HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 11/029

Kon­trol­le ei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­set­zungs­klau­sel

Bun­des­ar­beits­ge­richt rügt ober­fläch­li­che AGB-Prü­fung ei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­set­zungs­klau­sel durch das Säch­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 25.08.2010, 10 AZR 275/09
Geschäftsführer hinter Schreibtisch mit Bauarbeitern Wann sind Ver­set­zun­gen rech­tens und wann nicht?
10.02.2011. Ar­beit­ge­ber ha­ben grund­sätz­lich das Recht, ih­re Ar­beit­neh­mer ent­spre­chend den wech­seln­den be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­sen ein­zu­set­zen. Die­ses so ge­nann­te Wei­sungs­recht bzw. Di­rek­ti­ons­recht ist in § 106 Ge­wer­be­ord­nung (Ge­wO) ge­re­gelt. Da­nach kann der Ar­beit­ge­ber In­halt, Ort und Zeit der Ar­beits­leis­tung nach bil­li­gem Er­mes­sen nä­her be­stim­men, so­weit die­se Ar­beits­be­din­gun­gen nicht durch den Ar­beits­ver­trag, Be­stim­mun­gen ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung, ei­nes an­wend­ba­ren Ta­rif­ver­tra­ges oder ge­setz­li­che Vor­schrif­ten fest­ge­legt sind.

Das an sich sehr wei­te Wei­sungs­recht kann al­so ins­be­son­de­re durch Ar­beits­ver­trä­ge ein­ge­schränkt wer­den. Ar­beits­ver­trä­ge wer­den in al­ler Re­gel vom Ar­beit­ge­ber vor­for­mu­liert, oh­ne dass der Ar­beit­neh­mer auf ih­ren In­halt in nen­nens­wer­ter Wei­se Ein­fluss neh­men kann. In die­sem Fall wer­den die stren­gen Vor­schrif­ten über die in­halt­li­che Prü­fung All­ge­mei­ner Ge­schäfts­be­din­gun­gen (AGB) ent­we­der in­di­rekt per § 310 Abs.3 Nr.2 Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) oder di­rekt per § 305 Abs.1 Satz 1 BGB an­ge­wen­det.

Die­se Re­geln se­hen un­ter an­de­rem vor, dass ei­ne ver­trag­li­che Re­ge­lung ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des Ar­beit­neh­mers sein kann, wenn sie "mit we­sent­li­chen Grund­ge­dan­ken der ge­setz­li­chen Re­ge­lung, von der ab­ge­wi­chen wird, nicht zu ver­ein­ba­ren ist" (§§ 307 Abs.1 Satz 1, Abs.2 Nr.1 BGB). Die­se so ge­nann­te "An­ge­mes­sen­heits­kon­trol­le" kann bei­spiels­wei­se zur Un­wirk­sam­keit ei­ner Klau­sel füh­ren, mit der der Ar­beit­ge­ber ver­sucht, sein wirt­schaft­li­ches Ri­si­ko auf den Ar­beit­neh­mer ab­zu­wäl­zen.

Ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung kann sich al­ler­dings auch völ­lig oh­ne Ab­wei­chung vom Ge­setz dar­aus er­ge­ben, dass die frag­li­che Be­stim­mung nicht klar und ver­ständ­lich ist (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dann führt auch die­se so ge­nann­te "Trans­pa­renz­kon­trol­le" zur Un­wirk­sam­keit der Re­ge­lung.

In bei­den Fäl­len wird statt der un­wirk­sa­men Ver­trags­klau­sel das Ge­setz an­ge­wen­det.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat in ei­ner En­de Au­gust 2010 er­gan­ge­nen Ent­schei­dung die­se und wei­te­re Grund­sät­ze der Prü­fung von Ver­trags­klau­seln an­hand von AGB-Recht auf le­sens­wer­te Art und Wei­se dar­ge­stellt (BAG, Ur­teil vom 25.08.2010, 10 AZR 275/09). Die Par­tei­en strit­ten in dem zu Grun­de lie­gen­den Fall un­ter an­de­rem über die Wirk­sam­keit ei­ner Ver­set­zung. Im Ar­beits­ver­trag des Klä­gers war hier­zu le­dig­lich ge­re­gelt, dass er "zum Be­reichs­lei­ter ... der Zweig­nie­der­las­sung Leip­zig er­nannt" wor­den ist. Au­ßer­dem hat­te der be­klag­te Ar­beit­ge­ber sich vor­be­hal­ten, den Klä­ger "an­der­wei­tig ein­zu­set­zen und zu ver­set­zen."

Das in der Vor­in­stanz zu­stän­di­ge Säch­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) mein­te, mit die­ser Klau­sel hät­ten die Par­tei­en so­wohl den Ort als auch den In­halt der Ar­beits­leis­tung fest­ge­legt (Säch­si­sches LAG, Ur­teil vom 26.01.2009, 3 Sa 483/08). Da­mit hat­te es sich das LAG aber aus Sicht des BAG zu ein­fach ge­macht. Aus sei­ner Sicht ist der Wort­laut al­les an­de­re als ein­deu­tig.

Un­ter ei­ner "Er­nen­nung" kön­ne näm­lich auch die ein­sei­ti­ge Zu­wei­sung ei­ner Po­si­ti­on ver­stan­den wer­den. Au­ßer­dem hat­te das LAG sich nicht da­mit be­schäf­tigt, wel­che mög­li­chen Re­ge­lungs­zwe­cke und er­kenn­ba­re In­ter­es­sen­la­gen die Par­tei­en beim Ver­trags­schluss ver­folgt ha­ben könn­ten. Da All­ge­mei­ne Ge­schäfts­be­din­gun­gen in ers­ter Li­nie durch die Tat­sa­chen­in­stan­zen (al­so durch Ar­beits­ge­rich­te und Lan­des­ar­beits­ge­rich­te) in­ter­pre­tiert wer­den sol­len, und das Bun­des­ar­beits­ge­richt nur Rechts­fra­gen klärt, konn­te es die Klau­sel selbst nicht wei­ter prü­fen. Es ver­wies den Rechts­streit da­her zur er­neu­ten Ver­hand­lung an das LAG zu­rück.

Fa­zit: Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat sich in sei­ner Ent­schei­dung vor­nehm zu­rück­ge­hal­ten und dem Lan­des­ar­beits­ge­richt le­dig­lich ei­ni­ge Denk­an­stö­ße ge­ge­ben. Es ist da­mit wei­ter of­fen, ob die Klau­sel das Wei­sungs­recht nun in­halt­lich und ört­lich ein­schränkt und da­mit zu­gleich, ob der Ar­beit­ge­ber sei­ne Ar­beit­neh­mer ver­set­zen durf­te. In­halt­lich bie­tet die Ent­schei­dung we­nig Neu­es. Sie ist trotz­dem be­ach­tens­wert, denn in ihr fasst das BAG kurz und bün­dig die we­sent­li­chen As­pek­te der Prü­fung von All­ge­mei­nen Ge­schäfts­be­din­gun­gen zu­sam­men.

Nä­he­re In­for­ma­tio­nen fin­den sie hier:

Letzte Überarbeitung: 20. September 2017

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de