rech­nung nachträglich kor­ri­giert wird. Nach An­sicht der Kam­mer ist da­mit je­den­falls die Un­ter­gren­ze ei­ner sub­stan­ti­el­len Mil­de­rung der dem Kläger ent­stan­de­nen Nach­tei­le nicht ver­letzt (vgl. zur Min­dest­do­tie­rung ei­nes So­zi­al­plans: BAG, Ur­teil vom 24.04.2004, AP Nr. 174 zu § 112 Be­trVG 1972). Ob der Aus­schluss ei­nes Ab­fin­dungs­an­spruchs gemäß Zif­fer V 3 des So­zi­al­plans für den Fall ei­ner Ab­leh­nung des Wech­sels in die Trans­fer­ge­sell­schaft ei­ner recht­li­chen Über­prüfung standhält, kann letzt­lich da­hin­ste­hen. Da der Ände­rungs­ta­rif­ver­trag kei­ne

 

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Fest­le­gun­gen zu den Leis­tun­gen des So­zi­al­plans im Ein­zel­nen trifft, wird hier­durch die Wirk­sam­keit der Kündi­gung nicht berührt.

2. Die Kündi­gung vom 28.09.2004 ist auch so­zi­al ge­recht­fer­tigt im Sin­ne von § 1 Abs. 1 KSchG. Auf Grund der na­ment­li­chen Be­zeich­nung des Klägers in dem In­ter­es­sen­aus­gleich vom 21.09.2004 wird nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG ver­mu­tet, dass die Kündi­gung durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se gemäß § 1 Abs. 2 KSchG be­dingt ist. Außer­dem kann nach § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG die so­zia­le Aus­wahl nur auf gro­be Feh­ler über­prüft wer­den. Sol­che lie­gen je­doch nicht vor.

a) Die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG sind ge­ge­ben.

aa) Die Kündi­gung vom 28.09.2004 wur­de auf Grund ei­ner in­ter­es­sen­aus­gleichs­pflich­ti­gen Be­triebsände­rung gemäß § 111 Be­trVG aus­ge­spro­chen. Es kann auf die da­zu be­reits ge­mach­ten Ausführun­gen ver­wie­sen wer­den.

bb) Zwi­schen dem Be­klag­ten und dem Be­triebs­rat ist, worüber zwi­schen den Par­tei­en kein Streit be­steht, ein wirk­sa­mer In­ter­es­sen­aus­gleich über die Be­triebsände­rung zu­stan­de ge­kom­men.

cc) Der Kläger war als Ar­beit­neh­mer, der gekündigt wer­den soll­te, in der Na­mens­lis­te, An­la­ge 2 zum In­ter­es­sen­aus­gleich vom 21.09.2004, na­ment­lich be­zeich­net (vgl. dort un­ter Zif­fer 62).

dd) Die Na­mens­lis­te war, wie von der ge­setz­li­chen Be­stim­mung ge­for­dert, Be­stand­teil des In­ter­es­sen­aus­gleichs vom 21.09.2004. Zwar enthält der In­ter­es­sen­aus­gleich nicht selbst die Na­mens­lis­te, son­dern sie ist in der ge­nann­ten An­la­ge ent­hal­ten. Dies ist je­doch unschädlich. Nach § 112 Abs. 1 Satz 1

 

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Be­trVG ist ein In­ter­es­sen­aus­gleich über ei­ne ge­plan­te Be­triebsände­rung schrift­lich nie­der­zu­le­gen und vom Un­ter­neh­mer und vom Be­triebs­rat zu un­ter­schrei­ben. Auf das ge­setz­li­che Schrift­for­mer­for­der­nis sind die §§ 125, 126 BGB an­wend­bar. Das Schrift­for­mer­for­der­nis ist nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts je­den­falls noch nicht des­halb ver­letzt, weil die Na­mens­lis­te nicht im In­ter­es­sen­aus­gleich selbst, son­dern in ei­ner An­la­ge ent­hal­ten ist. § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG ver­bie­tet nicht, ei­ne Lis­te mit den zu kündi­gen­den Ar­beit­neh­mern als An­la­ge zu ei­nem In­ter­es­sen­aus­gleich zu neh­men, so­weit zwei­fels­frei fest­steht, dass die Na­mens­lis­te und der In­ter­es­sen­aus­gleich ei­ne Ur­kun­de bil­den (BAG, Ur­teil vom 07.05.1998, AP Nr. 94 zu § 1 KSchG 1969 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung; BAG, Ur­teil vom 21.02.2002, EzA Nr. 10 zu § 1 KSchG In­ter­es­sen­aus­gleich; BAG, Ur­teil vom 22.01.2004, AP Nr. 1 zu § 112 Be­trVG 1972 Na­mens­lis­te). Wird die Na­mens­lis­te ge­trennt vom In­ter­es­sen­aus­gleich er­stellt, reicht es aus, wenn sie von den Be­triebs­par­tei­en un­ter­zeich­net ist und in ihr oder im In­ter­es­sen­aus­gleich auf sie Be­zug ge­nom­men ist (vgl. KR-Et­zel, 7. Auf­la­ge, § 1 KSchG Rn. 703 a). Da so­wohl im In­ter­es­sen­aus­gleich vom 21.09.2004 auf die Na­mens­lis­te als An­la­ge 2 als auch in der Na­mens­lis­te auf den In­ter­es­sen­aus­gleich aus­drück­lich ver­wie­sen wor­den ist und die Be­triebs­par­tei­en die An­la­ge 2 un­ter­zeich­net ha­ben, ist die Form des § 112 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG ge­wahrt (vgl. BAG, Ur­teil vom 22.01.2004, a.a.O.).

b) Der Kläger hat die sich aus § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG er­ge­ben­de ge­setz­li­che Ver­mu­tung der Be­triebs­be­dingt­heit der Kündi­gung nicht wi­der­legt.

aa) Lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des § 1 Abs. 5 KSchG vor, so muss der Kläger dar­le­gen und be­wei­sen, dass sei­ne Beschäfti­gungsmöglich­keit nicht weg­ge­fal­len ist. Die Ver­mu­tung der Be­triebs­be­dingt­heit der Kündi­gung führt gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG zur An­wen­dung des § 292 ZPO. Stellt das Ge­setz (§ 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG) für das Vor­han­den­sein ei­ner Tat­sa­che – hier die Be­triebs­be­dingt­heit der Kündi­gung – ei­ne Ver­mu­tung auf, so ist der Be­weis

 

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des Ge­gen­teils zulässig. Es ist sub­stan­zi­ier­ter Tat­sa­chen­vor­trag er­for­der­lich, der den ge­setz­lich ver­mu­te­ten Um­stand nicht nur in Zwei­fel zieht, son­dern aus­sch­ließt (BAG, Ur­teil vom 07.05.1998, a.a.O.; BAG, Ur­teil vom 22.01.2004, a.a.O.). Dies ent­sprach be­reits der Ge­set­zes­be­gründung der wort­glei­chen, bis zum 31.12.1998 gel­ten­den Vorgänger­re­ge­lung (BT-Drucks. 13/4612, S. 14), die ausführt, dass der Ar­beit­neh­mer die ver­mu­te­te Be­triebs­be­dingt­heit „schlüssig und be­gründet wi­der­le­gen“ müsse (vgl. da­zu: BAG, Ur­teil vom 22.01.2004, a.a.O.).

bb) Der Kläger hat auch im zwei­ten Rechts­zug nicht schlüssig dar­ge­legt, dass die Kündi­gung des Be­klag­ten ent­ge­gen der Ver­mu­tungs­wir­kung des In­ter­es­sen­aus­gleichs mit Na­mens­lis­te nicht durch drin­gen­de be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se be­dingt ist.

(1) Was den Weg­fall der Beschäfti­gungsmöglich­keit auf sei­nem bis­he­ri­gen Ar­beits­platz im Be­reich „Kauf­leu­te und Dienst­leis­tungs­be­ru­fe“ an­geht, kann da­hin­ste­hen, ob die Be­haup­tung des Klägers zu­trifft, nach der sei­ne Tätig­keit ab­ge­se­hen von dem nicht mehr wei­ter­geführ­ten Teil­be­reich In­for­ma­ti­ons­te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on von dem frei­en Mit­ar­bei­ter T. auf­grund ei­nes Ho­no­rar­ver­trags mit dem Be­klag­ten über­nom­men wur­de. Auch wenn man dies un­ter­stellt, liegt ein aus­rei­chen­der in­ner­be­trieb­li­cher Grund für ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung vor. Im Zu­ge von Um­struk­tu­rie­rungs­maßnah­men, wie sie hier in Re­de ste­hen, bleibt es grundsätz­lich dem Ar­beit­ge­ber über­las­sen, wie er sein Un­ter­neh­mens­ziel zukünf­tig zweckmäßig und kostengüns­tig am Markt ver­fol­gen will. Da­zu gehört auch die Ent­schei­dung, be­stimm­te Ar­bei­ten – z.B. aus Kos­ten­gründen und/oder zur Ermögli­chung ei­nes fle­xi­ble­ren Ein­sat­zes - zur selbständi­gen Er­le­di­gung auf freie Mit­ar­bei­ter zu über­tra­gen. Führt ei­ne sol­che Maßnah­me zum Weg­fall ei­nes Ar­beits­plat­zes, kann dies nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung ge­genüber dem bis­her mit den Auf­ga­ben be­trau­ten Ar­beit­neh­mer recht­fer­ti­gen (BAG, Ur­tei­le vom 09.05. und 26.09.1996, AP Nr. 79 und 80 zu § 1 KSchG 1969 Be­triebs­be­ding­te

 

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Kündi­gung; vgl. auch BAG, Ur­teil vom 16.12.2004, AP Nr. 133 zu § 1 KSchG 1969 Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung). Ei­ne im Sin­ne von § 1 Abs. 2 KSchG un­zulässi­ge Aus­tauschkündi­gung wäre al­ler­dings dann ge­ge­ben, wenn der Drit­te in Wahr­heit eben­falls in ei­nem Ar­beits­verhält­nis stünde. Hier­von kann je­doch nicht aus­ge­gan­gen wer­den. Der Kläger be­haup­tet selbst nicht, dass we­gen des Gra­des der persönli­chen Abhängig­keit von Herrn T. kein ech­tes frei­es Mit­ar­bei­ter­verhält­nis vor­lie­ge. Sein wei­te­rer Ein­wand, der Be­klag­te könne sich nicht auf den Weg­fall sei­nes Ar­beits­plat­zes be­ru­fen, weil die un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung zum Ein­satz des frei­en Mit­ar­bei­ters of­fen­bar un­vernünf­tig sei, ent­behrt je­der Grund­la­ge. Die Kam­mer ver­mag in die­sem Zu­sam­men­hang ins­be­son­de­re nicht nach­zu­voll­zie­hen, dass den Be­klag­ten die Ho­no­rartätig­keit von Herrn T. - bei ei­nem St­un­den­satz von 17,50 € pro Un­ter­richts­ein­heit nach den vor­ge­leg­ten Verträgen – so­gar mehr kos­ten soll als ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers.

(2) Die Ver­mu­tung der Be­triebs­be­dingt­heit er­streckt sich auch auf ei­ne feh­len­de an­der­wei­ti­ge Beschäfti­gungsmöglich­keit im Be­trieb des Be­klag­ten (vgl. BAG, Ur­teil vom 07.05.1998, a.a.O.; BAG, Ur­teil vom 22.01.2004, a.a.O.). Ei­ne sol­che hat der Kläger eben­falls nicht schlüssig vor­ge­tra­gen. Er be­zieht sich nur auf den Ein­satz von frei­en Mit­ar­bei­tern in an­de­ren Be­rei­chen und be­haup­tet in die­sem Zu­sam­men­hang, de­ren Tätig­kei­ten über­neh­men zu können. Für die Kam­mer ist auch in­so­weit nicht er­kenn­bar, dass die dies­bezügli­che un­ter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung des Be­klag­ten willkürlich oder of­fen­bar un­vernünf­tig wäre (vgl. BAG, Ur­teil vom 02.06.2005, AP Nr. 74 zu § 1 KSchG 1969 So­zia­le Aus­wahl, un­ter B 3 der Gründe).

c) Die Kündi­gung ist nicht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG we­gen feh­ler­haf­ter So­zi­al­aus­wahl so­zi­al un­ge­recht­fer­tigt. Die So­zi­al­aus­wahl ist nicht als grob feh­ler­haft im Sin­ne von § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG zu be­an­stan­den Die Kam­mer nimmt in­so­weit Be­zug auf die Ent­schei­dungs­gründe des an­ge­foch­te-

 

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nen Ur­teils und macht sich die­se aus­drück­lich zu Ei­gen. Da die Be­ru­fung dar­auf nicht mehr zurück­kommt, erübri­gen sich wei­te­re Ausführun­gen.

3. Die Kündi­gung kann auch nicht un­ter Berück­sich­ti­gung der ak­tu­el­len Recht­spre­chung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs we­gen ei­nes Ver­s­toßes des Be­klag­ten ge­gen die Ver­pflich­tung zur Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge gemäß § 17 KSchG als rechts­un­wirk­sam an­ge­se­hen wer­den.

a) Nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 KSchG ist der Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet, der Agen­tur für Ar­beit An­zei­ge zu er­stat­ten, be­vor er in Be­trie­ben mit in der Re­gel min­des­tens 60 und we­ni­ger als 500 Ar­beit­neh­mern 10 vom Hun­dert der im Be­trieb re­gelmäßig beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer oder aber mehr als 25 Ar­beit­neh­mer in­ner­halb von 30 Ka­len­der­ta­gen entlässt. Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts knüpft die An­zei­ge­pflicht an die tatsächli­che Ent­las­sung, al­so das Aus­schei­den aus dem Ar­beits­verhält­nis, nicht aber an den Aus­spruch der Kündi­gung an (BAG, Ur­teil vom 18.09.2003, AP Nr. 14 zu § 17 KSchG 1969; BAG, Ur­teil vom 24.02.2005, NZA 2005, 756 ff. m.w.N.). Dies gilt auch für vom Ar­beit­ge­ber ver­an­lass­te an­de­re Be­en­di­gun­gen des Ar­beits­verhält­nis­ses z.B. in Form von Auf­he­bungs­verträgen, § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Die Re­ge­lun­gen der §§ 17, 18 KSchG die­nen in ers­ter Li­nie ar­beits­markt­po­li­ti­schen Zwe­cken. Der Ar­beits­ver­wal­tung soll die Möglich­keit er­hal­ten blei­ben, recht­zei­tig Maßnah­men zur Ver­mei­dung oder we­nigs­tens zur Verzöge­rung von Be­las­tun­gen des Ar­beits­mark­tes ein­zu­lei­ten und für die an­der­wei­ti­ge Beschäfti­gung des Ent­las­se­nen zu sor­gen (vgl. BAG, a.a.O.). Geht man von die­ser Ge­set­zes­in­ter­pre­ta­ti­on aus, be­stand für den Be­klag­ten hin­sicht­lich der Ent­las­sun­gen zum 31.03.2005 kei­ne An­zei­ge­ver­pflich­tung gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 KSchG. Denn un­strei­tig wur­den in­ner­halb der maßge­ben­den Frist von 30 Ka­len­der­ta­gen ne­ben dem Kläger nur noch zwei wei­te­re Ar­beit­neh­mern „ent­las­sen“. Die sons­ti­gen zur Kündi­gung an­ste­hen­den Ar­beit­neh­mer des Be­klag­ten

 

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wa­ren be­reits Mo­na­te zu­vor un­ter Auf­he­bung ih­rer Ar­beits­verhält­nis­se in die Trans­fer­ge­sell­schaft ge­wech­selt.

b) Die Rechts­un­wirk­sam­keit der Kündi­gung kann ent­ge­gen der An­sicht des Klägers nicht aus dem Ur­teil des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs vom 27.01.2005 - Rs C 188/03 - Junk (NZA 2005, 213 ff.) her­ge­lei­tet wer­den, in dem zur Aus­le­gung der Richt­li­nie 98/59/EG des Ra­tes vom 20.07.1998 die Auf­fas­sung ver­tre­ten wird, dass un­ter dem Be­griff der Ent­las­sung die Kündi­gungs­erklärung des Ar­beit­ge­bers zu ver­ste­hen sei und nicht das Aus­schei­den aus dem Ar­beits­verhält­nis.

aa) Die Richt­li­nie 98/59/EG fin­det im na­tio­na­len Recht kei­ne un­mit­tel­ba­re An­wen­dung. Gemäß Art. 249 Abs. 3 EGV ist ei­ne Richt­li­nie für je­den Mit­glied­staat, an den sie ge­rich­tet wird, hin­sicht­lich des zu er­rei­chen­den Ziels ver­bind­lich, überlässt je­doch den in­ner­staat­li­chen Stel­len die Wahl der Form und Mit­tel. So­weit der Eu­ropäische Ge­richts­hof un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen die un­mit­tel­ba­re An­wend­bar­keit von Richt­li­ni­en an­nimmt, be­schränkt sich dies auf das Verhält­nis Staat/Bürger („ver­ti­ka­le un­mit­tel­ba­re Wir­kung“). So­weit es um das Verhält­nis zwei­er Pri­vat­rechts­sub­jek­te geht, lehnt der Eu­ropäische Ge­richts­hof in ständi­ger Recht­spre­chung ei­ne un­mit­tel­ba­re An­wend­bar­keit ab. Ei­ne Richt­li­nie hat in­so­weit kei­ne „ho­ri­zon­ta­le un­mit­tel­ba­re Wir­kung“ (vgl. EuGH, Ur­teil vom 14.07.1995, NJW 1994, 2473 f.-Pao­la Fac­ci­ni Do­ri; EuGH, Ur­teil vom 07.03.1996, NJW 1996, 1401 – El Cor­te). Der In­halt ei­ner Richt­li­nie kann nur in­so­weit Be­deu­tung ge­win­nen, als das na­tio­na­le Recht richt­li­ni­en­kon­form aus­zu­le­gen ist (vgl. EuGH, Ur­teil vom 05.05.1994, NJW 1994, 609 - Ha­ber­mann-Bel­ter­mann; vgl. auch BVerfG, Ur­teil vom 28.01.1992, NZA 1992, 270; eben­so BAG, Ur­teil vom 18.02.2003, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Ar­beits­be­reit­schaft; BAG, Ur­teil vom 18.09.2003, a.a.O.).

bb) Die er­ken­nen­de Kam­mer lässt of­fen, ob die §§ 17,18 KSchG richt­li­ni­en­kon­form da­hin in­ter­pre­tiert wer­den können, dass der Be­griff der „Ent­las­sung“

 

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als Kündi­gungs­erklärung des Ar­beit­ge­bers zu ver­ste­hen ist (we­gen des Wort­lauts und der Sys­te­ma­tik ab­leh­nend: BAG, Ur­teil vom 18.09.2003, a.a.O.; zum Streit­stand: Gaul, Ak­tu­el­les Ar­beits­recht 2/2005 S. 441 m.w.N.). Denn dem Be­klag­ten, der in Ein­klang mit der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts hin­sicht­lich des Klägers kei­ne Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge er­stat­tet hat, ist auf­grund des mit der Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs her­vor­ge­ru­fe­nen „Sys­tem­wech­sels“ im Recht der Mas­sen­ent­las­sun­gen (so zu­tref­fend: Rie­sen­hu­ber/Domröse, EWS 2005, 97 ff., 103) zu­min­dest Ver­trau­ens­schutz zu gewähren.

(1) Ei­ne Par­tei kann al­ler­dings nicht un­ein­ge­schränkt auf den Fort­be­stand ei­ner höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung ver­trau­en. Ge­richt­li­che Ent­schei­dun­gen, die die Wirk­sam­keit ei­nes Rechts­geschäfts be­tref­fen, wir­ken auf ei­nen in der Ver­gan­gen­heit lie­gen­den, aber noch nicht ab­ge­schlos­se­nen Sach­ver­halt ein. Die Ge­rich­te sind bei ih­rer Rechts­fin­dung aber in al­ler Re­gel nicht an ei­ne fest­ste­hen­de Recht­spre­chung ge­bun­den, die sich im Lich­te bes­se­rer Er­kennt­nis als nicht mehr halt­bar er­weist; die Ände­rung ei­ner höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung wirkt da­her grundsätz­lich zurück. Ei­ne Ein­schränkung die­ser Rück­wir­kung ist je­doch in Fällen ge­bo­ten, in de­nen die von der Rück­wir­kung be­trof­fe­ne Par­tei auf die Fort­gel­tung der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung ver­trau­en durf­te und die An­wen­dung der geänder­ten Auf­fas­sung we­gen ih­rer Rechts­fol­gen im Streit­fall oder der Wir­kung auf an­de­re ver­gleich­bar ge­la­ger­te Rechts­be­zie­hun­gen auch un­ter Berück­sich­ti­gung der be­rech­tig­ten In­ter­es­sen des Pro­zess­geg­ners ei­ne un­zu­mut­ba­re Härte be­deu­ten würde (vgl. BAG, Ur­teil vom 18.01.2001, AP Nr. 1 zu § 28 LPVG Nie­der­sach­sen; BGH, Ur­teil vom 29.02.1996, NJW 1996, 1467 ff.).

(2) Die Vor­aus­set­zun­gen für die An­nah­me ei­nes Ver­trau­ens­schut­zes sind nach An­sicht der Kam­mer im Streit­fall erfüllt. Der Be­klag­te durf­te auf­grund der langjähri­gen und ein Jahr zu­vor noch­mals bestätig­ten Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts da­von aus­ge­hen, dass hin­sicht­lich des Klägers kei­ne

 

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Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge gemäß § 17 Abs. 1 KSchG er­for­der­lich war. In die­ser Auf­fas­sung wur­de er zusätz­lich bestärkt durch den Hin­weis in den Merk­blättern so­wie in den For­mu­la­ren zur Er­stat­tung von Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­gen der Bun­des­agen­tur für Ar­beit, die aus­drück­lich da­von aus­gin­gen, dass es für die Er­stat­tung der Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge nicht auf den Zeit­punkt des Aus­spruchs der Kündi­gung, son­dern auf den der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses durch Ab­lauf der Kündi­gungs­frist an­kom­me. Es würde für den Be­klag­ten ei­ne un­zu­mut­ba­re Härte be­deu­ten, woll­te man der Kündi­gung aus dem Ge­sichts­punkt der feh­len­den Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge die Wirk­sam­keit ver­sa­gen. Da die im Ände­rungs­ta­rif­ver­trag vom 04.09.2004 ge­nann­te Frist für die Zulässig­keit ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung be­reits vor der Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs ab­ge­lau­fen war, wäre der Be­klag­te ge­zwun­gen ge­we­sen, das Ar­beits­verhält­nis mit dem nun wie­der un­ein­ge­schränkt unkünd­ba­ren Kläger fort­zu­set­zen. Er müss­te über­dies in sei­ner oh­ne­hin sehr schwie­ri­gen wirt­schaft­li­chen La­ge an den Kläger für die be­reits ver­flos­se­ne Zeit, oh­ne hierfür ei­ne Ge­gen­leis­tung er­hal­ten zu ha­ben, er­heb­li­che Vergütungs­beträge na­ch­en­trich­ten. Auch oh­ne die be­son­de­ren As­pek­te des Streit­fal­les ent­spricht es der ein­hel­li­gen An­sicht der bis­her mit der Pro­ble­ma­tik be­fass­ten Lan­des­ar­beits­ge­rich­te, dass ei­nem Ar­beit­ge­ber für den Zeit­raum bis zum Ur­teil des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs vom 27.01.2005 zur Ver­mei­dung un­erträgli­cher Er­geb­nis­se zu­min­dest Ver­trau­ens­schutz zu gewähren ist (vgl. LAG Hes­sen, Ur­teil vom 20.04.2005, NZA-RR 2005, 522 f.; LAG Köln, Ur­teil vom 10.05.2005, ZIP 2005, 1524 ff.; LAG Ber­lin, Ur­teil vom 27.04.2005, NZA-RR 2005, 522 f.; LAG Hamm, Ur­teil vom 08.07.2005, NZA-RR 2005, 578 ff.; LAG Nie­der­sach­sen, Ur­teil vom 11.08.2005 - 7 Sa 1256/04 - n.v.).

4. Die ord­nungs­gemäße Anhörung des Be­triebs­rats steht nicht im Streit.
Die Dar­le­gungs- und Be­weis­last für die ord­nungs­gemäße Be­tei­li­gung liegt zwar beim Ar­beit­ge­ber. Sie wird aber nur aus­gelöst, wenn der Ar­beit­neh­mer die ord­nungs­gemäße Be­tei­li­gung des Be­triebs­rats rügt bzw. be­zwei­felt (vgl. BAG, Ur-

 

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teil vom 09.10.1986, RzK I 5d Nr. 16, Stahl­ha­cke/Preis/Vos­sen, Kündi­gung und Kündi­gungs­schutz im Ar­beits­verhält­nis, 9. Auf­la­ge, Rn. 378 m.w.N.). Dies hat der Kläger we­der im ers­ten Rechts­zug noch im Be­ru­fungs­ver­fah­ren ge­tan.

B. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on er­folgt gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat sich bis­her nicht mit der Abände­rung ei­ner ta­rif­ver­trag­li­chen Unkünd­bar­keit be­fasst, die über die Mo­di­fi­zie­rung be­reits be­ste­hen­der Aus­nah­me­tat­bestände hin­aus­geht. Es liegt fer­ner noch kei­ne Grund­satz­ent­schei­dung zu den Aus­wir­kun­gen der Ent­schei­dung des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs vom 27.01.2005 – Rs C 188/03 – Junk vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von dem Kläger

RE­VISION

ein­ge­legt wer­den.

Für den Be­klag­ten ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Die Re­vi­si­on muss

in­ner­halb ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

nach der Zu­stel­lung die­ses Ur­teils schrift­lich beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt,

Hu­go-Preuß-Platz 1,

99084 Er­furt,

Fax: (0361) 2636 - 2000

ein­ge­legt wer­den.


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Die Re­vi­si­on ist gleich­zei­tig oder

in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils

schrift­lich zu be­gründen.

Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

 

Sau­er­land 

Frank 

Knuth

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