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Bevorzugung von Gewerkschaftsmitgliedern durch Stichtagsregelungen
20.04.2015. Hin und wieder sorgen tarifvertragliche Regelungen für Streit, mit denen die Gewerkschaften den Versuch unternehmen, bestimmte Vergünstigen allein ihren Mitgliedern zukommen zu lassen.
Solche tariflichen Regelungen, die zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern unterscheiden, nennt man Differenzierungsklauseln. Sie sind im Allgemeinen zulässig, d.h. solange sie dem Arbeitgeber nicht verbieten, Außenseiter ebenfalls freiwillig von der tariflichen Leistung profitieren zu lassen.
In einem aktuellen Fall hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass Alt-Gewerkschaftsmitglieder dürfen per Tarifsozialplan höhere Abfindungen erhalten dürfen als Arbeitnehmer, die nach einem bestimmten Stichtag der Gewerkschaft beigetreten sind: BAG, Urteil vom 15.04.2015, 4 AZR 796/13 (Pressemeldung des Gerichts).
- Höhere Abfindungen für Alt-Gewerkschaftsmitglieder in Tarifsozialplänen?
- Im Streit: Erhöhte Abfindung und besseres Transfergehalt für Alt-Gewerkschaftsmitglieder
- BAG: Alt-Gewerkschaftsmitglieder dürfen per Tarifsozialplan höhere Abfindungen erhalten
Höhere Abfindungen für Alt-Gewerkschaftsmitglieder in Tarifsozialplänen?
Kommt es in größeren Unternehmen zu Betriebsschließungen oder Entlassungswellen, d.h. zu Betriebsänderungen mit massivem Arbeitsplatzabbau, überlassen die Gewerkschaften die Vereinbarung von Sozialplänen oft nicht allein dem Betriebsrat des betroffenen Betriebs, sondern verhandeln selbst mit dem Unternehmen, und zwar über einen sog. Tarifsozialplan.
Ein Tarifsozialplan ist ein normaler (Haus-)Tarifvertrag, der allerdings von seinem Inhalt her Abfindungen und ähnliche Leistungen vorsieht, wie sie für Sozialpläne typisch sind. Ist der Tarifsozialplan in trockenen Tüchern, wird er durch Betriebsrat und Arbeitgeber nachgezeichnet, d.h. es wird ein inhaltsgleicher (echter) Sozialplan vereinbart.
Der Vorteil dieses Vorgehens aus Arbeitnehmer- bzw. Gewerkschaftssicht besteht darin, dass hinter Verhandlungen über einen Tarifsozialplan ein größerer Druck steht als hinter reinen Sozialplanverhandlungen. Denn da ein Tarifsozialplan ein Tarifvertrag ist, darf man dafür streiken (Arbeitsrecht aktuell: 07/06 Bundesarbeitsgericht erlaubt Streiks um Tarifsozialpläne).
Weil Tarifsozialpläne von Gewerkschaften gemacht werden, stellt sich die Frage, ob Gewerkschaftsmitglieder durch Tarifsozialpläne besser gestellt werden können als andere Arbeitnehmer. Eine solche Privilegierung in Sozialplänen wäre ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und daher unzulässig, doch sind Tarifsozialpläne eben keine Sozialpläne, sondern Tarifverträge, wenn auch mit sozialplanmäßigen Inhalten.
Zum Thema Besserstellung von Gewerkschaftsmitgliedern in Tarifverträgen gibt die Rechtsprechung des BAG folgende Eckpunkte vor:
- Macht ein Tarifvertrag eine bestimmte Leistung wie z.B. eine Sonderzahlung ausdrücklich von der Mitgliedschaft in der Gewerkschaft abhängig, können Außenseiter sie auch dann nicht beanspruchen, wenn sie gemäß einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel nach Tarif zu vergüten sind - doch ist es dem Arbeitgeber arbeitsrechtlich unbenommen, eine solche "einfache Differenzierungsklausel" zugunsten der Außenseiter zu übergehen, d.h. die tarifliche Leistung auch den Außenseitern zukommen zu lassen. Solche einfachen Differenzierungsklauseln in Tarifverträgen sind wirksam (Arbeitsrecht aktuell: 09/076 Besserstellung von Gewerkschaftsmitgliedern durch tarifliche Differenzierungsklauseln).
- Will ein Tarifvertrag Arbeitgebern demgegenüber rechtlich vorschreiben, eine bestimmte Leistung Außenseitern vorzuenthalten (sog. "qualifizierte Differenzierungsklausel"), ist eine solche Tarifklausel unwirksam (Arbeitsrecht aktuell: 11/075 Kein tarifvertraglicher Zwang zur Besserstellung von Gewerkschaftsmitgliedern).
Vor diesem Hintergrund spricht auf den ersten Blick wenig dagegen, dass ein Tarifsozialplan bestimmte Sonderleistungen in Form einer einfachen Differenzierungsklausel Gewerkschaftsmitgliedern vorbehält, d.h. von der Gewerkschaftsmitgliedschaft abhängig macht.
Allerdings fällt es dem Arbeitgeber in einer wirtschaftlich angespannten Lage, wie sie für Tarifsozialpläne typisch ist, in der Regel schwer, von seiner rechtlichen Freiheit Gebrauch zu machen, Tarifleistungen freiwillig an Außenseiter zu zahlen. Daher üben einfache Differenzierungsklausel in Tarifsozialplänen einen stärkeren Druck auf Außenseiter aus, der Gewerkschaft beizutreten, um die Tarifleistung zu erhalten. Und ein solcher Druck ist rechtlich bedenklich, da er die sog. negative Koalitionsfreiheit beeinträchtigt, d.h. die Freiheit, einer Gewerkschaft fernzubleiben (Art.9 Abs.3 Grundgesetz - GG).
Kann man dieses juristische Problem umgehen, indem man Sonderleistungen eines Tarifsozialplans nicht von der Gewerkschaftsmitgliedschaft abhängig macht, sondern von der Mitgliedschaft an einem bestimmten, in der Vergangenheit liegenden Stichtag? Ja, so das BAG in der hier besprochenen Entscheidung.
Im Streit: Erhöhte Abfindung und besseres Transfergehalt für Alt-Gewerkschaftsmitglieder
Ein tarifgebundener Arbeitgeber plante Anfang 2012 eine Betriebsschließung in München, rückte von diesem Vorhaben aber nach Verhandlungen mit dem Betriebsrat und der IG Metall ab. Gewerkschaft und Arbeitgeber einigten sich Anfang April 2012 auf einen Personalabbau bei gleichzeitiger Standortsicherung.
Konkret waren in einem „Transfer- und Sozialtarifvertrag“ Abfindungen und Lohnzahlungen in bestimmter Mindesthöhe durch eine Transfergesellschaft für diejenigen Arbeitnehmer vorgesehen, die durch dreiseitigen Vertrag ihr bisheriges Arbeitsverhältnis zugunsten eines Transferarbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft aufgeben würden. Diese Regelungen wurden am Tag der Vereinbarung des Tarifvertrags durch eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat übernommen.
Von der Möglichkeit des Wechsels zu der Transfergesellschaft mit Abfindungszahlung machte eine langjährig beschäftigte Arbeitnehmerin Gebrauch, die allerdings erst nach Abschluss der o.g. Vereinbarungen der IG Metall beitrat, nämlich im Juli 2012, und auch bald (im Januar 2013) wieder austrat. Der späte Gewerkschaftsbeitritt hatte handfeste finanzielle Auswirkungen. Denn wenn die Arbeitnehmerin schon am 23.03.2012 Mitglied der IG Metall gewesen wäre, hätte sie nach einem ergänzenden Tarifvertrag eine weitere Abfindung von 10.000,00 EUR sowie ein höheres Gehalt bei der Transfergesellschaft beanspruchen können.
Diese beiden Leistungen, d.h. die weitere Abfindung und das höhere Transfergehalt, klagte sie gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber und die Transfergesellschaft ein. Das Arbeitsgericht München (Urteil vom 22.01.2013, 25 Ca 8656/12) und das Landesarbeitsgericht (LAG) München wiesen die Klage ab (Urteil vom 25.07.2013, 4 Sa 166/13).
BAG: Alt-Gewerkschaftsmitglieder dürfen per Tarifsozialplan höhere Abfindungen erhalten
Auch in Erfurt hatte die klagende Arbeitnehmerin kein Glück, die damit ihre Klage in allen drei Instanzen verlor. In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG heißt es zur Begründung:
Ein Haustarifvertrag mit einem sozialplanähnlichen Inhalt kann Sonderleistungen für Gewerkschaftsmitglieder vorsehen, auf die nur diejenigen Mitglieder Anspruch haben, die zu einem bestimmten Stichtag bzw. vor der tariflichen Einigung der Gewerkschaft bereits beigetreten waren, so die Erfurter Richter.
Nach Ansicht des BAG stellten sich hier gar keine juristischen Fragen im Zusammenhang mit Differenzierungsklauseln, da die umstrittene Stichtagsregelung des Ergänzungstarifvertrags nicht zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern (Außenseitern) differenzierte, sondern zwischen Alt-Gewerkschaftsmitgliedern und später eingetretenen Gewerkschaftsmitgliedern. Eine solche tarifliche Gestaltung ist rechtlich in Ordnung, so das BAG.
Demzufolge gab es hier auch keine Probleme mit der negativen Koalitionsfreiheit der Außenseiter, denn die interne Differenzierung zwischen verschiedenen Gruppen von Gewerkschaftsmitgliedern schränkt weder die Handlungs- oder die Vertragsfreiheit des Arbeitgebers noch die der Außenseiter ein. Auch ein unzulässiger faktischer erhöhter Beitrittsdruck bestand hier aus Sicht der BAG-Richter nicht.
Fazit: So richtig das Urteil des BAG (formal-)juristisch ist, so fragwürdig ist die hier praktizierte Tarifgestaltung durch die IG Metall unter organisationspolitischen Aspekten. Massenentlassungen sind kein guter Augenblick, Arbeitnehmern die Vorteile einer Gewerkschaftsmitgliedschaft zu verdeutlichen.
Und obwohl die Rechtsprechung immer wieder betont, dass Abfindungen künftige entlassungsbedingte Einbußen ausgleichen sollen, stellen sie aus Sicht der betroffenen Arbeitnehmer (auch) eine Anerkennung für ihre bisherigen Leistungen dar. Und das Geld, das der Arbeitgeber für Abfindungen zur Verfügung hat, haben alle Betriebsangehörigen erwirtschaftet, Gewerkschaftsmitglieder so gut wie Außenseiter.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.04.2015, 4 AZR 796/13 (Pressemeldung des Gerichts)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.04.2015, 4 AZR 796/13
- Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 25.07.2013, 4 Sa 166/13
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung und Diskriminierung
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) - Bezugnahmeklausel
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsänderung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsstillegung, Betriebsschließung
- Handbuch Arbeitsrecht: Gleichbehandlungsgrundsatz
- Handbuch Arbeitsrecht: Massenentlassung
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 19/011 Betriebsrat steht Einsicht in Gehaltslisten mit Arbeitnehmernamen zu
- Arbeitsrecht aktuell: 18/199 Streikprämien sind rechtmäßig
- Arbeitsrecht aktuell: 18/011 Kein Einsichtsrecht des Betriebsrats in Lohn- und Gehaltslisten anderer Betriebe desselben Unternehmens
- Arbeitsrecht aktuell: 18/005 Gleichbehandlungsgrundsatz bei Betriebsvereinbarungen
- Arbeitsrecht aktuell: 14/192 Bevorzugung von Gewerkschaftsmitgliedern durch Erholungsbeihilfen
- Arbeitsrecht aktuell: 11/075 Kein tarifvertraglicher Zwang zur Besserstellung von Gewerkschaftsmitgliedern
- Arbeitsrecht aktuell: 09/076 Besserstellung von Gewerkschaftsmitgliedern durch tarifliche Differenzierungsklauseln
- Arbeitsrecht aktuell: 07/06 Bundesarbeitsgericht erlaubt Streiks um Tarifsozialpläne
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 30. Januar 2019
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