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LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 25.03.2008, 2 Sa 5/08

   
Schlagworte: Tarifvertrag, Kurzarbeit
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Aktenzeichen: 2 Sa 5/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 25.03.2008
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Kiel
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein

Ak­ten­zei­chen: 2 Sa 5/08
5 Ca 917 a/07 ArbG Kiel
(Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben!)

 

Verkündet am 25.03.2008

gez. ...
als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le 

 

Ur­teil

Im Na­men des Vol­kes

In dem Rechts­streit

pp.

hat die 2. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Schles­wig-Hol­stein auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 25.03.2008 durch die Vi­ze­präsi­den­tin des Lan­des­ar­beits­ge­richts ... als Vor­sit­zen­de und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin ... als Bei­sit­ze­rin und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter ... als Bei­sit­zer

für Recht er­kannt:

Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Kiel vom 22.11.2007 – 5 Ca 917 a/07 – wird auf sei­ne Kos­ten zurück­ge­wie­sen. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil kann durch Ein­rei­chung ei­ner Re­vi­si­ons­schrift bei dem

Bun­des­ar­beits­ge­richt in 99084 Er­furt, Hu­go-Preuß-Platz 1,
Te­le­fax: (0361) 26 36 - 20 00

Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­den.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss

bin­nen ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

 

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beim Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen sein.

Der Re­vi­si­onskläger muss die Re­vi­si­on be­gründen. Die Re­vi­si­ons­be­gründung ist, so­fern sie nicht be­reits in der Re­vi­si­ons­schrift ent­hal­ten ist, in ei­nem Schrift­satz bei dem Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­zu­rei­chen. Die Frist für die Re­vi­si­ons­be­gründung beträgt

zwei Mo­na­te.

Die Fris­ten für die Ein­le­gung und die Be­gründung der Re­vi­si­on be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss das Ur­teil be­zeich­nen, ge­gen das die Re­vi­si­on ge­rich­tet wird, und die Erklärung ent­hal­ten, dass ge­gen die­ses Ur­teil Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­de.

Der Re­vi­si­ons­schrift soll ei­ne Aus­fer­ti­gung oder be­glau­big­te Ab­schrift des an­ge­foch­te­nen Ur­teils bei­gefügt wer­den.

Die Re­vi­si­on und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

(Rechts­mit­tel­schrif­ten, Rechts­mit­tel­be­gründungs­schrif­ten und wech­sel­sei­ti­ge Schriftsätze im Ver­fah­ren vor dem Bun­des­ar­beits­ge­richt sind in sie­ben­fa­cher - für je­den wei­te­ren Be­tei­lig­ten ei­ne wei­te­re - Aus­fer­ti­gung ein­zu­rei­chen.)

Der Schrift­form wird auch durch Ein­rei­chung ei­nes elek­tro­ni­schen Do­ku­ments genügt, wenn es für die Be­ar­bei­tung durch das Ge­richt ge­eig­net ist. Schriftsätze können da­zu über ei­ne ge­si­cher­te Ver­bin­dung in den elek­tro­ni­schen Ge­richts­brief­kas­ten des Bun­des­ar­beits­ge­richts ein­ge­legt wer­den. Die er­for­der­li­che Zu­gangs- und Über­tra­gungs­soft­ware kann li­zenz­kos­ten­frei über die In­ter­net­sei­te des Bun­des­ar­beits­ge­richts (www.bun­des­ar­beits­ge­richt.de) her­un­ter ge­la­den wer­den. Das Do­ku­ment ist mit ei­ner qua­li­fi­zier­ten Si­gna­tur nach dem Si­gna­tur­ge­setz zu ver­se­hen. Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den sich auf der In­ter­net­sei­te des Bun­des­ar­beits­ge­richts (s.o.) so­wie un­ter www.egvp.de.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um die Fra­ge, ob die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, an den Kläger Vergütung für Zei­ten zu zah­len, in de­nen im Be­trieb we­gen Kurz­ar­beit nicht ge­ar­bei­tet wur­de.

 

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Der Kläger ist am ....1967 ge­bo­ren, ver­hei­ra­tet und ei­ner Per­son un­ter­halts­pflich­tig. Bei der Be­klag­ten war er seit dem 7.8.1999 beschäftigt. Das Ar­beits­verhält­nis rich­tet sich nach dem Bun­des­rah­men­ta­rif­ver­trag für das Bau­ge­wer­be (BRTV Bau). Die Be­klag­te, die ei­nen Klein­be­trieb i. S. des § 23 KSchG un­terhält, kündig­te das Ar­beits­verhält­nis mit Schrei­ben vom 31.1.2007 zum 31.3.2007. In dem des­halb geführ­ten Rechts­streit (5 Ca 344 a/07 ArbG Kiel) ver­gli­chen sich die Par­tei­en am 12.3.2007 da­hin­ge­hend, dass das Ar­beits­verhält­nis mit dem 31.3.2007 en­de, die Be­klag­te sich ver­pflich­te, an den Kläger ei­ne Ab­fin­dung i. H. v. 1.500 EUR zu zah­len und der Kläger un­ter Fort­zah­lung der Vergütung, aber oh­ne An­rech­nung auf Ur­laub für die letz­te März­wo­che frei­ge­stellt wird.

Die Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten hat­ten seit Fe­bru­ar 2007 Kurz­ar­bei­ter­geld be­zo­gen. Für den Kläger hat­te die Be­klag­te für Fe­bru­ar 2007 Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld i.H.v. 1.133,47 EUR ab­ge­rech­net (Bl. 16 d. A.) und aus­ge­zahlt. Mit der Ab­rech­nung für März 2007 (Bl. 17, 133 d. A.) brach­te sie die­sen Be­trag wie­der in Ab­zug. Für die Zeit vom 1. bis 12.3.2007 zahl­te sie kei­ne Vergütung. Vom 13. bis 26.3.2007 war der Kläger ar­beits­unfähig er­krankt und er­hielt Ent­gelt­fort­zah­lung. Für die Zeit vom 27. bis 31.3.2007 rech­ne­te die Be­klag­te 31 Nor­mal­stun­den ab. Mit Schrei­ben vom 17.4.2007 hat der Kläger sei­ne For­de­rung auf Zah­lung von 1.133,42 EUR für Fe­bru­ar und 382,12 EUR für März gel­tend ge­macht.

Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, er ha­be An­spruch auf Zah­lung des Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­gel­des. Nach § 4 Zif­fer 6.1 BRTV Bau­ge­wer­be sei der Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet, das Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld in der ge­setz­li­chen Höhe mit der nächs­ten Lohn­ab­rech­nung zu zah­len, so­weit der Lohn­aus­fall in der ge­setz­li­chen Schlecht­wet­ter­zeit nicht durch die Auflösung von Ar­beits­gut­ha­ben aus­ge­gli­chen wer­den könne. Die zen­tra­le An­spruchs­norm der Win­ter­geld­re­ge­lung ab dem 1.5.2006 sei § 4 Nr. 6.1 BRTV. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en hätte in der Ta­rif­run­de 2004/2005 ver­sucht, die Win­ter­ar­beits­lo­sig­keit im Bau­ge­wer­be durch die ta­rif­li­che Vor­schrift so zu verändern, dass der Weg­fall des Sai­son­ar­bei­ter-Pri­vi­legs nicht da­zu führen soll­te, dass ein Großteil der Beschäftig­ten al­le 2 Jah­re an Stel­le ei­nes An­spruchs nach Ar­beits­lo­sen­geld I nur Ansprüche nach Ar­beits­lo­sen­geld II hätten. Da­her sei das neue Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld, das nicht nur für wit­te­rungs­be­ding­ten Aus­fall, son­dern nach § 175

 

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SGB III auch für Auf­trags­man­gel ge­zahlt wer­de, in das Sys­tem des Kurz­ar­bei­ter­gel­des ein­ge­glie­dert wor­den. Ge­ra­de die Kom­bi­na­ti­on des Weg­falls ei­nes An­spru­ches ei­ner Lohn­er­satz­leis­tung im Fal­le ei­ner Kündi­gung im Schlecht­wet­ter­zeit­raum und des Weg­falls von Lohn­ansprüchen nach dem BRTV Bau ha­be da­zu geführt, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en sich auf ei­ne Ergänzung des § 4 Zif­fer 6.1. BRTV verständigt hätten. Mit der For­mu­lie­rung des § 4 Zif­fer 6.1. Satz 2 BRTV hätten die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zum Aus­druck ge­bracht, dass der Ar­beit­ge­ber nach den Ta­rif­ver­trag auf je­den Fall ver­pflich­tet sei, an den Ar­beit­neh­mer ei­ne Zah­lung in Höhe des Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­gel­des zu leis­ten. Die­se For­mu­lie­rung sei un­abhängig von den so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Re­ge­lun­gen des SGB III und be­wusst gewählt wor­den, um den Ar­beit­neh­mer zu schützen. Es han­de­le sich um ei­ne ma­te­ri­ell-recht­li­che An­spruchs­norm.

Die Be­klag­te hat Zah­lungs­ansprüche des Klägers ge­leug­net. Sie hat vor­ge­tra­gen, grundsätz­lich ste­he Ar­beit­neh­mern in der ge­setz­li­chen Schlecht­wet­ter­zeit bei ei­nem Ar­beits­aus­fall, der auf wirt­schaft­li­chen oder wit­te­rungs­be­ding­ten Gründen be­ru­he, gemäß § 175 SGB III Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld zu. Das gel­te aber nur, so­lan­ge das Ar­beits­verhält­nis nicht gekündigt oder durch Auflösungs­ver­trag auf­gelöst sei. Dem­zu­fol­ge könn­ten Ar­beit­neh­mer ab dem Tag des Zu­gangs der Kündi­gung nicht mehr Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld er­hal­ten.
Die Be­klag­te sei aber als Ar­beit­ge­be­rin in die­sen Fällen nicht zur Lohn­zah­lung ver­pflich­tet. Bei § 4 Nr. 6. 1 Satz 2 BRTV Bau han­de­le es sich le­dig­lich um ei­ne de­kla­ra­to­ri­sche Aus­zah­lungs­vor­schrift, nicht um ei­ne ma­te­ri­el­le An­spruchs­grund­la­ge für Ver­zugs­lohn­ansprüche des Ar­beit­neh­mers. Die­se Re­ge­lung sei auf Wunsch der Ge­werk­schaft, der IG Bau, in den Bun­des­rah­men­ta­rif­ver­trag auf­ge­nom­men wor­den, um zu gewähr­leis­ten, dass der Ar­beit­ge­ber auch tatsächlich für den je­wei­li­gen Lohn­ab­rech­nungs­zeit­raum, in dem ein Ar­beits­aus­fall ein­ge­tre­ten sei, das Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld bei der Bun­des­agen­tur für Ar­beit be­an­tra­ge. Die Aus­zah­lungs­ver­pflich­tung be­ste­he je­doch nur dann, wenn auch die ge­setz­li­chen An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen für das Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld erfüllt sei­en. Lie­ge die persönli­che Vor­aus­set­zung ei­nes un­gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis­ses nicht vor, könne der be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer sich auch nicht an den Ar­beit­ge­ber hal­ten. Da dem Kläger am

 

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31.1.2007 gekündigt wor­den sei, sei mit die­sem Tag die persönli­che Vor­aus­set­zung ei­nes un­gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis­ses für ihn ent­fal­len.
Im Übri­gen be­strei­te sie den An­spruch der Höhe nach.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit Ur­teil vom 22.11.2007 die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Ge­gen die­ses am 7.12.2007 zu­ge­stell­te Ur­teil hat der Kläger am 4.1.2008 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se be­gründet.

Der Kläger wie­der­holt und ver­tieft sein erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen. Wei­ter trägt er vor, das Ar­beits­ge­richt ha­be sich nicht aus­rei­chend mit den his­to­ri­schen Hin­ter­gründen der ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lung aus­ein­an­der ge­setzt. Er, der Kläger, stütze sich nicht auf § 615 BGB, der durch § 4 BRTV Bau bei Schlecht­wet­ter ab­be­dun­gen sei. Auch be­ru­fe er sich nicht auf § 4 Nr. 6.1 S. 1 BRTV Bau. Je­doch sei der An­spruch durch § 4 Nr. 6.1 S. 2 BRTV Bau be­gründet. Es han­de­le sich nicht um ei­ne rein de­kla­ra­to­ri­sche Fest­schrei­bung. Viel­mehr wer­de hier der Net­to­zah­lungs­an­spruch ge­gen den Ar­beit­ge­ber de­fi­niert, der nur hin­sicht­lich der Höhe und Be­rech­nung auf das Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld ab­stel­le. Vor­aus­set­zung für die Zah­lung sei, dass der Ar­beits­aus­fall nicht mehr durch die Auflösung von Ar­beits­zeit­gut­ha­ben aus­ge­gli­chen wer­den könne. Hier­aus fol­ge, dass in al­len an­de­ren Fällen, so­wohl bei wit­te­rungs­be­ding­tem Ar­beits­aus­fall als auch bei Ar­beits­aus­fall aus wirt­schaft­li­chen Gründen das Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld mit der nächs­ten Lohn­ab­rech­nung aus­zu­zah­len sei. Zweck der Re­ge­lung sei ge­we­sen, die win­ter­be­ding­ten Kündi­gun­gen zu ver­mei­den. Der Ar­beit­ge­ber sol­le ver­pflich­tet sein, in je­dem Fall, auch bei ei­ner Kündi­gung, ei­ne Net­to­aus­zah­lung in Höhe des Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­gel­des zu leis­ten. Dafür, dass es sich nicht um ei­ne rein de­kla­ra­to­ri­sche Wie­der­ga­be han­de­le, spre­che auch die Tat­sa­che, dass der Ar­beit­ge­ber in Vor­leis­tung ge­hen müsse. Denn der An­trag auf Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld könne noch in­ner­halb von 3 Mo­na­ten nach dem Mo­nat, für den es be­an­tragt wer­de, ge­stellt wer­den. Auch sei nicht aus­rei­chend berück­sich­tigt, dass der Ar­beit­ge­ber sich scha­den­er­satz­pflich­tig ma­che, wenn er den An­trag nicht stel­le. Zur Be­rech­nung des An­spruchs wird auf den Schrift­satz vom 13.2.2008 (Bl. 122 ff. d. A.) ver­wie­sen.

Der Kläger be­an­tragt jetzt nur noch,

 

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das an­ge­foch­te­ne Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Kiel - 5 Ca 917 a/07 - vom 22 .11 .2007 zu ändern und
die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an den Kläger 1.515,59 Eu­ro net­to nebst
Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz der Eu­ropäischen Zen­tral­bank seit dem 01.05.2007 zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil un­ter Wie­der­ho­lung und Ver­tie­fung ih­res erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens. Sie be­strei­tet wei­ter­hin den An­spruch dem Grun­de und der Höhe nach und trägt vor, auch jetzt ha­be der Kläger nicht über­zeu­gend dar­ge­legt, war­um § 4 Nr. 6.1 S. 2 BRTV Bau ei­ne An­spruchs­norm für Ver­zugs­lohn­ansprüche in Höhe des Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­gel­des im gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis sein sol­le. Die Vor­aus­set­zun­gen für die Gewährung von Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld sei­en in §§ 172 ff. SGB III ge­re­gelt. Je­doch ver­pflich­tet § 4 Nr. 6.1 S. 2 BRTV Bau den Ar­beit­ge­ber zur mo­nat­li­chen Aus­zah­lung. Hier sei ei­ne ge­genüber den ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten verschärf­te Aus­zah­lungs­pflicht nie­der­ge­legt. Der Ar­beit­ge­ber sei vor­leis­tungs­pflich­tig. Die­se Aus­zah­lungs­pflicht be­ste­he aber nur dann, wenn auch ein ge­setz­li­cher An­spruch auf das Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld dem Grun­de nach be­ste­he. Ei­ne darüber hin­aus­ge­hen­de Re­ge­lung sei von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en nicht ge­wollt ge­we­sen und sei auch von der IG Bau­en-Agrar-Um­welt in den Ta­rif­gesprächen nicht ge­for­dert wor­den. So­weit der Kläger auf ei­ne Scha­den­er­satz­pflicht des Ar­beit­ge­bers ver­wei­se, über­se­he er, dass ein Scha­den­er­satz­an­spruch nur dann ent­ste­hen könne, wenn auch dem Grun­de nach An­spruch auf das Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld be­ste­he. So­weit der Kläger vor­tra­ge, Sinn und Zweck der Neu­re­ge­lung sei die Ver­mei­dung von Ent­las­sun­gen ge­we­sen, tref­fe dies nicht zu, da die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en bei den Gesprächen über die Neu­fas­sung des BRTV Bau zu kei­nem Zeit­punkt die Pro­ble­ma­tik des An­spruchs auf Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld im gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis an­ge­spro­chen hätten.

Ergänzend wird auf den In­halt der Ak­ten, ins­be­son­de­re die wech­sel­sei­ti­gen Schriftsätze mit An­la­gen und Erklärun­gen zu Pro­to­koll, Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

 

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Die zulässi­ge Be­ru­fung hat nicht Er­folg.

Wie das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend aus­geführt hat, ist die Kla­ge un­be­gründet. Der Kläger hat we­der aus dem Ver­gleich vom 12.3.2007 ei­nen An­spruch auf Zah­lung noch aus dem Ta­rif­ver­trag. Da die Kla­ge un­be­gründet ist, kommt es nicht dar­auf an, ob die Be­rech­nung des für März ge­for­der­ten Be­tra­ges – der für Fe­bru­ar war von der Be­klag­ten selbst er­rech­net wor­den – rich­tig er­folgt ist. In­des ist nach dem Er­geb­nis der Be­ru­fungs­ver­hand­lung da­von aus­zu­ge­hen, dass die Be­klag­te die Be­rech­nung nicht mehr be­strei­tet.

1. Ein An­spruch er­gibt sich nicht aus dem Ver­gleich vom 12.3.2007. Dort ha­ben die Par­tei­en ver­ein­bart, dass der Kläger in der letz­ten Wo­che des März frei­ge­stellt wird, wo­bei ihm die Vergütung ge­zahlt wird. Wie sich aus der Lohn­ab­rech­nung für März 2007 er­gibt, hat die Be­klag­te die Vergütung für die letz­te Wo­che voll ge­zahlt.

2. Wie das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend aus­geführt hat und der Kläger auch nicht in Ab­re­de stellt, kommt ein An­spruch aus § 615 BGB nicht in Be­tracht. § 615 BGB ist dis­po­si­tiv (Jous­sen in Beck-OK, Rn 9 zu § 615 BGB m.w.N.; Hens­s­ler/MüKo BGB Rn. 10 zu § 615 BGB). In § 4 BRTV Bau ist ge­re­gelt, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen bei Ar­beits­versäum­nis und Ar­beits­aus­fall Lohn ge­zahlt wird. Nach § 4 Ziff. 1 BRTV Bau wird grundsätz­lich der Lohn nur für die tatsächlich ge­leis­te­te Ar­beits­zeit ge­zahlt, so­weit nicht ei­ne der im Fol­gen­den ab­sch­ließend auf­gezähl­ten Aus­nah­men vor­liegt. Die­se aus­sch­ließen­de Ver­ein­ba­rung ist hin­rei­chend deut­lich und klar. Das gilt auch für die Schlecht­wet­ter­zeit, wie § 4 Nr. 6.1 BRTV Bau zeigt.

Ein An­spruch des Klägers aus § 615 BGB kommt auch nicht aus dem Ge­sichts­punkt in Be­tracht, dass die Ab­be­din­gung un­bil­lig wäre. Gren­ze der Ab­be­din­gung des § 615 BGB ist die Bil­lig­keit (Jous­sen in Beck-OK, rn. 10 zu § 615 BGB; Hens­s­ler/MüKo BGB, Rn. 11). Un­bil­lig wäre es, Wirt­schafts- und Be­triebs­ri­si­ko gänz­lich auf den Ar­beit­neh­mer ab­zuwälzen. Die Kam­mer hält es zwar für höchst pro­ble­ma­tisch, dass der Kläger für den Fe­bru­ar und ei­nen Teil des März kei­ne Vergütung oder an­de­re Leis­tun­gen be­zo­gen hat und, hätte er nicht ent­spre­chend dem Ver­gleich vom

 

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12.3.2007 noch An­spruch auf ei­ne Ab­fin­dung von 1.500 EUR ge­habt, kei­ne Möglich­keit ge­habt hätte, sei­nen Le­bens­un­ter­halt aus sei­ner Tätig­keit zu be­strei­ten. An­de­rer­seits han­delt es sich hier nicht um ei­ne ein­zel­ver­trag­li­che, son­dern ei­ne ta­rif­ver­trag­li­che Re­ge­lung. Vor­lie­gend ist mit § 4 Nr. 6.1 BRTV Bau ein Re­ge­lungs­pa­ket ge­schaf­fen wor­den, in dem die Ri­si­ken ver­teilt wer­den soll­ten.

Soll­te der vor­lie­gen­de Fall nicht von die­sem Re­ge­lungs­pa­ket er­fasst wor­den sein, käme ei­ne ta­rif­ver­trag­li­che Lücke in Be­tracht. An­ge­sichts der Tat­sa­che, dass schon vor der Ände­rung des Ta­rif­ver­tra­ges und Einführung des Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­gel­des Kurz­ar­bei­ter­geld nur zu­stand, wenn das Ar­beits­verhält­nis nicht gekündigt wor­den war, müssen die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ge­se­hen ha­ben, dass auch Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld im Fall der Kündi­gung entfällt. Die frühe­re Er­mes­sens­re­ge­lung in § 65 Abs. 1 S. 3 AFG war in das SGB III nicht über­nom­men wor­den. Das Ent­gel­t­ri­si­ko soll­te bei gekündig­tem Ar­beits­verhält­nis nicht auf die Ar­beits­ver­wal­tung ver­la­gert wer­den. Da­ge­gen, dass es sich um ei­ne un­be­wuss­te Lücke han­del­te, spricht auch die E-Mail vom 10.3.2006 (Bl. 46, 47 d.A.), in der aus­drück­lich ei­ne For­mu­lie­rung als Scha­den­er­satz­an­spruch vor­ge­schla­gen wird. Dies hat in­des nicht Ein­gang in den Ta­rif­ver­trag ge­fun­den. Da­mit wäre die Ausfüllung ei­ner et­wai­gen – be­ab­sich­tig­ten - Lücke durch die Ar­beits­ge­rich­te we­gen Ver­s­toßes ge­gen die Ta­rif­au­to­no­mie un­zulässig.

3. Auch aus § 4 Nr. 6.1 S. 1 BRTV Bau er­gibt sich kein An­spruch, wie das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend aus­geführt hat und der Kläger auch nicht be­an­stan­det. Nach der Vor­schrift entfällt der Lohn­an­spruch, wenn die Ar­beits­leis­tung ent­we­der aus zwin­gen­den Wit­te­rungs­gründen oder in der ge­setz­li­chen Schlecht­wet­ter­zeit aus wirt­schaft­li­chen Gründen unmöglich wird. Da in der Fas­sung des BRTV Bau in § 4 Nr. 6.1 nur „zwin­gen­de Wit­te­rungs­gründe“ als Grund für den Lohn­aus­fall ak­zep­tiert wur­den, während jetzt auch Ar­beits­aus­fall aus wirt­schaft­li­chen Gründen in der Schlecht­wet­ter­zeit ei­nen Grund dar­stellt, ist die Vor­schrift ein­deu­tig. Da der Ar­beits­aus­fall in der Schlecht­wet­ter­zeit i.S. des § 175 Abs. 1 SGB III statt­fand, er­gibt sich kein An­spruch nach § 4 Nr. 6.1 S. 1 BRTV Bau.

 

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4. Der An­spruch kann aber auch nicht auf § 4 Nr. 6.1 Satz 2 BRTV Bau, wo­nach der Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet ist, mit der nächs­ten Lohn­ab­rech­nung das Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld in der ge­setz­li­chen Höhe zu zah­len, gestützt wer­den. In­so­weit wird auf die Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts ver­wie­sen, de­nen sich die Be­ru­fungs­kam­mer an­sch­ließt.

Ergänzend wird dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Vor­schrift des § 4 Ziff. 6.1 S. 2 BRTV Bau ih­rem Wort­laut nach vor­aus­setzt, dass über­haupt ein An­spruch auf Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld be­steht, so dass der Ar­beit­ge­ber le­dig­lich als Zahl­stel­le tätig wird. Er kann zwar das Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld erst später be­an­tra­gen. Die­se Tat­sa­che reicht aber nicht aus, ei­ne ei­genständi­ge An­spruchs­grund­la­ge zu be­gründen. Aus die­ser Re­ge­lung folgt le­dig­lich die Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers, mit der Aus­zah­lung in Vor­la­ge zu tre­ten.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers er­gibt sich auch nicht aus der For­mu­lie­rung „in der ge­setz­li­chen Höhe“, dass ein ei­genständi­ger An­spruch be­gründet wer­den soll­te, des­sen Höhe da­mit de­fi­niert wird. Hier­ge­gen spricht die Tat­sa­che, dass die zu er­brin­gen­de Leis­tung aus­drück­lich als „Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld“ be­zeich­net wird. Sonst wäre ei­ne an­de­re For­mu­lie­rung, et­wa „ei­ne der Höhe des Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­gel­des ent­spre­chen­de Leis­tung“ gewählt wor­den, wo­bei dann aber un­geklärt wäre, wie Steu­ern und So­zi­al­ver­si­che­rungs­ab­ga­ben zu be­rech­nen wären. Durch die aus­drück­li­che Be­zeich­nung der Leis­tung als „Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld“ wird aber klar­ge­stellt, dass der Ar­beit­ge­ber nur das leis­ten soll, was auch dem Ar­beit­neh­mer ge­genüber der Bun­des­agen­tur für Ar­beit persönlich zu­steht.

Der Hin­weis des Klägers auf ei­ne Scha­den­er­satz­pflicht des Ar­beit­ge­bers, wenn er den An­trag nicht stellt, führt nicht zu ei­ner an­de­ren Be­ur­tei­lung. Zwar kann ein An­spruch auf Scha­den­er­satz er­wach­sen, wenn der Ar­beit­ge­ber trotz Vor­lie­gens der Leis­tungs­vor­aus­set­zun­gen den An­trag auf Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­geld nicht stellt. Vor­aus­set­zung ei­nes Scha­den­er­satz­an­spruchs ist aber in je­dem Fall, dass über­haupt ein An­spruch be­stan­den hat­te. Nur dann kann dem Ar­beit­neh­mer ein Scha­den ent­ste­hen.

 

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Dem Ar­beits­ge­richt ist fer­ner zu­zu­stim­men, dass auch die his­to­ri­sche Ent­wick­lung für die obi­ge Aus­le­gung spricht. Ent­ge­gen der Mei­nun­gen bei­der Par­tei­en kommt es bei der Aus­le­gung der ta­rif­ver­trag­li­chen Vor­schrif­ten nicht dar­auf an, was bei­de Ta­rif­ver­trags­par­tei­en sich ge­dacht ha­ben, so­lan­ge die­se Ge­dan­ken nicht ih­ren Nie­der­schlag in der Re­ge­lung ge­fun­den ha­ben. Zweck der ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lung war der Er­halt der Ar­beitsplätze für die Ar­beit­neh­mer und der ein­ge­ar­bei­te­ten Ar­beits­kräfte für den Be­trieb (BT Drucks. 16, 429, S. 11 ff.). Im Zu­sam­men­hang da­mit stand die Einführung des Sai­son-Kurz­ar­bei­ter­gel­des (Ge­setz zur Förde­rung ganzjähri­ger Beschäfti­gung, BGBl. I 2006, 926). Bei­de Re­ge­lun­gen wa­ren auf­ein­an­der ab­ge­stimmt. Da­bei ist ein Ver­bot von Kündi­gun­gen aus wirt­schaft­li­chen Gründen in der Schlecht­wet­ter­zeit nicht in § 12 Ziff. 2 BRTV Bau auf­ge­nom­men wor­den. Dort wird wei­ter­hin nur der Aus­spruch wet­ter­be­ding­ter Kündi­gun­gen in der Schlecht­wet­ter­zeit un­ter­sagt.

Die Be­ru­fung ist da­her zurück­zu­wei­sen. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 ZPO.

Die Re­vi­si­on ist nach § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG we­gen der grundsätz­li­chen Be­deu­tung der Streit­sa­che zu­zu­las­sen.

 

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