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So­zi­al­plan und Stich­tags­re­ge­lung

Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat kön­nen fest­le­gen, dass ei­ne Ei­gen­kün­di­gung erst ab ei­nem be­stimm­ten Stich­tag Ab­fin­dungs­an­sprü­che nach ei­nem So­zi­al­plan aus­löst: Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln, Ur­teil vom 17.11.2015, 12 Sa 711/15
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08.06.2016. Kur­sie­ren im Be­trieb Ge­rüch­te über ei­ne be­vor­ste­hen­de Be­trieb­s­än­de­rung wie z.B. ei­ne Be­triebs­still­le­gung oder ei­ne Be­triebs­ver­le­gung, wer­den sich vie­le Ar­beit­neh­mer früh­zei­tig nach ei­nem an­de­ren Job um­se­hen.

Wer in ei­ner sol­chen Si­tua­ti­on ei­ne Ei­gen­kün­di­gung aus­spricht, be­vor In­ter­es­sen­aus­gleich und So­zi­al­plan ver­bind­lich fest­ste­hen, ris­kiert, auf­grund des frü­hen Zeit­punkts der Kün­di­gung nicht un­ter den So­zi­al­plan zu fal­len.

Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat kön­nen näm­lich fest­le­gen, dass Ei­gen­kün­di­gun­gen nur dann Ab­fin­dungs­an­sprü­che ge­mäß So­zi­al­plan aus­lö­sen, wenn sie nach ei­nem be­stimm­ten Stich­tag aus­ge­spro­chen wer­den: Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln, Ur­teil vom 17.11.2015, 12 Sa 711/15.

Wann sind Ei­genkündi­gun­gen durch ei­ne be­vor­ste­hen­de Be­triebsände­rung ver­an­lasst?

Spricht der Ar­beit­ge­ber be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen aus, nach­dem er sich mit dem Be­triebs­rat we­gen ei­ner Be­triebsände­rung auf ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich und So­zi­al­plan ge­ei­nigt hat, be­steht nor­ma­ler­wei­se kein Streit darüber, dass die gekündig­ten Ar­beit­neh­mer Ab­fin­dun­gen nach dem So­zi­al­plan be­an­spru­chen können. Denn wel­che Ar­beit­neh­mer­grup­pen gekündigt wer­den sol­len und wann, ist im In­ter­es­sen­aus­gleich und/oder So­zi­al­plan klar fest­ge­legt.

An­ders ist es aber, wenn ein Ar­beit­neh­mer von sich aus ei­ne Kündi­gung aus­spricht, um auf­grund der oh­ne­hin be­vor­ste­hen­den Ent­las­sungs­wel­le den Zeit­punkt sei­nes Aus­schei­dens selbst be­stim­men zu können. Dann wird er Ab­fin­dun­gen nach dem So­zi­al­plan für sich be­an­spru­chen, da sei­ne Ei­genkündi­gung doch be­trieb­lich ver­an­lasst war, während ein sol­cher An­spruch auf­grund ei­ner Stich­tags­re­ge­lung im So­zi­al­plan aus­ge­schlos­sen sein kann.

Sieht der So­zi­al­plan z.B. vor, dass Ei­genkündi­gun­gen nur dann als be­trieb­lich ver­an­lasst an­zu­se­hen sind und da­her Ab­fin­dungs­ansprüche nach sich zie­hen, wenn sie nach dem Da­tum der ver­bind­li­chen Ver­ein­ba­rung des So­zi­al­plans aus­ge­spro­chen wur­den, ge­hen Ar­beit­neh­mer leer aus, wenn sie vor die­sem Stich­tag gekündigt ha­ben.

Dann fragt sich, ob ei­ne sol­che Stich­tags­re­ge­lung rechts­ver­bind­lich ist oder mögli­cher­wei­se ge­gen den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz verstößt.

Im Streit: Ar­beit­neh­mer spricht vor dem Hin­ter­grund ei­ner be­vor­ste­hen­den Be­triebs­ver­le­gung ei­ne Ei­genkündi­gung aus, al­ler­dings noch vor Ab­schluss des In­ter­es­sen­aus­gleichs und So­zi­al­plans

Im Streit­fall gab es bei ei­ner Flug­ge­sell­schaft seit An­fang 2013 In­for­ma­tio­nen über ei­ne ar­beit­ge­ber­sei­tig ge­plan­te Ver­la­ge­rung der IT-Ab­tei­lung von Köln nach München. Ein knapp zehn Jah­re beschäftig­ter IT-Ad­mi­nis­tra­tor such­te sich ei­ne an­de­re Stel­le und kündig­te im Ju­ni 2013 zum 31.10.2013, ob­wohl die von ihm zu be­ach­ten­de Kündi­gungs­frist erst am Jah­res­en­de ab­ge­lau­fen wäre. Da­bei hoff­te er, bei ei­nem So­zi­al­plan rück­wir­kend berück­sich­tigt zu wer­den. Die Flug­ge­sell­schaft ak­zep­tier­te die vor­fris­ti­ge Kündi­gung mit Wir­kung zum 31.10.2013.

Ei­ni­ge Mo­na­te nach Aus­spruch der Kündi­gung, am 29.10.2013, ver­ein­bar­ten Flug­ge­sell­schaft und Be­triebs­rat ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich und So­zi­al­plan mit Ab­fin­dungs­re­ge­lun­gen. Ar­beit­neh­mer, die am Stich­tag des 29.10.2013 be­reits im gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis stan­den, fie­len nicht un­ter die­se Re­ge­lun­gen.

Der IT-Ad­mi­nis­tra­tor ärger­te sich und klag­te die Ab­fin­dung ein, die ihm gemäß So­zi­al­plan zu­ste­hen würde, im­mer­hin 46.185,00 EUR brut­to. Das Ar­beits­ge­richt Köln wies die Kla­ge ab, weil es die Stich­tags­re­ge­lung für rech­tens hielt (Ur­teil vom 10.02.2015, 12 Ca 1595/14 ).

LAG Köln: So­zi­alpläne können Ar­beit­neh­mer von Ab­fin­dun­gen aus­sch­ließen, die be­reits vor der Un­ter­zeich­nung des In­ter­es­sen­aus­gleichs und So­zi­al­plans selbst gekündigt ha­ben

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Köln hielt die Stich­tags­re­ge­lung eben­falls für wirk­sam und wies da­her die Be­ru­fung des IT-Ad­mi­nis­tra­tors zurück.

Denn die von der Flug­ge­sell­schaft be­reits im Frühjahr 2013 vor­ab be­kannt ge­mach­ten Um­zugs­pläne wa­ren zum da­ma­li­gen Zeit­punkt noch in der Schwe­be bzw. nicht ver­bind­lich, was die Flug­ge­sell­schaft auch deut­lich ge­macht hat­te, so die Kölner Rich­ter. Et­was an­de­res hätte man der Be­leg­schaft auch gar nicht ankündi­gen können, da ja der Be­triebs­rat hier ein Wört­chen mit­zu­re­den hat. Oh­ne den ernst­haf­ten Ver­such ei­nes In­ter­es­sen­aus­gleichs wäre die Um­set­zung ei­ner sol­chen ge­plan­ten Be­triebsände­rung zum da­ma­li­gen Zeit­punkt rechts­wid­rig ge­we­sen.

Die Stich­tags­re­ge­lung war nach An­sicht des LAG Köln sach­lich ge­recht­fer­tigt, da man ja die an­spruchs­be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mer im In­ter­es­sen­aus­gleich und/oder im So­zi­al­plan mit ei­ner ein­deu­ti­gen und leicht an­zu­wen­den Re­ge­lung ab­gren­zen muss. Dem dien­te hier die strei­ti­ge Stich­tags­re­ge­lung, die das LAG un­ter Ver­weis auf die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts als rech­tens an­sah.

Be­triebs­rat und Ar­beit­ge­ber wa­ren auch nicht (et­wa auf­grund des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes) da­zu ver­pflich­tet, die vor dem Stich­tag aus­ge­spro­che­nen Ei­genkündi­gun­gen mit ei­ner Rück­wir­kungs­re­gel in den So­zi­al­plan ein­zu­be­zie­hen, so die Kölner Rich­ter.

Fa­zit: Wer selbst kündigt, um ei­ner be­vor­ste­hen­den Kündi­gungs­wel­le zu­vor­zu­kom­men, ris­kiert Ab­fin­dungs­ansprüche auf der Grund­la­ge ei­nes später ver­ein­bar­ten So­zi­al­plans. Zwar se­hen So­zi­alpläne oft Rück­wir­kungs­re­ge­lun­gen vor, doch muss das nicht so sein. Vor al­lem langjährig beschäftig­te Ar­beit­neh­mer soll­ten sich ei­ne Ei­genkündi­gung im Vor­feld ei­ner Be­triebsände­rung da­her gut über­le­gen und im Zwei­fel pro­fes­sio­nel­len Rechts­rat ein­ho­len.

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Letzte Überarbeitung: 2. November 2020

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