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LAG Köln, Urteil vom 17.11.2015, 12 Sa 711/15
Schlagworte: | Sozialplan | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Köln | |
Aktenzeichen: | 12 Sa 711/15 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 17.11.2015 | |
Leitsätze: | 1. Die Betriebsparteien können zur Herstellung von Rechtssicherheit ein Verfahren oder einen Stichtag bestimmen und auf diese Weise festlegen, ob eine Eigenkündigung durch die konkrete Betriebsänderung veranlasst wurde oder nicht. Dazu kann die Ausgleichspflicht an einen Zeitpunkt anknüpfen, in dem die Art und Weise der durchzuführenden Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer feststeht. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise dürfen die Betriebsparteien in einem solchen Fall davon ausgehen, dass Arbeitnehmer, die auf eigene Veranlassung ihr Arbeitsverhältnis beenden, bevor das Ausmaß einer sie treffenden Betriebsänderung konkret absehbar und der Umfang der daran knüpfenden wirtschaftlichen Nachteile prognostizierbar ist, ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Betriebsänderung beenden. 2. Erst mit dem Abschluss des Interessenausgleichs stand der Umfang der betriebsändernden Maßnahmen und der Zeitpunkt seiner Umsetzung - wenn überhaupt - hinreichend fest. Ab diesem Zeitpunkt stand im Ansatz fest, welche Mitarbeitergruppen zu welchem Zeitpunkt von der Standortverlagerung betroffen waren. 3. Für § 628 Abs. 2 BGB muss die Kündigung des Arbeitnehmers durch vertragswidriges schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers veranlasst worden sein. Die Kündigung muss also ihren Grund gerade in einem vertragswidrigen Verhalten des anderen Vertragsteils haben - so genanntes Auflösungsverschulden. Für dieses Verschulden genügt nicht jede geringfügige schuldhafte Vertragsverletzung. Vielmehr muss ihr das Gewicht eines wichtigen Grunds zukommen und zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigen. |
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Köln, 12 Ca 1595/14 | |
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10. Februar 2015 - 12 Ca 1595/14 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf Gleichbehandlung bei einer Sozialplanabfindung sowie auf Schadensersatz wegen Auflösungsverschuldens der Beklagten.
Der Anfang 1974 geborene Kläger war seit Juli 2003 bei der beklagten Fluggesellschaft als Systemadministrator mit Einsatzort K beschäftigt.
Seit 2012 trat die Beklagte in Überlegungen zur Verlegung ihres Standorts von nach M ein. In einer Mitteilung vom 15. April 2013 teilte sie mit, dass in den nächsten Wochen ein konkreter Umzugsfahrplan entwickelt werde. In einer weiteren Mitteilung von Mai 2013 teilte sie mit, dass sich im Zuge der Verlagerung des Standorts Rahmenbedingungen, Prozesse und nicht zuletzt die persönliche Lebenssituation der meisten Kollegen verändern würden.
Der Betriebsrat unterrichtete die Mitarbeiter am 11. Juni 2013, dass Gespräche zwischen den Betriebsparteien zum Austausch gegenseitiger Positionen wegen verschiedener Möglichkeiten hinsichtlich des Standortwechsels stattfänden.
Am 20. Juni 2013 kündigte der Kläger sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 31. Oktober 2013. Darin bat er die Beklagte, das Arbeitsverhältnis vorzeitig mit Wirkung zu Ende September 2013 aufzulösen, damit er die neue Stelle antreten könne. Er hoffe bei einem Sozialplan rückwirkend berücksichtigt zu werden. Die Beklagte erklärte sich mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, das eigentlich nur zum 31. Dezember 2013 beendet werden konnte, zum 31. Oktober 2013 in einem Schreiben vom 25. Juni 2013 einverstanden.
Am 29. Oktober 2013 schlossen die Betriebsparteien einen Interessenausgleich und Sozialplan (IASP). Dieser enthält auszugsweise folgende Regelungen:
„...
§ 1 Geltungsbereich
Dieser Interessenausgleich gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bodenpersonals (im folgenden: Mitarbeiter) die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Betriebsvereinbarung in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis bei der C beschäftigt, und von der Standortverlagerung gemäß § 2 betroffen sind.
...
§ 2 Standortverlagerung
(1) Die Hauptverwaltung sowie die administrativen Funktionen des Technikbetriebs am Standort K , mit Ausnahme von Arbeitsplätzen, die der „Businessunit Heavy Maintenance“ zugeordnet sind, werden nach M verlagert (im Folgenden: Standortverlagerung). Ob hierbei auch der Bereich Materialwirtschaft nach M verlegt wird, wird derzeit untersucht und gesondert mit dem Betriebsrat beraten und entschieden. In K nach der Unterzeichnung dieser Betriebsvereinbarung neu geschaffene Stellen für neue Aufgabenstellungen sind von der Standortverlagerung ebenfalls nicht betroffen.
(2) Der Umzug nach M wird fachabteilungsbezogen nach Maßgabe des in Anl. 1 beigefügten Umzugsplanes durchgeführt. Danach werden die personellen Maßnahmen unter Einhaltung der jeweiligen Kündigungsfristen mit Wirkung zum 15.9.2014 bzw. 30.9.2014 durchgeführt.
Für die betroffenen Mitarbeiter im I besteht die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis bereits ab dem 1.4.2014 nach M versetzt zu werden. Andernfalls verbleibt auch ihr Arbeitsplatz bis zum 14.9.2014 K .
...
§ 3 Maßnahmen zur Standortverlagerung
§ 3.1 Arbeitsplatzangebot
(1) C bietet jedem von der Standortverlagerung betroffenen Mitarbeiter an, sein Arbeitsverhältnis grundsätzlich zu den bestehenden Bedingungen, jedenfalls jedoch auf einem gleichwertigen Arbeitsplatz in M fortzusetzen.
(2) Betriebsbedingte Beendigungskündigungen aus Anlass der Standortverlagerung werden nicht ausgesprochen.
...
§ 3.4 Telearbeit
(1) Mitarbeiter, die nach M versetzt werden, können ihre Arbeitsleistung in Telearbeit erbringen, soweit die konkrete Arbeitsleistung der Telearbeit zugänglich ist.
...
§ 4 Prozess der Standortverlagerung
(1) Die Betriebspartner differenzieren innerhalb des Kreises der von der Standortverlagerung betroffenen Mitarbeiter zwischen folgenden
Mitarbeitergruppen:
...
II. Sozialplan
§ 6 Ziel des Sozialplanes
...
§ 7 Geltungsbereich
Der Sozialplan gilt für alle Mitarbeiter des Bodenpersonals die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieser Betriebsvereinbarung in einem unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis bei der C beschäftigt und die von der Standortverlagerung betroffen sind
...
§ 8 Maßnahmen zum Nachteilsausgleich
...
§ 8.4 Abfindungsleistungen
Für die durch die Standortverlagerung ausgelöste Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden differenzierte Abfindungen gezahlt.
...“
Die Abfindung des Klägers hätte nach dem Sozialplan unstreitig, wenn er auf diesen anwendbar wäre, 46.185,00 Euro betragen.
Der Kläger hat vorgetragen, er unterfalle zwar nicht dem Anwendungsbereich des Sozialplans. Er könne aber aus Gleichbehandlungsgründen den Abfindungsanspruch verlangen. Seine Eigenkündigung sei von der Standortverlagerung und damit von der Beklagten veranlasst worden. Darüber hinaus habe er einen Schadensersatzanspruch nach § 628 BGB.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 46.185,00 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2014 zu zahlen und über die erfolgte Zahlung eine Abrechnung zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, im Zeitpunkt der Kündigung des Klägers sei die Standortverlagerung noch nicht hinreichend konkret gewesen. Insbesondere die Unterscheidung verschiedener Mitarbeitergruppen bei der Beklagten, die unterschiedlich schnell nach München verändert werden sollten, habe sich erst aus dem Interessenausgleich ergeben. Die Parteien hätten keinen Aufhebungsvertrag geschlossen. Sie sei vielmehr damit einverstanden gewesen, die Kündigungsfrist verkürzt gegen sich gelten zu lassen. Sie habe kein Vertrauen beim Kläger auf eine Abfindungsregelung geweckt. Die Abfindungslösung sei lediglich eine Möglichkeit gewesen. Die Betriebspartner hätten zulässig den Zeitpunkt des Abschlusses des Interessenausgleichs und Sozialplans als Stichtag vereinbart. Sie hätten diejenigen Mitarbeiter ausgenommen, die vor dem Abschluss der Vereinbarung das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt hätten. Durch den Stichtag könnten die Betriebsparteien festlegen, ob eine Eigenkündigung durch die konkrete Betriebsänderung veranlasst sei oder nicht. Bis zu diesem Zeitpunkt sei die Maßnahme und der Ablauf nicht hinreichend konkret absehbar gewesen. Erst nach dem Abschluss des Interessenausgleichs sei sie in der Lage gewesen, den Umsetzungsprozess durchzuführen. Der Kläger verhalte sich widersprüchlich, wenn er in seiner Kündigung eine rückwirkende Anwendung des Sozialplans auf ihn erhoffe, den Abfindungsanspruch jetzt aber gerichtlich geltend machen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Kündigung sei nicht von der Beklagten veranlasst, die Gruppenbildung der Betriebsparteien zulässig. Einen Anspruch auf Schadensersatz habe der Kläger nicht, die Beklagte treffe kein Auflösungsverschulden.
Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze wie auch auf das arbeitsgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Das Urteil vom 10. Februar 2015 ist dem Kläger am 9. März 2015 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich die am 27. März 2015 eingelegte und am 10. Juni 2015 nach entsprechender Verlängerung begründete Berufung des Klägers.
Der Kläger trägt vor, entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts habe das Arbeitsverhältnis erst am 31. Oktober 2013 geendet. Die Kündigung sei arbeitgeberseitig veranlasst gewesen. Da Anfang 2013 die Standortverlagerung sicher festgestanden habe, sei die Kündigung durch die Beklagte veranlasst. Das Arbeitsgericht sei fehlerhaft von einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen. Es sei unter Abkürzung der tarifvertraglichen Kündigungsfrist einvernehmlich zum 31. Oktober 2013 beendet worden. Dieses Verhalten der Beklagten zeige, dass sie sich bereits im Zeitpunkt der Kündigung des Klägers entsprechend einer späteren Regelung im Sozialplan verhalten habe. Die Eigenkündigung des Klägers und sein vorzeitiges Ausscheiden sei von der Beklagten motiviert und getragen worden. Ein Verschulden der Beklagten im Sinne von § 628 BGB ergebe sich daraus, dass ihm von der Beklagten dargelegt worden sei, sich so früh wie möglich nach einer anderweitigen Anstellung umzusehen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10. Februar 2015 - 12 Ca 159514- abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 46.185,00 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2014 zu zahlen und über die erfolgte Zahlung eine Abrechnung zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt. Die Betriebspartner dürften zulässig davon ausgehen, dass Arbeitnehmer, die vor Abschluss des Sozialplans kündigten, bereits eine neue Anschlussbeschäftigung gefunden hätten. Der Stichtag sei auch wegen der Rechtssicherheit geboten. Gerade in Restrukturierungssituationen, die sich über Jahre hinzögen, sei es nicht möglich, die einzelnen Personalmaßnahmen voneinander abzugrenzen. Es sei schon unklar, auf welchen Lebenssachverhalt der Kläger seinen Schadensersatzanspruch stütze.
Für den weiteren Vortrag wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet, § 66 Abs. 1 Satz 1, 2, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 519, § 520 Abs. 1, Abs. 3 ZPO. Die Berufungsbegründungsfrist wurde nach entsprechender Verlängerung am 10. Juni 2015 gewahrt. Die ursprünglich am 9. Mai 2015 ablaufende Frist endete wegen des Wochenendes erst am Montag, 11. Mai 2015, § 224 Abs. 3 ZPO. Die verlängerte Frist währte daher bis zum 11. Juni 2015. Das Fallenlassen einer Anspruchsbegründung für den Nachteilsausgleichsanspruch steht der Zulässigkeit der Berufung nicht entgegen. Insoweit handelt es sich um eine eigenständige Anspruchsgrundlage und nicht um eine Mehrfachbegründung im arbeitsgerichtlichen Urteil.
B. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist mit Haupt- und Hilfsbegründung unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Sozialplanabfindung oder auf Schadensersatz.
I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Abfindung aus § 8.4 IASP iVm. § 75 Abs. 1 BetrVG - betriebsverfassungsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Interessenausgleich und Sozialplan nimmt zulässig Arbeitnehmer vom Anwendungsbereich aus, die zum Zeitpunkt des Abschlusses am 29. Oktober 2013 nicht in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis standen. Die Stichtagsregelung § 7 IASP ist wirksam.
1. Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (BAG 1. Februar 2011 - 1 AZR 417/09 - Rn. 17).
2. Vorliegend haben die Betriebsparteien eine Gruppenbildung vorgenommen, indem sie den Anspruch auf eine Sozialplanabfindung ua. nur für solche von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer vorgesehen haben, die ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer nach dem 29. Oktober 2013 ausgesprochenen Eigenkündigung beendet haben. Damit haben sie diejenigen Mitarbeiter ausgenommen, die vor dem Abschluss der Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen ihr Arbeitsverhältnis selbst gekündigt haben. Diese Gruppenbildung ist sachlich gerechtfertigt.
a) Sie ist am Zweck des Sozialplans ausgerichtet, der keine Entschädigung für geleistete Dienste gewähren, sondern konkret absehbare oder eingetretene betriebsänderungsbedingte Nachteile ausgleichen soll. Die Betriebsparteien können zur Herstellung von Rechtssicherheit ein Verfahren oder einen Stichtag bestimmen und auf diese Weise festlegen, ob eine Eigenkündigung durch die konkrete Betriebsänderung veranlasst wurde oder nicht. Dazu kann die Ausgleichspflicht an einen Zeitpunkt anknüpfen, in dem die Art und Weise der durchzuführenden Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer feststeht. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise dürfen die Betriebsparteien in einem solchen Fall davon ausgehen, dass Arbeitnehmer, die auf eigene Veranlassung ihr Arbeitsverhältnis beenden, bevor das Ausmaß einer sie treffenden Betriebsänderung konkret absehbar und der Umfang der daran knüpfenden wirtschaftlichen Nachteile prognostizierbar ist, ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Betriebsänderung beenden (BAG 12. April 2011 - 1 AZR 505/09 - Rn. 17).
b) Der in § 7 IASP bestimmte Stichtag ist danach nicht zu beanstanden. Vor dem 29. Oktober 2013 stand für die betroffenen Arbeitnehmer der Zeitpunkt und der Umfang der betriebsändernden Maßnahmen noch nicht hinreichend fest. Erst nach der Unterzeichnung des IASP konnte die Beklagte betriebsbedingte Kündigungen aussprechen und den geplanten Standortwechsel umsetzen. Ob der Wechsel zu diesem Zeitpunkt bereits hinreichend klar feststand, kann dahinstehen. Denn jedenfalls vor diesem Stichtag ausgesprochene Eigenkündigungen durften zulässig vom Sozialplan ausgenommen werden.
aa) Die Beklagte war bis zum Abschluss eines Interessenausgleichs betriebsverfassungsrechtlich nicht berechtigt, die geplanten betriebsändernden Maßnahmen umzusetzen. Aus diesem Grund waren die bereits im Frühjahr 2013 verlautbarten Ankündigungen der Beklagten nicht geeignet, die vor dem Stichtag ausgesprochenen Eigenkündigungen als durch die Betriebsänderung iSd. IASP veranlasst anzusehen.
bb) Erst mit dem Abschluss des Interessenausgleichs stand der Umfang der betriebsändernden Maßnahmen und der Zeitpunkt seiner Umsetzung- wenn überhaupt - hinreichend fest. Ab diesem Zeitpunkt stand im Ansatz fest, welche Mitarbeitergruppen zu welchem Zeitpunkt von der Standortverlagerung betroffen waren. Schließlich eröffnete auch erst der Interessenausgleich die Möglichkeit der Telearbeit, § 3.4 IASP. Außerdem enthielt § 3.2 Regelungen über Kündigungsfristen. Hinzu tritt die Möglichkeit von unbezahltem Sonderurlaub, § 3.6, und eines vorzeitigen Renteneintritts, § 3.7 IASP. § 4 regelt dann detailliert und dezidiert den Prozess der Standortverlagerung und unterscheidet ausdrücklich zwischen diversen Mitarbeitergruppen. Mit seinem Abschluss standen damit Zeitpunkt und Umfang der betriebsändernden Maßnahme fest.
cc) Die Betriebsparteien mussten auch nicht solche Arbeitsverhältnisse in den Anwendungsbereich führen, die aufgrund einer früheren Eigenkündigung erst nach dem Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans endeten. Auch insoweit durften sie davon ausgehen, dass die Eigenkündigung des Arbeitnehmers nicht ausreichend von der geplanten Standortverlagerung erfasst war. Das gilt insbesondere auch dann, wenn sich die Beklagte mit einer verkürzten Kündigungsfrist einverstanden erklärt, die der Kündigungsfrist im späteren Interessenausgleich entspricht. Es ist kein ausreichender Zusammenhang zwischen der Eigenkündigung und dem Anwendungsbereich des IASP ersichtlich.
dd) Auch für den Kläger erkennbar befand sich die Beklagte im Zeitpunkt ihrer Mitteilungen Anfang 2013 noch nicht in der Lage, personelle Einzelmaßnahmen durchzuführen. In ihren Mitteilungen spricht sie stets vom geplanten Umzug. Darüber hinaus ist die Rede von einem Projektplan, der entwickelt würde. Insbesondere in der Mitteilung vom Mai 2013 war für den Kläger klar, dass die Beklagte sich in Gesprächen mit den Mitbestimmungsgremien zu den Bedingungen des Standortwechsels befand. Erfahrungsgemäß könnten sich solche Verhandlungen über einige Monate hinziehen. Jedenfalls die Information des Betriebsrats vom 11. Juni 2013 machte deutlich, dass in den Verhandlungen Zeitpunkt und Umfang der betriebsändernden Maßnahme noch nicht hinreichend feststanden. Ob der Kläger darüber hinaus ausreichend von der Beklagten zur Kündigung veranlasst worden ist, ist für den typisierend anknüpfenden Gleichbehandlungsanspruch unerheblich. Er ist jedenfalls nicht als ausreichend iSd. Sozialplans und iSd. Beurteilungsspielraums der Betriebsparteien von der Beklagten veranlasst anzusehen.
II. Der Kläger hat ebenso wenig einen Anspruch gegen die Beklagte aus § 628 Abs. 2 BGB.
1. Wie das Arbeitsgericht zu Recht ausführt, muss die Kündigung des Arbeitnehmers durch vertragswidriges schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers veranlasst worden sein. Die Kündigung muss also ihren Grund gerade in einem vertragswidrigen Verhalten des anderen Vertragsteils haben - so genanntes Auflösungsverschulden. Für dieses Verschulden genügt nicht jede geringfügige schuldhafte Vertragsverletzung. Vielmehr muss ihr das Gewicht eines wichtigen Grunds zukommen und zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigen (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 808/07 - Rn. 32).
2. Der Kläger macht allein geltend, die Beklagte habe die Kündigung veranlasst. Er macht nicht geltend, aufgrund der Erklärungen der Beklagten zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigt gewesen zu sein. Der Hinweis der Beklagten, sich so früh wie möglich nach einer anderweitigen Einstellung umzusehen, hätte ihn zudem nicht zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt. Das macht der Kläger auch nicht geltend. Er macht vielmehr geltend, er habe im Vertrauen auf die Äußerungen der Beklagten, er komme möglicherweise rückwirkend in den Genuss einer Sozialplanabfindung, seine Kündigung ausgesprochen. Dies rechtfertigt allerdings allenfalls einen Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Unterrichtung oder wegen fehlerhafter Hinweise, § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB. Diesen macht der Kläger allerdings nicht geltend.
III. Da der Kläger keinen Zahlungsanspruch hat, kann er auch keine Abrechnung hierüber verlangen, § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO. Es kann damit dahinstehen, ob dieser Antrag überhaupt unabhängig vom Zahlungsantrag gestellt war.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
D. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 ArbGG. Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage ist bereits durch das Bundesarbeitsgericht ausreichend geklärt.
E. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird hingewiesen, § 72a Abs. 1 ArbGG.
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