HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Köln, Ur­teil vom 30.04.2007, 9 Sa 1099/06

   
Schlagworte: Versetzungsklausel, AGB, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Direktionsrecht, Weisungsrecht
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Aktenzeichen: 9 Sa 1099/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 30.04.2007
   
Leitsätze:

1. Eine vorformulierte Vertragsklausel, wonach die Arbeitgeberin berechtigt ist, einer Filialleiterin eine andere Tätigkeit im Betrieb zuzuweisen, die ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entspricht, ist unwirksam, wenn sie keine Einschränkung dahin enthält, dass es sich um eine gleichwertige Tätigkeit handeln muss. Sie benachteiligt die Arbeitnehmerin unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

2. Zur wirksamen Ausübung des gesetzlichen Versetzungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO gehört es, dass hinreichend bestimmt ist, welche Aufgaben die Arbeitnehmerin künftig wahrnehmen soll.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Köln
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln, 9 Sa 1099/06

 

Te­nor:

1. Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Köln vom 7. Ju­ni 2006 – 7 Ca 1042/06 – wie folgt ab­geändert:

Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, die Kläge­rin wei­ter­hin als Fi­li­al­lei­te­rin der Fi­lia­le Fre­chen zu beschäfti­gen.

2. Die Kos­ten des Rechts­streits trägt die Be­klag­te.

3. Die Re­vi­si­on ge­gen die­ses Ur­teil wird nicht zu­ge­las­sen.

 

 

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob die Be­klag­te die Kläge­rin ver­set­zen durf­te. 

Die Kläge­rin ist bei der Be­klag­ten seit dem 1. Ju­li 1991 beschäftigt. 

Mit schrift­li­chen, von der Be­klag­ten vor­for­mu­lier­ten Ar­beits­ver­trag vom 9. Ju­ni 1992 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en, dass die Kläge­rin ab dem 1. Ju­ni 1992 als Nie­der­las­sungs­lei­te­rin für die Nie­der­las­sung K -M ein­ge­stellt war. Zu­gleich ver­ein­bar­ten sie, dass die Be­klag­te sich vor­be­hielt, die­ses Auf­ga­ben­ge­biet zu ergänzen und der Kläge­rin ei­ne an­de­re Tätig­keit im Be­trieb

- 2 -

zu­zu­wei­sen, die ih­ren Kennt­nis­sen und Fähig­kei­ten ent­sprach. Seit der Sch­ließung der Fi­lia­le M ist die Kläge­rin als Fi­li­al­lei­te­rin in der Fi­lia­le F tätig.

Die von der Kläge­rin als Fi­li­al­lei­te­rin zu ver­rich­ten­den Tätig­kei­ten sind in ei­ner Stel­len­be­schrei­bung vom 2. De­zem­ber 1998 be­zeich­net, die von der Be­klag­ten anläss­lich ei­ner ge­plan­ten DIN-ISO-Zer­ti­fi­zie­rung als Be­stand­teil ei­nes Ma­nage­ment-Hand­buchs er­stellt wor­den ist. Ih­re Auf­ga­be be­steht u. a. dar­in, Auf­träge an­zu­neh­men, Wa­ren zu be­stel­len, das La­ger zu ver­wal­ten, die Mit­ar­bei­ter ein­zu­tei­len, Rech­nun­gen zu er­stel­len, die Kas­se zu führen und ab­zu­rech­nen.

Die Kläge­rin erhält ne­ben ih­rem Ge­halt auch ei­ne Um­satz­pro­vi­si­on, wo­bei ab 1. Ju­li 2000 bei mo­nat­li­chen Umsätzen der Nie­der­las­sung bis DM 149.999,99 ein Pro­vi­si­ons­satz von 0,50 %, bei mo­nat­li­chen Umsätzen ab DM 150.000,00 bis DM 179.999,99 ein Pro­vi­si­ons­satz von 1,00 % und bei mo­nat­li­chen Umsätzen ab DM 180.000,00 ein Pro­vi­si­ons­satz von 1,10 % gilt.

Die Kläge­rin ist seit Sep­tem­ber 2005 durch­ge­hend ar­beits­unfähig er­krankt. Sie wird nach ei­ge­nen An­ga­ben ab En­de Ja­nu­ar 2007 an ei­ner 5- bis 6-wöchi­gen Re­ha­bi­li­ta­ti­ons­maßnah­me teil­neh­men.

Als tech­ni­scher Be­triebs­lei­ter ist der Ehe­mann der Kläge­rin in der Fi­lia­le F tätig. Dort sind ins­ge­samt 7 Ar­beit­neh­mer tätig. Da­ne­ben be­treibt die Be­klag­te Fi­lia­len in B mit ins­ge­samt 6 Ar­beit­neh­mern und in L mit ins­ge­samt 2 Ar­beit­neh­mern. Auch un­terhält sie an ih­rem Haupt­sitz in K -P ne­ben der Ver­wal­tung und dem Ein­kauf ei­nen Re­pa­ra­tur­be­trieb, in dem – wie in den Fi­lia­len – Au­to­schei­ben ver­kauft und ein­ge­baut bzw. re­pa­riert wer­den.

Mit Schrei­ben vom 12. Ok­to­ber 2005 teil­te die Be­klag­te der Kläge­rin mit, da über ei­nen länge­ren Zeit­raum die Umsätze in der Fi­lia­le F rückläufig sei­en, ha­be sie sich ent­schlos­sen, die dor­ti­gen Ar­beits­abläufe und Ver­ant­wort­lich­kei­ten zu über­prüfen und ggf. struk­tu­rell zu verändern. Nach­dem sie die Kläge­rin und ih­ren Ehe­mann am 13. Sep­tem­ber 2005 über die Pla­nun­gen un­ter­rich­tet ha­be, hätten bei­de sich ar­beits­unfähig ge­mel­det. Sie ha­be ent­schie­den, die Kläge­rin zunächst vorüber­ge­hend in den Re­pa­ra­tur­be­trieb in K -P zu ver­set­zen, wo sie die­sel­be Tätig­keit wie in der Fi­lia­le F zu ver­rich­ten ha­be. Der Ehe­mann der Kläge­rin sol­le künf­tig nicht mehr als tech­ni­scher Be­triebs­lei­ter der Fi­lia­le F im Mon­ta­ge­be­reich mit­ar­bei­ten, son­dern von F aus al­le Fi­lia­len auf­su­chen und über­wa­chen.

Mit der am 6. Fe­bru­ar 2006 beim Ar­beits­ge­richt Köln ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge wen­det sich die Kläge­rin ge­gen die Ver­set­zung und ver­langt von der Be­klag­ten, sie wei­ter­hin als Fi­li­al­lei­te­rin in der Nie­der­las­sung F zu beschäfti­gen.

We­gen des Sach- und Streit­stan­des ers­ter In­stanz, den erst­in­stanz­lich zur Ent­schei­dung ge­stell­ten Sach­anträgen und we­gen der Gründe, die die 7. Kam­mer des Ar­beits­ge­richts Köln da­zu be­wo­gen ha­ben, die Kla­ge ab­zu­wei­sen, wird auf Tat­be­stand und Ent­schei­dungs­gründe des an­ge­grif­fe­nen Ur­teils vom 7. Ju­ni 2006 Be­zug ge­nom­men.

Das Ur­teil ist der Kläge­rin am 31. Au­gust 2006 zu­ge­stellt wor­den. Sie hat hier­ge­gen am 2. Ok­to­ber 2006 (Mon­tag) Be­ru­fung ein­le­gen und die­se am 24. Ok­to­ber 2006 be­gründen las­sen.

Die Kläge­rin ist der An­sicht, nach dem Ar­beits­ver­trag und der Stel­len­be­schrei­bung sei die Be­klag­te nicht be­rech­tigt, sie ge­gen ih­ren Wil­len in den Re­pa­ra­tur­be­trieb in K -P zu ver­set­zen. Die Be­klag­te sei nach dem Ar­beits­ver­trag nur be­rech­tigt, ihr ei­ne an­de­re Tätig­keit in­ner­halb der Fi­lia­le F zu­zu­wei­sen, nicht aber den Ar­beits­ort zu verändern. Oh­ne­hin könne sie in K -P nicht als Fi­li­al­lei­te­rin mit Wei­sungs­be­fug­nis ge­genüber den Mit­ar­bei­tern ar­bei­ten, da die Kom­pe­tenz dort dem je­wei­li­gen Geschäftsführer zu­ste­he. In ei­ner un­ter­ge­ord­ne­ten Stel­lung könne sie aber nicht die Um­satz­pro­vi­si­on er­zie­len, die sie als Fi­li­al­lei­te­rin in F ver­dient ha­be. Die Ver­set­zung sei zu­dem un­bil­lig. Sie könne nicht mit be­trieb­li­chen Gründen ge­recht­fer­tigt wer­den. Sie ha­be er­folg­reich die Fi­lia­le in F geführt. Ei­ne Um­struk­tu­rie­rung sei nicht er­folgt. Viel­mehr wer­de die Fi­li­al­lei­tung mit un­veränder­tem Auf­ga­ben­ge­biet im Wech­sel von meh­re­ren Mit­ar­bei­tern aus der Ver­wal­tung der Be­klag­ten in K -P wahr­ge­nom­men. Ge­genüber ei­nem Kun­den sei sei­tens der Be­klag­ten erklärt wor­den, sie und ihr Ehe­mann sei­en zu krank und zu alt. Die In­ter­es­sen der

- 3 -

Kläge­rin ha­be die Be­klag­te bei der Ver­set­zungs­ent­schei­dung nicht berück­sich­tigt. Bei ei­ner Ver­set­zung nach K -P ha­be sie ei­nen länge­ren An­fahrts­weg. Sie könne auch nicht mehr wie bis­her ge­mein­sam mit ih­rem Ehe­mann ein Kraft­fahr­zeug für die Fahrt zum Be­trieb und zurück be­nut­zen. Da­durch ergäben sich er­heb­li­che Mehr­kos­ten. Auch könne sie nicht mehr ih­ren Hund mit zur Ar­beit neh­men, was die Be­klag­te in der Fi­lia­le F seit lan­gem ge­stat­tet ha­be.

Die Kläge­rin be­an­tragt, 

un­ter Abände­rung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Köln vom 7. Ju­ni 2006 – 7 Ca 1042/06 – die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, sie wei­ter­hin als Fi­li­al­lei­te­rin der Fi­lia­le Fre­chen zu beschäfti­gen.

Die Be­klag­te be­an­tragt, 

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen. 

Sie hält die ar­beits­ver­trag­li­che Ver­set­zungs­klau­sel für wirk­sam. Die Stel­len­be­schrei­bung sei nicht Be­stand­teil des Ar­beits­ver­tra­ges. Der Re­pa­ra­tur­be­trieb in K -P wer­de wie die Fi­lia­len durch ei­nen Fi­li­al­lei­ter selbständig ge­lei­tet. Die Re­ge­lung über die Um­satz­pro­vi­si­on gel­te auch nach der Ver­set­zung der Kläge­rin wei­ter.

Sie hat schriftsätz­lich vor­ge­tra­gen, im Sep­tem­ber 2005 ha­be sie ent­schie­den, künf­tig die Fi­lia­le F nur noch mit Werk­statt­per­so­nal zu be­trei­ben und die ad­mi­nis­tra­ti­ven Tätig­kei­ten vom Haupt­sitz aus zu ver­rich­ten, so­weit dies möglich sei. Dass die­ses Kon­zept noch nicht vollständig ab­ge­schlos­sen sei, be­ru­he auf dem krank­heits­be­ding­ten Aus­fall des Ehe­man­nes der Kläge­rin. Aus dem Grund hätten Ar­beit­neh­mer aus an­de­ren Fi­lia­len als Sprin­ger ein­ge­setzt wer­den müssen. Auch ha­be ei­ne Büro­kraft als Bin­de­glied zwi­schen der Werk­statt und dem Haupt­sitz fun­giert. Zu­dem hal­te sie es nicht für sach­ge­recht und hin­rei­chend pro­duk­tiv, wenn die Kläge­rin wei­ter­hin ge­mein­sam mit ih­rem Ehe­mann in der Fi­lia­le ar­bei­te.

Die Kläge­rin sol­le die Lei­tung des Re­pa­ra­tur­be­triebs am Haupt­sitz wahr­neh­men, da die bis­he­ri­ge Fi­li­al­lei­te­rin nun­mehr als Geschäftsführe­rin an­de­re Auf­ga­ben wahr­neh­me.

Die von der Kläge­rin an­geführ­ten Er­schwer­nis­se wie ein um 14 km länge­rer An­fahrts­weg und erhöhte Fahrt­kos­ten sei­en als ge­ringfügig ein­zu­stu­fen. Ein An­spruch, ih­ren Hund am Ar­beits­platz un­ter­zu­brin­gen, ha­be die Kläge­rin oh­ne­hin nicht.

In der Be­ru­fungs­ver­hand­lung am 9. Ja­nu­ar 2007 ha­ben die Geschäftsführe­rin und der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Be­klag­ten auf die schlech­te wirt­schaft­li­che La­ge der Be­klag­ten hin­ge­wie­sen, die ei­ne Sen­kung der Kos­ten er­for­de­re. In der Fi­lia­le F ha­be es er­heb­li­che Dif­fe­ren­zen beim Wa­ren­be­stand ge­ge­ben. Es sol­le aber kein Schuld­vor­wurf ge­gen die Kläge­rin er­ho­ben wer­den. Die­se Dif­fe­ren­zen ge­be es nicht mehr, seit dem die Fi­lia­le von an­de­ren Mit­ar­bei­tern geführt und ge­lei­tet wer­de. Sie ha­be sich zu­dem ent­schlos­sen, die Fi­lia­len nicht mehr durch Fi­li­al­lei­ter mit dem bis­he­ri­gen Auf­ga­ben­ge­biet selbständig lei­ten zu las­sen. So sei ei­ne Zen­tra­li­sie­rung des Ein­kaufs und der La­ger­hal­tung am Sitz in K -P vor­ge­se­hen. Für die­se Auf­ga­be sol­le die Kläge­rin ein­ge­setzt wer­den. In K -P sei die Kläge­rin un­ter Auf­sicht. Die Um­struk­tu­rie­rung ha­be we­gen der Er­kran­kung der Kläge­rin noch nicht vor­ge­nom­men wer­den können.

We­gen des wei­te­ren Sach- und Streit­stan­des wird auf den Ak­ten­in­halt ver­wie­sen. 

Ent­schei­dungs­gründe

I. Die Be­ru­fung ist zulässig. 

Sie ist nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statt­haft und in­ner­halb der Fris­ten nach § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG ein­ge­legt und be­gründet wor­den.

II. Die Be­ru­fung ist auch be­gründet. 

- 4 -

Die Be­klag­te ist ver­pflich­tet, die Kläge­rin wei­ter­hin als Lei­te­rin der Fi­lia­le in F zu beschäfti­gen. 

Zwi­schen den Par­tei­en ist nicht strei­tig, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, die Kläge­rin nach ih­rer Ge­ne­sung zu beschäfti­gen. Strei­tig ist nur, ob die Kläge­rin wei­ter­hin als Fi­li­al­lei­te­rin in F zu beschäfti­gen ist oder ob die Beschäfti­gung ggf. mit veränder­ten Auf­ga­ben­ge­biet im Re­pa­ra­tur­be­trieb am Haupt­sitz er­fol­gen kann.

Die Ver­set­zung der Kläge­rin von der Fi­lia­le F in den Re­pa­ra­tur­be­trieb am Haupt­sitz ist nicht wirk­sam.

1. Die Be­klag­te ist zwar grundsätz­lich be­rech­tigt, die Kläge­rin in ei­ner an­de­ren Fi­lia­le als Lei­te­rin ein­zu­set­zen.

a. Es be­ste­hen al­ler­dings Zwei­fel, ob sich das Ver­set­zungs­recht aus Ziff. 2 des Ar­beits­ver­tra­ges vom 9. Ju­ni 1992 er­gibt.

Da­nach hat die Be­klag­te das Recht, das Auf­ga­ben­ge­biet der Kläge­rin zu ergänzen und ihr auch ei­ne an­de­re Tätig­keit im Be­trieb zu­zu­wei­sen, die ih­ren Kennt­nis­sen und Fähig­kei­ten ent­spricht.

Seit dem 1. Ja­nu­ar 2003 sind die Vor­schrif­ten der §§ 305 – 310 BGB in der Fas­sung des Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­set­zes auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en an­wend­bar.

So­weit die Be­klag­te nach der vor­for­mu­lier­ten Ver­trags­klau­sel be­rech­tigt ist, die im Ar­beits­ver­trag vom 9. Ju­ni 1992 ver­ein­bar­te Tätig­keit als Fi­li­al­lei­te­rin der Art und nicht nur dem Ort nach zu verändern und der Kläge­rin ei­ne ge­ring­wer­ti­ge­re Tätig­keit zu­zu­wei­sen, liegt ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung im Sin­ne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor. Denn da­mit hat sie sich das Recht vor­be­hal­ten, in den In­halt des Ar­beits­ver­tra­ges ein­zu­grei­fen, oh­ne dass die in §§ 1 Abs. 2 S. 1 bis 3, Abs. 3 S. 1 und 2 KSchG vor­aus­ge­setz­ten Be­din­gun­gen für ei­ne so­zia­le
Recht­fer­ti­gung der Ände­rung der ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Ar­beits­be­din­gung vor­lie­gen müssen.

Es liegt ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor (vgl. da­zu: BAG, Ur­teil vom 9. Mai 2006 – 9 AZR 424/05 -).

Bei der An­le­gung des vom Ein­zel­fall los­gelösten Maßstabs ist fest­zu­stel­len, dass die von der Be­klag­ten vor­for­mu­lier­te Klau­sel un­ter § 2 des Ar­beits­ver­tra­ges kei­ne Ein­schränkung enthält, ei­ne ein­sei­ti­ge Ände­rung der Art der Tätig­keit sol­le nur dann zulässig sein, wenn die­se in der Zu­wei­sung ei­ner an­de­ren gleich­wer­ti­gen Tätig­keit be­ste­he. Es ist le­dig­lich be­stimmt, dass die an­de­re Tätig­keit den Kennt­nis­sen und Fähig­kei­ten der Kläge­rin ent­spre­chen muss, wo­bei die zum Zeit­punkt der Ver­set­zung vor­lie­gen­den Er­kennt­nis­se maßge­bend sein sol­len. So­fern sich zu die­sem Zeit­punkt Kennt­nis­se und Fähig­kei­ten ver­schlech­tert ha­ben oder je­den­falls nicht mehr den wei­ter ge­stie­ge­nen An­for­de­run­gen ent­spre­chen, ist nach der Klau­sel ei­ne Ver­set­zung auf ei­nen ge­ring­wer­ti­ge­ren Ar­beits­platz zulässig.

Die zu weit ge­fass­te Ände­rungs­klau­sel kann nicht mit dem In­halt auf­recht­er­hal­ten wer­den, dass nur ein­sei­ti­ge Ände­run­gen der ar­beits­ver­trag­lich ge­schul­de­ten Tätig­keit zulässig sind, wenn da­mit die Zu­wei­sung ei­ner gleich­wer­ti­gen an­de­ren Tätig­keit ver­bun­den ist. Ei­ne gel­tungs­er­hal­ten­de Re­duk­ti­on der zu weit ge­fass­ten Klau­sel schei­det aus (vgl. BAG, Ur­teil vom 9. Mai 2006 – 9 AZR 424/05 -).

b. Das Recht zur Ver­set­zung als Fi­li­al­lei­te­rin an ei­nen an­de­ren Ort be­steht viel­mehr nach § 106 38 Satz 1 Ge­wO.

Da­nach kann der Ar­beit­ge­ber In­halt, Ort und Zeit der Ar­beits­leis­tung nach bil­li­gem Er­mes­sen näher be­stim­men, so­weit die­se Ar­beits­be­din­gun­gen nicht durch den Ar­beits­ver­trag, Be­stim­mun­gen ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung, ei­nes an­wend­ba­ren Ta­rif­ver­tra­ges oder ge­setz­li­che Vor­schrif­ten fest­ge­legt sind.

aa. Ent­ge­gen der An­sicht der Kläge­rin ha­ben die Par­tei­en im Ar­beits­ver­trag vom 9. Ju­ni 1992 nicht ver­ein­bart, dass die Kläge­rin aus­sch­ließlich in der Nie­der­las­sung K -M bzw. nach der Ver­le­gung in F ein­ge­setzt wird. Viel­mehr ha­ben sie – wie be­reits aus­geführt – aus­drück­lich ein

- 5 -

Ver­set­zungs­recht der Be­klag­ten vor­ge­se­hen, wo­bei mit ei­ner "an­de­ren Tätig­keit im Be­trieb" auch die Tätig­keit als Lei­te­rin in ei­ner an­de­ren Fi­lia­le ge­meint ist. Es be­ste­hen kei­ne An­halts­punk­te dafür, dass die Par­tei­en den Be­griff "Be­trieb" an­ders als im Sin­ne des § 23 KSchG ver­stan­den ha­ben. Da­nach bil­den die Fi­lia­len ei­nes - wie hier durch die Haupt­ver­wal­tung in K -P - zen­tral ge­lenk­ten Un­ter­neh­mens ei­nen ein­heit­li­chen Be­trieb (vgl. da­zu: BAG, Ur­teil vom 18. Ja­nu­ar 1990 – 2 AZR 355/89 -; HWK-Quecke, 2. Aufl., § 1 KSchG Rdn. 259). Die Un­wirk­sam­keit der ver­trag­li­chen Ver­set­zungs­klau­sel hin­dert nicht, sie bei der Aus­le­gung, ob im Ar­beits­ver­trag ein aus­sch­ließli­cher Ar­beits­ort von den Par­tei­en fest­ge­legt wor­den ist, her­an­zu­zie­hen.

bb. Durch die Zu­satz­ver­ein­ba­rung vom 5. Ju­li 2000 über die Gewährung ei­ner Um­satz­pro­vi­si­on ist nicht be­stimmt wor­den, dass die Kläge­rin aus­sch­ließlich als Lei­te­rin der Fi­lia­le F zu beschäfti­gen ist. Es han­delt sich um ei­ne all­ge­mein ge­hal­te­ne Vergütungs­re­ge­lung, die auch bei ei­ner Beschäfti­gung in ei­ner an­de­ren Fi­lia­le prak­ti­ziert wer­den kann. Dass es zu Ver­dienst­schwan­kun­gen kom­men kann, ist bei ei­ner er­folgs­ori­en­tier­ten Vergütung na­tur­gemäß. Auch bei ei­ner wei­te­ren Beschäfti­gung in F kann ei­ne ne­ga­ti­ve Um­satz­ent­wick­lung zu ei­ner Ver­dienst­min­de­rung führen.

cc. Auch durch die Stel­len­be­schrei­bung vom 2. De­zem­ber 1998 ist kein aus­sch­ließli­cher Ar­beits­ort fest­ge­legt wor­den. In Stel­len­be­schrei­bun­gen wer­den re­gelmäßig die ak­tu­ell über­tra­ge­nen Auf­ga­ben und Be­fug­nis­se fest­ge­hal­ten, oh­ne dass da­mit das ver­trag­li­che und/oder ge­setz­li­che Ver­set­zungs­recht ein­ge­schränkt wird. Ab­ge­se­hen da­von wird in der Stel­len­be­schrei­bung vom 2. De­zem­ber 1998 das Auf­ga­ben­ge­biet der Kläge­rin all­ge­mein mit "Fi­li­al­lei­tung" be­nannt und nicht die Tätig­keit auf ei­ne be­stimm­te Fi­lia­le be­schränkt.

dd. Sch­ließlich hat sich die Ar­beits­pflicht der Kläge­rin nicht auf ei­ne Tätig­keit in der Fi­lia­le F kon­kre­ti­siert.

Zwar können sich Ar­beits­pflich­ten nach länge­rer Zeit auf be­stimm­te Ar­beits­be­din­gun­gen kon­kre­ti­sie­ren. Da­zu genügt je­doch nicht schon der bloße Zeit­ab­lauf. Viel­mehr müssen be­son­de­re Umstände hin­zu­tre­ten, aus de­nen sich er­gibt, dass der Ar­beit­neh­mer nicht in an­de­rer Wei­se ein­ge­setzt wer­den soll (vgl. BAG, Ur­teil vom 11. April 2006 – 9 AZR 557/05 -).

Die Kläge­rin ist für die Fi­lia­le K -M ein­ge­stellt wor­den. Von dort ist die Kläge­rin in die Fi­lia­le F ge­wech­selt, was mit ei­ner Orts­verände­rung ver­bun­den war. Auch während der Beschäfti­gung in der neu­en Fi­lia­le in F sind kei­ne be­son­de­ren Umstände hin­zu­ge­tre­ten, de­nen die Kläge­rin hätte ent­neh­men können, dass sie künf­tig nicht mehr an ei­nem an­de­ren Ar­beits­ort ein­ge­setzt würde. Dass ihr Ehe­mann gleich­falls in der Fi­lia­le F ar­bei­tet, sie des­halb ge­mein­sam von zu­hau­se zur Ar­beit fah­ren und dort auch ih­ren Hund un­ter­brin­gen können, stel­len An­nehm­lich­kei­ten dar, die für sie er­kenn­bar nur so­lan­ge gel­ten, als we­der sie noch ihr Ehe­mann im Be­trieb der Be­klag­ten ver­setzt wer­den.

b. Je­doch hat die Be­klag­te ihr Ver­set­zungs­recht nach § 106 Satz 1 Ge­wO nicht wirk­sam aus­geübt.

aa. Es fehlt schon an der hin­rei­chen­den Be­stimmt­heit, wel­che Auf­ga­ben die Kläge­rin in K -P als Fi­li­al­lei­te­rin im Ein­zel­nen er­le­di­gen soll.

Aus der aus dem We­sen der Leis­tungs­be­stim­mung (§§ 315 – 319 BGB) ab­ge­lei­te­ten Be­ur­tei­lung folgt, dass bei der Ausübung des Be­stim­mungs­rechts die ge­for­der­te Leis­tung ge­nau an­ge­ge­ben wer­den muss (vgl. BGH NJW 1974, S. 1464 f.; Pa­landt-Hein­richs, BGB, 62. Aufl., § 315 Rdn. 12). Dies gilt auch für die Ausübung des Ver­set­zungs­rechts.

We­der aus den vor­ge­richt­li­chen Schrei­ben noch aus dem Vor­brin­gen der Be­klag­ten im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren wird klar, wie die Kläge­rin in K -P beschäftigt wer­den soll. Zwar soll die Be­zeich­nung Fi­li­al­lei­te­rin bei­be­hal­ten wer­den. Je­doch plant die Be­klag­te ei­ne Um­struk­tu­rie­rung, die zu ei­ner Zen­tra­li­sie­rung des Ein­kaufs und der La­ger­hal­tung am Haupt­sitz bei gleich­zei­ti­gem Ver­lust von Kom­pe­ten­zen bei al­len Fi­li­al­lei­tern führen soll. Die Kläge­rin soll künf­tig als Lei­te­rin der Fi­lia­le K -P auch die zen­tra­li­sier­ten Auf­ga­ben er­le­di­gen, gleich­zei­tig aber

- 6 -

- auf­grund der Nähe zur Haupt­ver­wal­tung - un­ter Auf­sicht ar­bei­ten. Ei­ne Um­set­zung der Um­struk­tu­rie­rung ist noch nicht er­folgt.

Es fehlt die hin­rei­chen­de Be­stimmt­heit, die für den Fi­li­al­lei­ter bis­he­ri­gen Typs durch die Stel­len­be­schrei­bung vom 2. De­zem­ber 1998 ge­ge­ben wor­den ist. Dar­in sind ne­ben den Auf­ga­ben ins­be­son­de­re auch die Un­ter­ord­nungs­verhält­nis­se so­wie die spe­zi­el­len Be­fug­nis­se und Ver­ant­wort­lich­kei­ten be­schrie­ben.

bb. Die Ausübung des Di­rek­ti­ons­rechts ent­spricht zu­dem nicht bil­li­gem Er­mes­sen. 

Ei­ne Leis­tungs­be­stim­mung ent­spricht bil­li­gem Er­mes­sen, wenn die we­sent­li­chen Umstände des Fal­les ab­ge­wo­gen und die bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen an­ge­mes­sen berück­sich­tigt wor­den sind.

Ob die bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen an­ge­mes­sen berück­sich­tigt wor­den sind, un­ter­liegt der ge­richt­li­chen Kon­trol­le (§ 315 Abs. 3 S. 2 BGB).

Die Be­klag­te hat nicht hin­rei­chend dar­ge­tan, dass sie ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se an der Ver­set­zung der Kläge­rin hat (vgl. da­zu: BAG, Ur­teil vom 11. April 2006 – 9 AZR 557/05 -).

Sie trägt vor, während der Beschäfti­gung der Kläge­rin in der Fi­lia­le Fre­chen sei es zu er­heb­li­chen Dif­fe­ren­zen beim Wa­ren­be­stand ge­kom­men. Ei­nen Schuld­vor­wurf er­hebt sie zwar nicht ge­gen die Kläge­rin, trägt aber vor, seit der Wahr­neh­mung der Auf­ga­ben durch an­de­re Mit­ar­bei­ter ge­be es der­ar­ti­ge Dif­fe­ren­zen nicht mehr. Gleich­zei­tig will sie den Ein­kauf und die La­ger­hal­tung im ge­sam­ten Be­trieb zen­tra­li­sie­ren, was nicht al­lein mit Wa­ren­dif­fe­ren­zen in ei­ner Fi­lia­le erklärt wer­den kann. Sie ent­bin­det da­mit die Fi­li­al­lei­ter von der Ver­ant­wor­tung ge­ra­de in dem Auf­ga­ben­be­reich, den die Kläge­rin – schuld­los – schlecht wahr­ge­nom­men ha­ben soll. Es muss sich da­her die Fra­ge stel­len, wes­halb die Kläge­rin an­ge­sichts die­ser Auf­ga­ben­verände­rung mit den dann noch ver­blei­ben­den Tätig­kei­ten in der Fi­lia­le F nicht wei­ter be­traut wer­den kann. Ge­ra­de­zu wi­dersprüchlich muss im Übri­gen das Vor­brin­gen der Be­klag­ten er­schei­nen, sie wol­le im Zu­ge der Um­struk­tu­rie­rung die Kläge­rin in Köln-Porz mit dem zen­tra­len Ein­kauf und der zen­tra­li­sier­ten La­ger­hal­tung be­auf­tra­gen, al­so mit noch größerer
Ver­ant­wor­tung in Be­rei­chen, in de­nen sie in F ver­sagt ha­ben soll.

Auch mit dem Vor­trag, sie hal­te es nicht für sach­ge­recht und hin­rei­chend pro­duk­tiv, die Kläge­rin wei­ter­hin ge­mein­sam mit ih­rem Ehe­mann in der Fi­lia­le F ar­bei­ten zu las­sen, hat sie kein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­ge­tan. Sie hat in kei­ner Wei­se dar­ge­legt, in­wie­fern nun­mehr die Er­kennt­nis ge­recht­fer­tigt ist, dass die Erfüllung der Ar­beits­auf­ga­ben durch den ge­mein­sa­men Ein­satz in ei­ner Fi­lia­le lei­det, nach­dem über vie­le Jah­re of­fen­sicht­lich da­von nicht die Re­de war.

Nach al­le­dem war der Be­ru­fung statt­zu­ge­ben. 

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 91 ZPO. 

Schwartz)

(Als­bach)

(Du­jar­din)

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 9 Sa 1099/06