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Hessisches LAG, Urteil vom 05.11.2012, 17 Sa 217/12
Schlagworte: | Auflösungsantrag, Weiterbeschäftigung | |
Gericht: | Hessisches Landesarbeitsgericht | |
Aktenzeichen: | 17 Sa 217/12 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 05.11.2012 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil 24 Ca 1697/10 | |
Hessisches Landesarbeitsgericht
Verkündet am:
05. November 2012
Aktenzeichen: 17 Sa 217/12
(Arbeitsgericht Frankfurt am Main: 24 Ca 1697/10)
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Berufungsverfahren
Beklagte und
Berufungsklägerin
Prozessbevollmächtigt.:
gegen
Kläger und
Berufungsbeklagter
Prozessbevollmächtigt.:
hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 17,
auf die mündliche Verhandlung vom 05. November 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht als Vorsitzenden
und den ehrenamtlichen Richter
und den ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 2010, 24 Ca 1697/10, wird, auch soweit über sie noch nicht bereits entschieden ist, zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug nach Zurückverweisung durch das BAG noch um einen Auflösungsantrag der Arbeitgeberin und um Weiterbeschäftigung.
Wegen der Darstellung des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge sowie des bisherigen Parteivortrags im Berufungsrechtszug wird auf die Tatbestände des angefochtenen Urteils (Bl. 126 bis 131 d.A.) und des Urteils der Kammer vom 25. Juli 2011 (17 Sa 1739/10, Bl. 423 bis 427 d.A.) Bezug genommen. Dies erfolgt mit folgender Ergänzung:
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 28. Februar 2011 (Seiten 10 f dieses Schriftsatzes, Bl. 248 f d.A.) vorgetragen:
Der angehörte Betriebsrat der Beklagten hat dazu im Rahmen seiner schriftlichen Äußerung und Verweigerung der Zustimmung zu den Kündigungen zu Recht darauf hingewiesen, dass die dienstliche Kommunikation über SMS gelebte Realität ist, unter anderem zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern, zwischen Einsatzzentrale (Operator) und Hubwagenfahrer. …
Diesen Vortrag hatte die Beklagte jedenfalls bis zur Verkündung der Entscheidung der Kammer vom 25. Juli 2011 nicht bestritten.
Die nach dem Inhalt des Kündigungsschreibens vom 09. März 2010 (Bl. 8 d.A.) dieser Kündigung beigefügte Stellungnahme des Betriebsrats (Bl. 558 f d.A.) lautet auszugsweise:
Die Benutzung der dienstlichen Mobiltelefone, auch außerhalb der reinen Arbeitszeit, ist schon seit deren Einführung 2004 betriebsüblich. Die Bereichsleitung (Sachgebietsleiter, Schichtleiter, Einsatzzentrale, Personaleinsatzplanung etc.) und die Mitarbeiter kommunizieren auch außerhalb der Dienstzeiten im Dienstmodus der Mobiltelefone, z.B. über aktuelle Veränderungen in der Dienstplanung oder im Arbeitsablauf. …
In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass z.B. dienstliche Kommunikation über SMS, entgegen den Ausführungen der A, tatsächlich erfolgt, u.a. zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern.
Das BAG (Beschluss vom 24. Januar 2012, 9 AZN 1327/11, Bl. 446 f d.A.) hat die von der Beklagten gegen das Urteil der Kammer vom 25. Juli 2011 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich der Kündigungsschutzklagen zurückgewiesen. Hinsichtlich des Auflösungsantrags und des Weiterbeschäftigungsanspruchs hat es das
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Urteil der Kammer vom 25. Juli 2011 aufgehoben und den Rechtsstreit insoweit zurückverwiesen. Die Kammer habe den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, da sie ohne rechtlichen Hinweis den Inhalt einer Betriebsratsanhörung in einem anderen Verfahren in den Prozess eingeführt habe. Die Beklagte habe dargelegt, auf entsprechenden Hinweis zur Verwertung des Inhalts dieser Betriebsratsanhörung hätte sie unter Beweisantritt Parteivernehmung des Klägers vorgetragen, der Kläger habe diese Auffassung des Betriebsrats im Zeitpunkt seines falschen Prozessvortrags nicht gekannt, so dass, sollte der Beweis erbracht werden, nicht hätte angenommen werden dürfen, eine gezielte Irreführung des Gerichts scheitere im Übrigen auch daran, dass der Vortrag des Klägers der Darstellung des Betriebsrats entspreche.
Die Beklagte wiederholt und vertieft nach Zurückverweisung ihren Vortrag zu den in Anspruch genommenen Auflösungsgründen. Der Kläger könne sich nicht mit Erfolg auf etwaige Stellungnahmen des Betriebsrats zu Kündigungen anderer Arbeitnehmer berufen, soweit diesen die Behauptung zu entnehmen ist, SMS seien auch in der dienstlichen Praxis sinnvoll, seien gelebte Realität und die Versendung von SMS sei im täglichen Dienstbetrieb absolut normal. Sie hält daran fest, der entsprechende Vortrag sei falsch, und behauptet unter Beweisantritt (Parteivernehmung des Klägers), die Auffassung des Betriebsrats sei dem Kläger im Zeitpunkt seines Prozessvortrags nicht bekannt gewesen. Da der Kläger selbst auch zu keinem Zeitpunkt eine dienstliche SMS versendet oder empfangen hat, sei ihm die Wahrheitswidrigkeit seines Vortrags auch bekannt gewesen. Bei der Frage, ob SMS im täglichen Dienstbetrieb absolut normal seien, handele es sich auch nicht um eine Wertung, sondern um eine einer Beweiserhebung zugängliche Tatsache. Sie behauptet unter Beweisantritt (Zeugnis des Rechtsanwalts B), der frühere Prozessbevollmächtigte des Klägers habe diesem weder am 10. Januar 2011 noch zu einem anderen Zeitpunkt mitgeteilt, der Betriebsrat oder andere von ihm vertretene Kläger hätten bestätigt, dass und zu welchen Zwecken dienstliche SMS versendet würden. Sie verweist darauf, der Kläger habe bereits erstinstanzlich und noch nicht durch Rechtsanwalt B vertreten behauptet, dass die Versendung von SMS auch für die dienstliche Kommunikation genutzt werde, wobei er selbst nicht vortrage, dass ihm zu diesem Zeitpunkt bereits der Inhalt der Stellungnahme des Betriebsrats bekannt gewesen sei. Sie meint, falscher Sachvortrag des Klägers finde sich auf der Ebene praktisch jedes Tatbestandsmerkmals der außerordentlichen Kündigung. Sie bestreitet, der Kläger sei davon ausgegangen, der von seinem früheren Prozessbevollmächtigten stammende Vortrag sei richtig, und behauptet unter Beweisantritt (Parteivernehmung des Klägers), der Kläger sei selbst nicht
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davon ausgegangen, dieser Vortrag sei richtig. Sie meint, hierauf komme es im Rahmen des Auflösungsantrags nicht an. Ausreichend sei, wenn die Tatsachen vom früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers Rechtsanwalt B fehlerhaft dargestellt worden seien, da er sich die unwahren Tatsachenbehauptungen zu Eigen gemacht und sich bis jetzt nicht hiervon distanziert haben, obwohl die Beklagte zu den einzelnen Punkten im Detail Stellung genommen habe. Sie meint auch, es komme nicht nur darauf an, ob der Kläger vorsätzlich unwahre Tatsachen behauptet habe. Auch die fahrlässige Behauptung falscher Tatsachen reiche für einen Auflösungsantrag aus.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 2010, 24 Ca 1697/10, abzuändern und das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, die zwölf Bruttomonatsgehälter nicht übersteigen sollte, zum 30. September 2010 aufzulösen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung, soweit noch nicht über sie entschieden, zurückzuweisen.
Er hält unter Vertiefung seiner Argumentation daran fest, ein Auflösungsgrund bestehe nicht. Er behauptet, nach Auskunft seines früheren Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt B sei diesem die Stellungnahme des Betriebsrats bekannt gewesen, aus der sich dessen Auffassung ergebe, Nutzung von SMS und MMS in der dienstlichen Praxis sei sinnvoll, gelebte Realität gewesen und Versendung von SMS im täglichen Dienstbetrieb sei normal gewesen. Dieses Wissen habe Rechtsanwalt B im Rahmen seiner Beratungsgespräche, nämlich anlässlich eines Besprechungstermins vom 10. Januar 2011, mit dem Kläger diesem vermittelt. Der Kläger hält seine unter Beweisantritt erfolgte Behauptung aufrecht, anlässlich eines Briefings vom 03. März 2010 hätten die Mitarbeiter C und D erklärt, jedenfalls die dienstliche Versendung von SMS in der Vergangenheit und der Zukunft sei in Ordnung. Er behauptet, auch dieser Punkt sei anlässlich des Besprechungstermins vom 10. Januar 2011 mit Rechtsanwalt B erörtert worden.
Entscheidungsgründe
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I. Die zulässige Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 2010, 24 Ca 1967/10, ist – soweit noch über sie zu entscheiden ist – unbegründet.
1. Der Auflösungsantrag der Beklagten ist unbegründet.
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG ist das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht erwarten lassen.
a) Nach der Grundkonzeption des Kündigungsschutzgesetzes führt die Sozialwidrigkeit der Kündigung zu deren Rechtsunwirksamkeit und zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Das Kündigungsschutzgesetz ist vorrangig Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz. Dieser Grundsatz wird durch § 9 KSchG unter der Voraussetzung durchbrochen, dass – bezogen auf den Auflösungsantrag des Arbeitgebers – eine Vertrauensgrundlage für eine sinnvolle Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr besteht. Kommt hiernach eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur ausnahmsweise in Betracht, sind an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen. Da der Auflösungsantrag trotz seiner nach § 9 Abs. 2 KSchG gesetzlich angeordneten Rückwirkung auf den Kündigungszeitpunkt in die Zukunft gerichtet ist, ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zu erwarten ist, der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz. Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen (BAG 23. Juni 2005 – 2 AZR 234/04 – AP KSchG 1969 § 9 Nr. 51). Liegt ein Grund vor, der an sich zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses geeignet erscheint, so muss in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob in Anbetracht der konkreten betrieblichen Umstände noch eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit möglich ist (BAG 23. Juni 2005 – 2 AZR 256/04 – AP KSchG 1969 § 9 Nr. 52; BAG 10. Juli 2008 – 2 AZR 1111/06 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181).
b) Im Fall bewusst wahrheitswidrigen Vortrags des Arbeitnehmers im Rechtsstreit kann ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers in Betracht kommen. Allerdings kann nicht jeder
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unzutreffende Parteivortrag als „Lüge“ bezeichnet werden. Die Wahrnehmung eines Geschehens ist generell nicht unbeeinflusst vom äußeren und inneren Standpunkt des Wahrnehmenden. Gleiches gilt für Erinnerung und Wiedergabe, zumal in einem von starker Polarität geprägten Verhältnis, wie es zwischen Prozessparteien häufig besteht. Es bedarf besonderer Anhaltspunkte, um unzutreffenden Vortrag als gezielte Irreführung des Gerichts oder der Gegenpartei auszuweisen (BAG 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 – AP BGB § 626 Nr. 229 [„Emmely“]).
c) Richtig ist, dass nicht zwingend überhaupt ein Verhalten des Arbeitnehmers, insbesondere ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen muss; vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (BAG 23. Juni 2005 – 2 AZR 256/04 – aaO).
d) Richtig ist ferner, dass auch ein Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen kann. Dies gilt auch für von ihm nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer sich diese zu Eigen macht und sich auch nachträglich nicht hiervon distanziert (BAG 10. Juni 2010 – 2 AZR 297/09 – AP KSchG 1969 § 9 Nr. 63; BAG 09. September 2010 – 2 AZR 482/09 – AP KSchG 1969 § 9 Nr. 64). Zu berücksichtigen ist hierbei allerdings, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können (BAG 23. Juni 2005 – 2 AZR 256/04 – aaO).
e) Vorsätzlich falscher Prozessvortrag kann den Tatbestand des versuchten Prozessbetrugs erfüllen und kommt deshalb als Auflösungsgrund in Betracht. Nachlässiger Vortrag, der nach dem Bemerken des Irrtums sofort korrigiert wird, reicht dagegen nicht aus (BAG 10. Juli 2008 – 2 AZR 1111/06 – aaO). Der Tatbestand des Prozessbetrugs setzt hierbei nicht nur die objektive Unrichtigkeit einer Behauptung, sondern darüber hinaus auch eine Täuschungsabsicht des Vortragenden voraus (Hess. LAG 16. März 2010 – 4 Sa 1616/09 – AuR 2011, 128, Volltext: juris).
aa) Die Beklagte stützt den Auflösungsantrag auf den Vortrag des Klägers
„Derartige SMS und MMS sind auch in der dienstlichen Kommunikation sinnvoll, sie sind gelebte Realität …“
und
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„Die Versendung solcher SMS ist im täglichen Dienstbetrieb absolut normal.“
Der Gesamtzusammenhang dieser Ausführungen (Seiten 6 und 10 f der Berufungsbeantwortung, Bl. 244, 248 f d.A.) lautet:
„Der Sachverhalt ist entgegen der Auffassung der Beklagten keineswegs im Wesentlichen unstreitig. So ist z.B. die Behauptung, das Versenden von SMS und MMS sei aus dienstlichen Gründen nicht erforderlich, falsch. Derartige SMS und MMS sind auch in der dienstlichen Kommunikation sinnvoll, sie sind gelebte Realität und es gibt unstreitig keine Anweisung der hiesigen Beklagten, dass diese Kommunikationsmittel keine Anwendung finden dürfen.“
bzw.
„Der Vortrag der Beklagten zu der angeblich fehlenden Erforderlichkeit von SMS ist – auch im Hinblick auf die gelebten Realitäten im Unternehmen – zu berichtigen. Die Versendung solcher SMS ist im täglichen Dienstbetrieb absolut normal. Unstreitig ist zudem, dass es kein Verbot gibt, SMS zu dienstlichen Zwecken zu versenden. Der angehörte Betriebsrat der Beklagten hat dazu im Rahmen seiner schriftlichen Äußerung und Verweigerung der Zustimmung zu den Kündigungen zu Recht darauf hingewiesen, dass die dienstliche Kommunikation über SMS gelebte Realität ist, unter anderem zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern, zwischen Einsatzzentrale (Operator) und Hubwagenfahrer. Soweit die Beklagte dazu in ihrer Betriebsratsanhörung ausführt „Das Versenden von SMS oder die Nutzung des Internets aus dienstlichen Gründen sind in keinem Fall erforderlich“ ist dazu anzumerken, dass die Beklagte das gar nicht weiß und diese Ausführungen ganz sicher falsch und zudem irrelevant sind. Noch einmal (siehe oben): es gibt dazu und zum dienstlichen sowie privaten Einsatz des Mobilfunktelefons keine Anweisung. Mithin ist auch das Versenden von SMS zu dienstlichen Zwecken nicht etwa verboten. Irrelevant ist der Vortrag zur fehlenden Erforderlichkeit, da Handlungen eines Mitarbeiters, die nicht erforderlich sind, keineswegs einen Vertragsverstoß darstellen (müssen). Die Beklagte mag vortragen, worin der Verstoß bei der Versendung von dienstlichen SMS liegen soll.“
Dass kein ausdrückliches Verbot existiert, SMS zu dienstlichen Zwecken zu versenden, ist zutreffend. Der entsprechende Vortrag des Klägers ist nicht unrichtig.
Ob Versendung von SMS zu dienstlichen Zwecken sinnvoll ist, ist eine Wertung und keine Tatsachenbehauptung.
Ob Versendung von SMS im täglichen Dienstbetrieb normal ist und gelebte Realität darstellt, ist ebenfalls eine Wertung. Die Auffassung der Beklagten, wonach hierin jedenfalls mittelbar die Behauptung liegt, SMS würden überhaupt zu dienstlichen Zwecken versendet, von der Beklagten als „Tatsachenkern“ bezeichnet, ist richtig. Das weitere Zitat der Beklagten auf Seite 8 ihres Schriftsatzes vom 20. September 2012 ist allerdings falsch. Die Beklagte bezeichnet den Vortrag des Klägers auch selbst als „unsubstantiierte Aussagen“.
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Die Kammer hält daran fest, dass kein Auflösungsgrund vorliegt, wenn der Kläger sich eine Einschätzung zu Eigen macht, die der Darstellung des Betriebsrats in seinen Stellungnahmen zu den Kündigungen entspricht, gleichgültig, ob diese Einschätzung sich lediglich als Wertung darstellt oder gleichzeitig einen „Tatsachenkern“ beinhaltet, gleichgültig weiter, ob die hierin enthaltene Tatsachenbehauptung dann überhaupt hinreichend substantiiert vorgetragen wäre oder nicht. In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob dem Kläger die Stellungnahmen des Betriebrats zu den Kündigungen anderer Arbeitnehmer bei Abfassung des Schriftsatzes vom 28. Februar 2011 bekannt waren bzw. wann sie ihm bekannt wurden. Offen bleiben kann ferner, ob am 10. Januar 2011 oder bei einem anderen Besprechungstermin Rechtsanwalt B dem Kläger mitteilte, andere von ihm vertretene oder ihm bekannte Kläger oder der Betriebsrat hätten ihm gegenüber bestätigt, dass und zu welchen Zwecken dienstliche SMS versendet worden seien. Einer Beweisaufnahme zu diesem Punkt bedarf es daher nicht. Selbst wenn dem Kläger entsprechende Informationen nicht anlässlich mit Rechtsanwalt B geführter Besprechungen vermittelt worden sein sollten, konnte er jedenfalls der Stellungnahme des Betriebsrats zu seiner Kündigung entnehmen, dass nach Einschätzung des Betriebsrats dienstliche Kommunikation auch über SMS erfolgt. Dass er die Stellungnahme des Betriebsrats zu seiner eigenen Kündigung trotz entsprechenden Hinweises im Kündigungsschreiben vom 09. März 2010 nicht erhalten hätte, behauptet die Beklagte selbst nicht. Selbst wenn diese Einschätzung nicht den tatsächlichen Umständen entspricht, liegen damit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, die entsprechenden Behauptungen seien vom Kläger wider besseres Wissen in der Absicht aufgestellt worden, Gericht oder Gegenpartei zu täuschen.
bb) Die Beklagte stützt den Auflösungsantrag ferner auf die Behauptung des Klägers, die Mitarbeiter E und F hätten anlässlich eines Briefings vom 03. März 2010 erklärt, „dass selbstverständlich in der Vergangenheit und Zukunft die Versendung von SMS absolut in Ordnung ist“ bzw. „dass SMS und interne Gespräche ohnehin unproblematisch seien, dass insoweit eine Flatrate existiere und keine zusätzlichen Gebühren anfallen würden“.
Die Kammer hat hierzu im Urteil vom 25. Juli 2011 ausgeführt:
Ob die Mitarbeiter B und F die vom Kläger im Rechtsstreit behaupteten Erklärungen abgegeben haben, kann dahinstehen. Eine Beweisaufnahme hierüber hat nicht stattzufinden. Selbst wenn die Erklärungen nicht abgegeben worden sein sollten, ist damit noch nicht erkennbar, dass der Kläger in diesem Zusammenhang bewusst unwahre Behauptungen aufgestellt haben sollte und sich nicht etwa auf ihm erteilte Informationen verlassen hat.
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Hieran hält die Kammer fest. Aus eigener Wahrnehmung kann der Kläger ohnehin keine Erklärung zu den Geschehnissen anlässlich des Briefings vom 03. März 2010 abgegeben haben. Dass er an dem Briefing teilgenommen hätte, behauptet die Beklagte selbst nicht. Im Verhandlungstermin hat auch der Kläger angegeben, am 03. März 2010 nicht bei dem Briefing anwesend gewesen zu sein. Dass dies auch nicht der Fall war, zeigt der Umstand, dass der Kläger bereits seit dem 16. Februar 2010 suspendiert war. Die Beklagte meint, wenn der Kläger nicht selbst zugegen war, hätte er lediglich vortragen können, dass er von anderen gehört habe, eine solche Aussage sei getätigt worden. Dem folgt die Kammer nicht. Abgesehen davon, dass der Kläger aufgrund seiner Freistellung auch für die Beklagte erkennbar nicht an einem Briefing teilgenommen hat, ist er berechtigt, im Rechtsstreit auch vermutete Tatsachenbehauptungen aufzustellen bzw. Tatsachenbehauptungen aufzustellen, die auf Informationen Dritter beruhen. Wenn die Beklagte in diesem Zusammenhang ausführt, der Kläger trage dann, wenn er eine solche Aussage als gegeben übernehme, auch das Risiko dafür, dass diese Behauptung wahr oder unwahr ist, mag dies zutreffen. Dieses Risiko besteht aber nicht darin, dass eine auf Vermutung oder Information Dritter beruhende aber unrichtige Tatsachenbehauptung bereits den Schluss auf vorsätzlichen Falschvortrag in Täuschungsabsicht rechtfertigt. Das Risiko besteht vielmehr darin, dass eine trotz fehlender eigener Wahrnehmung aufgestellte Tatsachenbehauptung sich als unrichtig herausstellen könnte.
Aufgrund welcher Umstände der Kläger selbst davon ausgegangen sei, diese von ihm aufgestellte Behauptung und auch der weitere zur Begründung des Auflösungsantrags herangezogene Vortrag sei unwahr, trägt die Beklagte nicht substantiiert vor. Ihr Vortrag erfolgt erkennbar ins Blaue hinein und nennt keinen konkreten Anhaltspunkt für die Annahme, der Kläger habe bewusst wahrheitswidrig vorgetragen. Dem Beweisantritt der Beklagten auf Vernehmung des Klägers als Partei ist damit nicht nachzugehen, da dies eine unzulässige Ausforschung darstellen würde.
Soweit die Beklagte darauf abstellt, es sei ausreichend, wenn die Tatsachen vom früheren Prozessbevollmächtigten fehlerhaft dargestellt worden seien, der Kläger sich die unwahren Tatsachenbehauptungen zu Eigen gemacht habe und sich bis heute nicht davon distanziere, obwohl sie zu den einzelnen Punkten im Detail Stellung genommen habe, kann hiermit der Auflösungsantrag nicht begründet werden. Selbst wenn der Vortrag objektiv unrichtig sein sollte, liegt in unterbliebener Korrektur des Vortrags oder unterbliebener Distanzierung kein Auflösungsgrund. Erforderlich wäre zumindest, dass
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der Kläger seinen Irrtum bemerkt hätte. Hierfür ist nichts ersichtlich. Der Umstand allein, dass die Beklagte hierzu Stellung genommen hat und diese Stellungnahme von der Darstellung des Klägers abweicht, begründet noch nicht die Annahme, der Kläger habe einen Irrtum entdeckt bzw. habe erkannt, dass die Darstellung der Beklagten allein zutreffend sei und rücke dennoch nicht von einer inzwischen als falsch erkannten Sachdarstellung ab.
Aus diesem Grund hat keine Beweisaufnahme dazu stattzufinden, welche Erklärungen die Mitarbeiter E und F am 03. März 2010 abgaben. Für die Entscheidung der Kündigungsschutzklagen war dies unerheblich. Für die Entscheidung über den Auflösungsantrag wäre dies allenfalls erheblich, wenn der Kläger nach Entdeckung eines etwaigen Irrtums falschen Tatsachenvortrag aufrechterhalten hätte.
cc) Die Beklagte stützt den Auflösungsantrag ferner auf Ausführungen des Klägers, wonach sie bei der überwiegenden Mehrheit ihrer Mitarbeiter noch nicht einmal eine Abmahnung für erforderlich halte und bei wenigen eine Abmahnung erteilt habe. Hierzu hat die Kammer im Urteil vom 25. Juli 2011 ausgeführt:
Der Vortrag des Klägers, wonach die überwiegende Mehrzahl der Arbeitnehmer nicht abgemahnt wurde, ist aus dem Zusammenhang gerissen, betrifft die Auseinandersetzung der Parteien im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz und ist im Übrigen nicht unwahr. Ob und was der Kläger damit zu suggerieren versucht haben sollte, ist unerheblich, da der Rechtsstreit anhand Tatsachenvortrags zu entscheiden ist.
Hieran hält die Kammer fest. Die Parteien haben im Hinblick auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und dessen Auswirkungen auf die im Zusammenhang mit dem Vorwurf privater Nutzung des Diensthandys begründeten Kündigungen erheblichen Argumentationsaufwand betrieben. Die von der Beklagten beanstandete Passage ist insoweit erkennbar aus dem Zusammenhang gerissen. Es geht nicht um eine Behauptung des Klägers, die Beklagte habe bei gleichem Verdacht des Missbrauchs des Diensthandys zu Privatzwecken sogar von Abmahnungen abgesehen, sondern um eine Auseinandersetzung mit der Darstellung der Beklagten, die Telefonabrechnungen derjenigen Mitarbeiter im Bereich Transport seien angeschaut worden, bei denen im Jahr 2009 mindestens eine Monatsabrechnung über 50,00 € gelegen habe, da bei dieser Rechnungshöhe ein Anfangsverdacht für Privatnutzung bestanden habe. Der Kläger argumentiert insoweit mit der Plausibilität einer Grenze von 50,00 € und damit, es bestehe eine Dunkelziffer von Personen, die das Diensthandy ebenfalls privat nutzten, wegen der Grenze von 50,00 € aber nicht näher überprüft wurden und deswegen keinen arbeitsrechtlichen Reaktionen ausgesetzt waren. Dies wird insbesondere deutlich durch folgende Ausführungen:
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Ihr Vortrag einmal als zutreffend unterstellt ergibt sich, dass die Beklagte die Mitarbeiter, die gegebenenfalls privat telefoniert haben aber keine monatliche Rechnung über € 50,00 aufweisen, noch nicht einmal herausgefiltert hat und auch nicht herausfiltern will oder wollte. (Seite 24 des Schriftsatzes vom 28. Februar 2011, Bl. 263 d.A.).
Es ergibt sich also, dass von den ursprünglich 65 auffällig gewordenen Mitarbeitern (Angabe der Beklagten) 23 eine Kündigung erhalten haben bzw. erhalten sollten, bei 25 Mitarbeitern und noch einmal 14 Mitarbeitern nur eine Abmahnung ausgesprochen worden ist. Es verbleiben 3 Mitarbeiter, die zwar auffällig geworden sind, jedoch überhaupt nicht belangt worden sind. Daneben bleibt die erhebliche Dunkelziffer an Mitarbeitern, die weder eine Abmahnung erhalten haben noch gar suspendiert oder gekündigt noch zur Rückzahlung aufgefordert worden sind und bei denen die Beklagte trotz insoweit nicht bestehender Kenntnisse von einem sehr sorgfältigen Umgang mit dem Mobiltelefon schreibt (Seiten 26 f des Schriftsatzes vom 28. Februar 2011, Bl. 264 f d.A.).
Ob die Argumentation zur Dunkelziffer überzeugend ist, ist unerheblich. Jedenfalls reduziert sich der Tatsachenvortrag darauf, dass die Mehrzahl der Arbeitnehmer deswegen keine Abmahnung erhalten haben, weil sie nicht überprüft wurden; dies wiederum deshalb, weil sie keine Monatsrechnung aufwiesen, die den Betrag von 50,00 € übersteigt. Dies ist zutreffend.
dd) Die Beklagte stützt den Auflösungsantrag ferner auf folgende schriftsätzliche Ausführungen des Klägers:
Belegbar ist, dass die Beklagte, die über ihre Fachabteilung sämtliche eingehenden Telefonrechnungen auf sachliche und inhaltliche Richtigkeit vor Anweisung überprüfen lässt, bei Ungereimtheiten aber nur sporadisch einschreitet, jeweils zeitnah nach Eingang der Rechnungen dieselben auch überprüft und von dem Inhalt Kenntnis erlangt.
Die Mitarbeiter, die mit der Überprüfung der Rechnungen betraut waren, nämlich damals der Mitarbeiter G und heute die Mitarbeiterin H, waren schon damals bei der Beklagten beschäftigt und sind es heute noch.
Hierzu hat die Kammer im Urteil vom 25. Juli 2011 ausgeführt:
Der Vortrag erfolgt erkennbar auch im Zusammenhang mit dem Vorgang um den Arbeitnehmer I, dem mit Schreiben vom 14. Juli 2006 nach Kontrolle durch den Arbeitnehmer G aufgegeben wurde, die Kosten für das Herunterladen von Klingeltönen auf das Handy zu ersetzen. Wenn der Kläger hieraus den Schluss der Rechnungskontrolle zieht und dies im Rechtsstreit vorbringt, kann hierin noch kein Auflösungsgrund gesehen werden. Ein solcher kann auch nicht ernsthaft im Hinblick auf streitigen Vortrag, ob G noch Mitarbeiter der Beklagten ist oder nicht, in Erwägung gezogen werden.
Auch hieran hält die Kammer fest. Der Kläger ist im Rechtsstreit nicht gehindert, Sachvortrag der Beklagten zu bestreiten. Dies gilt jedenfalls solange dieses Bestreiten nicht wider besseres Wissen erfolgt. Er ist ferner nicht gehindert, qualifiziert zu
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bestreiten und sich auf Indizien zu stützen, die vermeintlich gegen die Darstellung der Beklagten sprechen. Die Darstellung der Beklagten, auf die sich das beanstandete Vorbringen bezieht, lautet dahin, die Telefonrechnungen nicht kontrolliert zu haben, wobei es ihr auch von April 2008 bis Ende 2009 wegen Umzugs des Betriebs ZD in einen Neubau und damit einhergehender Schwierigkeiten, eines Streiks im August 2008, erheblicher Fluktuation im Bereich der Führungskräfte und vorrangiger Behandlung von Maßnahmen der Krisenbewältigung nicht möglich gewesen sei, die Telefonrechnungen des Bereichs, in dem der Kläger beschäftigt war, zu kontrollieren. Es steht dem Kläger frei, diesen Vortrag zu bestreiten, sofern nicht, wofür kein Anhaltspunkt besteht, er von der Richtigkeit dieser Angaben positiv Kenntnis hat. Es steht ihm frei, sich im Rahmen dieses Bestreitens auf Unterlagen zu beziehen, die vermeintlich durchgeführte Rechnungskontrolle indizieren. Aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen (Anlagen HW 1 und HW 2, Bl. 279 f d.A.) kann jedenfalls der Schluss gezogen werden, dass in der Vergangenheit einmal eine Diensthandyrechnung des Mitarbeiters I einer Kontrolle unterzogen wurde, hierbei dienstlich nicht veranlasster Download von Klingeltönen festgestellt wurde und die Überprüfung durch den Mitarbeiter G durchgeführt worden sein könnte. Inwieweit aus einem einmaligen Vorgang aus dem Jahr 2006 Rückschlüsse auf kontinuierliche Rechnungsprüfung, Existenz einer entsprechenden Fachabteilung und Rechnungsprüfung durch den Mitarbeiter G gezogen werden können, betrifft ggf. die Plausibilität der Argumentation des Klägers. Selbst wenn diese nicht plausibel wäre, läge hierin aber noch kein Anhaltspunkt für die Annahme, der Kläger habe positive Kenntnis von der Richtigkeit der Darstellung der Beklagten und trage mit Täuschungs- bzw. Irreführungsabsicht vor.
ee) Soweit die Beklagte den Auflösungsantrag auf den Vortrag des Klägers stützt, vor 2009 nicht darauf hingewiesen worden zu sein, dass er das Mobilfunktelefon nur zu dienstlichen Zwecken nutzen dürfe, hat die Kammer im Urteil vom 25. Juli 2011 ausgeführt:
Die Frage, wann und wie oft der Kläger über die ordnungsgemäße Verwendung des Diensthandys belehrt wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Streitiger Parteivortrag allein rechtfertigt noch keinen Auflösungsantrag, zumal auch die Beklagte nicht konkret vorbringt, wann im Einzelnen der Kläger konkret welche Belehrung erhalten haben soll.
Auch hieran hält die Kammer fest. Die Beklagte ist für die Auflösungsgründe darlegungs- und beweispflichtig. Unwahrer Prozessvortrag des Klägers setzt voraus, dass er entgegen seiner Behauptung vor 2009 belehrt wurde. Die Beklagte trägt nach wie vor nicht konkret vor, wann eine entsprechende Belehrung erfolgt sein soll. Die Behauptung, der Kläger habe die Belehrung definitiv auch bei Ausgabe seines
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vorherigen Handys erhalten, denn kein Handy werde ohne diese Belehrung ausgegeben, lässt nicht erkennen, wann, wie und durch wen eine entsprechende Belehrung erfolgt sein soll.
ff) Die Beklagte stützt den Auflösungsantrag ferner auf folgenden Vortrag des Klägers:
Tatsache ist, dass Frau J bereits unter dem Datum des 04. Februar 2010 ein Zeugnis einen Kollegen des Klägers ausgestellt hat, dem ein inhaltlich nahezu identischer Vorwurf unterbreitet worden ist. Daraus ergibt sich, dass Frau J schon am 04. Februar 2010 von den Vorgängen Kenntnis gehabt haben muss.
Hierzu hat die Kammer im Urteil vom 25. Juli 2011 ausgeführt:
Die vom Kläger wie im Übrigen auch von Klägern anderer Rechtsstreite vorgebrachte Argumentation zur Zeugniserteilung – im Übrigen durch die neue Personalleiterin und nicht durch die bisherige Personalleiterin – vom 04. Februar 2010 erfolgt erkennbar argumentativ im Zusammenhang mit der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Die Argumentation mag als nicht plausibel erscheinen. Ein entsprechendes Zeugnis mit dem angegebenen Datum existiert jedenfalls. Wenn der Kläger meint, hiermit argumentieren zu können, liegt kein einen Auflösungsantrag rechtfertigender bewusst wahrheitswidriger Sachvortrag vor, sondern der Versuch, aus einem möglicherweise rückdatierten und dann mit fehlerhaftem Datum erstellten Zeugnis im Hinblick auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung zu schließen.
Die Kammer hält auch hieran fest. Täuschungsabsicht über die Person des Ausstellers des Zeugnisses kann nicht angenommen werden. Denn das Zeugnis (Anlage HW 5, Bl. 285 d.A.) weist erkennbar nicht die frühere Personalleiterin J aus Ausstellerin aus, sondern die neue Personalleitern Dr. K und den Mitarbeiter E. Das Zeugnis weist bei einem attestierten Ausscheiden zum 04. März 2010 das Ausstellungsdatum 04. Februar 2010 aus. Der entsprechende Hinweis des Klägers ist zutreffend. Es ist nicht fernliegend, dass dieses Zeugnis erst zu einem Zeitpunkt von Dr. K unterzeichnet wurde, zu dem sie bereits Personalleiterin war, und auf das Ausscheidensdatum 04. März 2010 rückdatiert werden sollte, wobei versehentlich ein falsches Ausstellungsdatum gewählt wurde. Es ist jedoch nicht naheliegend, dass dieses dann aus dem Bereich der Beklagten stammende Versehen vom Kläger erkannt oder er auf andere Art und Weise hierüber informiert wurde. Soweit die Beklagte in ihrer Argumentation auf entsprechende Kenntnis des früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers abstellt, ist nicht dargelegt, dass Rechtsanwalt B Kenntnis davon hat, wann das auf den 04. Februar 2010 datierte Zeugnis tatsächlich unterzeichnet wurde und wann Frau Dr. K Personalleiterin der Beklagten wurde. Wäre dies dargelegt, läge vorsätzlich falscher Prozessvortrag des Klägers nur dann vor, wenn er die Unrichtigkeit des Vortrags erkannt hätte und sich nicht vom Verhalten seines Prozessbevollmächtigten distanziert hätte. Außerdem erfolgt der Vortrag erkennbar im Zusammenhang mit den
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Behauptungen der Beklagten zur Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Auch hier gilt, dass der Kläger im Rechtsstreit nicht gehindert ist, diesen Vortrag zu bestreiten, jedenfalls solange dieses Bestreiten nicht wider besseres Wissen erfolgt, und er auch nicht gehindert ist, qualifiziert zu bestreiten und sich hierbei auf Indizien zu stützen, die vermeintlich gegen die Darstellung der Beklagten sprechen. Schließlich beschränkt sich der Vortrag auf den zutreffenden Hinweis, dass ein auf den 04. Februar 2010 datiertes Zeugnis existiert und die Schlussfolgerung, es sei dann auch am 04. Februar 2010 ausgestellt worden, und die hierauf aufbauende Schlussfolgerung, dann habe am 04. Februar 2010 auch Kenntnis der Personalleiterin über die gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe vorgelegen. Die gezogenen Schlussfolgerungen mögen nicht plausibel sein. Die zugrunde liegende Tatsachenbehauptung – Existenz des auf den 04. Februar 2010 datierten Zeugnisses – ist aber nicht unwahr.
2. Ist das Arbeitsverhältnis der Parteien damit auch nicht aufgrund Auflösungsantrags der Beklagten aufzulösen, steht dem Kläger auch der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits zu (BAG 27. Februar 1985 – GS 1/74 – AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14). Überwiegende Arbeitgeberinteressen an einer Nichtbeschäftigung sind nicht dargelegt. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus dem von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag. Zutreffend ist, dass die aus einem Auflösungsantrag folgende Ungewissheit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses derjenigen entsprechen kann, die vor der Verkündung eines erstinstanzlichen Urteil in einem Kündigungsschutzrechtsstreit besteht und deswegen das schutzwürdige Interesse des Arbeitgebers an einer Nichtbeschäftigung begründen kann (BAG 16. November 1995 – 8 AZR 864/93 – AP Einigungsvertrag Anl. I Kap. XIX Nr. 54). Mit der vorliegenden Entscheidung wird aber gerade festgestellt, dass der Auflösungsantrag der Beklagten unbegründet ist. Es kann damit offen bleiben, ob der Auffassung zu folgen ist, wonach der Weiterbeschäftigungsanspruch bereits durch Stellung eines Auflösungsantrags entfällt (vgl. hierzu LAG Hessen 16. März 2010 – 4 Sa 1616/09 – aaO). Aufgrund der Zurückweisung des Auflösungsantrags besteht jedenfalls wieder ein überwiegendes Interesse des Arbeitnehmers an der Beschäftigung.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Für die Zulassung der Revision besteht kein Grund iSd. § 72 Abs. 2 ArbGG.
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