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LAG Köln, Urteil vom 08.09.2015, 12 Sa 682/15
Schlagworte: | Außerordentliche Kündigung, Krankheitsbedingte Kündigung, Unkündbarkeit | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Köln | |
Aktenzeichen: | 12 Sa 682/15 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 08.09.2015 | |
Leitsätze: | 1. Auch vom Arbeitnehmer nicht zu vertretende Umstände in seiner Person können geeignet sein, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ein wichtiger Grund kann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer auf Grund von Umständen, die in seiner Sphäre liegen, zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Arbeitsleistung auf unabsehbare Dauer nicht mehr in der Lage ist. 2. Gegen eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses kann die relativ kurze Dauer der Arbeitsunfähigkeit zwischen dem Beginn der Erkrankung und dem Aussprich der Kündigung sowie die geringe Höhe der in dieser Zeit geleisteten Entgeltfortzahlung sprechen. 3. In der Interessenabwägung sind vom Arbeitnehmer angebotene Maßnahmen - die nach § 84 Abs. 2 SGB IX zu beachten gewesen wären - zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu beachten. |
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Köln, 1 Ca 3079/14 | |
Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15. Dezember 2014 - 1 Ca 3079/14 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen Erkrankung der tariflich unkündbaren Klägerin.
Die Klägerin - Jahrgang 1959 - ist seit 1996 bei der Beklagten als Briefzustellerin mit einem Monatsbruttolohn von 3.200,00 Euro beschäftigt. Die Beklagte ist ein bundesweit tätiges Dienstleitungsunternehmen mit dem Schwerpunkt Zustellung von Paket- und Briefsendungen. Die Klägerin war in der Vergangenheit auch als Verteilkraft, im Fahrdienst und zuletzt in der Zustellung tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der D P AG (MTV) Anwendung. Er enthält in § 34 MTV einen besonderen Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer, die nach der Vollendung des 50. Lebensjahres eine Postdienstzeit von 15 Jahren vollendet haben. Sie können nach § 34 Abs. 2 MTV nur aus wichtigem Grund gekündigt werden.
Am 20. August 2012 erkrankte die Klägerin mit der Folge der Arbeitsunfähigkeit. Am 9. Oktober 2012 wurde sie am linken Zeh operiert. In einem Personalgespräch im November 2012 teilte sie mit, weitere operative Eingriffe seien erforderlich. Ein solcher Eingriff erfolgte im Januar 2013.
Bei betriebsärztlichen Untersuchungen im März und Juni 2013 wurde festgestellt, dass die Klägerin nicht ausreichend belastbar sei. In einem Personalgespräch am 26. August 2013 konnte die Klägerin keine Angabe über die Wiederherstellung ihres Gesundheitszustands machen.
Bei einer weiteren betriebsärztlichen Untersuchung am 27. November 2013 stellte der Betriebsarzt fest, dass gegen den Einsatz der Klägerin in der Briefzustellung oder ähnliche Tätigkeiten im Kernbereich des einfachen Dienstes dauernde gesundheitliche Bedenken bestünden.
Die Klägerin stimmte am 4. Januar 2014 der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements zu. In dem Eingliederungsgespräch am 10. Januar 2014 schilderte sie ihren Gesundheitszustand. Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der betriebsärztlichen Untersuchung teilte ihr der Abteilungsleiter Personal mit, dass keine alternativen leidensgerechten Beschäftigungsmöglichkeiten bestünden. Dann wurde eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses besprochen.
Am 14. Februar 2014 - nach dem Ende des Krankgeldbezugszeitraums - legte die Klägerin eine Erklärung ihres behandelnden Arztes vor, der Maßnahmen zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben vorschlug. Täglich könne sie fünf Stunden mit leichter Tätigkeit arbeiten.
Unter dem 14. März 2014 hörte die Beklagte ihren Betriebsrat zur außerordentlichen Kündigung der Klägerin mit sozialer Auslauffrist an. Darin schilderte sie die Krankheitsgeschichte und die betriebsärztlichen Untersuchungen. Im Schreiben vom 19. März 2014 teilte der Betriebsrat mit, dass er der außerordentlichen Kündigung nicht zustimme. Dabei bezog er sich auf die Bereitschaft der Klägerin, einen Arbeitsversuch im Rahmen einer Wiedereingliederung zu unternehmen. Am 27. März 2014 sprach die Beklagte die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist aus.
Mit der rechtzeitig erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigung. Sie hat behauptet, in dem Gespräch am 10. Januar 2014 seien keine möglichen Aktivitäten zu einer Verbesserung des Gesundheitszustands erörtert worden. Sie habe mehrfach darauf hingewiesen dass sie ggf. ihre alte Tätigkeit nicht mehr in vollem Umfang wieder aufnehmen könne, aber bereit sei, die der Beklagten zur Verfügung stehenden anderen Arbeitsbereiche - auch in Vollzeit - abzudecken. In einem Schreiben vom 12. Februar 2014 habe sie der Beklagten mitgeteilt, ab dem 18. Februar 2014 wieder in der Lage zu sein, ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27. März 2014 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten der Klägerin auf anderen Arbeitsplätzen im Niederlassungsbereich geprüft zu haben. Eine Tätigkeit in der Briefsortierung scheide aus, da auch hier Behälter mit einem Gewicht von bis zu 25 kg zu heben und zu tragen seien. Die Laufleistung betrage über vier km. Auch bei den benachbarten Niederlassungen in D , B und Du habe kein leidensgerechter Arbeitsplatz gefunden werden können. In dem Gespräch am 10. Januar 2014 seien der Gesundheitszustand der Klägerin und mögliche Aktivitäten zu seiner Verbesserung besprochen worden. Der Klägerin sei eröffnet worden, dass Einsatzmöglichkeiten für sie nicht bestünden. Das Arbeitsverhältnis stelle sich für die Beklagte als sinnentleert dar, da sie davon ausgehen müsse, ihr Weisungsrecht nicht mehr ausüben zu können. Sie habe keine Tätigkeiten im Bereich des Fahrdienstes oder der Verteilung zuweisen können. Diese Tätigkeit habe eine Gruppe unter der Entgeltgruppe der Klägerin gelegen. Eine Tätigkeit im Service- und Adressmanagement (SAM) sei zwar annähernd leidensgerecht, alle dort vorhandenen Arbeitsstellen seien jedoch durch schwerbehinderte oder mindestens gleich stark eingeschränkte, gleichgestellte Mitarbeiter besetzt. Die Wiedereingliederung habe sie nicht durchführen müssen, da die vorgeschlagenen leichten Tätigkeiten nicht zur Verfügung gestanden hätten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil, das am 15. Dezember 2014 verkündet worden ist, stattgegeben. Im Urteil ist das Vorbringen der Parteien nicht wiedergegeben. Das Arbeitsgericht hat die außerordentliche Kündigung für unwirksam angesehen. Die Beklagte habe sich nicht ausreichend um Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bemüht. Im Übrigen wird auf das Urteil Bezug genommen.
Das Urteil ist der Beklagten am 20. Januar 2015 zugestellt worden. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Berufungsschrift der Beklagten ist am 4. Februar 2015, die Berufungsbegründung nach Verlängerung der Begründungsfrist am 20. April 2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.
Die Beklagte macht geltend, die Klägerin sei in der Zustellung nicht mehr einsetzbar, da häufig bis zu zehn kg gehoben und getragen werden müssten. Für eine Tätigkeit im Fahrdienst sei die Klägerin nicht geeignet. Die Fahrten zur Kastenentleerung seien fremdvergeben; es bestünden keine freien Arbeitsplätze. Die Klägerin verfüge auch nicht über die richtige Führerscheinklasse, um dort eingesetzt zu werden. Man benötige einen LKW-Führerschein der Klasse CE. Im Fahrdienst sei keine Stelle frei. Aufgrund der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin seien seit dem 20. August 2012 bis zum Ablauf der Auslauffrist Entgeltfortzahlungskosten iHv. 7.693,42 Euro entstanden. Die dauerhafte Arbeitsunfähigkeit führe zu Störungen im Betriebsablauf. Die Einstellung einer Ersatzkraft sei nicht möglich, da es sich bei dem Arbeitsplatz der Klägerin um eine Planstelle handele. Die eigentlich von der Klägerin zu bewältigende Arbeit müsse auf die übrigen Mitarbeiter aufgeteilt werden, insgesamt 806 Haushalte. Auch bei der Urlaubsplanung komme es zu Schwierigkeiten, insbesondere während der Schulferien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15. Dezember 2014 - 1 Ca 3079/14 20 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin trägt vor, sie sei in der Lage, eine andere als die vertraglich geschuldete Tätigkeit auszuüben. Bereits im August 2013 habe sie darauf hingewiesen, im Fahrdienst für gewerbliche Kunden einsetzbar zu sein. Sie sei überdies in der Lage, andere leidensgerechte Tätigkeiten bei der Beklagten auszuüben. Sie könne auch als Postfachsortiererin eingesetzt werden. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Einstellung einer Ersatzkraft nicht möglich sei.
Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze wie auch auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
A. Die statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet, § 66 Abs. 1 Satz 1, 2, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 519, § 520 Abs. 1, Abs. 3 ZPO.
Sie ist insbesondere statthaft. Es handelt sich vorliegend nicht um ein mgl. der Berufung entzogenes Urteil ohne Gründe, auch wenn das Urteil den Vortrag der Parteien nicht wiedergibt. Denn auch ein Nichturteil könnte im Wege der Berufung wegen des Anscheins eines Urteils angegriffen werden. Selbst das verkündete, nicht mit Gründen zugestellte Urteil unterliegt der Berufung. Eine Zurückverweisung scheidet daher aus, § 68 ArbGG (vgl. BAG 1. Oktober 2003 - 1 ABN 62/01 - BAGE 108, 55; 24. April 1996 - 5 AZN970/95 - ).
B. Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Kündigungsschutzklage ist begründet.
I. Die Klägerin ist ordentlich unkündbar, § 34 Abs. 2 MTV. Sie ist älter als 50 Jahre und länger als 15 Jahre beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis konnte daher nur nach § 34 Abs. 2 MTV iVm. § 626 Abs. 1 BGB gekündigt werden. Ob darüber hinaus aus § 36 Abs. 1 MTV ein Verbot der außerordentlichen Kündigung wegen anhaltender Krankheit folgt, war nicht zu prüfen, da sich die Klägerin nicht iSd. § 6 Satz 1 KSchG auf diesen Unwirksamkeitsgrund - nachdem sie entsprechend von der Kammer belehrt worden war - berufen hat (vgl. hierzu BAG 8. November 2007 - 2 AZR 314/06 - Rn. 11, BAGE 124, 367).
II. Die außerordentliche Kündigung der Beklagten erfüllt nicht die Anforderungen des § 626 Abs.1 BGB, auf den § 34 Abs. 2 MTV verweist.
1. Auch vom Arbeitnehmer nicht zu vertretende Umstände in seiner Person können geeignet sein, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ein wichtiger Grund kann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer auf Grund von Umständen, die in seiner Sphäre liegen, zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Arbeitsleistung auf unabsehbare Dauer nicht mehr in der Lage ist. Darin liegt regelmäßig eine schwere und dauerhafte Störung des vertraglichen Austauschverhältnisses, der der Arbeitgeber, wenn keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen, mit einer außerordentlichen Kündigung begegnen kann. Liegt eine dauerhafte Leistungsunfähigkeit vor, kann dies den Arbeitgeber bei tariflichem Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit des Arbeitnehmers jedenfalls zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung mit einer der ordentlichen Kündigung entsprechenden Auslauffrist berechtigen (BAG 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 24, BAGE 132, 299).
2. Nach der ständigen Rechtsprechung kann bei einem Ausschluss der ordentlichen Kündigung auf Grund tarifvertraglicher Vorschriften im Ausnahmefall auch eine krankheitsbedingte außerordentliche Kündigung in Betracht kommen. Krankheit ist danach zwar nicht als wichtiger Grund iSd. § 626 BGB ungeeignet. An eine Kündigung wegen Erkrankung eines Arbeitnehmers ist allerdings schon bei einer ordentlichen Kündigung ein strenger Maßstab anzulegen, so dass nur in eng begrenzten Ausnahmefällen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem kranken Arbeitnehmer für den Arbeitgeber iSd. § 626 Abs. 1 BGB unzumutbar sein kann (BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 25).
3. Bei einer krankheitsbedingten Kündigung fallen die betrieblichen Belastungen durch Entgeltfortzahlungskosten bei der Prüfung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis zu beenden, entscheidend ins Gewicht. Dabei kann es durchaus die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verstärken, wenn der Arbeitgeber bis zur Pensionierung des Arbeitnehmers keine nennenswerte Arbeitsleistung mehr zu erwarten hat, aber trotzdem den üblichen Sechs-Wochen-Zeitraum für die Entgeltfortzahlung erheblich übersteigende Zahlungen zu erbringen hat. Kann mit einer Einsatzfähigkeit auf Dauer nicht mehr gerechnet werden, so kann eine unbegrenzte Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung geeignet sein, das Interesse an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses entscheidend zu verstärken. Dieses Interesse ist nach § 626 Abs. 1 BGB gegen das Interesse des Arbeitnehmers an der Weiterzahlung seines Gehalts, das unter diesen Voraussetzungen lediglich noch Rentencharakter hat, abzuwägen (BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 29).
4. Auch eine krankheitsbedingte Leistungsminderung ist zwar nicht generell ungeeignet, einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen (vgl. BAG 28. Oktober 2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 32; 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 24, BAGE 132, 299). Grundsätzlich ist es dem Arbeitgeber aber zuzumuten, die geltende Kündigungsfrist einzuhalten. Eine außerordentliche Kündigung kommt daher nur in eng begrenzten Fällen in Betracht, etwa bei einem Ausschluss der ordentlichen Kündigung aufgrund tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 - Rn. 14; 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - zu II 3 der Gründe, BAGE 96, 65). Schon an eine ordentliche Kündigung wegen krankheitsbedingter Einschränkungen des Arbeitnehmers ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Anforderungen an die Wirksamkeit einer auf Krankheit gestützten außerordentlichen Kündigung gehen darüber noch hinaus (BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 26 ff.; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 4 b der Gründe). Es bedarf eines gravierenden Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung. Schon eine ordentliche Kündigung wegen einer Leistungsminderung setzt voraus, dass die verbliebene Arbeitsleistung die berechtigte Gleichwertigkeitserwartung des Arbeitgebers in einem Maße unterschreitet, dass ihm ein Festhalten an dem (unveränderten) Arbeitsvertrag unzumutbar ist (BAG 11. Dezember 2003 - 2 AZR 667/02 - zu B III 2 d der Gründe, BAGE 109, 87). Für die außerordentliche Kündigung gilt dies in noch höherem Maße (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 825/12 - Rn. 20).
5. Die prognostizierten Fehlzeiten und die sich aus ihnen ergebende Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen müssen deutlich über das Maß hinausgehen, welches eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen vermöchte. Es bedarf eines gravierenden Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung. Auch können Häufigkeit und Dauer der krankheitsbedingten Fehlzeiten im Einzelfall dazu führen, dass ein Einsatz des Arbeitnehmers nicht mehr sinnvoll und verlässlich geplant werden kann und dieser damit zur Förderung des Betriebszwecks faktisch nicht mehr beiträgt (BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 28, BAGE 147, 162).
6. Es ist im Rahmen der außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, von vornherein darzulegen, dass er alles Zumutbare unternommen hat, um den Arbeitnehmer im Arbeitsprozess zu halten. Er muss dies nicht erst dann tun, wenn der Arbeitnehmer geeignete Beschäftigungsmöglichkeiten aufgezeigt hat (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 288/13 - Rn. 41).
7. An diesen Maßstäben gemessen scheidet hier ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung der Beklagten aus. Es liegt nach Abwägung aller Interessen für die Kammer kein eng begrenzter Ausnahmefall vor, in dem die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die Beklagte unzumutbar ist.
a) Es ergeben sich aus dem Vortrag der Beklagten keine ausreichenden Anhaltspunkte für ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis. Es ist kein gravierendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung auszumachen. Die verbliebene Arbeitsleistung der Klägerin unterschreitet die berechtigte Gleichwertigkeitserwartung der Beklagten nicht in einem Maße, dass ihr ein Festhalten an dem (unveränderten) Arbeitsvertrag unzumutbar ist. Es mag sein, dass die Klägerin nicht mehr in vollem Umfang als Briefzustellerin tätig werden und eingesetzt werden kann und hierdurch Betriebsablaufstörungen eintreten. Es steht aber nicht zu erwarten, dass die Klägerin bis zum Erreichen des gesetzlichen Regelrentenalters in ca. neun Jahren keine nennenswerten Arbeitsleistungen mehr für die Beklagte erbringen kann.
b) Gegen eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses spricht aus Sicht der Kammer besonders die relativ kurze Dauer der
Arbeitsunfähigkeit zwischen dem Beginn der Erkrankung im August 2012 und dem Aussprich der Kündigung im März 2014 sowie die geringe Höhe der in dieser Zeit geleisteten Entgeltfortzahlung: Die Beklagte leistete etwas mehr als zwei Monatsgehälter Entgeltfortzahlung. Die Beklagte trägt auch nicht vor, dass sich dieser Betrag in der nächsten Zeit ohne signifikante Arbeitsleistung der Klägerin erhöhen würde. Zudem hat die Klägerin mit der Vorlage des Wiedereingliederungsplans ihre fortbestehende Arbeitsunfähigkeit zum Ausdruck gebracht.
c) Die Beklagte legt weiterhin nicht dar, sämtliche zumutbaren Bemühungen unternommen zu haben, um die Klägerin weiter zu beschäftigen. Die Beklagte selbst hat mögliche leidensgerechte Tätigkeiten für die Klägerin im Bereich SAM aufgezeigt, die aber wegen Besetzung der Stellen nicht bestehen sollen. Allerdings hat die Beklagte nicht dargelegt, dass diese Stellen auch dauerhaft und auf Jahre nicht zur Verfügung stehen. Im Rahmen der außerordentlichen Kündigung wäre die Beklagte allerdings verpflichtet gewesen, und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen, Tätigkeiten anzubieten, sobald sie freiwürden. Die derzeitige Besetzung der Stellen reicht hierfür nicht aus. Das gilt auch für mögliche Fahrertätigkeiten. Es ist nicht ersichtlich, dass ein Einsatz der Klägerin auf Dauer unmöglich ist, etwa durch das Erwerben des erforderlichen Führerscheins.
d) Schließlich musste die Beklagte, um dem Gedanken der Unzumutbarkeit zu genügen, Versuche - die nach § 84 Abs. 2 SGB IX zu beachten gewesen wären - zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nutzen, insbesondere eine mögliche Wiedereingliederung. Die Beklagte hätte insoweit darlegen müssen, dass auch die von der Klägerin angebotene Wiedereingliederung nicht zur Wiederherstellung einer sinnvollen Arbeitstätigkeit geführt hätte (vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38). Mit dem Einsatz der Klägerin in einem anderen Bereich hätte zudem ihre bisherige Stelle erneut besetzt werden können. Bis zu einer Klärung hätte die Beklagte zur Vertretung befristete Arbeitsverhältnisse vereinbaren können.
e) Unter Abwägung all dieser Umstände ist der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
D. Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 ArbGG. Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung.
E. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird hingewiesen, § 72a Abs. 1 ArbGG.
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Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
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Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |