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BAG, Ur­teil vom 21.06.2012, 8 AZR 364/11

   
Schlagworte: Diskriminierung: Ethnische Herkunft, Diskriminierung: Indiz
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 8 AZR 364/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 21.06.2012
   
Leitsätze:

1. Werden in einem Betrieb keine Arbeitnehmer nichtdeutscher Herkunft beschäftigt, jedoch im gesamten Unternehmen Arbeitnehmer aus insgesamt 13 Nationen, so ist dies kein aussagekräftiges Indiz dafür, dass in diesem Betrieb Arbeitnehmer nichtdeutscher Herkunft benachteiligt werden.


2. Gegebene, jedoch falsche, wechselnde oder in sich widersprüchliche Begründungen für eine benachteiligende Maßnahme können Indizwirkung iSd. § 22 AGG haben.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Mainz, Urteil vom 14.7.2010 - 1 Ca 218/10
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.3.2011 - 9 Sa 678/10
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


8 AZR 364/11
9 Sa 678/10
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Rhein­land-Pfalz

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

21. Ju­ni 2012

UR­TEIL

Förs­ter, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te, Re­vi­si­onskläge­rin und An­schluss­re­vi­si­ons­be­klag­te,

pp.

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin, Re­vi­si­ons­be­klag­te und An­schluss­re­vi­si­onskläge­rin,


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hat der Ach­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 21. Ju­ni 2012 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Hauck, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Böck und Brein­lin­ger so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Volz und Dr. Pau­li für Recht er­kannt:


Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten und die An­schluss­re­vi­si­on der Kläge­rin wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Rhein­land-Pfalz vom 25. März 2011 - 9 Sa 678/10 - auf-ge­ho­ben.

Die Sa­che wird zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung - auch über die Kos­ten der Re­vi­si­on - an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über Scha­dens­er­satz- und Entschädi­gungs­ansprüche, die die Kläge­rin gel­tend macht, weil sie sich we­gen ih­rer eth­ni­schen Her­kunft durch die Be­klag­te be­nach­tei­ligt sieht.


Die 1978 in der Türkei ge­bo­re­ne Kläge­rin lebt seit 1989 in Deutsch­land und hat ei­ne Aus­bil­dung als Arzt­hel­fe­rin ab­ge­schlos­sen. Die Be­klag­te ist ei­ne Träge­rin der ge­setz­li­chen Un­fall­ver­si­che­rung (SGB VII), die in elf Be­zirks­ver­wal­tun­gen über 1.800 Mit­ar­bei­ter beschäftigt, da­von in der Be­zirks­ver­wal­tung M 155. Mit die­ser schloss die Kläge­rin am 25. Ja­nu­ar 2008 ei­nen Ar­beits­ver­trag über ei­ne auf den Zeit­raum vom 1. Fe­bru­ar 2008 bis 31. De­zem­ber 2008 nach § 14 Abs. 2 Tz­B­fG iVm. § 30 Be­rufs­ge­nos­sen­schafts-An­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trag (BG-AT) be­fris­te­te An­stel­lung. Es wur­den ei­ne Ar­beits­zeit von 30 Wo­chen­stun­den und ein Ar­beits­ent­gelt in Höhe von 1.569,00 Eu­ro ver­ein­bart, außer­dem soll­ten die Be­stim­mun­gen des BG-AT und die die­sen ergänzen­den, ändern­den oder er­set­zen­den Ta­rif­verträge in der je­weils gel­ten­den Fas­sung Gültig­keit ha­ben.


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Die Kläge­rin soll­te als Sach­be­ar­bei­te­rin Rech­nun­gen von Leis­tungs­er­brin­gern un­ter­halb ei­ner in­ter­nen Ba­ga­tell­gren­ze be­ar­bei­ten, dh. prüfen und Zah­lun­gen ver­an­las­sen. Am 23. Ok­to­ber 2008 führ­ten Frau H und Frau R als Vor­ge­setz­te der Kläge­rin mit die­ser ein Per­so­nal­gespräch, in dem es auch um feh­ler­haf­te „Ver­ti­te­lun­gen“ und Ab­rech­nun­gen der Kläge­rin ging. Am 11. No­vem­ber 2008 wur­de die Verlänge­rung der be­fris­te­ten Beschäfti­gung vom 1. Ja­nu­ar 2009 bis 31. Ja­nu­ar 2010 ver­ein­bart.


Im März 2009 wur­de das Ar­beits­verhält­nis der kurz nach der Kläge­rin ein­ge­stell­ten, zunächst eben­falls be­fris­tet beschäftig­ten Frau B ent­fris­tet. Mit Aus­hang vom 11. Sep­tem­ber 2009 schrieb die Be­klag­te in M ei­ne Fort­bil­dung für ei­ne Tätig­keit in der Un­fall­be­ar­bei­tung aus, die sich „an fest­an­ge­stell­te Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter“ rich­te­te. Die­se Aus­schrei­bung er­hielt auch die zunächst eben­falls be­fris­tet ein­ge­stell­te Frau F, de­ren Ar­beits­verhält­nis zu­vor ent­fris­tet wor­den war. Vom 18. Fe­bru­ar 2008 bis 6. Fe­bru­ar 2009 beschäftig­te die Be­klag­te in der Be­zirks­ver­wal­tung M ei­ne Prak­ti­kan­tin türki­scher Her­kunft. An­de­re Ar­beit­neh­mer nicht­deut­scher Her­kunft wur­den während der Dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses der Kläge­rin in M nicht beschäftigt. In den an­de­ren zehn Be­zirks­ver­wal­tun­gen beschäftigt die Be­klag­te Mit­ar­bei­ter aus 13 ver­schie­de­nen Na­tio­nen.


Am 11. Sep­tem­ber 2009 teil­te der Lei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung M der Kläge­rin mit, dass ei­ne Verlänge­rung oder Ent­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht er­fol­gen wer­de. Die Ein­zel­hei­ten die­ses Gesprächs sind strei­tig. Mit An­walts­schrei­ben vom 5. No­vem­ber 2009 ließ die Kläge­rin Scha­dens­er­satz-und Entschädi­gungs­ansprüche nach dem AGG bei der Be­klag­ten gel­tend ma­chen. In dem Schrei­ben heißt es aus­zugs­wei­se:


„Da­bei fällt auf, dass mei­ne Man­dan­tin während ih­rer nun bald zweijähri­gen Beschäfti­gung in der Ver­wal­tungs-Be­rufs­ge­nos­sen­schaft M bis­her noch kei­ne Beschäftig­ten aus dem is­la­mi­schen Kul­tur­kreis oder ausländi­scher Her­kunft an­ge­trof­fen hat. Ei­ne sol­che Zu­sam­men­set­zung der Be­leg­schaft ist für ei­ne Ver­wal­tungs­ein­rich­tung die­ser Größen­ord­nung durch­aus be­mer­kens­wert. Be­reits die­se evi­den­te Ab­wei­chung des An­teils der Beschäftig­ten nicht­deut­scher Her­kunft von sta­tis­ti­schen Durch­schnitts-
 


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zah­len legt gemäß § 22 AGG die Ver­mu­tung na­he, dass bei der Per­so­nal­ent­schei­dung auch die eth­ni­sche Her­kunft mei­ner Man­dan­tin ei­ne Rol­le ge­spielt hat.“


Mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 13. Ja­nu­ar 2010 teil­te die Be­klag­te dar­auf­hin mit:


„... Un­se­re Man­dant­schaft hat sich da­zu ent­schlos­sen, das Ar­beits­verhält­nis Ih­rer Man­dan­tin nach dem Ab­lauf der zeit­li­chen Be­fris­tung am 31. Ja­nu­ar 2010 nicht wei­ter fort­zu­set­zen. Hier­zu be­darf es kei­ner Be­gründung. ...“

Sie wies im Wei­te­ren ei­ne Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin we­gen ih­rer „eth­ni­schen Her­kunft“ zurück.


Das der Kläge­rin von der Be­klag­ten un­ter dem 31. Ja­nu­ar 2010 er­teil­te Zeug­nis enthält als Leis­tungs­be­ur­tei­lung:


„Frau Bü er­le­dig­te die ihr über­tra­ge­nen Auf­ga­ben selbständig, si­cher, ter­min­ge­recht und zu un­se­rer volls­ten Zu­frie­den­heit.“

Vom 1. Fe­bru­ar 2010 bis 16. Mai 2010 war die Kläge­rin ar­beits­los ge­mel­det und er­hielt Ar­beits­lo­sen­geld in Höhe von 3.213,92 Eu­ro. Seit dem 17. Mai 2010 steht sie in ei­nem neu­en Ar­beits­verhält­nis.


Die vor­lie­gen­de Kla­ge reich­te die Kläge­rin am 2. Fe­bru­ar 2010 beim Ar­beits­ge­richt M ein, sie wur­de der Be­klag­ten am 8. Fe­bru­ar 2010 zu­ge­stellt. Die Kläge­rin sieht sich bei der Ent­schei­dung, das Ar­beits­verhält­nis mit ihr nicht fort­zu­set­zen, von der Be­klag­ten we­gen ih­rer eth­ni­schen Her­kunft be­nach­tei­ligt. Dafür spre­che, dass sie in der Be­zirks­ver­wal­tung M die ein­zi­ge nicht­deut­sche Ar­beit­neh­me­rin ge­we­sen sei, während in an­de­ren Be­zirks­ver­wal­tun­gen der Be­klag­ten auch Ar­beit­neh­mer an­de­rer Na­tio­nen beschäftigt würden. Es sei we­nig wahr­schein­lich, dass in al­len an­de­ren Be­zir­ken, nur nicht in M, zahl­rei­che ausländi­sche Be­wer­ber zur Verfügung stünden.


Die Kläge­rin be­haup­tet, während des Gesprächs am 11. Sep­tem­ber 2009 ha­be ihr der Lei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung M erklärt, Grund für die Nicht­fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses sei die Fu­si­on mit ei­ner an­de­ren


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Be­rufs­ge­nos­sen­schaft und zurück­ge­hen­de Fall­zah­len. Eben­so sei ihr ge­sagt wor­den, sie könne sich auf die aus­ge­schrie­be­ne Fort­bil­dungs­stel­le nicht be­wer­ben. Das Ar­beits­verhält­nis der An­ge­stell­ten F sei ent­fris­tet wor­den, um de­ren Be­wer­bung zu ermögli­chen. Ihr, der Kläge­rin, sei da­mit ver­schwie­gen wor­den, dass tatsächlich auch be­fris­tet ein­ge­stell­te Mit­ar­bei­ter ei­ne Chan­ce ge­habt hätten. Eben­so sei es für deut­sche Beschäftig­te ein­fa­cher, ih­ren Beschäfti­gungs­sta­tus in der Be­zirks­ver­wal­tung M zu ver­fes­ti­gen, was die Ent­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses von Frau B in­di­zie­re. Sch­ließlich sei­en die An­ga­ben und das Ver­hal­ten der Be­klag­ten wi­dersprüchlich, was die Gründe für die Nicht­verlänge­rung an­ge­he. Zunächst ha­be der Lei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung auf ei­ne Fu­si­on ver­wie­sen. Dann ha­be die Be­klag­te ei­ne Be­gründung ab­ge­lehnt und nun­mehr ma­che sie an­geb­li­che Feh­ler und Leis­tungsmängel der Kläge­rin gel­tend. Dies in­di­zie­re, dass über den wah­ren, je­doch ver­bo­te­nen Grund für die Nicht­verlänge­rung, ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen der eth­ni­schen Her­kunft, nicht ge­spro­chen wer­den sol­le.


Die Kläge­rin hat zu­letzt be­an­tragt, 

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie ei­ne an­ge­mes­se­ne Entschädi­gung zu be­zah­len. Die Entschädi­gung ist ab Kla­ge­er­he­bung mit fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz zu ver­zin­sen. Die Höhe der Entschädi­gung wird in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt, soll­te aber min­des­tens 5.000,00 Eu­ro be­tra­gen;


2. die Be­klag­te wei­ter zu ver­ur­tei­len, an sie als Scha­dens­er­satz zu be­zah­len: 5.491,50 Eu­ro brut­to abzüglich des von der Kläge­rin in dem Zeit­raum 1. Fe­bru­ar 2010 bis 16. Mai 2010 be­zo­ge­nen Ar­beits­lo­sen­gelds in Höhe von 3.213,92 Eu­ro net­to.


Zur Be­gründung ih­res Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trags hat die Be­klag­te in Ab­re­de ge­stellt, bei ih­ren Per­so­nal­ent­schei­dun­gen spie­le die eth­ni­sche Her­kunft ei­ne Rol­le. Sie beschäfti­ge Mit­ar­bei­ter aus ei­ner Viel­zahl von Na­tio­nen, der­zeit in M ei­ne pol­ni­sche Mit­ar­bei­te­rin und ei­nen ame­ri­ka­ni­schen Mit­ar­bei­ter. Mit der Ar­beits­leis­tung der Mit­ar­bei­te­rin­nen F und B sei man zu­frie­den ge­we­sen, wes­we­gen de­ren Ar­beits­verhält­nis­se ent­fris­tet wor­den sei­en. Das
 


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Ge­gen­teil tref­fe im Fal­le der Kläge­rin zu. So ha­be ihr der Lei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung M am 11. Sep­tem­ber 2009 mit­tei­len müssen, dass man­gels fach­li­cher Qua­li­fi­ka­ti­on ei­ne Be­wer­bung auf die Fort­bil­dungs­stel­le nicht aus­sichts­reich sei.


Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts M teil­wei­se ab­geändert und die Be­klag­te zur Zah­lung von Scha­dens­er­satz in ver­lang­ter Höhe so­wie zur Zah­lung ei­ner Entschädi­gung in Höhe von 2.500,00 Eu­ro ver­ur­teilt. Mit der Re­vi­si­on er­strebt die Be­klag­te die Wie­der­her­stel­lung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils, mit der hilfs­wei­se ein­ge­leg­ten An­schluss­re­vi­si­on will die Kläge­rin die Ver­ur­tei­lung zu ei­ner höhe­ren Entschädi­gung er­rei­chen.


Ent­schei­dungs­gründe

So­wohl die Re­vi­si­on der Be­klag­ten als auch die An­schluss­re­vi­si­on der Kläge­rin sind be­gründet. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat nicht rechts­feh­ler­frei ei­nen Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot des § 7 AGG be­jaht, im Wei­te­ren aber ei­ne höhe­re Entschädi­gung als 2.500,00 Eu­ro für die Kläge­rin ab­ge­lehnt. Die Sa­che ist an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen, wel­ches das Par­tei­vor­brin­gen in­ner­halb sei­nes tatrich­ter­li­chen Be­ur­tei­lungs­spiel­rau­mes er­neut zu würdi­gen ha­ben wird (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).


A. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat sei­ne Ent­schei­dung im We­sent­li­chen wie folgt be­gründet: Die Kläge­rin sei in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on we­ni­ger güns­tig als die Mit­ar­bei­te­rin­nen B und F be­han­delt wor­den. Die­se un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung sei we­gen der eth­ni­schen Her­kunft der Kläge­rin er­folgt. In­diz dafür sei es, dass die Be­klag­te in M kei­ne Ar­beit­neh­mer nicht­deut­scher Her­kunft, an­sons­ten aber Ar­beit­neh­mer aus 13 Na­tio­nen beschäfti­ge. Da in der ört­li­chen Un­ter­glie­de­rung M die we­sent­li­chen Ent­schei­dun­gen ge­trof­fen wor­den sei­en, die zu ei­ner ungüns­ti­ge­ren Be­hand­lung führ­ten, könne auf ei­nen Ver­gleich mit an­de­ren Be­zirks­ver­wal­tun­gen ab­ge­stellt wer­den. Wei­te­res In­diz sei, dass die Be­klag­te den Aus­kunfts­an­spruch der Kläge­rin nicht erfüllt ha­be. Im


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Zeit­punkt des Aus­kunfts­ver­lan­gens ha­be das Ar­beits­verhält­nis noch be­stan­den. Im Rah­men die­ser be­ste­hen­den Rechts­be­zie­hung sei ein Aus­kunfts­an­spruch nach § 242 BGB zu be­ja­hen, wenn der Be­rech­tig­te in ent­schuld­ba­rer Wei­se im Un­ge­wis­sen sei und der Ver­pflich­te­te die zur Be­sei­ti­gung der Un­ge­wiss­heit er­for­der­li­che Aus­kunft un­schwer ge­ben könne. Auch nach ei­ge­nem Vor­brin­gen der Be­klag­ten ha­be der Lei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung am 11. Sep­tem­ber 2009 das be­rech­tig­te Aus­kunfts­ver­lan­gen der Kläge­rin nicht erfüllt, da es der Be­klag­ten möglich und zu­mut­bar ge­we­sen sei, an­de­re Gründe als die eth­ni­sche Her­kunft für die Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin dar­zu­le­gen. Die be­haup­te­ten Leis­tungsmängel ha­be die Be­klag­te zum ei­nen nicht sub­stan­zi­iert, zum an­de­ren stünde die­se Be­gründung im Wi­der­spruch zum In­halt des Ar­beits­zeug­nis­ses. In der Ge­samt­schau müsse mit über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit dar­auf ge­schlos­sen wer­den, dass die eth­ni­sche Her­kunft we­nigs­tens als Teil des Mo­tivbündels mit­ursächlich für die ungüns­ti­ge­re Be­hand­lung ge­we­sen sei. Bei der Höhe der der Kläge­rin zu­zu­spre­chen­den Entschädi­gung sei zu berück­sich­ti­gen, dass sie verhält­nismäßig schnell ei­ne neue Beschäfti­gung ha­be auf­neh­men können und An­halts­punk­te für ei­ne ziel­ge­rich­te­te Dis­kri­mi­nie­rung fehl­ten. Da­her sei­en 2.500,00 Eu­ro er­for­der­lich, aber auch aus­rei­chend.


B. Die Kla­ge auf Zah­lung ei­ner Entschädi­gung, de­ren Höhe die Kläge­rin in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt hat, ist zulässig, aber nicht zur Ent­schei­dung reif.


I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat der Kläge­rin ei­ne Entschädi­gung in Höhe von 2.500,00 Eu­ro mit ei­ner Be­gründung zu­ge­spro­chen, die ei­ner re­vi­si­ons-recht­li­chen Über­prüfung nicht standhält.


1. Der persönli­che An­wen­dungs­be­reich des am 18. Au­gust 2006 in Kraft ge­tre­te­nen AGG ist eröff­net. Die Kläge­rin stand bis zum 31. Ja­nu­ar 2010 in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zur Be­klag­ten und ist als Ar­beit­neh­me­rin Beschäftig­te iSd. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG. Die Be­klag­te ist als Ar­beit­ge­be­rin nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG pas­siv­le­gi­ti­miert.
 


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2. Die Kläge­rin hat so­wohl die Entschädi­gungs- wie die Scha­dens­er­satz­ansprüche in­ner­halb der Frist des § 15 Abs. 4 AGG schrift­lich gel­tend ge­macht und Kla­ge bin­nen der in § 61b ArbGG be­stimm­ten Frist er­ho­ben.

a) Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein An­spruch nach § 15 Abs. 1 oder Abs. 2 AGG in­ner­halb ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten schrift­lich gel­tend ge­macht wer­den. Maßgeb­lich ist der Zeit­punkt, in dem der Beschäftig­te von der Be­nach­tei­li­gung Kennt­nis er­langt, § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG. Nach Mit­tei­lung der Per­so­nal­ent­schei­dung am 11. Sep­tem­ber 2009 hat die Kläge­rin frist­wah­rend mit Schrei­ben ih­res An­walts vom 5. No­vem­ber 2009 Scha­dens­er­satz- und Entschädi­gungs­ansprüche gel­tend ge­macht. Da die Be­klag­te kei­ne An­halts­punk­te vor­ge­bracht hat, die auf ei­nen späte­ren Zu­gang die­ses Schrei­bens hin­deu­ten, als er nach dem gewöhn­li­chen Post­lauf an­zu­neh­men ist (vgl. BAG 17. Au­gust 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 22, AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21; 18. Au­gust 2009 - 9 AZR 517/08 - Rn. 25, AP Tz­B­fG § 8 Nr. 28 = EzA Tz­B­fG § 8 Nr. 24), ist von ei­nem Zu­gang die­ses Schrei­bens vor dem 12. No­vem­ber 2009 aus­zu­ge­hen. Nicht er­for­der­lich war, dass die Kläge­rin die Entschädi­gungs­for­de­rung be­zif­fer­te (vgl. BAG 19. Au­gust 2010 - 8 AZR 466/09 - Rn. 23, AP AGG § 3 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 12; 18. No­vem­ber 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 43, AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr. 19).


b) Die am 2. Fe­bru­ar 2010 beim Ar­beits­ge­richt M ein­ge­gan­ge­ne Kla­ge, die der Be­klag­ten am 8. Fe­bru­ar 2010 zu­ge­stellt wur­de, wahr­te die Drei­mo­nats­frist des § 61b Abs. 1 ArbGG. Nach § 61b Abs. 1 ArbGG muss ei­ne Kla­ge auf Entschädi­gung nach § 15 AGG in­ner­halb von drei Mo­na­ten, nach­dem der An­spruch schrift­lich gel­tend ge­macht wor­den ist, er­ho­ben wer­den. Für die Frist­wah­rung genügte vor­lie­gend der recht­zei­ti­ge Ein­gang der Kla­ge beim Ar­beits­ge­richt (§ 167 ZPO), weil de­ren Zu­stel­lung demnächst er­folg­te (vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 23, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6, zu § 611a BGB aF; GMP/Ger­mel­mann 7. Aufl. § 61b Rn. 6; DFL/Hei­der 4. Aufl. § 61b ArbGG Rn. 3; Helml in Hauck/Helml/Biebl ArbGG 4. Aufl. § 61b Rn. 7; Adom­eit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 130; Däubler/Bertz­bach-Dei­nert 2. Aufl. § 15 Rn. 122).



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3. So­weit ge­setz­lich nicht an­ders ge­re­gelt, gel­ten für ei­nen Entschädi­gungs­an­spruch nach § 15 Abs. 2 AGG die glei­chen Vor­aus­set­zun­gen wie für den Scha­dens­er­satz­an­spruch nach § 15 Abs. 1 AGG. Dies er­gibt sich schon aus dem sys­te­ma­ti­schen Zu­sam­men­hang (vgl. BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 14, BVerw­GE 139, 135; BAG 17. Au­gust 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 25, AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21; 22. Ja­nu­ar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 28 mwN, BA­GE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Da­her ist An­spruchs­vor­aus­set­zung ein Ver­s­toß ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot des § 7 AGG. Die Kla­ge wird auf ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen der eth­ni­schen Her­kunft der Kläge­rin gestützt, al­so auf die Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des.


a) Zu­tref­fend ist das Lan­des­ar­beits­ge­richt zunächst da­von aus­ge­gan­gen, dass in der Ver­wei­ge­rung der Fort­set­zung, dh. in der Wei­ge­rung zum Ab­schluss ei­nes an die aus­lau­fen­de Be­fris­tung an­sch­ließen­den Ar­beits­verhält­nis­ses, ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin im Sin­ne von § 3 Abs. 1 AGG liegt.


aa) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde, wo­bei die sich nach­tei­lig aus­wir­ken­de Maßnah­me di­rekt an das ver­bo­te­ne Merk­mal an­knüpfen muss (vgl. BAG 22. Ju­li 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 50, AP AGG § 22 Nr. 2 = EzA AGG § 22 Nr. 2; 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 - Rn. 19, AP AGG § 8 Nr. 2 = EzA AGG § 8 Nr. 2). Die be­nach­tei­li­gen­de Re­ge­lung oder Maßnah­me wird hier­bei un­mit­tel­bar mit ei­nem in § 1 AGG ge­nann­ten Merk­mal be­gründet (vgl. BAG 22. Ju­ni 2011 - 8 AZR 48/10 - Rn. 33, AP AGG § 3 Nr. 8 = EzA AGG § 3 Nr. 5; EuGH 4. Ok­to­ber 2001 - C-438/99 - [Jiménez Mel­gar] Slg. 2001, I-6915 = AP EWG-Richt­li­nie Nr. 92/85 Nr. 3 = EzA BGB § 611a Nr. 17, zur Nicht­er­neue­rung ei­nes be­fris­te­ten Ver­trags bei ei­ner schwan­ge­ren Ar­beit­neh­me­rin). Un­er­heb­lich ist, ob die An­knüpfung ver­deckt oder of­fen er­folgt (vgl. BAG 22. Ju­li 2010 - 8 AZR 1012/08 - aaO). Auch kann die Be­nach­tei­li­gung statt in ei­nem
 


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ak­ti­ven Tun auch in ei­nem Un­ter­las­sen lie­gen (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; Bau­er/Göpfert/Krie­ger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 9; HK-ArbR/Bufa­li­ca 2. Aufl. § 3 AGG Rn. 5), wo­bei ei­ne Be­nach­tei­li­gung durch Un­ter­las­sen nicht vor­aus­setzt, dass ei­ne Hand­lungs­pflicht be­steht (vgl. Däubler/Bertz­bach-Schra­der/Schu­bert 2. Aufl. § 3 Rn. 28). Ein Be­nach­tei­li­gung durch Un­ter­las­sen kommt in Be­tracht, wenn ein Ar­beit­ge­ber ein be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des nicht verlängert (vgl. EuGH 4. Ok­to­ber 2001 - C-438/99 - [Jiménez Mel­gar] Rn. 47, aaO; KR-Tre­ber 9. Aufl. § 3 AGG Rn. 6).


bb) Die Kläge­rin ist ungüns­ti­ger be­han­delt wor­den als ih­re Kol­le­gin­nen Frau B und Frau F, de­ren Ar­beits­verhält­nis­se je­weils ent­fris­tet wor­den sind. Nach dem an­zu­le­gen­den ob­jek­ti­ven Maßstab (vgl. BAG 16. Fe­bru­ar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 20, EzA AGG § 3 Nr. 7; 22. Ju­li 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 52, AP AGG § 22 Nr. 2 = EzA AGG § 22 Nr. 2; Bau­er/Göpfert/Krie­ger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 8) liegt hier­in ei­ne im Verhält­nis zur Kläge­rin güns­ti­ge­re Be­hand­lung. Die Be­klag­te hat mit den Kol­le­gin­nen der Kläge­rin neue, un­be­fris­te­te Ar­beits­verträge ge­schlos­sen und die­se nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts bes­ser ge­stellt als die Kläge­rin, de­ren Ar­beits­verhält­nis mit Ab­lauf des 31. Ja­nu­ar 2010 en­de­te. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG genügt es, dass die Kol­le­gin­nen zeit­lich früher güns­ti­ger be­han­delt wur­den („er­fah­ren hat“).


cc) Die Si­tua­ti­on der ungüns­ti­ger be­han­del­ten Kläge­rin war mit der ih­rer Kol­le­gin­nen B und F ver­gleich­bar.


Aus­drück­li­che Fest­stel­lun­gen hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt zwar hier­zu nicht ge­trof­fen. Un­strei­tig wur­den aber die Kol­le­gin­nen B und F wie die Kläge­rin als Sach­be­ar­bei­te­rin­nen bei der Be­klag­ten beschäftigt. Al­le drei Ar­beit­neh­me­rin­nen wa­ren oh­ne Sach­grund be­fris­tet ein­ge­stellt wor­den. Die Be­klag­te hat nicht dar­ge­legt, dass zwi­schen der Tätig­keit oder den Ver­trags­be­din­gun­gen der Kläge­rin und ih­ren Kol­le­gin­nen B und F we­sent­li­che Un­ter­schie­de be­stan­den. Al­le ver­rich­te­ten zu­min­dest gleich­ar­ti­ge Tätig­kei­ten un­ter im We­sent­li­chen den­sel­ben Ar­beits­ver­trags­be­din­gun­gen.



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b) Die Be­gründung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, die Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin sei we­gen ih­rer eth­ni­schen Her­kunft er­folgt, ist je­doch nicht frei von Rechts­feh­lern.


aa) Der Be­griff der eth­ni­schen Her­kunft wird we­der in Art. 19 AEUV, im AGG noch in der zu­grun­de lie­gen­den Richt­li­nie 2000/43/EG des Ra­tes vom 29. Ju­ni 2000 zur An­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes oh­ne Un­ter­schied der Ras­se oder der eth­ni­schen Her­kunft de­fi­niert.


Aus­weis­lich der Be­gründung des AGG-Ge­set­zes­ent­wurfs ist das Merk­mal der eth­ni­schen Her­kunft - wie auch das der Ras­se - in ei­nem um­fas­sen­den Sinn zu ver­ste­hen, denn es soll ei­nen möglichst lücken­lo­sen Schutz vor eth­nisch mo­ti­vier­ten Be­nach­tei­li­gun­gen gewähr­leis­ten. Es ist uni­ons­recht­lich aus­zu­le­gen und um­fasst auch Kri­te­ri­en, wie sie das In­ter­na­tio­na­le Übe­r­ein­kom­men zur Be­sei­ti­gung je­der Form von Ras­sen­dis­kri­mi­nie­rung (CERD) vom 7. März 1966 nennt, nämlich Ras­se, Haut­far­be, Ab­stam­mung, na­tio­na­ler Ur­sprung oder Volks­tum (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 31). Un­ter ei­ner eth­ni­schen Grup­pie­rung können Bevölke­rungs­tei­le ver­stan­den wer­den, die durch ge­mein­sa­me Her­kunft, ei­ne lan­ge ge­mein­sa­me Ge­schich­te, Kul­tur oder Zu­sam­men­gehörig­keits­gefühl ver­bun­den sind (vgl. ErfK/Schlach­ter 12. Aufl. § 1 AGG Rn. 4; MüKo-BGB/Thüsing 6. Aufl. § 1 AGG Rn. 55; KR-Tre­ber 9. Aufl. § 1 AGG Rn. 28; DFL/Kap­pen­ha­gen/Kra­mer 4. Aufl. § 1 AGG Rn. 4; Däubler/Bertz­bach-Däubler 2. Aufl. § 1 Rn. 28). Nicht dem Be­griff der eth­ni­schen Her­kunft zu­zu­rech­nen ist die Staats­an­gehörig­keit. Art. 3 Abs. 2 der Richt­li­nie 2000/43/EG be­stimmt, dass ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen der Staats­an­gehörig­keit nicht von der Richt­li­nie be­trof­fen wird. Al­ler­dings liegt bei ei­ner schein­bar al­lein auf die Staats­an­gehörig­keit be­zo­ge­nen Dif­fe­ren­zie­rung ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen der Eth­nie vor, wenn tatsächlich die Zu­gehörig­keit zur Volks- und Kul­tur­ge­mein­schaft für die Zurück­stel­lung tra­gend ist (vgl. Schleu­se­ner/Suckow/Voigt AGG/Schleu­se­ner 3. Aufl. § 1 Rn. 44; Däubler/Bertz­bach aaO Rn. 34; Mei­nel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 1 Rn. 14; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 36 Rn. 8; AnwK-ArbR/von St­ein­au-St­einrück/Schnei­der 2. Aufl. Bd. 1 § 1 AGG Rn. 8: mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung). Gleichgültig ist, ob die eth­ni­sche


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Un­ter­schei­dung po­si­tiv oder ne­ga­tiv de­fi­niert ist. Er­fasst wer­den so­wohl Fälle, in de­nen die Be­nach­tei­li­gung ei­ne be­stimm­te Her­kunft be­trifft, als auch sol­che, in de­nen die Be­nach­tei­li­gung al­lein dar­an an­knüpft, dass der Be­trof­fe­ne nicht­deut­scher Her­kunft ist (vgl. KR-Tre­ber 9. Aufl. § 1 AGG Rn. 29). An­gehöri­ge ei­nes frem­den Vol­kes oder ei­ner frem­den Kul­tur sind vom Merk­mal der eth­ni­schen Her­kunft er­fasst, auch wenn die­se Grup­pe der in Deutsch­land le­ben­den Ausländer nicht durch ge­mein­sa­me ein­heit­li­che Merk­ma­le ge­prägt ist (vgl. Däubler/Bertz­bach-Däubler 2. Aufl. § 1 Rn. 38, 44; Pa­landt/El­len­ber­ger 71. Aufl. § 1 AGG Rn. 2; St­ein in Wen­de­ling-Schröder/St­ein AGG § 1 Rn. 15; Fal­ke in Rust/Fal­ke AGG § 1 Rn. 20).

bb) Der Kau­sal­zu­sam­men­hang zwi­schen nach­tei­li­ger Be­hand­lung und dem Merk­mal nach § 1 AGG ist be­reits dann ge­ge­ben, wenn die Be­nach­tei­li­gung an das Merk­mal an­knüpft oder durch sie mo­ti­viert ist (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32 zu § 3 Abs. 1 AGG). Da­bei ist es nicht er­for­der­lich, dass der be­tref­fen­de Grund das aus­sch­ließli­che Mo­tiv für das Han­deln des Be­nach­tei­li­gen­den ist. Aus­rei­chend ist viel­mehr, dass das verpönte Merk­mal Be­stand­teil ei­nes Mo­tivbündels ist, wel­ches die Ent­schei­dung be­ein­flusst hat (vgl. BAG 27. Ja­nu­ar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 28, EzA AGG § 22 Nr. 3 zum Merk­mal Be­hin­de­rung; 19. Au­gust 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 54, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10 zum Merk­mal Al­ter; 17. Au­gust 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 31, AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21; Bau­er/Göpfert/Krie­ger AGG 3. Aufl. § 7 Rn. 14; Schleu­se­ner/Suckow/Voigt AGG/Schleu­se­ner 3. Aufl. § 3 Rn. 12; ErfK/Schlach­ter 12. Aufl. § 7 AGG Rn. 4). Auf ein schuld­haf­tes Han­deln oder gar ei­ne Be­nach­tei­li­gungs­ab­sicht kommt es nicht an (vgl. BAG 17. Au­gust 2010 - 9 AZR 839/08 - aaO).


cc) Hin­sicht­lich der Kau­sa­lität zwi­schen Nach­teil und dem verpönten Merk­mal ist in § 22 AGG ei­ne Be­weis­last­re­ge­lung ge­trof­fen, die sich auch auf die Dar­le­gungs­last aus­wirkt. Der Beschäftig­te genügt da­nach sei­ner Dar­le­gungs­last, wenn er In­di­zi­en vorträgt, die sei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes ver­bo­te­nen Merk­mals ver­mu­ten las­sen. Dies ist der Fall, wenn die vor­ge­tra­ge­nen Tat­sa­chen aus ob­jek­ti­ver Sicht mit über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit
 


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dar­auf schließen las­sen, dass die Be­nach­tei­li­gung we­gen die­ses Merk­mals er­folgt ist. Durch die Ver­wen­dung der Wörter „In­di­zi­en“ und „ver­mu­ten“ bringt das Ge­setz zum Aus­druck, dass es hin­sicht­lich der Kau­sa­lität zwi­schen ei­nem der in § 1 AGG ge­nann­ten Gründe und ei­ner ungüns­ti­ge­ren Be­hand­lung genügt, Hilfs­tat­sa­chen vor­zu­tra­gen, die zwar nicht zwin­gend den Schluss auf die Kau­sa­lität zu­las­sen, die aber die An­nah­me recht­fer­ti­gen, dass die Kau­sa­lität ge­ge­ben ist (BAG 27. Ja­nu­ar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 29, EzA AGG § 22 Nr. 3; 20. Mai 2010 - 8 AZR 287/08 (A) - Rn. 16, AP AGG § 22 Nr. 1 = EzA AGG § 22 Nr. 1). Sol­che Ver­mu­tungs­tat­sa­chen können bspw. in Äußerun­gen bzw. Fra­gen des Ar­beit­ge­bers (vgl. BAG 17. De­zem­ber 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 25, AP AGG § 7 Nr. 2 = EzA AGG § 15 Nr. 6), in Verstößen ge­gen Ver­fah­rens­vor­schrif­ten, die der Förde­rung ei­nes be­stimm­ten Per­so­nen­krei­ses die­nen (vgl. BAG 17. Au­gust 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 35, AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21), in sons­ti­gen Ver­fah­rens­hand­lun­gen, wie ei­ner Stel­len­aus­schrei­bung un­ter Ver­s­toß ge­gen § 11 AGG (vgl. BAG 19. Au­gust 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 59, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10), im Ein­zel­fall auch in sta­tis­ti­schen Da­ten (vgl. BAG 22. Ju­li 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 68, AP AGG § 22 Nr. 2 = EzA AGG § 22 Nr. 2) be­gründet sein. Wer­den vom Ar­beit­neh­mer Hilfs­tat­sa­chen vor­ge­tra­gen, die für sich ge­nom­men nicht zur Be­gründung der Ver­mu­tungs­wir­kung aus­rei­chen, ist vom Tatrich­ter ei­ne Ge­samt­be­trach­tung da­hin ge­hend vor­zu­neh­men, ob die Hilfs­tat­sa­chen im Zu­sam­men­hang ge­se­hen ge­eig­net sind, die Ver­mu­tungs­wir­kung zu be­gründen (vgl. BAG 27. Ja­nu­ar 2011 - 8 AZR 483/09 - Rn. 25, AP AGG § 3 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 7; 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 41, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6). Liegt ei­ne Ver­mu­tung für die Be­nach­tei­li­gung vor, trägt nach § 22 AGG die an­de­re Par­tei die Be­weis­last dafür, dass kein Ver­s­toß ge­gen die Be­stim­mun­gen zum Schutz vor Be­nach­tei­li­gung vor­ge­le­gen hat.


dd) Die Würdi­gung der Tat­sa­chen­ge­rich­te, ob die von ei­nem Be­wer­ber vor­ge­tra­ge­nen oder un­strei­ti­gen Tat­sa­chen ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen des in Re­de ste­hen­den Merk­mals nach § 1 AGG ver­mu­ten las­sen, ist nur be­schränkt re­vi­si­bel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO ge­won­ne­ne Über­zeu­gung bzw. Nichtüber­zeu­gung von ei­ner über­wie­gen­den Wahr­schein­lich­keit für die Kau­sa­li-


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tät zwi­schen dem ver­bo­te­nen Merk­mal und ei­nem Nach­teil kann re­vi­si­ons­recht­lich nur dar­auf über­prüft wer­den, ob sie möglich und in sich wi­der­spruchs­frei ist und nicht ge­gen Denk­ge­set­ze, Er­fah­rungssätze oder an­de­re Rechtssätze verstößt (BAG 13. Ok­to­ber 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 36, EzA AGG § 15 Nr. 16; 27. Ja­nu­ar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 30, EzA AGG § 22 Nr. 3; 19. Au­gust 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 56, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10; 17. Au­gust 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 34, AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21; 16. Sep­tem­ber 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 41, BA­GE 127, 367 = AP SGB IX § 81 Nr. 15 = EzA SGB IX § 81 Nr. 17).


c) Die­sem ein­ge­schränk­ten Prüfungs­maßstab hält die Würdi­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht stand, das an­ge­nom­men hat, be­reits die Tat­sa­che, dass die Be­klag­te in der Be­zirks­ver­wal­tung M kei­ne Ar­beit­neh­mer nicht­deut­scher Her­kunft beschäfti­ge, während an­sons­ten Ar­beit­neh­mer aus 13 Na­tio­nen bei ihr beschäftigt sei­en, stel­le ein In­diz für die Mit­ursächlich­keit der eth­ni­schen Her­kunft der Kläge­rin bei ih­rer Be­nach­tei­li­gung dar.


aa) An sich können sich aus Quo­ten oder Sta­tis­ti­ken In­di­zi­en für ei­ne Dis­kri­mi­nie­rung er­ge­ben. Sta­tis­ti­ken sind als mögli­che Hilfs­tat­sa­chen im Erwägungs­grund Nr. 15 der Richt­li­nie 2000/43/EG des Ra­tes vom 29. Ju­ni 2000 zur An­wen­dung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes oh­ne Un­ter­schied der Ras­se oder der eth­ni­schen Her­kunft erwähnt. Auch der deut­sche Ge­setz­ge­ber (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 47) und der Se­nat (BAG 27. Ja­nu­ar 2011 - 8 AZR 483/09 - Rn. 29, AP AGG § 3 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 7) ha­ben dies be­jaht. Ei­ne Ver­mu­tung für ein re­gel­haft die Merk­mal­sträger­grup­pe be­nach­tei­li­gen­des Ver­hal­ten kann sich aus sta­tis­ti­schen Da­ten aber nur dann er­ge­ben, wenn sie sich kon­kret auf den be­tref­fen­den Ar­beit­ge­ber be­zie­hen und aus­sa­ge­kräftig sind, was sein Ver­hal­ten ge­genüber der Merk­mal­sträger­grup­pe an­be­langt (vgl. EuGH 27. Ok­to­ber 1993 - C-127/92 - [End­er­by] Slg. 1993, I-5535 = AP EWG-Ver­trag Art. 119 Nr. 50 = EzA EWG-Ver­trag Art. 119 Nr. 20). So­weit da­bei von in der Ver­gan­gen­heit er­folg­ten Dis­kri­mi­nie­run­gen auf die Ge­gen­wart ge­schlos­sen wird, spricht dies nicht ge­gen die Berück­sich­ti­gung von Sta­tis­ti­ken, weil ein re­gel­haft geübtes Ver­hal­ten ge­ra­de nur durch die Be­trach­tung der


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Ver­gan­gen­heit aus­ge­macht wer­den kann (BAG 22. Ju­li 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 68, AP AGG § 22 Nr. 2 = EzA AGG § 22 Nr. 2).

bb) Rechts­feh­ler­frei hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt auf die Be­zirks­ver­wal­tung M ab­ge­stellt. Den Ar­beits­ver­trag der Kläge­rin vom 25. Ja­nu­ar 2008 hat der Lei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung M wie den Ände­rungs­ver­trag vom 11. No­vem­ber 2008 un­ter­schrie­ben. Das trägt den Schluss des Be­ru­fungs­ge­richts, dass die Per­so­nal­ent­schei­dun­gen in M ge­trof­fen wur­den, wo­mit grundsätz­lich auf die­se Be­zirks­ver­wal­tung als Be­zugs­größe ab­ge­stellt wer­den kann.

cc) In der Be­zirks­ver­wal­tung M wur­den zum Zeit­punkt der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses kei­ne Ar­beit­neh­mer nicht­deut­scher Her­kunft beschäftigt, während in den übri­gen Be­zirks­ver­wal­tun­gen Ar­beit­neh­mer un­ter­schied­li­cher Her­kunft aus in­ge­samt 13 Na­tio­nen beschäftigt wur­den. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat dar­aus ge­schlos­sen, nicht­deut­sche Ar­beit­neh­mer würden in der Be­zirks­ver­wal­tung M be­nach­tei­ligt, Ar­beit­neh­mer deut­scher Her­kunft be­vor­zugt. Da-durch hat es nicht vernünf­ti­ger­wei­se al­le in Be­tracht kom­men­den Umstände wi­der­spruchs­frei und oh­ne Ver­s­toß ge­gen Denk­ge­set­ze und Er­fah­rungssätze berück­sich­tigt.


Die bloße Un­ter­re­präsen­ta­ti­on ei­ner Grup­pe ist nicht zwin­gend ein In­diz für ei­ne dis­kri­mi­nie­ren­de Per­so­nal­po­li­tik. Dies gilt ins­be­son­de­re für Beschäfti­gungs­quo­ten von Ar­beit­neh­mern un­ter­schied­li­cher eth­ni­scher Her­kunft. Die Un­ter- oder Über­re­präsen­ta­ti­on von Ar­beit­neh­mern ei­ner Eth­nie kann statt auf ei­nem dis­kri­mi­nie­ren­den Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers et­wa auch auf ei­ner in­di­vi­du­el­len Präfe­renz der Grup­pen­mit­glie­der für ei­ne be­stimm­te Bran­che be­ru­hen (vgl. MüKoBGB/Thüsing 6. Aufl. § 22 AGG Rn. 15; Bay­reu­ther NJW 2009, 806; Bau­er/Göpfert/Krie­ger AGG 3. Aufl. § 22 Rn. 11). Dass Eth­ni­en in ei­ner Be­leg­schaft un­ter­schied­lich re­präsen­tiert wer­den, kann ei­ner­seits von den im Be­trieb an­fal­len­den Tätig­kei­ten und der da­mit zu­sam­menhängen­den Qua­li­fi­ka­ti­on, an­de­rer­seits von der Be­wer­ber­la­ge abhängen (St­ein in Wen­de­ling-Schröder/St­ein AGG § 22 Rn. 25; Peick Dar­le­gungs- und Be­weis­last nach § 22 AGG S. 240 f.). Die Ver­tei­lung der Eth­ni­en ist in Deutsch­land nicht gleich, es gibt be­reits größere Un­ter­schie­de zwi­schen ur­ba­nen und länd­li­chen Ge­bie­ten


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so­wie zwi­schen den ein­zel­nen Re­gio­nen und Bun­desländern. Ei­nen Er­fah­rungs­satz, wo­nach be­stimm­te Bevölke­rungs­grup­pen bei Be­wer­bun­gen stets gleichmäßig ver­tre­ten sind und Be­leg­schaf­ten dem­ent­spre­chend zu­sam­men­ge­setzt sein müssen, gibt es nicht (Gro­bys NZA 2006, 898, 902). So­weit ei­ne ein­sei­ti­ge Be­leg­schafts­struk­tur als In­diz für ei­ne Be­nach­tei­li­gung an­geführt wird, muss in je­dem Ein­zel­fall je nach dem Merk­mal und nach dem Verhält­nis der ab­so­lu­ten und re­la­ti­ven Zah­len ge­prüft wer­den, ob ei­ne In­dizwir­kung be­steht (Wörl Die Be­weis­last nach dem All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­setz S. 161).


Eben­so ist der Um­stand, dass die Be­klag­te in den elf Be­zirks­ver­wal­tun­gen Ar­beit­neh­mer aus 13 Na­tio­nen beschäftigt, nicht aus­sa­ge­kräftig. Aus ihm kann nicht ein­mal auf ei­nen „übli­chen An­teil“ von Ar­beit­neh­mern nicht­deut­scher Her­kunft ge­schlos­sen wer­den. Die Beschäfti­gungs­quo­te ausländi­scher Ar­beit­neh­mer bei der Be­klag­ten ins­ge­samt bleibt eben­so un­klar wie der An­teil sol­cher Ar­beit­neh­mer je ein­zel­ner Be­zirks­ver­wal­tung. Bei die­sen müss­te ein auf­fal­lend ho­her oder nied­ri­ger An­teil an Ar­beit­neh­mern nicht­deut­scher Her­kunft zu­dem in Be­zie­hung zur je­wei­li­gen Be­wer­ber­la­ge und zu dem re­gio­na­len Ar­beits­markt ge­setzt wer­den. We­der aus den von der Kläge­rin vor­ge­tra­ge­nen Umständen noch aus den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts er­gibt sich ei­ne „übli­che Quo­te“ von nicht­deut­schen Mit­ar­bei­tern bei der Be­klag­ten oder in ih­ren Be­zirks­ver­wal­tun­gen oder je ein­zel­ner Be­zirks­ver­wal­tung oder in der Be­zirks­ver­wal­tung M.


dd) Hin­zu kommt, dass die Kla­ge dar­auf gestützt wird, in M ste­he die eth­ni­sche Her­kunft ei­ner Ver­fes­ti­gung des Beschäftig­ten­sta­tus ent­ge­gen. Im Hin­blick auf ih­re ei­ge­ne und die Beschäfti­gung der türki­schen Prak­ti­kan­tin macht die Kläge­rin nicht gel­tend, nicht­deut­schen Ar­beit­neh­mern wer­de ei­ne Beschäfti­gung bei der Be­klag­ten in M ge­ne­rell ver­wehrt, son­dern die­sen wer­de ei­ne un­be­fris­te­te Beschäfti­gung ver­sagt. Das Kri­te­ri­um „Ar­beit­neh­mer aus 13 ver­schie­de­nen Na­tio­nen“ trifft kei­ne Aus­sa­ge, ob die­se be­fris­tet oder un­be­fris­tet beschäftigt wer­den. Es bleibt schon un­klar, wie hoch der An­teil (sach­grund­los) be­fris­tet beschäftig­ter Ar­beit­neh­mer in den ein­zel­nen Be­zirks­ver­wal­tun­gen ist, mit wel­chem An­teil deut­sche bzw. nicht­deut­sche Ar­beit­neh­mer hier­un­ter fal­len
 


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und mit wel­chem An­teil sol­che Ar­beits­verhält­nis­se ggf. ent­fris­tet wer­den. Ei­ne re­gel­haf­te Ent­fris­tung bzw. un­be­fris­te­te Beschäfti­gung von ver­gleich­ba­ren nicht­deut­schen Ar­beit­neh­mern in an­de­ren Be­zirks­ver­wal­tun­gen er­gibt sich nicht.


4. Das an­ge­foch­te­ne Ur­teil er­weist sich auch nicht aus an­de­ren Gründen als rich­tig (§ 561 ZPO).

a) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, die Be­klag­te ha­be ei­nen der Kläge­rin zu­ste­hen­den An­spruch auf Aus­kunft über die Gründe für die Nichtüber­nah­me in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis nicht erfüllt. Die­se Tat­sa­chenwürdi­gung lässt sich we­der aus dem un­strei­ti­gen Sach­ver­halt, noch aus dem Ak­ten­in­halt und schließlich nicht aus dem ei­ge­nen, je­doch be­strit­te­nen Vor­brin­gen der Kläge­rin ab­lei­ten.


aa) Auf das Aus­kunfts­ver­lan­gen des An­walts der Kläge­rin vom 5. No­vem­ber 2009 hat die Be­klag­te nicht jeg­li­che Aus­kunft ver­wei­gert, son­dern mit Schrei­ben vom 13. Ja­nu­ar 2010 Stel­lung ge­nom­men. Dar­in hat sie zwar den Stand­punkt ein­ge­nom­men, ih­re Ent­schei­dung zum En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Kläge­rin nicht be­gründen zu müssen. Sie ist aber im Wei­te­ren auf den Vor­halt der Kläge­rin, sie sei we­gen ih­rer nicht­deut­schen Her­kunft ver­mut­lich be­nach­tei­ligt wor­den - und um die Erläute­rung die­ses Vor­halts hat­te die Kläge­rin ge­be­ten - ein­ge­gan­gen, hat ab­ge­strit­ten, dass die eth­ni­sche oder re­li­giöse Her­kunft ei­ne Rol­le ge­spielt ha­be und dar­auf ver­wei­sen las­sen, dass bei der Be­klag­ten „der­zeit zahl­rei­che ausländi­sche Ar­beit­neh­mer aus et­wa 13 Na­tio­nen tätig“ sind. Die Kläge­rin hat­te ei­nen kon­kre­ten Vor­wurf er­ho­ben und um Prüfung und Erläute­rung ge­be­ten. Da­mit hat sich die Be­klag­te - wenn auch knapp - aus­ein­an­der­ge­setzt.

bb) Die Be­klag­te hat wei­ter - nach ih­rem Vor­brin­gen be­reits durch den Lei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung M am 11. Sep­tem­ber 2009 - je­den­falls aber im Pro­zess Leis­tungsmängel bei der von der Kläge­rin er­brach­ten Ar­beit als Grund dafür an­ge­ge­ben, dass sie das Ar­beits­verhält­nis nicht wei­ter fort­ge­setzt ha­be.
 


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Auch in­so­weit hat die Be­klag­te Aus­kunft er­teilt oder be­haup­tet, dies zu­min­dest schon vor­pro­zes­su­al ge­tan zu ha­ben.

cc) Sch­ließlich ist nach ih­rer ei­ge­nen Be­haup­tung der Kläge­rin am 11. Sep­tem­ber 2009 vom Lei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung erklärt wor­den, die Nicht­verlänge­rung sei auf ei­ne Fu­si­on und ei­nem dar­aus re­sul­tie­ren­den ver­min­der­ten Ar­beits­an­fall zurück­zuführen. Dies hat die Be­klag­te zwar be­strit­ten, den Vor­trag als wahr un­ter­stellt, kann aber nicht oh­ne Rechts­feh­ler an­ge­nom­men wer­den, die Be­klag­te sei ei­nem Aus­kunfts­ver­lan­gen nicht nach­ge­kom­men.


b) Bei der Ent­schei­dung des Rechts­streits wird das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu prüfen ha­ben, ob sich aus der Art der von der Be­klag­ten ge­mach­ten An­ga­ben, ih­rer in­halt­li­chen Rich­tig­keit so­wie in der Zu­sam­men­schau mit dem übri­gen Ver­hal­ten der Be­zirks­ver­wal­tung In­di­zi­en für ei­ne eth­ni­sche Be­nach­tei­li­gung der Kläge­rin er­ge­ben. Da­bei wird das Lan­des­ar­beits­ge­richt fol­gen­de recht­li­che Erwägun­gen zu berück­sich­ti­gen ha­ben:

aa) Die bei­den Stu­fen der Dar­le­gungs- und Be­weis­last aus § 22 AGG sind zu tren­nen. Zunächst hat der Ar­beit­neh­mer die Ver­ant­wor­tung, das Ge­richt von In­di­zi­en, al­so von der über­wie­gen­den Wahr­schein­lich­keit ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung zu über­zeu­gen. Die Glaub­haft­ma­chung durch den Ar­beit­neh­mer lässt die Be­weis­ver­tei­lung un­berührt, sie senkt nur das Be­weis­maß (BAG 5. Fe­bru­ar 2004 - 8 AZR 112/03 - zu II 2 b bb (1) der Gründe, BA­GE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3). Es kann da­her grundsätz­lich kein „In­diz“ sein, wenn die Be­klag­te die Gründe ih­rer Rechts­ver­tei­di­gung nicht hin­rei­chend sub­stan­zi­iert dar­ge­legt hat. Erst auf der zwei­ten Stu­fe, al­so nach­dem die kläger­seits vor­ge­tra­ge­nen Tat­sa­chen ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen ei­nes Merk­mals nach § 1 AGG ver­mu­ten las­sen, trägt der Ar­beit­ge­ber die Be­weis­last dafür, dass ei­ne sol­che Be­nach­tei­li­gung nicht vor­lag. Erst dann, wenn die­se Stu­fe er­reicht ist, muss er Tat­sa­chen vor­tra­gen und ggf. be­wei­sen, aus de­nen sich er­gibt, dass es aus­sch­ließlich an­de­re Gründe als die eth­ni­sche Her­kunft wa­ren, die zu der we­ni­ger güns­ti­gen Be­hand­lung geführt ha­ben (vgl. BAG 19. Au­gust 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 61, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10 für das Merk­mal Al­ter; 13. Ok­to­ber 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 49,
 


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EzA AGG § 15 Nr. 16; 17. Au­gust 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 45, AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21 für das Merk­mal Be­hin­de­rung).

bb) Da­ge­gen kann es ein In­diz dar­stel­len, wenn ein Ar­beit­ge­ber bei der Aus­kunfts­er­tei­lung Gründe an­gibt, die im Wi­der­spruch zu sei­nem sons­ti­gen Ver­hal­ten ste­hen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird zu würdi­gen ha­ben, dass sich die Kläge­rin in­so­weit auf das ihr er­teil­te Ar­beits­zeug­nis und sei­nen In­halt vom 31. Ja­nu­ar 2010 be­ru­fen hat. Wei­ter hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt fest­ge­stellt, dass schon am 23. Ok­to­ber 2008, al­so vor der Verlänge­rung des ers­ten Ar­beits­ver­trags, Ar­beits­feh­ler der Kläge­rin Ge­gen­stand ei­nes Per­so­nal­gesprächs wa­ren. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird al­so in­so­weit zu prüfen ha­ben, ob (im Sin­ne der ers­ten Stu­fe der Dar­le­gungs­last des § 22 AGG) ei­ne er­teil­te, aber wi­dersprüchli­che oder un­zulässi­ge Aus­kunft ge­ge­ben wur­de, zunächst je­doch nicht, ob die Be­gründung des Ar­beit­ge­bers für die be­nach­tei­li­gen­de Maßnah­me in­halt­lich zu­trifft oder nicht.


cc) In­dizwir­kung können auch ge­ge­be­ne, aber wech­seln­de Be­gründun­gen des Ar­beit­ge­bers für ei­ne ge­trof­fe­ne be­nach­tei­li­gen­de Maßnah­me ha­ben. In die­sem Zu­sam­men­hang wird das Lan­des­ar­beits­ge­richt das Vor­brin­gen der Kläge­rin zu prüfen ha­ben, zunächst sei ihr ein be­triebs­be­ding­ter Grund („Fu­si­on“) für die Nicht­verlänge­rung vom Lei­ter der Be­zirks­ver­wal­tung M ge­nannt wor­den, wo­bei dies später oder im Pro­zess von der Be­klag­ten nicht wie­der­holt wor­den ist. Ein nicht erläuter­tes Aus­wech­seln von Be­gründun­gen für ein Ver­hal­ten lässt nach all­ge­mei­ner Le­bens­er­fah­rung den Schluss zu, dass die zunächst ge­ge­be­ne Be­gründung un­zu­tref­fend war. Stell­te sich dann die neue Be­gründung als un­zulässi­ge, je­den­falls aber als im Wi­der­spruch zum bis­he­ri­gen ei­ge­nen Ver­hal­ten ste­hen­de Ar­gu­men­ta­ti­on dar, so verstößt es nicht ge­gen Denk­ge­set­ze an­zu­neh­men, dass über die wah­ren Gründe nicht ge­spro­chen wer­den soll. Das in­di­ziert, dass die ei­gent­li­chen Gründe un­er­laubt wa­ren und genügt da­her im Sin­ne der Dar­le­gungs­last der Kläge­rin nach § 22 AGG.


dd) Da die Be­klag­te Aus­kunft er­teilt hat, kann es der Se­nat vor­lie­gend da­hin­ste­hen las­sen, ob dem ein Aus­kunfts­an­spruch der Kläge­rin zu­grun­de lag. Es ist in die­sem Zu­sam­men­hang dar­auf hin­zu­wei­sen, dass bei ei­ner - wie im
 


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Fall der Kläge­rin - sach­grund­lo­sen Be­fris­tung nach § 14 Abs. 2 Tz­B­fG der Ar­beit­ge­ber oh­ne Bin­dung an sach­li­che Gründe ent­schei­den kann, ob er den be­fris­tet beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer nach Ab­lauf der ver­ein­bar­ten Ver­trags­lauf­zeit wei­ter­beschäftigt; an den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ist er nicht ge­bun­den (BAG 13. Au­gust 2008 - 7 AZR 513/07 - Rn. 23, BA­GE 127, 239 = AP Tz­B­fG § 14 Nr. 75 = EzA Tz­B­fG § 14 Nr. 52; APS/Back­haus 4. Aufl. § 15 Tz­B­fG Rn. 112; ErfK/Müller-Glöge 12. Aufl. § 15 Tz­B­fG Rn. 7; Dörner Der be­fris­te­te Ar­beits­ver­trag 2. Aufl. Rn. 765). Auch aus § 30 Abs. 3 BG-AT, der dem Wort­laut von § 30 Abs. 3 TVöD ent­spricht, folgt kein Aus­kunfts­an­spruch zum En­de der Beschäfti­gung nach Ab­lauf der Höchst­be­fris­tungs­dau­er. Nach § 30 Abs. 3 Satz 1 BG-AT soll zwar ein be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag oh­ne sach­li­chen Grund in der Re­gel zwölf Mo­na­te nicht un­ter­schrei­ten, die Ver­trags­dau­er muss mind. sechs Mo­na­te be­tra­gen. § 30 Abs. 3 Satz 2 BG-AT sieht da­ge­gen nur vor, dass der Ar­beit­ge­ber vor Ab­lauf des Ar­beits­ver­trags zu prüfen hat, ob ei­ne un­be­fris­te­te oder be­fris­te­te Wei­ter­beschäfti­gung möglich ist. Da­mit sta­tu­iert § 30 Abs. 3 Satz 2 BG-AT al­lein ei­ne Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers zu prüfen, ob ei­ne wei­te­re Beschäfti­gung - un­be­fris­tet oder be­fris­tet - möglich ist. Ei­ne wei­ter­ge­hen­de Ver­pflich­tung sieht § 30 Abs. 3 Satz 2 BG-AT nicht vor, ins­be­son­de­re nicht, das Er­geb­nis der Prüfung dem Ar­beit­neh­mer mit­zu­tei­len. Erst recht kann § 30 Abs. 3 Satz 2 BG-AT kei­ne ma­te­ri­ell­recht­li­che Ver­pflich­tung ent­nom­men wer­den, dem Ar­beit­neh­mer die Gründe für ein ne­ga­ti­ves Prüfungs­er­geb­nis mit­zu­tei­len.


5. Der Se­nat kann in der Sa­che nicht selbst ent­schei­den, § 563 Abs. 3 ZPO, da das Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht sämt­li­che von der Kläge­rin vor­ge­brach­ten Tat­sa­chen gewürdigt hat und der Se­nat nach § 286 ZPO nicht sei­ne Würdi­gung an die Stel­le der Würdi­gung des Tat­sa­chen­ge­richts set­zen darf.


II. Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist auch be­gründet, so­weit sie sich ge­gen ei­ne Ver­ur­tei­lung zur Zah­lung ei­nes Scha­dens­er­sat­zes wen­det. Der von der Kläge­rin be­gehr­te ma­te­ri­el­le Scha­dens­er­satz­an­spruch gemäß § 15 Abs. 1, §§ 7, 1 AGG iVm. §§ 249, 252 BGB kann mit der Be­gründung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht be­jaht wer­den. Die bis­he­ri­ge Würdi­gung des Lan­des-

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ar­beits­ge­richts (§ 22 AGG iVm. § 286 ZPO), die Kläge­rin sei we­gen ih­rer eth­ni­schen Her­kunft ungüns­ti­ger be­han­delt wor­den, hält, wie dar­ge­legt, ei­ner re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prüfung nicht stand.


III. Die An­schluss­re­vi­si­on ist gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG, § 554 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO statt­haft. Sie konn­te auch be­dingt für den Fall er­ho­ben wer­den, dass auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten das Be­ru­fungs­ur­teil auf­ge­ho­ben wird. Ei­ne un­ter die­ser Be­din­gung ein­ge­leg­te An­schluss­re­vi­si­on ist statt­haft (vgl. Mu­sielak/Ball ZPO 9. Aufl. § 554 Rn. 8). Es genügt, dass die­se sich ge­gen das­sel­be Ur­teil rich­tet, wel­ches durch das Haupt­rechts­mit­tel an­ge­foch­ten ist (vgl. BGH 29. Ja­nu­ar 2003 - IV ZR 257/01 - Rn. 18, NJW-RR 2003, 598; 21. Fe­bru­ar 1992 - V ZR 273/90 - Rn. 18, NJW 1992, 1897).


Die An­sch­ließung der Kläge­rin ist am 16. Au­gust 2011 (Bl. 218 Se­nA), al­so in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung der Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift am 22. Ju­li 2011 (Bl. 217 Se­nA), er­folgt (§ 72 Abs. 5 ArbGG, § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Sie ist zu­gleich be­gründet wor­den (§ 554 Abs. 3 Satz 1 ZPO).


1. Ob die Hilfs­an­schluss­re­vi­si­on der Kläge­rin be­gründet ist, kann vom Se­nat nicht ent­schie­den wer­den; die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts hält ei­ner re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prüfung nicht stand. Ob die zulässi­ge Be­ru­fung der Kläge­rin ganz oder teil­wei­se be­gründet ist, kann der Se­nat nicht ent­schei­den. Be­reits die Re­vi­si­on der Be­klag­ten führt zur Auf­he­bung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils. Ob der Kläge­rin über­haupt Scha­dens­er­satz- oder Entschädi­gungs­ansprüche zu­ste­hen, kann nicht ab­sch­ließend be­ur­teilt wer­den.
 


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2. Soll­te das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu dem Er­geb­nis ge­lan­gen, dass der Kläge­rin ei­ne Entschädi­gung nach § 15 Abs. 2 AGG zu­steht, wird es über die Höhe der Entschädi­gung neu zu be­fin­den ha­ben. Die Recht­spre­chung des EuGH ver­langt, dass die Sank­ti­on in ei­nem an­ge­mes­se­nen Verhält­nis zum er­lit­te­nen Scha­den ste­hen muss (vgl. EuGH 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehm­pa­ehl] Rn. 27, 32, Slg. 1997, I-2195 = AP BGB § 611a Nr. 13 = EzA BGB § 611a Nr. 12; 2. Au­gust 1993 - C-271/91 - [Mar­shall] Slg. 1993, I-4367; BAG 22. Ja­nu­ar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82, BA­GE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Die Höhe der Entschädi­gung muss ge­eig­net sein, den Ar­beit­ge­ber zukünf­tig zur ord­nungs­gemäßen Erfüllung sei­ner Pflich­ten nach dem AGG an­zu­hal­ten (spe­zi­al­präven­ti­ve Funk­ti­on) und Drit­te von ähn­li­chen Verstößen ab­zu­hal­ten (ge­ne­ral­präven­ti­ve Funk­ti­on). Kommt dem Scha­dens­er­satz ein Sank­ti­ons­zweck zu, so ist die­ser aber durch den Scha­dens­aus­gleichs­ge­sichts­punkt be­grenzt (vgl. Däubler/Bertz­bach-Dei­nert 2. Aufl. § 15 Rn. 14; Adom­eit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 73; Mei­nel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 62 f.; Stof­fels RdA 2009, 204, 205 f.). Ent­schei­dend ist, dass der im­ma­te­ri­el­le Scha­den kom­pen­siert wird. Die Erwägung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, ei­ne höhe­re Entschädi­gung als 2.500,00 Eu­ro sei des­halb nicht ge­recht­fer­tigt, weil die Kläge­rin re­la­tiv schnell ei­ne an­der­wei­ti­ge Beschäfti­gung hat auf­neh­men können, ist nicht frei von Rechts­feh­lern. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat, oh­ne dass es dies aus­drück­lich aus­ge­spro­chen hätte, an­ge­nom­men, mit der Auf­nah­me der an­der­wei­ti­gen Beschäfti­gung ha­be die Be­ein­träch­ti­gung ge­en­det und zei­ti­ge kei­ne Fol­gen mehr. Al­ler­dings ge­noss die Kläge­rin in ih­rem neu­en Ar­beits­verhält­nis - an­ders als im Ar­beits­verhält­nis zur Be­klag­ten - je­den­falls für die Dau­er von sechs Mo­na­ten kei­nen Kündi­gungs­schutz. Da­her hielt auch nach der Auf­nah­me der an­der­wei­ti­gen Beschäfti­gung die In­ter­es­senschädi­gung an. Die­se In­ter­es­senschädi­gung würde auch nicht durch Gewährung des von der Kläge­rin be­gehr­ten ma­te­ri­el­len Scha­dens­er­sat­zes aus­ge­gli­chen. Mit der ge­ge­be­nen Be­gründung kann da­her die Be­gren­zung der Entschädi­gung auf 2.500,00 Eu­ro, was et­wa dem 1,6-Fa­chen ei­nes Brut­to­mo­nats­ver­diens­tes ent­spricht, nicht ge­recht­fer­tigt wer­den. Im Übri­gen kommt mit Rück­sicht auf den
 


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Präven­ti­ons­zweck auch ei­ne Berück­sich­ti­gung der wirt­schaft­li­chen Leis­tungsfähig­keit des Ar­beit­ge­bers in Be­tracht.


Hauck 

Böck 

Brein­lin­ger

Volz 

Pau­li

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