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Anfechtung eines Sozialplans der Einigungsstelle
15.03.2016. Können sich Betriebsrat und Arbeitgeber bei einer Betriebsänderung wie z.B. einer Massenentlassung oder Betriebsschließung nicht auf einen Sozialplan einigen, entscheidet darüber die Einigungsstelle.
Ist die Einigungsstelle am Zug und stellt durch einen Spruch den Sozialplan auf, muss sie das ihr eingeräumte Ermessen aber auch nutzen, d.h. sie muss alle wichtigen Sozialplaninhalte selbst entscheiden.
Daher darf die Einigungsstelle die Verteilung der Sozialplanmittel nicht Dritten überlassen wie z.B. einer Transfergesellschaft. Soll die Transfergesellschaft entscheiden, welche Leistungen einzelne Arbeitnehmer für die Qualifizierung erhalten sollen, ist der Einigungsstellenspruch bzw. der Sozialplan angreifbar: LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01.03.2016, 9 TaBV 1519/15 (Pressemeldung Nr. 11/16 vom 04.03.2016).
- Worauf muss die Einigungsstelle bei der Entscheidung über einen Sozialplan achten?
- Streit zwischen der Aviation Passage Service Berlin (APSB) und ihrem Betriebsrat über Sozialplanleistungen
- LAG Berlin-Brandenburg: Einigungsstelle muss Verteilung der finanziellen Mittel zur Qualifizierung selbst regeln
Worauf muss die Einigungsstelle bei der Entscheidung über einen Sozialplan achten?
Die Einigungsstelle besteht gemäß § 76 Abs.2 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) aus einer gleichen Anzahl von Beisitzern, die vom Arbeitgeber und Betriebsrat bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden. Sie fasst ihre Beschlüsse nach mündlicher Beratung mit Stimmenmehrheit, wobei sich der Vorsitzende bei der ersten Beschlussfassung der Stimme enthält und erst danach, d.h. wenn keine Einigung bzw. Mehrheit zustande kommt, mit abstimmt (§ 76 Abs.3 Sätze 2 und 3 BetrVG).
Muss sich die Einigungsstelle mit einem Sozialplan befassen, hat sie gemäß § 112 Abs.5 Satz 1 BetrVG sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer als auch die wirtschaftliche Vertretbarkeit ihrer Entscheidung für das Unternehmen zu beachten. Dabei räumt das Gesetz der Einigungsstelle ausdrücklich ein Ermessen ein und macht allgemein gehaltene Vorgaben, die die Einigungsstelle bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigen muss (§ 112 Abs.5 Satz 2 BetrVG).
Die wichtigste Frage, die die Einigungsstelle bei der Aufstellung eines Sozialplans beantworten muss, ist natürlich seine Dotierung: Wie hoch soll bzw. kann der Gesamtbetrag sein, der für Sozialleistungen und insbesondere für Abfindungen bereit stehen soll? Hier lastet eine große Verantwortung auf der Einigungsstelle, der sie nur gerecht werden kann, wenn sie sich sehr genau über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens informiert und alle finanziellen und sozialen Umstände gegeneinander abwägt.
Bei dieser Abwägung bzw. Ermessensausübung ist vor allem konkret zu klären, welche Arbeitnehmer welche Leistungen erhalten sollen. Üblicherweise beinhalten Sozialpläne hierzu eine oder mehrere Abfindungsformeln, die es erlauben, die dem einzelnen Arbeitnehmer gemäß seinem Alter usw. zustehende Abfindung exakt berechnen zu können.
Viele Sozialpläne sehen vor, dass den Arbeitnehmern das Angebot gemacht werden soll, durch "freiwillige" Vereinbarung vom Arbeitgeber in eine Qualifizierungs- und Transfergesellschaft zu wechseln, um dort für eine bestimmte Zeit das bisherige Gehalt weiter zu erhalten und gleichzeitig Qualifizierungsmaßnahmen in Anspruch nehmen zu können.
Ob solche Transferangebote auch Gegenstand eines Spruchs der Einigungsstelle sein können, ist zwar umstritten, doch spricht dafür § 112 Abs.5 Satz 2 Satz 3 Nr.2.a BetrVG. Danach soll die Einigungsstelle bei der Aufstellung eines Sozialplans "insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen".
Wenn die Einigungsstelle per Spruch einen Sozialplan aufstellt, der eine Transfergesellschaft vorsieht, dann fragt sich, wie konkret der Sozialplan vorgeben muss, welche Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmergruppen welche Transfer- und Qualifizierungsleistungen beanspruchen können. Was muss die Einigungsstelle bzw. was muss der Sozialplan selbst entscheiden und welche Entscheidungen kann hier möglicherweise die Transfergesellschaft, d.h. der künftige neue Arbeitgeber der entlassenen Arbeitnehmer treffen?
Streit zwischen der Aviation Passage Service Berlin (APSB) und ihrem Betriebsrat über Sozialplanleistungen
Im Streitfall konnten sich die Aviation Passage Service Berlin GmbH & Co. KG (APSB), die auf den Flughäfen Tegel und Schönefeld Passagiere abfertigte, und der bei ihr bestehende Betriebsrat nicht über Sozialplanleistungen einigen. Über diese war zu reden, denn die ASPB musste ihren Betrieb schließen und allen 190 Arbeitnehmern betriebsbedingt kündigen, weil sie per Ende März 2015 keine Aufträge mehr von ihrer Kommanditistin und einzigen Auftraggeberin, der GlobeGround Berlin (GGB), mehr erhielt.
Die wirtschaftliche Lage der APSB war unstreitig schlecht, und auch die GGB stand wirtschaftlich nicht so gut da, doch steht hinter der GGB wiederum die WISAG-Gruppe und es gab einen konzerninternen Cashpool, über den die Zahlungsfähigkeit der APSB bislang sichergestellt war. Der Betriebsrat war daher nicht begeistert darüber, dass die APSB nur eine pauschale Sockelabfindung von 2.000,00 EUR pro Arbeitnehmer (!) zahlen wollte (zzgl. weiterer pauschaler Mehrbeträge bei besonderer Bedürftigkeit).
Es kam daher zu Verhandlungen vor der Einigungsstelle, die wiederum im Januar 2015 per Spruch einen Sozialplan aufstellte. Dieser beugte sich den mageren Abfindungsangeboten der Arbeitgeberseite und sah außerdem die Einrichtung einer Transfergesellschaft zur Fort- und Weiterbildung der Arbeitnehmer vor. Hierzu heißt es in § 8 Abs.1 des Sozialplans:
"Die APSB stellt für jeden Arbeitnehmer, der in die Transfergesellschaft wechselt, ein Budget in Höhe von 2.000,- EUR für Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zur Verfügung. Das Qualifizierungsbudget steht den Arbeitnehmern, die in die Transfergesellschaft wechseln, gemeinsam zur Verfügung und wird je nach individuellem Weiterbildungs- und Qualifizierungsbedarf eingesetzt. Soweit das Qualifizierungsbudget nicht verbraucht wird, stehen die Mittel der APSB zu."
Der Betriebsrat zog vor Gericht und wollte feststellen lassen, dass der Spruch der Einigungsstelle über einen Sozialplan zur Betriebsstilllegung vom 21.01.2015 unwirksam ist. Unter anderem berief er sich darauf, dass die pauschale Bereitstellung eines Qualifizierungsbudgets in § 8 des Sozialplans ermessensfehlerhaft sei und die finanzielle Leistungen zu gering.
Das Arbeitsgericht Berlin gab dem Antrag des Betriebsrats statt und erklärte den Sozialplan für unwirksam (Beschluss vom 07.07.2015, 13 BV 1848/15, siehe dazu Arbeitsgericht Berlin, Pressemitteilung Nr.19/15 vom 07.07.2015, zum Beschluss vom 07.07.2015, 13 BV 1848/15).
Nach Ansicht des Arbeitsgerichts hatte die Einigungsstelle die finanziellen Vorgaben der Konzernmutter nicht kritisch und selbständig geprüft, sondern schlicht hingenommen, und dementsprechend die Dotierungsvorgaben eines Dritten einfach übernommen. Außerdem beanstandete das Arbeitsgericht die Regelung zur Transfergesellschaft in § 8 Abs.1 des Sozialplanes als ermessensfehlerhaft, da die Einigungsstelle es nicht einfach der Qualifizierungsgesellschaft hätte überlassen dürfen zu entscheiden, welche Arbeitnehmer welche Leistungen der Qualifizierung erhalten sollen.
LAG Berlin-Brandenburg: Einigungsstelle muss Verteilung der finanziellen Mittel zur Qualifizierung selbst regeln
Auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hielt den Sozialplan für unwirksam. Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des Gerichts:
Die Einigungsstelle hat die Verteilung der finanziellen Mittel zur Qualifizierung nicht selbst geregelt, so die Berliner Richter, sondern dies der Transfergesellschaft überlassen. Erschwerend wertete das Gericht an dieser Stelle, dass nicht verbrauchte Beträge an die APSB hätten zurückgezahlt werden sollen, so dass noch nicht einmal sichergestellt war, dass das im Sozialplan vorgesehene "Qualifizierungsbudget" von 2.000,00 EUR wirklich den einzelnen Arbeitnehmern zugute kommen würde. Damit habe die Einigungsstelle ihren gesetzlichen Regelungsauftrag nicht erfüllt.
Außerdem bemängelte das LAG, dass die Einigungsstelle den Arbeitnehmern für den Übertritt in die Transfergesellschaft eine konkrete Aufhebungsvereinbarung vorschreibe, und dieser Vertrag wiederum beinhalte "Regelungen u. a. zum Ausschluss weitergehender Ansprüche". Solche auf den Entzug von arbeitsvertraglichen Ansprüchen zielende Aufhebungsvertragsregelungen konnte bzw. durfte die Einigungsstelle aber nicht vorgegeben, so das LAG.
Anders als das Arbeitsgericht ließ das LAG offen, ob trotz der schlechten finanziellen Lage der APSB eine bessere finanzielle Ausstattung des Sozialplans geboten war, wie das Arbeitsgericht unter Berücksichtigung des bisherigen konzerninternen Ausgleichs von Verlusten angenommen hatte.
Fazit: Die Einigungsstelle muss die Verteilung der in einem Sozialplan vorgesehenen Leistungen selbst konkret regeln. Sie darf diese Entscheidungen weder einer Konzernobergesellschaft noch der Geschäftsleitung einer Transfergesellschaft überlassen. Für den Streit über die den APSB-Sozialplan folgt aus der Entscheidung des LAG, dass die Einigungsstelle jetzt erneut über die Aufstellung eines Sozialplans entscheiden muss.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01.03.2016, 9 TaBV 1519/15 (Pressemeldung Nr. 11/16 vom 04.03.2016)
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01.03.2016, 9 TaBV 1519/15
- Arbeitsgericht Berlin, Pressemitteilung Nr.19/15 vom 07.07.2015, zum Beschluss vom 07.07.2015, 13 BV 1848/15
- Arbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 07.07.2015, 13 BV 1848/15
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindungshöhe, Berechnung und Höhe der Abfindung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsänderung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsrat
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsstilllegung, Betriebsschließung
- Handbuch Arbeitsrecht: Einigungsstelle
- Handbuch Arbeitsrecht: Interessenausgleich
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - betriebsbedingt
- Handbuch Arbeitsrecht: Massenentlassung
- Handbuch Arbeitsrecht: Sozialplan
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- Tipps und Tricks: Sozialplan - Checkliste
- Mustervereinbarung: Interessenausgleich
- Mustervereinbarung: Sozialplan
- Arbeitsrecht aktuell: 20/085 Wirtschaftliche Vertretbarkeit eines Sozialplans
- Arbeitsrecht aktuell: 20/082 Unzulässige Anrufung der Einigungsstelle
- Arbeitsrecht aktuell: 20/056 Einigungsstelle kann Rentennahe von Sozialplanleistungen ausschließen
- Arbeitsrecht aktuell: 17/302 Vergütung externer Beisitzer der Einigungsstelle
- Arbeitsrecht aktuell: 16/304 Dauer der Konsultation bei Massenentlassungen
- Arbeitsrecht aktuell: 15/355 Sozialplan und Klageverzicht
- Arbeitsrecht aktuell: 14/399 Einigungsstelle zur Aufstellung eines Sozialplans
- Arbeitsrecht aktuell: 11/204 Interessenausgleich und Sozialplan: Leiharbeitnehmer zählen mit
- Arbeitsrecht aktuell: 11/093 Einigungsstelle: Befangenheit des Vorsitzenden
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das LAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Den vollständig begründeten Beschluss des LAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 2. November 2020
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