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LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 16.12.2009, 2 Sa 49/09

   
Schlagworte: Arglistige Täuschung, Vergleich: Anfechtung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Aktenzeichen: 2 Sa 49/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 16.12.2009
   
Leitsätze: Wenn der Arbeitgeber seine Kündigung auf schwerwiegende Verfehlungen des Arbeitnehmers stützt, kann er sich durch die Aufdeckung weiterer verschwiegener Vorgänge nach Abschluss eines gerichtlichen Abfindungsvergleiches und einer umfassenden Erledigungsklausel nicht "getäuscht" fühlen. (Rn.36)
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 5.03.2009, 17 Ca 8063/08
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ba­den-Würt­tem­berg

 

Verkündet

am 16.12.2009

Ak­ten­zei­chen (Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben) 

2 Sa 49/09

17 Ca 8063/08 (ArbG Stutt­gart)

Mat­tel Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le
 

Im Na­men des Vol­kes

 

Ur­teil


In dem Rechts­streit

- Be­klag­te/Wi­derkläge­rin/Be­ru­fungskläge­rin -

Proz.-Bev.:

ge­gen 

- Kläger/Wi­der­be­klag­ter/Be­ru­fungs­be­klag­ter -

Proz.-Bev.:

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg - 2. Kam­mer -
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Hen­sin­ger,
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Hof­mann
und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Za­ger­mann
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 18.11.2009

für Recht er­kannt:

1. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits-ge­richts Stutt­gart vom 05.03.2009 - 17 Ca 8063/08 - wird auf de­ren Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um die Wirk­sam­keit ei­nes zur Bei­le­gung ei­nes Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses ge­schlos­se­nen Pro­zess­ver­gleichs.

Der am 07.03.1958 ge­bo­re­ne, nach ei­ge­nen An­ga­ben le­di­ge und zwei Kin­dern un­ter­halts­ver­pflich­te­te Kläger ist seit 1986 (Kläger) bzw. 01.03.1988 (Be­klag­te) im D.-K. beschäftigt. Am 01.04.1995 wech­sel­te der Kläger zur Be­klag­ten. Grund­la­ge der Ar­beits­be­zie­hun­gen ist dort ein Ar­beits­ver­trag vom 16.05.1995/09.08.1995 (Bl. 43 bis 46 der erst­in­stanz­li­chen Ak­te). Zif­fer 10 die­ses Ar­beits­ver­tra­ges lau­tet:

„Ne­ben­be­ruf­li­che Er­werbstätig­keit
Be­ab­sich­ti­gen Sie, ei­ne ne­ben­be­ruf­li­che Er­werbstätig­keit aus­zuüben, so ha­ben Sie dies recht­zei­tig vor­her Ih­rer Per­so­nal­ab­tei­lung mit­zu­tei­len. Die Fir­ma kann die ne­ben­be­ruf­li­che Er­werbstätig­keit un­ter­sa­gen, wenn ih­re be­rech­tig­ten In­ter­es­sen ent­ge­gen­ste­hen.“

Ab dem 01.04.2005 war der Kläger in der Funk­ti­on ei­nes Geschäftsführer bei E. UK in G. tätig. Grund­la­ge für die­se Aus­landstätig­keit ist ei­ne Ver­ein­ba­rung für den in­ter­na­tio­na­len Ein­satz vom 14.06.2005 (Bl. 4 bis 9 der zweit­in­stanz­li­chen Ak­te). In Zif­fer 1 (Ver­trags­ge­gen­stand) heißt es:

„Die Be­stim­mun­gen des be­ste­hen­den Ar­beits­ver­tra­ges gel­ten fort, so­weit die­se Zu­satz­ver­ein­ba­rung nichts an­de­res be­stimmt.“

Das Jah­res­ein­kom­men des Klägers für die­sen in­ter­na­tio­na­len Ein­satz be­lief sich bei 100%iger Ziel­er­rei­chung auf 316.250,00 € brut­to. Die Be­klag­te ist im D.-K. ein Un­ter­neh­men, das Om­ni­bus­se her­stellt und ver­treibt.

Je­den­falls ab Ju­li 2007 woll­te der Kläger das Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten be­en­den. In ei­ner Be­spre­chung vom 30.07.2007 erklärte der Kläger, dass er die Be­klag­te ver­las­sen wol­le und über­reich­te ein Schrei­ben vom 30.07.2007, in dem er die Be­klag­te um ei­nen Vor­schlag zu ei­ner ein­ver­nehm­li­chen Aus­schei­dens­ver­ein­ba­rung bat. Zu­gleich über­reich­te der Kläger ein For­mu­lar, in dem er Ur­laub vom 06.08.2007 bis 22.10.2007 (55 Ur­laubs­ta­ge) be­an­trag­te. Der Kläger erklärte, dass er nach dem Ur­laub ei­ne Tätig­keit bei der Be­klag­ten nicht mehr ausüben wer­de. Der Ur­laub des Klägers wur­de ge­neh­migt, auf den Wunsch des Klägers auf Ab­schluss ei­ner Aus­schei­dens­ver­ein­ba­rung ging die Be­klag­te zunächst nicht ein. Nach Ab-

 

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lauf des Ur­laubs leg­te der Kläger zunächst ei­ne Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gung ei­nes deut­schen Arz­tes vom 26.10.2007 bis zum 02.11.2007 vor. Ab dem 03.11.2007 war der Kläger auf­grund meh­re­rer Be­schei­ni­gun­gen ei­nes eng­li­schen Arz­tes we­gen der Dia­gno­se „work-re­la­ted stress“ bis En­de April 2008 krank­ge­schrie­ben.

Die Be­klag­te lei­te­te ab Ja­nu­ar 2008 in­ter­ne Un­ter­su­chun­gen über die Tätig­keit des Klägers ein. Nach ih­rer Auf­fas­sung stell­te sie da­bei er­heb­li­che Pflicht­ver­let­zun­gen des Klägers in der Ver­gan­gen­heit fest. Die Be­klag­te ist der Auf­fas­sung, dass der Kläger während der Beschäfti­gung bei der E. UK Per­so­nal- und Sach­mit­tel der Be­klag­ten in er­heb­li­chem Um­fang für pri­va­te Zwe­cke ein­ge­setzt hat. In ei­nem Schrei­ben vom 07.02.2008 kon­fron­tier­te die Be­klag­te den Kläger mit den Vorwürfen und er­bat ei­ne schrift­li­che Stel­lung­nah­me, nach­dem der Kläger ei­nen Gesprächs­ter­min nicht wahr­ge­nom­men hat­te. In dem Schrei­ben vom 07.02.2008 hielt die Be­klag­te dem Kläger meh­re­re Pflicht­ver­let­zun­gen vor: so ha­be der Kläger im April 2005 für sei­ne Le­bens­part­ne­rin ei­nen Ar­beits­platz in den Räum­en der Be­klag­ten nebst In­ter­net­zu­gang ein­rich­ten las­sen. Der Kläger ha­be Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten an­ge­wie­sen, pri­va­te Fahr­ten für sei­ne Le­bens­gefähr­tin durch­zuführen. Der Kläger ha­be in er­heb­li­chem Um­fang für sei­nen pri­va­ten In­ter­net­an­schluss in sei­nem Pri­vat­haus IT-Leis­tun­gen ei­nes Mit­ar­bei­ters der Be­klag­ten in An­spruch ge­nom­men. Der Kläger ha­be sich auch über meh­re­re An­wei­sun­gen und Richt­li­ni­en der Be­klag­ten hin­weg­ge­setzt und z. B. ent­ge­gen ei­ner Fir­men­kre­dit­kar-ten­richt­li­nie ei­ne Fir­men­kre­dit­kar­te re­gelmäßig für Pri­vat­aus­ga­ben ge­nutzt. Ent­ge­gen ei­ner Dienst­wa­gen­richt­li­nie ha­be der Kläger ei­nen Dienst­wa­gen der M. B. S-Klas­se ge­nutzt. Ent­ge­gen ei­ner Rei­se­kos­ten­richt­li­nie ha­be der Kläger an ei­nem be­stimm­ten Zeit­punkt in ei­nem der teu­ers­ten und bes­ten Ho­tels in L. genäch­tigt. Für sei­ne Le­bens­part­ne­rin ha­be er ei­nen höher­wer­ti­gen Pkw auf Rech­nung der Be­klag­ten an­ge­mie­tet.

Nach der Stel­lung­nah­me des Klägers vom 15.02.2008, in der der Kläger die Vorwürfe von sich wies, und der Anhörung der Spre­cher­aus­schus­ses sprach die Be­klag­te am 27.02.2008 ei­ne außer­or­dent­li­che, hilfs­wei­se or­dent­li­che Kündi­gung zum 31.12.2008 aus. Die­se Kündi­gun­gen griff der Kläger mit ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge an. Im Kam­mer­ter­min des Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses schlos­sen die Par­tei­en am 10.07.2008 fol­gen­den Ver­gleich:

„1. Die Par­tei­en stel­len außer Streit, dass ihr Ar­beits­verhält­nis ein­ver­nehm­lich mit Ab­lauf des 31. März 2008 ge­en­det hat.
2. Die Be­klag­te ver­pflich­tet sich, die bis zum 31.03.2008 ent­stan­de­nen Ansprüche des Klägers auf Vergütung auf der Ba­sis des Ent­sen­de­ver­tra­ges ver­trags­gemäß ab­zu­rech­nen und aus­zu­be­zah­len.

 

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3. Die Be­klag­te ver­pflich­tet sich, die dem Kläger in tatsäch­li­cher und durch Rech­nun­gen von ihm nach­ge­wie­se­ner Höhe ent­stan­de­nen Um­zugs­kos­ten aus An­lass des Um­zugs E. nach der S.... zu er­stat­ten.
4. Die Be­klag­te ver­pflich­tet sich fer­ner, an den Kläger gemäß den §§ 9, 10 KSchG ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von € 420.000,00 zu be­zah­len.
5. Die Par­tei­en sind sich ei­nig, dass durch die­sen Ver­gleich al­le wei­ter­ge­hen­den fi­nan­zi­el­len Ansprüche zwi­schen den Par­tei­en, gleich aus wel­chem Rechts­grun­de sie ent­stan­den sein mögen, er­le­digt sind. Aus­ge­nom­men von die­ser Er­le­di­gung blei­ben even­tu­el­le Ansprüche des Klägers aus der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung der Be­klag­ten. Fer­ner sind sich die Par­tei­en ei­nig, dass der Kläger aus dem Geschäfts­jahr 2008 kei­nen An­spruch auf Phan­tom Sha­res hat.
6. Da­mit ist der Rechts­streit er­le­digt. Die Kos­ten wer­den ge­gen­ein­an­der auf­ge­ho­ben.“

Mit Schrei­ben vom 08.10.2008 focht die Be­klag­te den ge­richt­li­chen Ver­gleich vom 10.07.2008 we­gen arg­lis­ti­ger Täuschung an. Den Vor­wurf der arg­lis­ti­gen Täuschung be­gründe­te die Be­klag­te in die­sem Schrei­ben da­mit, dass der Kläger während sei­ner an­geb­li­chen Ar­beits­unfähig­keit mo­na­te­lang für ein an­de­res Un­ter­neh­men als In­te­rims­ma­na­ger tätig ge­we­sen sei. Von die­sem Sach­ver­halt ha­be sie zufällig erst Mit­te Sep­tem­ber 2008 Kennt­nis er­langt.

Die­sem Vor­wurf der Be­klag­ten liegt fol­gen­der un­strei­ti­ger Sach­ver­halt zu­grun­de: der Kläger war ab dem 21.11.2007 für den Au­to­mo­bil­zu­lie­fe­rer J. F. S. GmbH & Co. KG (im Fol­gen­den: Fa. F.) in N. zu ei­nem Ta­ges­satz von 2.000,00 € tätig. In den Mo­na­ten No­vem­ber und De­zem­ber 2007 war der Kläger für die Fir­ma F. an 14 Ta­gen im Ein­satz, in den Mo­na­ten Ja­nu­ar und Fe­bru­ar 2008 an min­des­tens 37 Ta­gen. Auch in den Mo­na­ten März und April 2008 ar­bei­te­te der Kläger in großem Um­fang für die Fir­ma F. (Be­klag­te: Ja­nu­ar bis April 2008 ins­ge­samt 84 Ta­ge). Die Fir­ma F. ist kein di­rek­ter Wett­be­wer­ber zu der Be­klag­ten. Ein Bru­der des Klägers war im Tätig­keits­zeit­raum des Klägers Mehr­heits­ge­sell­schaf­ter der Fir­ma F.. Die Fir­ma F. be­fand sich in die­sem Zeit­raum in ei­ner schwie­ri­gen wirt­schaft­li­chen Si­tua­ti­on.

Nach er­neu­ter Anhörung des Spre­cher­aus­schus­ses am 06.10.2008, in der die Be­klag­te die Kündi­gung vom 27.02.2008 auch auf den neu be­kannt ge­wor­de­nen Sach­ver­halt stütz­te, be­an­trag­te die Be­klag­te mit Schrift­satz vom 31.10.2008 die Wie­der­auf­nah­me des Ver­fah­rens und er­hob Wi­der­kla­ge auf Rück­zah­lung der ge­zahl­ten Ab­fin­dung zuzüglich be­zahl­ter Voll­stre­ckungs­kos­ten.

 

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Das Ar­beits­ge­richt hat mit Ur­teil vom 05.03.2009 fest­ge­stellt, dass der Rechts­streit durch den vor dem Ar­beits­ge­richt Stutt­gart am 10.07.2008 ge­schlos­se­nen Ver­gleich nicht be­en­det ist und hat die Wi­der­kla­ge ab­ge­wie­sen. Das an­ge­foch­te­ne Ur­teil ist der Auf­fas­sung, dass der Ver­gleich nicht rechts­wirk­sam an­ge­foch­ten wor­den sei. Der Kläger ha­be die Be­klag­te nicht arg­lis­tig getäuscht. Ei­ne Of­fen­ba­rungs­pflicht des Klägers ge­genüber der Be­klag­ten über sei­ne be­ra­ten­de Tätig­keit bei der F. Förde­rer ha­be bei Ab­schluss des Ver­gleichs nicht be­stan­den. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten wird auf die Gründe des an­ge­foch­te­nen Ur­teils ver­wie­sen.

Die Be­klag­te ist der Auf­fas­sung, dass der ge­richt­li­che Ver­gleich vom 10.07.2008 we­gen arg­lis­ti­ger Täuschung durch den Kläger wirk­sam an­ge­foch­ten sei und der Kläger des­halb die er­hal­te­ne Ab­fin­dung zurück­zah­len müsse. Der Kläger ha­be die Be­klag­te arg­lis­tig getäuscht, weil er ent­ge­gen ei­ner be­ste­hen­den Of­fen­ba­rungs­pflicht der Be­klag­ten nicht mit­ge­teilt ha­be, dass er während sei­ner at­tes­tier­ten Ar­beits­unfähig­keit bei ei­nem an­de­ren Un­ter­neh­men tätig war. Die Of­fen­ba­rungs­pflicht des Klägers er­ge­be sich aus Zif­fer 10 des Ar­beits­ver­tra­ges, in dem ei­ne Mit­tei­lungs­pflicht über ne­ben­be­ruf­li­che Er­werbstätig­kei­ten nor­miert sei. Der Kläger sei fak­ti­scher Geschäftsführer bei der Fir­ma F. ge­we­sen und ha­be während der at­tes­tier­ten Ar­beits­unfähig­keit we­gen „be­rufs­be­ding­ten Stres­ses“ mit ho­hem zeit­li­chen Auf­wand und der da­mit ver­bun­de­nen Rei­setätig­keit von G. nach S. ein bei­na­he in­sol­ven­tes Un­ter­neh­men geführt. Aus die­sem Sach­ver­halt lei­tet die Be­klag­te auch den Ver­dacht des Vortäuschens ei­ner Ar­beits­unfähig­keit ab. Selbst wenn der Kläger je­doch ar­beits­unfähig ge­we­sen sei, ha­be sich der Kläger während sei­ner Krank­heit ge­ne­sungs­wid­rig ver­hal­ten. Dem Kläger sei die­se Pflicht­wid­rig­keit auch be­wusst ge­we­sen. In ei­ner E-Mail an sei­nen Bru­der vom 20.11.2007 ha­be er ge­be­ten, bis zu sei­ner Frei­stel­lung bei der Be­klag­ten sei­ne Tätig­keit auf Be­ra­ter­ba­sis ab­rech­nen zu dürfen. Tatsächlich ha­be der Kläger dann Rech­nun­gen über ei­ne Er­ben­ge­mein­schaft mit sei­nem Bru­der, ei­ne „M. GdbR“, über die Durchführung von „Work­shops“ ge­stellt. Bei Kennt­nis der Tätig­keit des Klägers bei der Fir­ma F. während sei­ner Ar­beits­unfähig­keit hätte die Be­klag­te ei­nem Ver­gleich mit der Zah­lung ei­ner ho­hen Ab­fin­dung nie zu­ge­stimmt. We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der Be­klag­ten im zwei­ten Rechts­zug wird auf de­ren Schriftsätze vom 28.08.2009 und 05.11.2009 ver­wie­sen.

Die Be­klag­te be­an­tragt sinn­gemäß:

1. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das an­ge­foch­te­ne Ur­teil auf­ge­ho­ben.
2. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.

 

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3. Auf die Wi­der­kla­ge der Be­klag­ten wird der Kläger ver­ur­teilt, an die Be­klag­te 420.729,24 € net­to nebst Zin­sen zu zah­len.

Der Kläger be­an­tragt, die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Der Kläger ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil und ist der Auf­fas­sung, dass der ge­richt­li­che Ver­gleich nicht wirk­sam an­ge­foch­ten wor­den sei und des­halb auch kei­ne Rück­zah­lungs­pflicht bezüglich der er­hal­te­nen Ab­fin­dung be­ste­he. Der Kläger ha­be die Be­klag­te zu kei­ner Zeit durch po­si­ti­ves Tun arg­lis­tig getäuscht. Ei­ne Of­fen­ba­rungs­pflicht im Hin­blick auf die Ne­bentätig­keit des Klägers ha­be zu kei­nem Zeit­punkt, je­den­falls nicht im Zeit­punkt des Ver­gleichs­ab­schlus­ses be­stan­den. Sein Bru­der ha­be ihn im Herbst 2007 im Hin­blick auf die prekäre wirt­schaft­li­che Si­tua­ti­on bei der Fir­ma F. um ei­ne be­ra­ten­de Mit­hil­fe ge­be­ten. Bei Auf­nah­me die­ser Tätig­keit im No­vem­ber 2007 ha­be er da­von aus­ge­hen können, dass sein Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten auf­grund ei­ner Aus­schei­dens­ver­ein­ba­rung spätes­tens am 31.03.2008 be­en­det sein wer­de. Dies sei ihm von der Be­klag­ten si­gna­li­siert wor­den. Die Ar-beits­unfähig­keit des Klägers ab Ok­to­ber 2007 ha­be auf ei­ner psy­chi­schen Stress­si­tua­ti­on be­ruht, die von den ver­ant­wort­li­chen Mit­ar­bei­tern der Be­klag­ten her­bei­geführt wor­den sei. Der die Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gun­gen un­ter­zeich­nen­de e. Arzt ha­be es be­grüßt, dass der Kläger außer­halb des Ar­beits­verhält­nis­ses bei der Be­klag­ten an­der­wei­tig Ar­bei­ten über­nom­men ha­be, um sich ab­zu­len­ken und zu dem frühe­ren Selbst­be­wusst­sein zurück­zu­fin­den. Die Tätig­kei­ten bei der Fir­ma F. hätten des­halb auch sei­nen Ge­ne­sungs­pro­zess nicht be­ein­träch­tigt. Im Zeit­punkt des Ver­gleichs­ab­schlus­ses sei das Ar­beit­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en auf­grund der außer­or­dent­li­chen Kündi­gung der Be­klag­ten be­reits be­en­det ge­we­sen. Je­den­falls im Ju­li 2008 ha­be kei­ne Ver­pflich­tung zur Of­fen­le­gung der zurück­lie­gen­den Ne­bentätig­kei­ten bei der Fir­ma F. be­stan­den. Die Be­klag­te ha­be die außer­or­dent­li­che Kündi­gung auf 15 näher be­zeich­ne­te schwer­wie­gen­de Pflicht­ver­let­zun­gen des Klägers gestützt, die aus Sicht der Be­klag­ten den Tat­be­stand der Un­treue erfüllt hätten. Er ver­ste­he nicht, war­um ein wei­te­rer, neu ent­deck­ter Kündi­gungs­grund die Be­klag­te vom Ab­schluss des Ver­glei­ches ab­ge­hal­ten hätte. Die­se Wer­tung er­ge­be sich auch aus der um­fas­sen­den Er­le­di­gungs­klau­sel im Ver­gleich vom 10.07.2008. Die­se Er­le­di­gungs­klau­sel zei­ge, dass die Par­tei­en auch an die Möglich­keit des Be­ste­hens ih­nen nicht be­wuss­ter Ansprüche ge­dacht hätten. Die mögli­che Pflicht­ver­let­zung im Hin­blick auf die Ne­bentätig­keit während der Ar­beits­unfähig­keits­zeit sei dem Be­reich der fi­nan­zi­el­len Ansprüche zu­zu­rech­nen. Die­se sei­en je­doch in Zif­fer 5 des ge­nann­ten Ver­gleichs er­le­digt wor­den. We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens des Klägers im zwei­ten Rechts­zug wird auf des­sen Schriftsätze vom 01.10.2009 und 20.11.2009 ver­wie­sen.

 

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Ent­schei­dungs­gründe

I.

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statt­haf­te Be­ru­fung der Be­klag­ten ist frist­ge­recht ein­ge­legt und aus­geführt wor­den. Im Übri­gen sind Be­den­ken an der Zulässig­keit der Be­ru­fung nicht ver­an­lasst.

II.

In der Sa­che hat die Be­ru­fung der Be­klag­ten kei­nen Er­folg. Der Rechts­streit zwi­schen den Par­tei­en ist durch den ge­richt­li­chen Ver­gleich vom 10.07.2008 be­en­det wor­den. Die­ser Ver­gleich ist wirk­sam. Der Ver­gleich ist ins­be­son­de­re nicht auf­grund der von der Be­klag­ten erklärten An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täuschung nich­tig. Die Wi­der­kla­ge der Be­klag­ten ist des­halb un­be­gründet.

1. Der zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­ne ge­richt­li­che Ver­gleich vom 10.07.2008 ist wirk­sam.
Zu Recht ist das Ar­beits­ge­richt da­von aus­ge­gan­gen, dass der Streit darüber, ob der am 10.07.2008 ab­ge­schlos­sen Pro­zess­ver­gleich we­gen arg­lis­ti­ger Täuschung durch die Be­klag­te nich­tig ist, grundsätz­lich in Fortführung des ursprüng­li­chen Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens aus­ge­tra­gen wer­den muss. Macht ei­ne Par­tei gel­tend, ein von ihr ab­ge­schlos­se­ner Pro­zess­ver­gleich ha­be den Rechts­streit nicht er­le­digt, muss sie dies grundsätz­lich durch Fort­set­zung des ih­rer Auf­fas­sung nach nicht er­le­dig­ten Rechts­streits tun. Dies gilt auch dann, wenn es um die Fra­ge geht, ob die von ei­ner Ver­gleichs­par­tei erklärte An­fech­tung rück­wir­kend nach § 142 Abs. 1 BGB zur Un­wirk­sam­keit des Ver­gleichs geführt hat (ständi­ge Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts und Bun­des­ge­richts­hofs, z. B. BAG Ur­teil 15.05.1997 - 2 AZR 43/96 - AP Nr. 45 zu § 123 BGB; BGH Ur­teil 29.07.1999 - III ZR 272/98 - BGHZ 142, 253).

Das Ar­beits­ge­richt hat auch zu­tref­fend er­kannt, dass das Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren durch den ge­richt­li­chen Ver­gleich vom 10.07.2008 be­en­det wor­den ist. Die­ser Ver­gleich ist rechts­wirk­sam. Der Ver­gleich ist ins­be­son­de­re nicht we­gen der von der Be­klag­ten form- und frist­ge­recht erklärten An­fech­tung we­gen arg­lis­ti­ger Täuschung gemäß §§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB nich­tig. Die­ser Ver­gleich hat den Rechts­streit über die Wirk­sam­keit der Kündi­gun­gen vom 27.02.2008 viel­mehr be­en­det.

 

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Nach § 123 Abs. 1 BGB kann auch ein ge­richt­li­cher Ver­gleich an­ge­foch­ten wer­den, wenn ei­ne Par­tei vom Pro­zess­geg­ner durch arg­lis­ti­ge Täuschung zum Ab­schluss des Ver­glei­ches be­stimmt wor­den ist. Dies folgt aus der Dop­pel­na­tur des Pro­zess­ver­gleichs. Da­bei bil­det ei­nen An­fech­tungs­grund je­de arg­lis­ti­ge Täuschung, die den Getäusch­ten zum Ab­schluss ei­nes Ver­glei­ches be­stimmt hat, den er mit die­sem In­halt oh­ne die Täuschung nicht ab­ge­schlos­sen hätte. Da­bei kann ei­ne arg­lis­ti­ge Täuschung durch po­si­ti­ves Tun oder auch durch Un­ter­las­sung be­gan­gen wer­den. Im Ver­schwei­gen von Tat­sa­chen bzw. im Un­ter­las­sen ei­ner Aufklärung kann al­ler­dings ei­ne zur An­fech­tung be­rech­ti­gen­de Täuschung nur dann lie­gen, wenn ei­ne Of­fen­ba­rungs­pflicht be­steht, et­wa weil das Ver­schwei­gen ge­gen Treu und Glau­ben verstößt und der Ver­trags­part­ner un­ter den ge­ge­be­nen Umständen die Mit­tei­lung der ver­schwie­ge­nen Tat­sa­chen hätte er­war­ten dürfen (BAG Ur­teil 15.05.1997, a.a.O.). Für die An­nah­me ei­ner Täuschung ist in je­dem Fall Vor­satz er­for­der­lich, wo­bei be­ding­ter Vor­satz genügt. Vor­aus­set­zung ist das Be­wusst­sein, dass der Ver­trags­part­ner oh­ne die Täuschung die Wil­lens­erklärung mögli­cher­wei­se nicht oder nicht so ab­ge­ge­ben hätte (BAG Ur­teil 15.05.1997, a.a.O.).

Da der Kläger im vor­lie­gen­den Fall die Be­klag­te nicht durch po­si­ti­ves Tun getäuscht hat, in­dem er z. B. in Ver­gleichs­gesprächen ei­ne Fra­ge der Be­klag­ten zu zurück­lie­gen­den Ne­bentätig­kei­ten falsch be­ant­wor­tet hat­te, geht es ent­schei­dend um das Be­ste­hen und den Um­fang ei­ner Of­fen­ba­rungs- und Aufklärungs­pflicht des Klägers vor Ab­schluss des ge­richt­li­chen Ver­gleichs vom 10.07.2008. Die sich aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben er­ge­ben­den Of­fen­ba­rungs- und Aufklärungs­pflich­ten sind von ver­schie­de­nen Umständen abhängig. Sie be­stim­men sich ins­ge­samt nach den An­schau­un­gen, wel­che für ei­nen fai­ren Geschäfts­ver­kehr be­ste­hen, wo­bei es auf die Art des Geschäft­s­ty­pus an­kommt, al­so et­wa dar­auf, ob ein be­son­de­res (persönli­ches) Ver­trau­ens­verhält­nis zwi­schen den Ver­trags­part­nern be­steht oder durch ei­nen Ver­trags­schluss be­gründet wer­den soll, ob das Geschäft spe­ku­la­ti­ven Cha­rak­ter hat, ob ein er­kenn­ba­res In­for­ma­ti­ons­gefälle be­steht, so­mit die geschäft­li­che (sach­li­che) Un­er­fah­ren­heit (Un­ter­le­gen­heit) nach Treu und Glau­ben des­sen Aufklärung über die Ver­trags­ri­si­ken er­heischt (BGH Ur­teil 20.02.1967 - III ZR 134/65 - BGHZ 47, 207; Münche­ner Kom­men­tar-Kra­mer, BGB, 4. Auf­la­ge, § 123 Rd­nr. 17; La­renz/Wolf, All­ge­mei­ner Teil BGB, § 37 Rd­nr. 6). Grundsätz­lich muss der­je­ni­ge, der ei­nen Ver­trag schließt, sich selbst darüber ver­ge­wis­sern, ob er für ihn von Vor­teil ist oder nicht. Dar­auf darf sich der an­de­re Ver­trags­teil grundsätz­lich ein­stel­len. Er braucht des­halb nicht auf Umstände hin­zu­wei­sen, von de­nen er an­neh­men kann, dass dar­auf Wert ge­legt und dem­ent­spre­chend nach ihm ge­fragt wird (BGH Ur­teil 08.12.1999 - I ZR 230/97 - NJW 2000, 2497).

 

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Wie be­reits aus­geführt, können sich Of­fen­ba­rungs- und Aufklärungs­pflich­ten aus ei­nem Ver­trau­ens­verhält­nis zwi­schen den (Ver­trags-)Part­nern er­ge­ben. So sind im Be­reich des Ge­sell­schafts­rechts ge­stei­ger­te Un­ter­rich­tungs­pflich­ten an­er­kannt (vgl. BGH Ur­teil 27.04.1972 - II ZR 150/98 - Ju­ris). Auch in ei­nem un­gestörten Ar­beits­verhält­nis be­ste­hen für Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber wech­sel­sei­tig Aufklärungs- und Un­ter­rich­tungs­pflich­ten (EK-Preis, 9. Auf­la­ge, § 611 BGB Rd­nrn. 633, 736; Münche­ner Kom­men­tar-Kra­mer, BGB, 4. Auf­la­ge, § 123 Rd­nr. 19 m. w. N.). Et­was an­de­res gilt al­ler­dings, wenn das Ver­trau­ens­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en nach­hal­tig gestört ist und sich die Ver­trags­part­ner nicht mehr als Part­ner, son­dern in der Po­si­ti­on ei­ner ech­ten Geg­ner­schaft ge­genüber­ste­hen. Wenn der Ar­beit­ge­ber schwer­wie­gen­de Ver­feh­lun­gen des Ar­beit­neh­mers zur Grund­la­ge sei­nes Tren­nungs­ent­schlus­ses macht, kann er sich durch die Auf­de­ckung wei­te­rer ver­schwie­ge­ner Vorgänge nach Ab­schluss ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges nicht „getäuscht“ fühlen (BAG Ur­teil 15.12.1994 - 8 AZR 250/93 - Ju­ris Rd­nr. 46; BAG Ur­teil 14.12.1983 - 5 AZR 450/81 - Ju­ris Rd­nr. 28).

2. Bei An­wen­dung der vor­ge­nann­ten Rechts­grundsätze ist die er­ken­nen­de Kam­mer der Auf­fas­sung, dass die der Be­klag­ten erst nach Ab­schluss des Ver­gleichs be­kannt ge­wor­de­nen Pflicht­ver­let­zun­gen des Klägers im Zu­sam­men­hang mit sei­ner um­fang­rei­chen Tätig­keit bei der Fir­ma F. während sei­ner Ar­beits­unfähig­keit nicht zur An­fech­tung des ge­richt­li­chen Ver­gleichs vom 10.07.2008 be­rech­ti­gen.

Die Be­klag­te hat die Kündi­gun­gen vom 27.02.2008 auf schwer­wie­gen­de Pflicht­ver­let­zun­gen des Klägers gestützt. Nach dem vom Kläger be­strit­te­nen Vor­trag der Be­klag­ten hat der Kläger während sei­ner Zeit als Geschäftsführer bei E. UK in vie­len Fällen und in großem Um­fang u. a. sächli­che und per­so­nel­le Mit­tel der Be­klag­ten für pri­va­te Zwe­cke ein­ge­setzt und so­mit den Straf­tat­be­stand der Un­treue erfüllt. Je­de der von der Be­klag­ten auf­geführ­ten Pflicht­ver­let­zun­gen des Klägers ist, als wahr un­ter­stellt, ge­eig­net ge­we­sen, ei­ne Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ge­recht­fer­tigt er­schei­nen zu las­sen. In Kennt­nis und im Be­wusst­sein die­ses Sach­ver­hal­tes hat die Be­klag­te dann im Kündi­gungs­schutz­pro­zess ei­nen ge­richt­li­chen Ver­gleich ab­ge­schlos­sen, in dem sie sich zur Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von weit über ei­nem Jah­res­ge­halt ver­pflich­tet hat. In die­sem Ver­gleich ha­ben die Par­tei­en in Zif­fer 5 auch ei­ne um­fas­sen­de Aus­gleichs­klau­sel ver­ein­bart. Da­nach sol­len mit Ab­schluss des Ver­gleichs „al­le wei­ter­ge­hen­den fi­nan­zi­el­len Ansprüche, gleich aus wel­chem Rechts­grund sie ent­stan­den sein mögen“ er­le­digt sein.

 

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Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts und Bun­des­ge-richts­hofs, der sich die er­ken­nen­de Kam­mer an­sch­ließt, sind Aus­gleichs­klau­seln in Ver­glei­chen im In­ter­es­se kla­rer Verhält­nis­se grundsätz­lich weit aus­zu­le­gen. Die Par­tei­en wol­len in der Re­gel das Ar­beits­verhält­nis ab­sch­ließen und be­rei­ni­gen und al­le Ansprüche er­le­di­gen, gleichgültig ob sie bei Ver­gleichs­schluss dar­an dach­ten oder nicht. An­de­rer­seits wer­den von Aus­gleichs­klau­seln re­gelmäßig sol­che For­de­run­gen nicht er­fasst, die ob­jek­tiv außer­halb des von den Par­tei­en vor­ge­stell­ten lie­gen und bei Ver­gleichs­ab­schluss sub­jek­tiv un­vor­stell­bar wa­ren (BAG Ur­teil 11.10.2006 - 5 AZR 755/05 - AP Nr. 9 zu § 5 Ent­geltFG; BAG Ur­teil 15.12.1994 - 8 AZR 250/93 - Ju­ris).

Die Ver­trags­part­ner des Ver­gleichs vom 10.07.2008 ha­ben mit der um­fas­sen­den Aus­gleichs­klau­sel die Möglich­keit un­be­kann­ter Ansprüche bei­der Sei­ten ge­ra­de vor­aus­ge­setzt und aus­ge­schlos­sen. Da­mit hat die Be­klag­te das Ri­si­ko des Ver­lus­tes un­be­kann­ter For­de­run­gen auf sich ge­nom­men und ih­ren In­ter­es­sen an ei­nem rund­um ab­ge­si­cher­ten „Schluss­strich“ un­ter­ge­ord­net (BAG Ur­teil 15.12.1994, a.a.O., Rd­nr. 47).

Zwar ver­kennt die er­ken­nen­de Kam­mer nicht, dass der Kläger schon auf­grund der ar­beits­ver­trag­li­chen Re­ge­lung, ne­ben­be­ruf­li­che Er­werbstätig­kei­ten der Be­klag­ten mit­zu­tei­len, ver­pflich­tet ge­we­sen wäre, die um­fang­rei­che Tätig­keit bei der Fir­ma F. der Be­klag­ten mit­zu­tei­len. Bei An­wen­dung der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ist der vor­lie­gen­de Sach­ver­halt auch ge­eig­net, den Ver­dacht des Vortäuschens ei­ner Ar­beits­unfähig­keit und den Vor­wurf ei­nes ge­ne­sungs­wid­ri­ges Ver­hal­tens des Klägers zu be­gründen. Nach dem strei­ti­gen Vor­trag der Be­klag­ten wären die­se Pflicht­ver­let­zun­gen des Klägers je­doch nur ein Glied in der lan­gen Ket­te von schwer­wie­gen­den Pflicht­ver­let­zun­gen des Klägers im Zu­sam­men­hang mit dem Vermögen der Be­klag­ten ge­we­sen. Es ist des­halb nicht er­sicht­lich, ob die Be­klag­te trotz Kennt­nis von die­sem Sach­ver­halt in dem Be­stre­ben, ei­nen Schluss­strich un­ter den Kündi­gungs­rechts­streit zu zie­hen, den Ver­gleich nicht oder mit ei­nem an­de­ren In­halt ab­ge­schlos­sen hätte. Erst Recht muss die­se Fest­stel­lung gel­ten, wenn die Be­klag­te in die­ser Si­tua­ti­on ei­nen Ab­fin­dungs­ver­gleich mit dem Aus­schluss al­ler wei­te­ren fi­nan­zi­el­len Ansprüche der Par­tei­en ab­ge­schlos­sen hat.

Der ge­richt­li­che Ver­gleich vom 10.07.2008 ist des­halb nicht auf­grund der erklärten An­fech­tung durch die Be­klag­te un­wirk­sam.

 

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3. Die zulässi­ge Wi­der­kla­ge der Be­klag­ten ist nicht be­gründet. Da der Ver­gleich aus oben ge­nann­ten Gründen be­stands­kräftig ist, hat die Be­klag­te auch kei­nen An­spruch auf Rück­zah­lung der mit dem Kläger ver­ein­bar­ten und be­reits ge­zahl­ten Ab­fin­dung.

III.

Da so­mit die Be­ru­fung der Be­klag­ten kei­nen Er­folg ha­ben konn­te, hat sie die Kos­ten ih­res er­folg­lo­sen Rechts­mit­tels gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 97 Abs. 1 ZPO zu tra­gen.

Die Zu­las­sung der Re­vi­si­on be­ruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.


Rechts­mit­tel­be­leh­rung


1. Ge­gen die­ses Ur­teil kann d. Bekl. nach Maßga­be ih­rer Zu­las­sung im Ur­teils­te­nor schrift­lich Re­vi­si­on ein­le­gen. Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Frist von ei­nem Mo­nat, die Re­vi­si­ons­be­gründung in­ner­halb ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten bei dem

Bun­des­ar­beits­ge­richt

Hu­go-Preuß-Platz 1

99084 Er­furt

ein­ge­hen.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­on und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Pro­zess­be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:

a. Rechts­anwälte,
b. Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
c. ju­ris­ti­sche Per­so­nen, die die Vor­aus­set­zun­gen des § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 ArbGG erfüllen.

 

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In den Fällen der lit. b und c müssen die han­deln­den Per­so­nen die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

2. Für d. Kläg. ist ge­gen die­ses Ur­teil ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben. Auf § 72a ArbGG wird hin­ge­wie­sen.

 

Hen­sin­ger

Hof­mann

Za­ger­mann

 

 

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