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BAG, Ur­teil vom 13.12.2007, 2 AZR 971/06

   
Schlagworte: Abfindung, Kündigungsschutzklage
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 2 AZR 971/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 13.12.2007
   
Leitsätze:

1. Der Abfindungsanspruch nach § 1a Abs.1 KSchG entsteht nach dem Wortlaut der Norm nicht, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung klageweise angreift. Dies gilt auch für eine nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist eingereichte (Kündigungsschutz-)Klage und einen Antrag des Arbeitnehmers auf nachträgliche Klagezulassung nach § 5 KSchG.

2. Durch eine Rücknahme des Antrags auf nachträgliche Klagezulassung und/oder die Rücknahme der Kündigungsschutzklage können die Voraussetzungen des § 1a Abs.1 Satz 1 KSchG nicht mehr - nachträglich - erfüllt werden.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Potsdam, Urteil vom 23.11.2005, 8 Ca 1857/05
Landesarbeitsgericht Brandenburg, Urteil vom 05.05.2006, 22 Sa 7/06, 22 Sa 44/06, 22 Sa 7/06, 22 Sa 44/06
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


2 AZR 971/06
22 Sa 7/06 u. 22 Sa 44/06

Lan­des­ar­beits­ge­richt
Bran­den­burg

 

Im Na­men des Vol­kes!

 

Verkündet am
13. De­zem­ber 2007

UR­TEIL

Schmidt, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 13. De­zem­ber 2007 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Rost, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Ey­lert und Schmitz-Scho­le­mann so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Schier­le und Gans für Recht er­kannt:
 


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Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Bran­den­burg vom 5. Mai 2006 - 22 Sa 7/06 - und - 22 Sa 44/06 - wird auf Kos­ten der Kläge­rin zurück­ge­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über ei­nen Ab­fin­dungs­an­spruch der Kläge­rin. 

Die Kläge­rin war seit dem 1. April 1999 bei der d mbH in B (im Fol­gen­den: D) beschäftigt. Zum 1. Ok­to­ber 2000 ging ihr Ar­beits­verhält­nis auf die O mbH (BG) über. Die­se Ge­sell­schaft fir­mier­te mehr­mals um. Sie war zwi­schen­zeit­lich un­ter der Fir­ma S GmbH tätig und ist nun­mehr un­ter der Fir­ma G mbH Be­klag­te des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens.

Die Kläge­rin be­fand sich ab dem 21. Au­gust 2003 in Mut­ter­schutz und an­sch­ließend bis zum 30. No­vem­ber 2004 in El­tern­zeit. Während der El­tern­zeit ging sie ei­ner Teil­zeit­beschäfti­gung bei der Be­klag­ten im Um­fang von ins­ge­samt 10 St­un­den wöchent­lich nach.

Die Be­klag­te stell­te die Kläge­rin ab dem 1. De­zem­ber 2004 un­ter Zah­lung ih­rer vol­len Bezüge von der Ar­beits­leis­tung un­ter Gewährung rest­li­cher Ur­laubs­ansprüche aus den Jah­ren 2003 und 2004 so­wie ei­nes Frei­zeit­aus­gleichs aus dem Gleit­zeit­kon­to frei, nach­dem sie der Kläge­rin mit­ge­teilt hat­te, ihr bis­he­ri­ger Ar­beits­platz sei nun­mehr be­setzt.

Während der Frei­stel­lung wand­te sich die Be­klag­te mit Schrei­ben vom 8. Fe­bru­ar 2005 an die Kläge­rin mit dem An­ge­bot ei­ner Be­en­di­gungs­ver­ein­ba­rung, das ua. die Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung von 16.750,00 Eu­ro ver­bun­den mit ei­ner Kündi­gung vor­sah. Mit Schrei­ben vom 14. Fe­bru­ar 2005 lehn­te die Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Kläge­rin ei­ne Ab­fin­dung in der ge­nann­ten Höhe ab, si­gna­li­sier­te je­doch Gesprächs­be­reit­schaft. Der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Be­klag­ten mel­de­te sich am 16. Fe­bru­ar 2005 te­le­fo­nisch und ver­ein­bar­te mit der Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Kläge­rin ei­nen te­le­fo­ni­schen Be­spre­chungs­ter­min für den 21. Fe­bru­ar 2005. In dem Te­le­fo­nat vom 21. Fe­bru­ar 2005 erläuter­te die Kläger­in­ver­tre­te­rin ih­re Vor­stel­lun­gen und for­der­te ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von ca. 60.000,00 Eu­ro. Der Be­klag­ten­ver­tre­ter lehn­te un­ter Hin-
 


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weis auf das ursprüng­li­che Ab­fin­dungs­an­ge­bot die­sen Vor­schlag am 23. Fe­bru­ar 2005 ab.

Die Be­klag­te kündig­te das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin am 17. Fe­bru­ar 2005 zum 31. März 2005.

Mit Schrei­ben vom 24. Fe­bru­ar 2005 un­ter­brei­te­te die Kläger­in­ver­tre­te­rin er­neut ein An­ge­bot zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses. Dem­nach soll­te die aus-ge­spro­che­ne Kündi­gung zurück­ge­nom­men, ei­ne neue Kündi­gung zum 30. Ju­ni 2005, ge­gen die dann die Kläge­rin Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­he­ben soll­te, aus­ge­spro­chen und im Güte­ter­min ein Ver­gleich ab­ge­schlos­sen wer­den. Die­ser soll­te ne­ben der Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 26.450,00 Eu­ro die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum 30. Sep­tem­ber 2005 bei Zah­lung der Vergütung in Höhe von mo­nat­lich 3.300,00 Eu­ro mit ei­ner ein­sei­ti­gen Lösungsmöglich­keit für die Kläge­rin un­ter ent­spre­chen­der Erhöhung der Ab­fin­dung be­inhal­ten.

Der Be­klag­ten­ver­tre­ter teil­te am 1. März 2005 mit, dass die Be­klag­te die Kündi­gung vom 17. Fe­bru­ar 2005 zurück­neh­me und ei­ne neue Kündi­gung zum 30. Ju­ni 2005 zu­stel­len, je­doch ei­ne Ab­fin­dung von mehr als 20.000,00 Eu­ro nicht ak­zep­tie­ren wer­de.

Mit Schrei­ben vom 4. März 2005 kündig­te die Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin er­neut. Die­ses am 9. März 2005 zu­ge­gan­ge­ne Schrei­ben enthält ein Ab­fin­dungs­an­ge­bot nach § 1a KSchG.

Die Kläger­in­ver­tre­te­rin wand­te sich mit Schrei­ben vom 22. März 2005 er­neut an die Be­klag­te und über­sand­te den Ent­wurf ei­ner Be­en­di­gungs­ver­ein­ba­rung mit ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 20.000,00 Eu­ro.

Mit ih­rer Kla­ge­schrift vom 1. März 2005 hat­te sich die Kläge­rin mit ei­ner ge­gen ih­re ursprüng­li­che Ar­beit­ge­be­rin, die D, ge­rich­te­ten Kla­ge ge­gen die Kündi­gung vom 17. Fe­bru­ar 2005 ge­wandt. In der Kla­ge­be­gründung hat­te sie un­ter Beifügung des un­ter dem Brief­kopf der Be­klag­ten ver­fass­ten Kündi­gungs­schrei­bens und des Schrei­bens zum Be­triebsüber­gang vom 6. Sep­tem­ber 2000 aus­geführt, ihr Ar­beits­verhält­nis sei durch Be­triebsüber­gang von der D auf die BG über­ge­gan­gen. Nach­dem die Be­klag­te die Kündi­gung vom 17. Fe­bru­ar 2005 mit Schrei­ben vom 1. März 2005 zurück­ge­nom­men hat­te und nach Zu­gang der wei­te­ren Kündi­gung vom 4. März 2005 er­wei­ter­te die Kläge­rin ih­re Kla­ge mit Schrift­satz vom 22. März 2005 ua. um den
 


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Fest­stel­lungs­an­trag, dass das Ar­beits­verhält­nis auch nicht durch die Kündi­gung vom 4. März 2005 auf­gelöst wor­den sei.

Im Lau­fe des wei­te­ren Kündi­gungs­rechts­streits mel­de­te sich die F GmbH als Rechts­nach­fol­ge­rin der D schriftsätz­lich beim Ar­beits­ge­richt und be­stritt un­ter Hin­weis auf den Be­triebsüber­gang ih­re Pas­siv­le­gi­ti­ma­ti­on. Dar­auf­hin ver­such­te die Kläger­in­ver­tre­te­rin er­folg­los, den Be­klag­ten­ver­tre­ter te­le­fo­nisch zu er­rei­chen. Er er­schien auch im Güte­ter­min am 21. April 2005 nicht. Nach­dem die Kläger­in­ver­tre­te­rin im Güte­ter­min die Kla­ge zurück­ge­nom­men hat­te, er­hob sie am sel­ben Tag vor dem Ar­beits­ge­richt Pots­dam er­neut Kla­ge ge­gen die Kündi­gung vom 4. März 2005 und be­an­trag­te de­ren nachträgli­che Zu­las­sung. Im Güte­ter­min vom 23. Mai 2005 nahm sie nach rich­ter­li­chem Hin­weis die­se Kündi­gungs­schutz­kla­ge eben­falls wie­der zurück.

Mit ih­rer am 8. Ju­li 2005 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge hat sie nun­mehr die Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung be­gehrt. Zur Be­gründung hat sie im We­sent­li­chen vor­ge­tra­gen: Ihr ste­he ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von ins­ge­samt 20.000,00 Eu­ro aus ei­ner zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­nen Ver­ein­ba­rung zu. Das von der Be­klag­ten am 1. März 2005 er­teil­te An­ge­bot auf Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 20.000,00 Eu­ro ha­be sie recht­zei­tig mit dem Schrei­ben vom 22. März 2005 an­ge­nom­men. Die schrift­li­che Fi­xie­rung in ei­ner Ur­kun­de ha­be die Be­klag­te treu­wid­rig ver­wei­gert. Zu­min­dest ste­he ihr ein An­spruch auf Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung nach § 1a KSchG in Höhe von 9.900,00 Eu­ro auf Grund des Hin­wei­ses der Be­klag­ten vom 4. März 2005 zu.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie 20.000,00 Eu­ro zuzüglich Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 1. Ju­li 2005 zu zah­len.

Die Be­klag­te hat zur Be­gründung ih­res Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trags im We­sent­li­chen aus­geführt: Ein ver­trag­li­cher An­spruch auf die be­gehr­te Zah­lung be­ste­he nicht. Mit der in­halt­lich in ei­ni­gen wich­ti­gen Punk­ten veränder­ten Erklärung vom 22. März 2005 ha­be die Kläge­rin das Ver­trags­an­ge­bot der Be­klag­ten nicht an­ge­nom­men. Zur An­nah­me des neu­en An­ge­bots der Kläge­rin auf Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 20.000,00 Eu­ro und ei­ner Aus­ge­stal­tung nach dem ursprüng­li­chen Ver­trags­ent­wurf sei es nicht mehr ge­kom­men, da sich die Er­folgs­aus­sich­ten der Kündi­gungs­schutz­kla­ge geändert hätten.
 


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Ein mögli­cher Ab­fin­dungs­an­spruch nach § 1a KSchG sei be­reits we­gen der ers­ten er­ho­be­nen Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­lo­schen. Die Kläge­rin ha­be stets erklärt, ge­gen ei­ne Kündi­gung ge­richt­lich vor­ge­hen zu wol­len. We­der die feh­ler­haf­te Be­zeich­nung des Ar­beit­ge­bers noch die späte­re Rück­nah­me der Kündi­gungs­schutz­kla­ge führ­ten zu ei­nem Wie­der­ent­ste­hen des er­lo­sche­nen An­spruchs. Der An­trag auf nachträgli­che Zu­las­sung be­le­ge den Wil­len der Kläge­rin zu ei­ner ge­richt­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung deut­lich. Schon auf Grund die­ses Um­stan­des be­ste­he kein Ab­fin­dungs­an­spruch.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge in Höhe von 9.900,00 Eu­ro statt­ge­ge­ben und sie im Übri­gen ab­ge­wie­sen. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt die erst­in­stanz­li­che Ent­schei­dung ab­geändert und die Kla­ge ins­ge­samt ab­ge­wie­sen so­wie die wei­ter­ge­hen­de Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Kläge­rin ih­ren Ab­fin­dungs­an­spruch wei­ter.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on ist un­be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen. Zwi­schen den Par­tei­en ist we­der ei­ne Ver­ein­ba­rung über die Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 20.000,00 Eu­ro zu­stan­de ge­kom­men noch be­steht ein An­spruch der Kläge­rin auf ei­ne Ab­fin­dung nach § 1a KSchG in Höhe von 9.900,00 Eu­ro.

A. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zur Be­gründung sei­ner die Kla­ge ab­wei­sen­de Ent­schei­dung im We­sent­li­chen aus­geführt: Ein ver­trag­li­cher An­spruch auf Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 20.000,00 Eu­ro be­ste­he nicht, da zwi­schen den Par­tei­en kein ent­spre­chen­der Ver­trag zu­stan­de ge­kom­men sei. Bis zum 1. März 2005 hätten die Par­tei­en nur Ver­hand­lun­gen geführt. Zu ei­ner Ei­ni­gung, ins­be­son­de­re über die Ab­fin­dungshöhe, sei es nicht ge­kom­men. Im Te­le­fo­nat vom 1. März 2005 sei­en zwar Eck­punk­te ei­ner Be­en­di­gungs­ver­ein­ba­rung be­spro­chen wor­den, zu de­nen auch die Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 20.000,00 Eu­ro gehört ha­be. Ein Ver­trag sei zu die­sem Zeit­punkt je­doch nicht, auch nicht münd­lich, ab­ge­schlos­sen wor­den. Viel­mehr ha­be die Be­en­di­gung und die Ab­fin­dungs­zah­lung in ei­nem ge­richt­li­chen Ver­gleich ver­ein­bart wer­den sol­len. Auch ha­be noch die Zu­stim­mung der Kläge­rin ge­fehlt. Mit


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dem Schrei­ben vom 22. März 2005 ha­be die Kläge­rin das An­ge­bot der Be­klag­ten gleich­falls nicht an­ge­nom­men. Es könne da­hin­ge­stellt blei­ben, ob die mögli­che An­nah­me­erklärung ggf. ver­spätet ge­we­sen sei. Je­den­falls sei die­ses Schrei­ben nach § 150 Abs. 2 BGB als neu­er An­trag zu wer­ten, da es ge­genüber dem bis­he­ri­gen An­ge­bot der Be­klag­ten wei­te­re we­sent­li­che Ände­run­gen ent­hal­ten ha­be. Das veränder­te An­ge­bot ha­be die Be­klag­te aber nicht an­ge­nom­men. Sie ha­be we­der den Ver­trags­ent­wurf un­ter­zeich­net und an die Kläger­in­ver­tre­te­rin zurück­ge­sandt noch ei­nen ent­spre­chen­den ge­richt­li­chen Ver­gleich ab­ge­schlos­sen. Ei­ne still­schwei­gen­de Ver­trags­an­nah­me nach § 151 BGB sei, da die Kläger­in­ver­tre­te­rin selbst zur Ver­trags­un­ter­zeich­nung auf­ge­for­dert ha­be und darüber hin­aus noch ei­ne ge­richt­li­che Pro­to­kol­lie­rung vor­ge­se­hen ge­we­sen sei, aus­ge­schlos­sen ge­we­sen.

Die Be­klag­te han­de­le auch nicht treu­wid­rig. Für sie ha­be sich nämlich die Rechts­la­ge und das Pro­zess­ri­si­ko nach der Rück­nah­me der Kündi­gungs­schutz­kla­ge grund­le­gend geändert. Das Aus­nut­zen ei­nes feh­ler­haf­ten Vor­ge­hens durch ei­ne Ver­trags­par­tei sei nicht un­red­lich.

Der Kläge­rin ste­he auch kein An­spruch auf Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung nach § 1a KSchG zu. Zwar ent­hal­te die Kündi­gungs­erklärung vom 4. März 2005 ei­nen ent­spre­chen­den Hin­weis der Be­klag­ten. Die Kläge­rin ha­be je­doch ge­gen die­se Kündi­gung Kla­ge er­ho­ben. Der Ab­fin­dungs­an­spruch sei nicht durch die Rück­nah­me der Kündi­gungs­schutz­kla­ge „wie­der auf­ge­lebt“, auch wenn der Rechts­streit in­fol­ge der Rück­nah­me als nicht anhängig ge­wor­den gel­te. Mit der Er­he­bung der Kla­ge sei nach Sinn und Zweck der ge­setz­li­chen Re­ge­lung die Ent­ste­hung ei­nes An­spruchs nach § 1a KSchG endgültig ge­hin­dert ge­we­sen.

B. Dem folgt der Se­nat im Er­geb­nis und in we­sent­li­chen Tei­len der Be­gründung.

I. Die Kläge­rin hat kei­nen An­spruch auf Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 20.000,00 Eu­ro aus ei­ner zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­nen Be­en­di­gungs­ver­ein­ba­rung. Ei­ne Ver­ein­ba­rung über die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses bei Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 20.000,00 Eu­ro ist zwi­schen den Par­tei­en nicht zu­stan­de ge­kom­men. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zu­tref­fend er­kannt, dass es für den Ab­schluss ei­ner sol­chen Be­en­di­gungs­ver­ein­ba­rung an den not­wen­di­gen übe­rein­stim­men­den Wil­lens­erklärun­gen - An­ge­bot und An­nah­me - fehlt.

1. Die Fra­ge, ob sich die für ei­nen Ver­trags­schluss not­wen­di­gen Wil­lens­erklärun­gen de­cken, ist durch de­ren Aus­le­gung zu er­mit­teln. Bei der Aus­le­gung der


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vor­lie­gen­den Wil­lens­erklärun­gen han­delt es sich um die Aus­le­gung von in­di­vi­du­el­len, nicht ty­pi­schen Erklärun­gen der Par­tei­en, die vom Re­vi­si­ons­ge­richt nur dar­auf­hin über­prüft wer­den kann, ob die Aus­le­gungs­re­geln vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­tref­fend an­ge­wandt, al­le tatsächli­chen Umstände berück­sich­tigt und die all­ge­mei­nen Denk- und Er­fah­rungssätze ein­ge­hal­ten wor­den sind (st. Rspr., vgl. bei­spiels­wei­se BAG 12. De­zem­ber 2006 - 3 AZR 388/05 - AP Be­trAVG § 1 Zu­satz­ver­sor­ungs­kas­sen Nr. 67 = EzA Be­trAVG § 1 Zu­satz­ver­sor­gung Nr. 18; 19. Ju­ni 2007 - 1 AZR 340/06 - DB 2007, 2600).

2. Die­sem ein­ge­schränk­ten Prüfungs­maßstab hält das an­ge­foch­te­ne Ur­teil stand. Dem Lan­des­ar­beits­ge­richt ist bei der Aus­le­gung der Wil­lens­erklärung der Par­tei­en kein re­vi­si­ons­recht­lich re­le­van­ter Feh­ler vor­zu­wer­fen.

Es liegt we­der ei­ne ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung anläss­lich des Te­le­fo­nats der Par­tei­en­ver­tre­ter vom 1. März 2005 noch auf Grund die­ses Te­le­fo­nats und des Schrei­bens der Kläger­in­ver­tre­te­rin vom 22. März 2005 vor.

a) Nach den von der Re­vi­si­on nicht an­ge­grif­fe­nen tatsächli­chen Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts ha­ben die Par­tei­en bis zum 1. März 2005 nur Ver­hand­lun­gen über die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses der Kläge­rin geführt. Zum Ab­schluss ei­ner Be­en­di­gungs­ver­ein­ba­rung ist es bis zu die­sem Zeit­punkt un­strei­tig nicht ge­kom­men.

b) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on ha­ben die Par­tei­en durch ih­re Ver­tre­ter auch im Te­le­fo­nat vom 1. März 2005 kei­ne ab­sch­ließen­de und ver­bind­li­che Ver­ein­ba­rung über die Be­en­di­gung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses ge­gen Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung von 20.000,00 Eu­ro ge­schlos­sen.

aa) Nach den nicht mit Re­vi­si­onsrügen an­ge­grif­fe­nen tatsächli­chen Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts sind in dem Te­le­fon­gespräch am 1. März 2005 zwi­schen dem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Be­klag­ten und der Kläger­in­ver­tre­te­rin nur „Eck­punk­te“ ei­ner ver­trag­li­chen Re­ge­lung be­spro­chen wor­den. „Eck­punk­te“ be­inhal­ten je­doch, wie sich schon aus dem Be­griff er­gibt, noch kei­ne endgülti­gen, ab­sch­ließen­den Re­ge­lun­gen al­ler mögli­chen - un­strei­ti­gen bzw. strei­ti­gen - Fra­gen ei­ner ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung.

bb) Die­se Fest­stel­lun­gen wer­den durch den Vor­trag der Re­vi­si­on bestätigt. Sie hat im Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift­satz ua. aus­geführt, die Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der
 


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Par­tei­en hätten in dem Te­le­fo­nat die „Eck­punk­te zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses der Kläge­rin fest ver­ein­bart“, nämlich „die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 30. Ju­ni 2005 auf Grund noch aus­zu­spre­chen­der or­dent­li­cher Kündi­gung oh­ne Lauf­zeit­verlänge­rung, ‚Rück­nah­me’ der Kündi­gung vom 17. Fe­bru­ar 2005, Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung in Höhe von 20.000,00 Eu­ro als Aus­gleich für den Ver­lust des Ar­beits­plat­zes, Pro­to­kol­lie­rung der Ei­ni­gung in Form ei­nes Ver­gleichs vor dem Ar­beits­ge­richt im Rah­men der durch die Kläge­rin zu er­wei­tern­den Kündi­gungs­schutz­kla­ge“. Da­mit geht die Re­vi­si­onsführe­rin selbst nur von der Fest­le­gung von „Eck­punk­ten“ und ge­ra­de nicht von ei­ner ab­sch­ließen­den, ver­bind­li­chen Übe­r­ein­kunft aus. Dem Lan­des­ar­beits­ge­richt kann dem­nach kein Aus­le­gungs­feh­ler vor­ge­wor­fen wer­den. Zu­tref­fend ist es von ei­ner nicht ab­sch­ließen­den Ei­ni­gung zwi­schen den Par­tei­en aus­ge­gan­gen. Ab­ge­se­hen da­von würde ei­ne münd­li­che Ei­ni­gung auch nicht den For­mer­for­der­nis­sen des § 623 BGB genügen.

3. Sch­ließlich hat die Kläge­rin, ver­tre­ten durch ih­re Pro­zess­be­vollmäch­tig­te, auch ein in dem Te­le­fon­gespräch vom 1. März 2005 durch den Ver­tre­ter der Be­klag­ten un­ter­brei­te­tes An­ge­bot nicht - je­den­falls nicht recht­zei­tig - an­ge­nom­men.

a) Die­ses An­ge­bot des Ver­tre­ters der Be­klag­ten hätte die Kläge­rin nach § 147 Abs. 1 Satz 2 iVm. Satz 1 BGB nur so­fort an­neh­men können. Macht je­mand dem (an­we­sen­den) be­rech­tig­ten Ver­tre­ter ei­nes (ab­we­sen­den) Drit­ten ein Ver­trags­an­ge­bot, liegt ein An­ge­bot un­ter An­we­sen­den vor, das gemäß § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB nur so­fort an­ge­nom­men wer­den kann (BGH 14. De­zem­ber 1995 - IX ZR 242/94 - NJW 1996, 1062, 1064; Pa­landt-Hein­richs BGB 65. Aufl. §§ 147, 148 Rn. 6). Für mit­tels Fern­spre­cher ge­mach­te Erklärun­gen gilt nach Satz 2 der ge­nann­ten Norm das Ent­spre­chen­de wie un­ter An­we­sen­den.

Et­was an­de­res gilt nur dann, wenn vom An­tra­gen­den ei­ne An­nah­me­frist be­stimmt wor­den ist (§ 148 BGB). Ei­nen sol­chen Sach­ver­halt hat aber die dar­le­gungs­pflich­ti­ge Kläge­rin nicht be­haup­tet.

b) Im Übri­gen ist ei­ne ver­trag­li­che Be­en­di­gungs­ver­ein­ba­rung schon des­halb nicht zu­stan­de ge­kom­men, weil sich das An­ge­bot des Ver­tre­ters der Be­klag­ten vom 1. März 2005 mit der An­nah­me­erklärung der Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Kläge­rin im Schrei­ben vom 22. März 2005 nicht deckt.
 


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aa) Nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts so­wie nach der Dar­stel­lung der Re­vi­si­on hat sich das An­ge­bot der Be­klag­ten vom 1. März 2005 auf die sog. Eck­punk­te, al­so die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses der Kläge­rin zum 30. Ju­ni 2005 auf Grund be­triebs­be­ding­ter Kündi­gung, der Rück­nah­me der Kündi­gung vom 17. Fe­bru­ar 2005, der Ab­fin­dungs­zah­lung in Höhe von 20.000,00 Eu­ro und der Pro­to­kol­lie­rung der Ei­ni­gung in Form ei­nes Ver­gleichs vor dem Ar­beits­ge­richt be­zo­gen. Wenn dem­ge­genüber die Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Kläge­rin mit Schrei­ben vom 22. März 2005 und dem über­sand­ten „Ab­wick­lungs­ver­trag“ ua. auch noch ei­ne Frei­stel­lungs­re­ge­lung (§ 3), ei­ne vor­zei­ti­ge Be­en­di­gungs­re­ge­lung (§ 4), ein Zeug­nis (§ 5) so­wie ei­ne Fällig­keits- und Ver­er­bungs­re­ge­lung zum Ab­fin­dungs­an­spruch (§ 2) in ih­rem Ver­trags­ent­wurf auf­ge­nom­men hat­te, konn­te das Lan­des­ar­beits­ge­richt in re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den­der Wei­se auch ei­ne feh­len­de Übe­rein­stim­mung von An­ge­bot und An­nah­me an­neh­men und in dem über­sand­ten Ver­trags­ent­wurf nach § 150 Abs. 2 BGB ein neu­es An­ge­bot se­hen.

bb) So­weit die Re­vi­si­on dar­auf hin­weist, ei­ne Viel­zahl der As­pek­te ih­res Ver­trags­ent­wurfs vom 22. März 2005 sei­en be­reits in dem ursprüng­li­chen An­ge­bot der Be­klag­ten vom 8. Fe­bru­ar 2005 ent­hal­ten ge­we­sen, so mag dies für ei­ni­ge Re­ge­lun­gen zu­tref­fen. Al­ler­dings ent­hielt das An­ge­bot der Be­klag­ten vom 8. Fe­bru­ar 2005 nicht be­reits al­le nun­mehr for­mu­lier­ten wei­te­ren Re­ge­lun­gen bzw. hat­ten die­se dort An­klang ge­fun­den. Dies gilt ins­be­son­de­re so­wohl für die Fällig­keit und Ver­er­bungs­re­ge­lung der mögli­chen Ab­fin­dung als auch für die von der Kläge­rin in­ten­dier­te um­fas­sen­de Frei­stel­lungs­re­ge­lung.

4. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on war das Ver­hal­ten der Be­klag­ten auch nicht treu­wid­rig.

a) Wer durch sein Ver­hal­ten be­wusst oder un­be­wusst ei­ne Sach- oder Rechts­la­ge schafft, auf die sich der an­de­re Teil ver­las­sen darf und ver­las­sen hat, darf den an­de­ren Teil in sei­nem Ver­trau­en nicht enttäuschen. Es würde ge­gen Treu und Glau­ben ver­s­toßen und das Ver­trau­en im Rechts­ver­kehr un­ter­gra­ben, wenn es er­laubt wäre, sich nach Be­lie­ben mit sei­nen frühe­ren Erklärun­gen und sei­nem frühe­ren Ver­hal­ten der­art in Wi­der­spruch zu set­zen. Das Ver­bot des Selbst­wi­der­spruchs hin­dert Ver­trags­part­ner ua. dar­an, sich auf die Un­wirk­sam­keit ei­nes Ver­trags zu be­ru­fen, den sie vie­le Jah­re lang als rechts­wirk­sam an­ge­se­hen und bei­der­seits erfüllt ha­ben. Ins­be­son­de­re ist das Ver­trau­en ei­nes Ver­trags­part­ners auf ei­ne be­stimm­te Rechts­la­ge 


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schutzwürdig, so­weit er von dem an­de­ren Teil in die­sem Glau­ben bestärkt wor­den ist (vgl. ins­be­son­de­re BAG 4. De­zem­ber 2002 - 5 AZR 556/01 - BA­GE 104, 86, 92). Gleich­wohl ist nicht je­des wi­dersprüchli­ches Ver­hal­ten auch rechts­miss­bräuch­lich. Die Par­tei­en dürfen ih­re Rechts­an­sich­ten im Rechts­streit ändern. Je­der Par­tei steht es in der Re­gel frei, sich auf die Nich­tig­keit der von ihr ab­ge­ge­be­nen Erklärun­gen zu be­ru­fen (BGH 7. April 1983 - IX ZR 24/82 - BGHZ 87, 169, 177) oder ein un­ter ih­rer Be­tei­li­gung zu­stan­de ge­kom­me­nes Rechts­geschäft an­zu­grei­fen (BGH 5. De­zem­ber 1991 - IX ZR 271/90 - NJW 1992, 834). Ein wi­dersprüchli­ches Ver­hal­ten ist erst dann rechts­miss­bräuch­lich, wenn für den an­de­ren Teil ein schützens­wer­ter Ver­trau­en­stat­be­stand ge­schaf­fen wor­den ist (BGH 9. Mai 1960 - III ZR 32/59 - BGHZ 32, 273, 279; 20. März 1986 - III ZR 236/84 - NJW 1986, 2104, 2107) oder wenn an­de­re be­son­de­re Umstände die Rechts­ausübung als treu­wid­rig er­schei­nen las­sen (BGH 22. Mai 1985 - IVa ZR 153/83 - BGHZ 94, 344, 354; 5. De­zem­ber 1991 - IX ZR 271/90 - aaO; BAG 4. De­zem­ber 2002 - 5 AZR 556/01 - aaO).

b) Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ses Maßstabs ist ein rechts­miss­bräuch­li­ches Ver­hal­ten der Be­klag­ten noch nicht ein­mal in Ansätzen er­kenn­bar. Zum ei­nen stand es ihr frei, ih­re An­sicht zur Lösung des ent­stan­de­nen Kon­flikts zu ändern und auch von ei­nem zunächst un­ter­brei­te­ten und nicht mehr bin­den­den An­ge­bot ab­zurücken. Zum an­de­ren konn­te die Kläge­rin - so­lan­ge kein de­fi­ni­ti­ver Ver­trags­schluss vor­lag - auch nicht dar­auf ver­trau­en, dass die Par­tei­en auf je­den Fall das Ar­beits­verhält­nis durch ei­ne Be­en­di­gungs­ver­ein­ba­rung und Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung be­en­den würden. Dies gilt um­so mehr, als vor al­lem die Kläge­rin stets selbst vor­ge­se­hen hat­te, ei­ne mögli­che Ei­ni­gung vor Ge­richt pro­to­kol­lie­ren zu las­sen.

II. Der Kläge­rin steht auch kein Ab­fin­dungs­an­spruch in Höhe von 9.900,00 Eu­ro nach § 1a KSchG zu. Des­sen Vor­aus­set­zun­gen sind nicht erfüllt.

1. Nach § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG hat der Ar­beit­neh­mer An­spruch auf ei­ne Ab­fin­dung, wenn der Ar­beit­ge­ber das Ar­beits­verhält­nis we­gen drin­gen­der be­trieb­li­cher Er­for­der­nis­se nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gekündigt hat und der Ar­beit­neh­mer bis zum Ab­lauf der Frist des § 4 Satz 1 KSchG kei­ne Kla­ge auf Fest­stel­lung er­hebt, dass das Ar­beits­verhält­nis durch die Kündi­gung nicht auf­gelöst ist. Nach § 1a Abs. 1 Satz 2 KSchG setzt der An­spruch wei­ter den Hin­weis des Ar­beit­ge­bers in der Kündi­gungs­erklärung vor­aus, dass die Kündi­gung auf drin­gen­de be­trieb­li­che Gründe gestützt ist 


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und der Ar­beit­neh­mer bei Ver­strei­chen­las­sen der Kla­ge­frist die Ab­fin­dung be­an­spru­chen kann.

2. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Vor­aus­set­zun­gen des § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG mit zu­tref­fen­der Be­gründung ver­neint.

Zwar hat die Be­klag­te im Kündi­gungs­schrei­ben vom 4. März 2005 un­strei­tig den nach § 1a Abs. 1 Satz 2 KSchG not­wen­di­gen Hin­weis ge­ge­ben. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on ist aber die wei­te­re ge­setz­li­che Vor­aus­set­zung, nämlich dass die Kläge­rin kei­ne Kla­ge auf Fest­stel­lung iSv. § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG er­ho­ben hat, nicht erfüllt.

a) Es kann im Ent­schei­dungs­fall da­hin­ge­stellt blei­ben, ob die Kla­ge­er­wei­te­rung der Kläge­rin ge­gen die Kündi­gung vom 4. März 2005 im Rah­men des von ihr ge­gen die ers­te Kündi­gung durch ei­ne ge­gen die D ge­rich­te­te Kla­ge ein­ge­lei­te­ten Ver­fah­rens
be­reits aus­reicht, um die Vor­aus­set­zun­gen des § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG zu ver­nei­nen.

b) Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Ab­fin­dungs­an­spruch nach § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG sind nämlich schon des­halb nicht erfüllt, weil die Kläge­rin ge­gen die Kündi­gung vom 4. März 2005 auch ge­gen die Be­klag­te aus­drück­lich - er­neut - Kla­ge er­ho­ben und ei­nen An­trag auf nachträgli­che Kla­ge­zu­las­sung ge­stellt hat. Die späte­re An­trags- und Kla­gerück­nah­me führt zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis.

aa) Der Ab­fin­dungs­an­spruch nach § 1a Abs. 1 KSchG ent­steht nach dem Wort­laut der Re­ge­lung nicht, wenn der Ar­beit­neh­mer die Kündi­gung kla­ge­wei­se an­greift. Die ge­setz­li­che Re­ge­lung will ge­richt­li­che Aus­ein­an­der­set­zun­gen der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ver­mei­den und den Par­tei­en ei­ne ein­fa­che, ef­fi­zi­en­te und kostengüns­ti­ge außer­ge­richt­li­che Op­ti­on zu ei­nem fai­ren In­ter­es­sen­aus­gleich zur Verfügung stel­len. Die­sem Zweck ent­spricht es, ei­nem Ar­beit­neh­mer die Ab­fin­dung zu ver­sa­gen, wenn er ei­ne ge­richt­li­che Aus­ein­an­der­set­zung ein­ge­lei­tet hat (vgl. BT-Drucks. 15/1204 S. 9, 12). Dies gilt auch für ei­ne nach Ab­lauf der dreiwöchi­gen Kla­ge­frist ein­ge­reich­te (Kündi­gungs­schutz-)Kla­ge und ei­nen An­trag des Ar­beit­neh­mers auf nachträgli­che Kla­ge­zu­las­sung nach § 5 KSchG (vgl. Stahl­ha­cke/Preis/Vos­sen-Preis Kündi­gung und Kündi­gungs­schutz im Ar­beits­verhält­nis 9. Aufl. Rn. 1167h; ErfK/Oet­ker 8. Aufl. § 1a KSchG Rn. 14; Löwisch/Spin­ner KSchG 9. Aufl. § 1a Rn. 15; v. Ho­y­nin­gen-Hue­ne/Linck KSchG 14. Aufl. § 1a Rn. 10; Müko-BGB-Her­genröder 4. Aufl. § 1a


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KSchG Rn. 15 f.; Löwisch NZA 2003, 689, 694; Preis DB 2004, 70, 74; Raab RdA 2005, 1, 9; Wil­lem­sen/An­nuß NJW 2004, 177, 182). Zwar re­gelt § 1a Abs. 1 KSchG die­sen Fall nicht aus­drück­lich. Aus dem Sinn und Zweck der ge­setz­li­chen Re­ge­lung folgt aber, dass ein An­spruch nach § 1a Abs. 1 KSchG mit der An­trag­stel­lung auf nachträgli­che Zu­las­sung der Kündi­gungs­schutz­kla­ge entfällt. Der Ar­beit­ge­ber sähe sich an­sons­ten durch den nachträgli­chen Kla­ge­zu­las­sungs­an­trag nun­mehr doch mit ei­ner ge­richt­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung über die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses kon­fron­tiert, die er ge­ra­de mit dem An­ge­bot ei­ner Ab­fin­dungs­zah­lung ver­mei­den woll­te.

bb) Sch­ließlich führt auch die - als­bal­di­ge - Rück­nah­me des An­trags auf nachträgli­che Zu­las­sung und die Rück­nah­me der zwei­ten Kündi­gungs­schutz­kla­ge zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis.

Durch die Rück­nah­me der Kündi­gungs­schutz­kla­ge im Ter­min vom 23. Mai 2005 können je­den­falls die Vor­aus­set­zun­gen des § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG nicht mehr erfüllt - oder plas­ti­scher ge­heilt - wer­den (so auch die ganz herr­schen­de Mei­nung vgl. bei­spiels­wei­se ErfK/Oet­ker 8. Aufl. § 1a KSchG Rn. 14; KDZ-Kitt­ner 6. Aufl. § 1a KSchG Rn. 12; Stahl­ha­cke/Preis/Vos­sen-Preis Kündi­gung und Kündi­gungs­schutz im Ar­beits­verhält­nis 9. Aufl. Rn. 1167g; KR-Spil­ger 8. Aufl. § 1a KSchG Rn. 79; Müko-BGB-Her­genröder 4. Aufl. § 1a KSchG Rn. 14; HWK-Quecke 2. Aufl. § 1a KSchG Rn. 15; Preis DB 2004, 70, 75; Gie­sen/Bes­gen NJW 2004, 185, 188; Ey­lert/Schinz AE 2005, 7). Dar­an ändert auch § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO nichts, wo­nach der Rechts­streit als nicht anhängig ge­wor­den an­zu­se­hen ist, wenn die Kla­ge zurück­ge­nom­men wird. Die Rück­nah­me­fik­ti­on würde das ge­setz­ge­be­ri­sche Ziel kon­ter­ka­rie­ren, ei­nen Ab­fin­dungs­an­spruch bei be­triebs­be­ding­ter Kündi­gung nur im Fal­le der Ver­mei­dung ei­ner ge­richt­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung zu be­gründen. Dem wi­derspräche es, wenn der Ar­beit­neh­mer zunächst die Ent­wick­lung des Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses ab­war­ten und die Kla­ge bei sich ab­zeich­nen­der Er­folg­lo­sig­keit zurück­neh­men könn­te, um noch in den Ge­nuss der vom Ar­beit­ge­ber mit dem Hin­weis nach § 1a Abs. 1 Satz 2 KSchG an­ge­bo­te­nen Ab­fin­dung kom­men zu können. Um die Be­sei­ti­gung eben die­ser Unwägbar­kei­ten aber ist es dem Ge­setz­ge­ber mit der Schaf­fung des § 1a KSchG ge­gan­gen (vgl. KR-Spil­ger § 1a aaO).

III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 ZPO. 


Rost 

Schmitz-Scho­le­mann 

Ey­lert

K. Schier­le 

Th. Gans

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