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BAG, Ur­teil vom 11.04.2018, 4 AZR 119/17

   
Schlagworte: Betriebsvereinbarung, Bezugnahmeklausel, Günstigkeitsprinzip
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 4 AZR 119/17
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 11.04.2018
   
Leitsätze: In einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag geregelte Arbeitsbedingungen sind schon dann nicht - konkludent - „betriebsvereinbarungsoffen“ ausgestaltet, wenn und soweit die Arbeitsvertragsparteien ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbart haben, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen. Das ist bei einer einzelvertraglich vereinbarten - dynamischen - Verweisung auf einen Tarifvertrag stets der Fall.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 25.05.2016, 6 Ca 541/16
Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 25.10.2016, 8 Sa 500/16
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

4 AZR 119/17
8 Sa 500/16
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Düssel­dorf

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
11. April 2018

UR­TEIL

Frei­tag, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

 

hat der Vier­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 11. April 2018 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Ey­lert, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Creutz­feldt, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Rinck so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Ste­ding und Klotz für Recht er­kannt:

 

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I. Auf die Re­vi­si­on des Klägers wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf vom 25. Ok­to­ber 2016 - 8 Sa 500/16 - auf­ge­ho­ben.

II. Auf die Be­ru­fung des Klägers wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Es­sen vom 25. Mai 2016 - 6 Ca 541/16 - ab­geändert:

1. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger 22.435,42 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz aus 5.485,32 Eu­ro seit dem 1. Fe­bru­ar 2016 so­wie aus 16.950,10 Eu­ro seit dem 15. April 2016 zu zah­len.

2. Es wird fest­ge­stellt, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, den Kläger ab dem 1. Fe­bru­ar 2016 bis zum 31. De­zem­ber 2016 nach der Ent­gelt­grup­pe 9 Stu­fe 4 der je­wei­li­gen Ent­gelt­ta­bel­le des TVöD/VKA zu vergüten.

III. Die Be­klag­te hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die An­wen­dung des Ta­rif­ver­trags für den öffent­li­chen Dienst im Be­reich der Ver­ei­ni­gung der kom­mu­na­len Ar­beit­ge­ber­verbände (TVöD/VKA), hilfs­wei­se des Ta­rif­ver­trags für den öffent­li­chen Dienst der Länder (TV-L) und sich dar­aus er­ge­ben­de Ent­gelt­ansprüche.

Der im Jahr 1966 ge­bo­re­ne Kläger ist seit dem 1. Sep­tem­ber 1991 bei der Be­klag­ten und de­ren Rechts­vorgänger als Mas­seur beschäftigt. Im Ar­beits­ver­trag vom 30. Sep­tem­ber 1991 (im Fol­gen­den Ar­beits­ver­trag 1991) heißt es ua.:

„§ 2 Vergütung

Der Ar­beit­neh­mer erhält

 

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ei­ne mo­nat­li­che Vergütung von DM 3.151,02 brut­to

...

§ 7 Ar­beits­ord­nung

Die als An­la­ge bei­gefügte Ar­beits­ord­nung ist Be­stand­teil des Ar­beits­ver­tra­ges. Darüber hin­aus gel­ten al­le be­trieb­li­chen Re­ge­lun­gen, so­fern in die­sem Ar­beits­ver­trag kei­ne an­de­re Ver­ein­ba­rung ge­trof­fen ist, so­wie die Be­stim­mun­gen des all­ge­mei­nen Ar­beits­rechts.

§ 8 Aus­schluß- und Ein­spruchs­fris­ten

Al­le Ansprüche, die sich aus die­sem Ver­trag er­ge­ben, erlöschen 3 Mo­na­te nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses, so­fern sie nicht vor­her schrift­lich gel­tend ge­macht wor­den sind.“

Am 16. De­zem­ber 1992 schlos­sen die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ei­ne Zu­satz­ver­ein­ba­rung (im Fol­gen­den Zu­satz­ver­ein­ba­rung 1992), die aus­zugs­wei­se wie folgt lau­tet:

„... wird mit Wir­kung zum 01.01.1993 in ge­gen­sei­ti­gen Ein­ver­neh­men fol­gen­de Ver­ein­ba­rung ge­trof­fen:

1. Die wöchent­li­che Ar­beits­zeit in der 4,5-Ta­ge-Wo­che beträgt 30 St­un­den und setzt sich wie folgt zu­sam­men:

...

2. Die Vergütung für die ver­ein­bar­te Tätig­keit beträgt mo­nat­lich in der Grup­pe BAT Vc / 3 = DM 2.527,80 brut­to.

...“

Am 17. Fe­bru­ar 1993 schloss der Rechts­vorgänger der Be­klag­ten mit dem bei ihm für den Be­trieb ge­bil­de­ten Be­triebs­rat ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung zur Re­ge­lung der ar­beits­recht­li­chen Verhält­nis­se für die An­ge­stell­ten, Ar­bei­ter/-in­nen und Aus­zu­bil­den­den der Ein­zel­fir­ma S (im Fol­gen­den Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993). Die­se lau­tet aus­zugs­wei­se:

„§ 1 Gel­tungs­be­reich

Die­se Be­triebs­ver­ein­ba­rung gilt für al­le An­ge­stell­ten, Ar­bei­ter/-in­nen und Aus­zu­bil­den­den des S, mit Aus­nah­me der ge­ringfügig Beschäftig­ten.

 

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§ 2 Lohn- und Vergütungs­richt­li­ni­en

1. Für die An­ge­stell­ten nach § 1 die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung gel­ten ana­log die für die An­ge­stell­ten des Bun­des und der Länder ver­ein­bar­ten Be­stim­mun­gen des Lohn-und Vergütungs­ta­rif­ver­tra­ges - BAT - vom 11. Ja­nu­ar 1961.

...

4. Ände­run­gen be­zie­hungs­wei­se Ergänzun­gen der Be­stim­mun­gen der Absätze 1 ... tre­ten zu dem Zeit­punkt in Kraft, in de­nen die Ände­run­gen be­zie­hungs­wei­se Ergänzun­gen für An­ge­stell­te ... des Bun­des und der Länder wirk­sam wer­den.

5. Ab­satz 4 gilt sinn­gemäß für die in den Absätzen 1 ... ge­nann­ten Be­stim­mun­gen, die außer Kraft tre­ten.

§ 3 Son­der­re­ge­lun­gen

1. An­wen­dung des Rah­men­ta­rif­ver­tra­ges BAT (und die die­sen ändern­den Vor­schrif­ten) mit Aus­nah­me fol­gen­der Pa­ra­gra­phen:

§ 3, § 6, § 15a, § 16, § 17, § 25, § 35, § 36, § 37, § 39,
§ 40, § 41, § 42, § 43, § 44, § 46, § 49, § 55, § 56, § 62,
§ 63, § 64, § 65, § 69 und § 74.

...

§ 4 In­kraft­tre­ten und Lauf­zeit

1. Die­se Be­triebs­ver­ein­ba­rung ist un­be­fris­tet und tritt am 01.01.1993 rück­wir­kend in Kraft.

2. Die Be­triebs­ver­ein­ba­rung kann mit ei­ner Frist von 3 Mo­na­ten zum Quar­tals­en­de, frühes­tens zum 31.12.1993 gekündigt wer­den.

§ 5 Schlußbe­stim­mun­gen

Die Be­stim­mun­gen die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung wer­den au­to­ma­tisch Be­stand­teil von Ar­beits­verträgen, die vor dem Ab­schlußda­tum die­ser Ver­ein­ba­rung ge­schlos­sen wor­den sind.

Die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer/in­nen er­hal­ten ei­nen ent­spre­chen­den Nach­trag zum Ar­beits­ver­trag.“

 

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Im März 1993 er­hielt der Kläger ein Schrei­ben des Rechts­vorgängers der Be­klag­ten, das er un­ter­zeich­ne­te (im Fol­gen­den Nach­trag 1993 AV). Dort heißt es ua.:

„Betr.: Be­triebs­ver­ein­ba­rung vom Fe­bru­ar 1993 Nach­trag zum Ar­beits­ver­trag

Die Be­stim­mun­gen der o.g. Be­triebs­ver­ein­ba­rung wur­den mit de­ren In­kraft­tre­ten au­to­ma­tisch Be­stand­teil Ih­res Ar­beits­ver­tra­ges.

Al­le in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung ge­trof­fe­nen Be­stim­mun­gen set­zen die ent­spre­chen­den Re­ge­lun­gen des Ar­beits­ver­tra­ges außer Kraft. Al­le Ver­trags­be­stim­mun­gen, die durch die­se Be­triebs­ver­ein­ba­rung nicht ge­re­gelt sind, wer­den durch die­sen Nach­trag nicht berührt und be­hal­ten ih­re Gültig­keit.

Die Be­triebs­ver­ein­ba­rung hängt zur Zeit noch am Schwar­zen Brett aus und kann später in der Per­so­nal­ab­tei­lung ein­ge­se­hen wer­den.

Zum Zei­chen der Kennt­nis­nah­me und Ih­res Ein­verständ­nis­ses bit­ten wir Sie, die bei­gefügte Ko­pie un­ter­schrie­ben an uns zurück­zu­ge­ben.“

Am 22. März 1995 schlos­sen der Rechts­vorgänger der Be­klag­ten und der Kläger ei­ne wei­te­re Zu­satz­ver­ein­ba­rung (im Fol­gen­den Zu­satz­ver­ein­ba­rung 1995), in der es ua. heißt:

„1. Wöchent­li­che Ar­beits­zeit von 23 St­un­den in der 5-Ta­ge-Wo­che: ...

...

2. Die Vergütung für die ver­ein­bar­te Tätig­keit beträgt mo­nat­lich in der Grup­pe BAT Vc 2.150,27 DM brut­to.

3. Der Ur­laub beträgt in der 5-Ta­ge-Wo­che 26 Ur­laubs­ta­ge im Ka­len­der­jahr.

4. Die Zu­satz­ver­ein­ba­rung zum Ar­beits­ver­trag vom 16.12.1992 wird mit in Kraft tre­ten die­ser Zu­satz­ver­ein­ba­rung un­wirk­sam.

5. Al­le an­de­ren Ver­trags­be­stand­tei­le blei­ben von die­ser Zu­satz­ver­ein­ba­rung un­berührt und be­hal­ten ih­re Gültig­keit.“

 

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Die Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 wur­de mit Schrei­ben vom 7 27. Sep­tem­ber 2001 zum 31. De­zem­ber 2001 gekündigt.

Am 23. März 2006 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en er­neut ei­ne Ände­rung zum Ar­beits­ver­trag. Dort heißt es ua.:

„1. Ab dem 01.06.2006 beträgt der Stel­len­an­teil 0,78 VK, das ent­spricht ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 30 St­un­den in der 5 Ta­ge/Wo­che.

2. Das Ge­halt wird ent­spre­chend der 0,78 Stel­le auf 1.933,90 € erhöht.

3. Die Zu­satz­ver­ein­ba­rung vom 22.03.1995 wird mit die­ser Ände­rung un­wirk­sam.

4. Al­le übri­gen Be­stand­tei­le des be­ste­hen­den Ar­beits­ver­tra­ges blei­ben un­verändert gültig.“

Von 2005 bis 2010 ent­hiel­ten die Ent­gel­tab­rech­nun­gen des Klägers ei­nen Hin­weis auf „Vb Stu­fe 09“. Seit Ju­ni 2006 erhält der Kläger mo­nat­lich 1.933,90 Eu­ro brut­to, wei­te­re Ge­halts­erhöhun­gen gab es nicht. Zu­dem gewähr­te die Be­klag­te Nacht­zu­schläge iHv. 1,28 Eu­ro, Sams­tags­zu­schläge von 0,64 Eu­ro, Sonn­tags­zu­schläge von 3,71 Eu­ro und Fei­er­tags­zu­schläge von 5,19 Eu­ro je St­un­de.

Mit Schrei­ben sei­nes Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten vom 25. No­vem­ber 2015 mach­te der Kläger ge­genüber der Be­klag­ten Vergütung nach dem TVöD für den Zeit­raum ab Mai 2015 gel­tend und be­zif­fer­te den mo­nat­li­chen Mehr­be­trag zunächst mit 479,55 Eu­ro. Mit Schrei­ben vom 16. De­zem­ber 2015 wies die Be­klag­te die Ansprüche zurück.

Mit sei­ner Kla­ge hat der Kläger zunächst Ent­gelt­ansprüche iHv. 5.903,76 Eu­ro brut­to so­wie die Fest­stel­lung der Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zur Zah­lung von Vergütung nach Ent­gelt­grup­pe 9 TV-L und hilfs­wei­se Ent­gelt­grup­pe 9 Stu­fe 4 TVöD/VKA be­gehrt. Im wei­te­ren Ver­lauf des Rechts­streits hat er nach teil­wei­ser Kla­gerück­nah­me und wei­te­ren Kla­ge­er­wei­te­run­gen für den Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2013 bis zum 31. Ju­li 2015 auf der Grund­la­ge der Dif­fe­renz zwi­schen dem mo­nat­lich ge­zahl­ten und dem ta­rif­li­chen Ent­gelt in mo­nat­lich un­ter­schied­li­cher, aber rech­ne­risch un­strei­ti­ger Höhe die Zah­lung von ins­ge­samt

 

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22.435,42 Eu­ro brut­to so­wie - un­ter Aus­tausch von Haupt- und Hilfs­an­trag in der Re­vi­si­on - die Fest­stel­lung der Vergütungs­ver­pflich­tung der Be­klag­ten nach der Ent­gelt­grup­pe 9 Stu­fe 4 TVöD/VKA, hilfs­wei­se der Ent­gelt­grup­pe 9 Stu­fe 4 TV-L gel­tend ge­macht.

Der Kläger hat - zu­letzt - die Auf­fas­sung ver­tre­ten, er ha­be An­spruch auf Vergütung nach der Ent­gelt­grup­pe 9 Stu­fe 4 TVöD/VKA, hilfs­wei­se der Ent­gelt­grup­pe 9 Stu­fe 4 TV-L. Die Zu­satz­ver­ein­ba­run­gen 1992 und 1995 zu sei­nem Ar­beits­ver­trag ent­hiel­ten mit ih­rer dy­na­mi­schen Be­zug­nah­me ei­ne Ver­wei­sung auf die Vergütungs­ord­nung des Bun­des-An­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trags (BAT) und nach de­ren Ablösung auf die des TVöD/VKA, des­sen Ta­bel­le die Be­klag­te auch zu­letzt ih­ren Ab­rech­nun­gen zu­grun­de ge­legt ha­be, hilfs­wei­se auf die des TV-L. Die dy­na­mi­sche An­wen­dung der Ta­rif­wer­ke des öffent­li­chen Diens­tes sei we­der durch die Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 noch durch den Nach­trag 1993 AV be­en­det wor­den. Die frei­wil­li­ge Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 sei un­wirk­sam, da es im Pfle­ge­be­reich ta­rif­ver­trag­li­che Ar­beits­be­din­gun­gen so­wie mitt­ler­wei­le die Ver­ord­nung über zwin­gen­de Ar­beits­be­din­gun­gen für die Pfle­ge­bran­che ge­be. Zu­dem ha­be sie zum 31. De­zem­ber 2001 auf­grund der Kündi­gung oh­ne Nach­wir­kung ge­en­det. Der Nach­trag 1993 AV ha­be kei­ne kon­sti­tu­ti­ve ver­trag­li­che Wir­kung. Aus­schluss­fris­ten fänden kei­ne An­wen­dung.

Der Kläger hat zu­letzt be­an­tragt,

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an den Kläger 22.435,42 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz aus 5.485,32 Eu­ro seit dem 1. Fe­bru­ar 2016 so­wie aus 16.950,10 Eu­ro seit dem 15. April 2016 zu zah­len;

2. fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, den Kläger ab dem 1. Fe­bru­ar 2016 bis zum 31. De­zem­ber 2016 nach der Ent­gelt­grup­pe 9 Stu­fe 4 der je­wei­li­gen Ent­gelt­ta­bel­le des TVöD/VKA zu vergüten, hilfs­wei­se
fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, den Kläger ab dem 1. Fe­bru­ar 2016 bis zum 31. De­zem­ber 2016 nach der Ent­gelt­grup­pe 9 Stu­fe 4 der je­wei­li­gen Ent­gelt­ta­bel­le des TV-L Ta­rif­ge­biet West zu vergüten.

 

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Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat - zu­letzt - die Auf­fas­sung ver­tre­ten, we­der der Ar­beits­ver­trag 1991 noch die Zu­satz­ver­ein­ba­run­gen 1992 und 1995 ent­hiel­ten ei­ne dy­na­mi­sche Be­zug­nah­me auf die Ta­rif­verträge des öffent­li­chen Diens­tes. Die­se Zu­satz­ver­ein­ba­run­gen sei­en auf­ge­ho­ben und spätes­tens durch die Ände­rung des Ar­beits­ver­trags von März 2006 er­setzt wor­den, nach der der Kläger für sei­ne Tätig­keit ein fes­tes Brut­to­mo­nats­ge­halt er­hal­ten soll­te. Die Erhöhun­gen in der Ver­gan­gen­heit sei­en auf­grund der von der Be­klag­ten ein­ge­gan­ge­nen Ver­pflich­tun­gen nach der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 und nicht frei­wil­lig er­folgt. Im Übri­gen ha­be die Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 mögli­che ein­zel­ver­trag­li­che Re­ge­lun­gen dau­er­haft ver­drängt und zulässi­ger­wei­se die - ver­trag­lich ver­ein­bar­te - Vergütung ab­geändert, wo­mit der Kläger auch durch Un­ter­zeich­nung des Nach­trags 1993 AV sein Ein­verständ­nis erklärt ha­be. Fer­ner sei­en et­wai­ge Ansprüche des Klägers ver­fal­len.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge - auch hin­sicht­lich der erst­in­stanz­lich zurück­ge­nom­me­nen Fest­stel­lungs­anträge - ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des Klägers zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt der Kläger sein Kla­ge­be­geh­ren un­ter Aus­tausch von - bis­he­ri­gem - Haupt- und Hilfs­fest­stel­lungs­an­trag wei­ter.

Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Re­vi­si­on des Klägers ist be­gründet. Die Vor­in­stan­zen ha­ben die zulässi­ge Kla­ge zu Un­recht ab­ge­wie­sen. Der Kläger hat ei­nen An­spruch auf die be­gehr­te Fest­stel­lung und die gel­tend ge­mach­te Zah­lung ein­sch­ließlich der Zin­sen.

A. Die Kla­ge ist hin­sicht­lich des zu­letzt ge­stell­ten Haupt- und Hilfs­fest­stel­lungs­an­trags als sog. Ele­men­ten­fest­stel­lungs­kla­ge (sh. nur BAG 1. Ju­li 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 26 ff., BA­GE 131, 176; 22. Ok­to­ber 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 11 mwN, BA­GE 128, 165) zulässig.

 

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I. Die Fest­stel­lungs­anträge be­tref­fen vor­ran­gig die Vergütungs­ver­pflich­tung der Be­klag­ten nach den je­wei­li­gen Ent­gelt­ta­bel­len des TVöD/VKA bzw. TV-L und nicht die - im An­wen­dungs­fall nicht um­strit­te­ne - Zu­ord­nung der Tätig­keit des Klägers zu ei­nem be­stimm­ten Tätig­keits­merk­mal der je­wei­li­gen Vergütungs­ord­nung. Auch die An­wen­dung ei­nes Teils ei­nes Ta­rif­ver­trags, wie hier der Vergütungs­ord­nung, kann Ge­gen­stand ei­nes Fest­stel­lungs­an­trags sein (vgl. zB zur An­wen­dung ei­ner Ar­beits­zeit­re­ge­lung ei­nes Ta­rif­ver­trags BAG 1. Ju­li 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 26 ff., BA­GE 131, 176).

II. Die Um­stel­lung von Haupt- und Hilfs­an­trag in der Re­vi­si­ons­in­stanz steht der Zulässig­keit der Fest­stel­lungs­anträge nicht ent­ge­gen.

1. Zwar ist ei­ne An­tragsände­rung in der Re­vi­si­ons­in­stanz grundsätz­lich aus­ge­schlos­sen. An­tragsände­run­gen können aber aus pro­zessöko­no­mi­schen Gründen zu­ge­las­sen wer­den, wenn es sich da­bei um Fälle des § 264 Nr. 2 ZPO han­delt und der neue Sach­an­trag sich auf den in der Be­ru­fungs­in­stanz fest­ge­stell­ten Sach­ver­halt und auf den un­strei­ti­gen Par­tei­vor­trag stützt. Dies trifft bei ei­nem Wech­sel von Haupt- und Hilfs­an­trag re­gelmäßig zu (BAG 19. Sep­tem­ber 2006 - 1 ABR 58/05 - Rn. 11; 11. Fe­bru­ar 1992 - 1 ABR 49/91 - zu B I der Gründe, BA­GE 69, 302). Mit ihm ist je­den­falls dann kei­ne Er­wei­te­rung des bis­he­ri­gen Prüfpro­gramms ver­bun­den, wenn über den bis­he­ri­gen Hilfs­an­trag in der Vor­in­stanz be­reits ent­schie­den wor­den ist (BAG 17. No­vem­ber 2010 - 4 AZR 118/09 - Rn. 12 mwN).

2. Et­was an­de­res gilt im Streit­fall auch nicht des­halb, weil das Ar­beits­ge­richt dem Kläger die Fest­stel­lungs­ansprüche un­ter Ver­s­toß ge­gen § 308 Abs. 1 ZPO ab­er­kannt hat­te.

a) Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist ein Ge­richt nicht be­fugt, ei­ner Par­tei et­was zu­zu­spre­chen, was nicht be­an­tragt ist. Ent­spre­chen­des gilt, wenn das Ge­richt dem Kläger ei­nen An­spruch ab­spricht, den die­ser nicht er­ho­ben hat (BAG 15. April 2015 - 4 AZR 796/13 - Rn. 21, BA­GE 151, 235).

 

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b) Der Kläger hat die Fest­stel­lungs­anträge in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Ar­beits­ge­richt wirk­sam zurück­ge­nom­men. Da­durch ent­fiel de­ren Rechtshängig­keit rück­wir­kend (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Die gleich­wohl er­folg­te Ab­wei­sung der Anträge durch das Ar­beits­ge­richt stellt da­her ei­nen Ver­s­toß ge­gen § 308 ZPO dar.

c) Die Er­wei­te­rung der Kla­ge um die Fest­stel­lungs­anträge in der Be­ru­fungs­in­stanz war zulässig. Zwar hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt in sei­ner Ent­schei­dung über­se­hen, dass es sich bei den Fest­stel­lungs­anträgen um ei­ne Kla­ge­er­wei­te­rung han­delt und ent­spre­chend de­ren Zulässig­keit nicht ge­prüft. Über die Zulässig­keit der Kla­geände­rung in der Be­ru­fungs­in­stanz ist je­doch auch im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren nach dem Maßstab des § 533 ZPO zu ent­schei­den (BAG 14. Ju­ni 2017 - 10 AZR 308/15 - Rn. 38; 12. Ju­li 2016 - 9 AZR 51/15 - Rn. 44).

aa) Nach § 533 ZPO ist ei­ne Kla­geände­rung nur zulässig, wenn der Geg­ner ein­wil­ligt oder das Ge­richt dies für sach­dien­lich hält und die­se auf Tat­sa­chen gestützt wer­den kann, die das Be­ru­fungs­ge­richt sei­ner Ver­hand­lung und Ent­schei­dung über die Be­ru­fung oh­ne­hin nach § 529 ZPO zu­grun­de zu le­gen hat.

bb) Die Ein­wil­li­gung der Be­klag­ten iSv. § 533 Nr. 1 ZPO zur Kla­ge­er­wei­te­rung liegt gem. § 525 Satz 1, § 267 ZPO vor, da sie sich rüge­los auf die Kla­ge­er­wei­te­rung ein­ge­las­sen hat.

cc) Die Kla­ge­er­wei­te­rung wird iSv. § 533 Nr. 2 ZPO auf Tat­sa­chen gestützt, die das Be­ru­fungs­ge­richt sei­ner Ver­hand­lung und Ent­schei­dung über die Be­ru­fung oh­ne­hin nach § 529 ZPO zu­grun­de zu le­gen hat­te. Für den Er­folg des Leis­tungs­an­trags wa­ren die­sel­ben Tat­sa­chen maßge­bend wie für den Er­folg der Fest­stel­lungs­anträge.

B. Die - zu­letzt nur noch auf ar­beits­ver­trag­li­che Ansprüche gestütz­te - Kla­ge ist hin­sicht­lich des als Haupt­an­trag ge­stell­ten Fest­stel­lungs­an­trags be­gründet. Die Be­klag­te ist ver­pflich­tet, den Kläger nach der Ent­gelt­grup­pe 9 Stu­fe 4 der je­wei­li­gen Ent­gelt­ta­bel­le des TVöD/VKA zu vergüten. Der Hilfs­an­trag fällt des­halb nicht mehr zur Ent­schei­dung an.

 

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I. Im Aus­gangs­punkt hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu Recht an­ge­nom­men, Ziff. 2 der Zu­satz­ver­ein­ba­rung 1992, nach der „die Vergütung ... mo­nat­lich in der Grup­pe BAT Vc / 3 = DM 2.527,80 brut­to“ beträgt, sei als ei­ne zeit­dy­na­mi­sche Be­zug­nah­me auf die Ein­grup­pie­rungs- und Vergütungs­re­ge­lun­gen des BAT zu ver­ste­hen.

1. Die Zu­satz­ver­ein­ba­rung 1992 ist - eben­so wie der Ar­beits­ver­trag 1991 - ein For­mu­lar­ver­trag, des­sen Be­stim­mun­gen nach den Re­ge­lun­gen über All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen aus­zu­le­gen sind (zu den Maßstäben sh. nur BAG 14. De­zem­ber 2011 - 4 AZR 28/10 - Rn. 29 mwN). Die Aus­le­gung von ty­pi­schen Ver­trags­klau­seln ist der un­ein­ge­schränk­ten Über­prüfung durch das Re­vi­si­ons­ge­richt zugäng­lich (st. Rspr. des BAG, zB BAG 7. De­zem­ber 2016 - 4 AZR 414/14 - Rn. 21; 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - zu I 2 a der Gründe, BA­GE 105, 284).

2. Bei An­wen­dung die­ser Aus­le­gungs­re­geln er­gibt sich aus der ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung ei­ne dy­na­mi­sche Ver­wei­sung auf die ent­spre­chen­den Be­stim­mun­gen des BAT.

a) Die pau­scha­le Be­zug­nah­me im Ar­beits­ver­trag auf ta­rif­li­che Vergütungs­be­stim­mun­gen oh­ne An­ga­be ei­ner kon­kret nach Da­tum fest­ge­leg­ten Fas­sung des in Be­zug ge­nom­me­nen Ta­rif­ver­trags ist re­gelmäßig dy­na­misch zu ver­ste­hen. Ein zusätz­li­ches In­diz hierfür kann sein, wenn im Ar­beits­ver­trag der Ent­gelt­be­trag auf­geführt wird, der dem Ta­rif­ge­halt bei Ab­schluss des Ar­beits­ver­trags im We­sent­li­chen ent­spricht. Nur wenn es ein­deu­ti­ge Hin­wei­se für ei­ne sta­ti­sche Be­zug­nah­me gibt, kann von die­ser Aus­le­gungs­re­gel ab­ge­wi­chen wer­den (st. Rspr., vgl. nur BAG 7. De­zem­ber 2016 - 4 AZR 414/14 - Rn. 25; 25. Fe­bru­ar 2015 - 5 AZR 481/13 - Rn. 15, je­weils mwN).

b) Da­nach ha­ben die Par­tei­en in Ziff. 2 der Zu­satz­ver­ein­ba­rung 1992 die Vergütung zeit­dy­na­misch, ori­en­tiert an den Ein­grup­pie­rungs- und Vergütungs­be­stim­mun­gen des BAT ver­ein­bart. Da­zu gehört auch die Ta­rif­au­to­ma­tik, §§ 22, 23 BAT.

 

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aa) Die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ha­ben in der Zu­satz­ver­ein­ba­rung 1992 die Vergütungs­grup­pe aus­drück­lich be­zeich­net und über­dies - oh­ne dass dies ent­schei­dend wäre - ei­ne kon­kre­te Sum­me ge­nannt, die nach dem un­be­strit­te­nen Vor­trag des Klägers dem Ta­bel­len­ent­gelt der an­ge­ge­be­nen Vergütungs­grup­pe des BAT ent­sprach.

bb) Die Be­zug­nah­me­klau­sel enthält nicht nur ei­nen Ver­weis auf die aus­drück­lich ge­nann­te VergGr. Vc BAT, son­dern zu­gleich auf die ge­sam­te Vergütungs­ord­nung ein­sch­ließlich der Ta­rif­au­to­ma­tik. An­halts­punk­te dafür, die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en hätten dau­er­haft ei­ne Vergütung nach der VergGr. Vc BAT un­abhängig von der kon­kre­ten Tätig­keit und gar oh­ne die ta­rif­lich vor­ge­se­he­ne Möglich­keit des Bewährungs­auf­stiegs ver­ein­ba­ren wol­len, sind nicht er­sicht­lich. Viel­mehr hat die Be­klag­te den Kläger aus­weis­lich der Ent­gelt­be­schei­ni­gun­gen zu­min­dest in den Jah­ren 2005 bis 2010, dh. auch noch lan­ge nach Kündi­gung der Be­triebs­ver­ein­ba­rung so­gar nach der von ihm durch Bewährungs­auf­stieg erfüll­ten VergGr. Vb BAT vergütet.

II. Die dy­na­mi­sche Be­zug­nah­me auf die Ein­grup­pie­rungs- und Vergütungs­re­ge­lun­gen des BAT aus der Zu­satz­ver­ein­ba­rung 1992 ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts in der Fol­ge­zeit we­der durch die Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 noch durch in­di­vi­du­el­le Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den Par­tei­en ab­gelöst oder ver­drängt wor­den.

1. Aus ei­ner nor­ma­ti­ven Wir­kung der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 er­gibt sich für den Streit­zeit­raum kei­ne Ände­rung der ver­trag­li­chen Be­zug­nah­me­re­ge­lung.

a) Die Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 war zum 31. De­zem­ber 2001 gekündigt wor­den. Ih­re un­mit­tel­ba­re und zwin­gen­de Wir­kung (§ 77 Abs. 4 Satz 1 Be­trVG) en­de­te zu die­sem Zeit­punkt. Auf die Fra­ge ih­rer Wirk­sam­keit kommt es da­her in die­sem Zu­sam­men­hang nicht an.

 

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b) Die be­en­de­te Be­triebs­ver­ein­ba­rung ent­fal­te­te im Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en auch kei­ne Nach­wir­kung, die ei­ne sol­che Ände­rung hätte be­wir­ken können.

aa) Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen wir­ken nach ih­rem Ab­lauf nach, so­weit sie An­ge­le­gen­hei­ten der er­zwing­ba­ren Mit­be­stim­mung be­tref­fen (§ 77 Abs. 6 Be­trVG). Frei­wil­li­ge Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen wir­ken nicht nach. Bei ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung mit teil­wei­se mit­be­stimm­ten Re­ge­lun­gen sind die ein­zel­nen Re­ge­lungs­kom­ple­xe ge­trennt zu be­han­deln. Ei­ne Nach­wir­kung er­folgt dann nur hin­sicht­lich der An­ge­le­gen­hei­ten, die der zwin­gen­den Mit­be­stim­mung un­ter­lie­gen (BAG 10. De­zem­ber 2013 - 1 ABR 39/12 - Rn. 17 mwN, BA­GE 147, 19). Sinn der Nach­wir­kung nach § 77 Abs. 6 Be­trVG ist - zu­min­dest auch - die kon­ti­nu­ier­li­che Wah­rung be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­cher Mit­be­stim­mungs­rech­te. Sind sol­che nicht be­trof­fen, be­darf es der Nach­wir­kung nicht (BAG 26. Au­gust 2008 - 1 AZR 354/07 - Rn. 16, BA­GE 127, 297).

bb) So­weit hier über­haupt ei­ne zwin­gen­de Wir­kung der Be­triebs­ver­ein­ba­rung auf die ver­trag­li­che Ab­re­de bzgl. der An­wen­dung der Vergütungs­ord­nung des BAT in Be­tracht kommt, wäre sie als die Höhe des ver­trag­li­chen Ent­gelts un­mit­tel­bar be­stim­men­de Re­ge­lung nicht ei­nem Tat­be­stand des Ka­ta­logs von § 87 Abs. 1 Be­trVG, ins­be­son­de­re der Nr. 10, zu­zu­ord­nen (bspw. BAG 21. Fe­bru­ar 2017 - 1 ABR 12/15 - Rn. 23; 5. Mai 2015 - 1 AZR 435/13 - Rn. 15, je­weils mwN).

2. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts ist die ver­trag­li­che Ver­wei­sung auf die Ein­grup­pie­rungs- und Vergütungs­re­ge­lun­gen des BAT auch nicht durch ei­ne auf ver­trag­li­cher Ebe­ne wir­ken­de Ein­be­zie­hung der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 ab­gelöst oder ab­geändert wor­den.

a) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ist zum ei­nen da­von aus­ge­gan­gen, die Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 ha­be den Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en da­hin geändert, dass die bis da­hin gel­ten­de dy­na­mi­sche Ver­wei­sung auf die Vergütungs­ord­nung des BAT durch die in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 ent­hal­te­ne ei­genständi­ge be­trieb­li­che Vergütungs­ord­nung ab­gelöst wor­den sei. Zum an­de­ren

 

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hat es an­ge­nom­men, mit dem Nach­trag 1993 AV hätten die Par­tei­en sich rechts­geschäft­lich aus­drück­lich auf die An­wen­dung der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 auf ihr Ar­beits­verhält­nis ge­ei­nigt.

aa) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat den Ar­beits­ver­trag da­hin­ge­hend aus­ge­legt, dass die Par­tei­en mit der Re­ge­lung in Ziff. 2 der Zu­satz­ver­ein­ba­rung 1992 kon­klu­dent ver­ein­bart hätten, die dy­na­mi­sche An­wen­dung des BAT sol­le grundsätz­lich ei­ner Ände­rung durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung un­ter­lie­gen (UA S. 10 f., un­ter b aa). Es hat sich hierfür auf „Grundsätze nach BAG“ (BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 60) gestützt. Da­nach ma­che der Ar­beit­ge­ber mit der Ver­wen­dung von All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen für den Ar­beit­neh­mer er­kenn­bar deut­lich, dass im Be­trieb ein­heit­li­che Ver­trags­be­din­gun­gen gel­ten soll­ten. Der Ab­schluss von „be­triebs­ver­ein­ba­rungs­fes­ten Ab­re­den“ schränke den Ge­stal­tungs­spiel­raum der Be­triebs­par­tei­en für zukünf­ti­ge An­pas­sun­gen von Ar­beits­be­din­gun­gen mit kol­lek­ti­vem Be­zug ein. Des­halb sei für ei­nen „verständi­gen und red­li­chen Ar­beit­neh­mer“ nicht zwei­fel­haft, dass die vom Ar­beit­ge­ber ver­trag­lich ge­stell­ten Ar­beits­be­din­gun­gen ei­ner Ände­rung durch Be­triebs­ver­ein­ba­rung zugäng­lich sei­en. Et­was an­de­res gel­te le­dig­lich dann, wenn die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en aus­drück­lich Be­din­gun­gen ver­ein­bar­ten, die un­abhängig von ei­ner für den Be­trieb gel­ten­den nor­ma­ti­ven Re­ge­lung An­wen­dung fin­den soll­ten. Dies sei hier nicht ge­sche­hen. Die „An­glei­chung und Syn­chro­ni­sie­rung“ der be­trieb­li­chen mit ei­ner ta­rif­lich ver­ein­bar­ten, für den Be­trieb aber nicht ein­schlägi­gen Vergütungs­ord­nung be­sit­ze ge­ra­de­zu ex­em­pla­risch kol­lek­ti­ven Cha­rak­ter.

bb) In der Sa­che hat das Be­ru­fungs­ge­richt sich dann wei­ter auf ei­ne rechts­geschäft­lich aus­drück­lich ver­ein­bar­te An­wen­dung der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 be­ru­fen, nach­dem der Kläger mit der Un­ter­zeich­nung des Nach­trags 1993 AV sein Ein­verständ­nis hier­mit erklärt ha­be. Da­bei stützt sich das Lan­des­ar­beits­ge­richt in ers­ter Li­nie auf den Wort­laut des Schrei­bens, wo­nach al­le in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 ge­trof­fe­nen Be­stim­mun­gen die ent­spre­chen­den Re­ge­lun­gen des Ar­beits­ver­trags „außer Kraft“ setz­ten (UA S. 12, un­ter

 

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b cc). Auch sei die Ver­ein­ba­rung nicht un­klar iSv. § 305c Abs. 2 BGB, wes­halb für die dort be­stimm­te Aus­le­gungs­re­gel kein Raum sei.

b) Bei­de An­nah­men des Lan­des­ar­beits­ge­richts sind rechts­feh­ler­haft.

aa) Dies gilt zunächst für die An­nah­me, der Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en sei al­lein durch die gewähl­te Form ei­nes For­mu­lar­ar­beits­ver­trags „be­triebs­ver­ein­ba­rungs­of­fen“, wes­halb die ver­trag­li­che Ver­wei­sung auf die Vergütungs­ord­nung des BAT durch die Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 ab­gelöst wor­den sei.

(1) Der Se­nat hat be­reits grundsätz­lich er­heb­li­che Be­den­ken, in den Erklärun­gen und dem Ver­hal­ten der Par­tei­en zwei sich auch hin­sicht­lich der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt an­ge­nom­me­nen kon­klu­dent ver­ein­bar­ten „Be­triebs­ver­ein­ba­rungs­of­fen­heit“ de­cken­de Wil­lens­erklärun­gen zu er­ken­nen.

(a) Rechts­geschäft­li­che Wil­lens­erklärun­gen sind nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts grundsätz­lich nach ei­nem ob­jek­ti­vier­ten Empfänger­ho­ri­zont aus­zu­le­gen. Da­bei ha­ben die Mo­ti­ve des Erklären­den, so­weit sie nicht in dem Wort­laut der Erklärung oder in sons­ti­ger, für die Ge­gen­sei­te hin­rei­chend deut­lich er­kenn­ba­rer Wei­se ih­ren Nie­der­schlag fin­den, außer Be­tracht zu blei­ben. Es be­steht kei­ne Ver­pflich­tung des Erklärungs­empfängers, den In­halt oder den Hin­ter­grund des ihm re­gelmäßig for­mu­larmäßig ge­mach­ten An­ge­bots durch Nach­fra­gen auf­zuklären. Kommt der Wil­le des Erklären­den nicht oder nicht vollständig zum Aus­druck, gehört dies zu des­sen Ri­si­ko­be­reich. Die Re­ge­lung ei­nes Ver­trags über ei­ne ent­gelt­li­che Leis­tung be­schränkt sich im All­ge­mei­nen auf die Be­stim­mung von Leis­tung und Ge­gen­leis­tung. Die Mo­ti­ve, aus de­nen je­der der Part­ner den Ver­trag schließt, sind für die Rechts­fol­gen des Ver­trags grundsätz­lich un­be­acht­lich, weil sie nicht Teil der ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung selbst sind (BAG 25. Ok­to­ber 2017 - 4 AZR 375/16 - Rn. 35; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 30 mwN, BA­GE 122, 74).

(b) In An­wen­dung die­ser Grundsätze hat der er­ken­nen­de Se­nat die frühe­re Recht­spre­chung zur Aus­le­gung von Ver­wei­sungs­klau­seln als sog. „Gleich­stel­lungs­ab­re­de“ ver­wor­fen. Nach die­ser - auf­ge­ge­be­nen - Recht­spre­chung be-

 

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ding­te die „so­zio­ty­pi­sche Si­tua­ti­on“ ei­nes Ar­beit­neh­mers bei Ver­trags­schluss mit ei­nem ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber das „Wis­sen“ dar­um, dass ei­ne im Ver­trag ent­hal­te­ne dy­na­mi­sche Ver­wei­sung auf ei­nen Ta­rif­ver­trag not­wen­dig - kon­klu­dent - die auflösen­de Be­din­gung be­inhal­te­te, die­se Dy­na­mik sol­le im Fall des Weg­falls der Ta­rif­ge­bun­den­heit des Ar­beit­ge­bers en­den. Die­ses „Wis­sen“ sei dann auch In­halt der mit der Un­ter­schrift von ihm selbst ab­ge­ge­be­nen Wil­lens­erklärung. Die­se Recht­spre­chung hat der Se­nat mit der Be­gründung auf­ge­ge­ben, dass der Be­deu­tungs­in­halt von ar­beits­ver­trag­li­chen Erklärun­gen in ers­ter Li­nie an­hand des Wort­lauts zu er­mit­teln ist, und es bei des­sen Ein­deu­tig­keit im Grund­satz kei­ner wei­te­ren Her­an­zie­hung von Aus­le­gungs­fak­to­ren be­darf (BAG 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 31, BA­GE 122, 74; sh. auch Thüsing/ Lam­brich RdA 2002, 193, 198 f.; An­nuß ZfA 2005, 405, 423; Bay­reu­ther DB 2007, 166). Ins­be­son­de­re kann aus der „so­zio­ty­pi­schen Si­tua­ti­on“ al­lein kein den Erklärungs­in­halt be­din­gen­der Vor­be­halt ge­schlos­sen wer­den, wenn er sich nicht auch im Wort­laut nie­der­ge­schla­gen hat. Nur bei Vor­lie­gen kon­kre­ter Tat­sa­chen, die im Ein­zel­fall Zwei­fel an der wort­ge­treu­en Aus­le­gung der ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­rung be­gründen können, weil sie für bei­de Sei­ten er­kenn­bar den In­halt der je­weils ab­ge­ge­be­nen Wil­lens­erklärun­gen in ei­ner sich im Wort­laut nicht nie­der­schla­gen­den Wei­se be­ein­flusst ha­ben, könn­te ein An­lass be­ste­hen, die Wort­laut­aus­le­gung in Fra­ge zu stel­len. Die mögli­chen Mo­ti­ve der Erklärung des An­tra­gen­den können - ge­ra­de bei vom Ar­beit­ge­ber ge­stell­ten For­mu­lar­verträgen - nur dann zur Aus­le­gung der An­nah­me­erklärung her­an­ge­zo­gen wer­den, wenn sie zwei­fels­frei und un­miss­verständ­lich für den Ar­beit­neh­mer er­kenn­bar sind und als Be­stand­teil sei­ner ei­ge­nen zu­stim­men­den Erklärung an­ge­se­hen wer­den müssen. Ge­ra­de im Licht der AGB-Kon­trol­le (§§ 305 ff. BGB) ist für die Aus­le­gung nicht der je­wei­li­ge - un­ter­stell­te - Wil­le der am Rechts­geschäft be­tei­lig­ten Ver­trags­part­ner, son­dern in ers­ter Li­nie der Ver­trags­wort­laut ent­schei­dend (Preis Der Ar­beits­ver­trag 5. Aufl. I C Rn. 30a mwN).

(c) Für die An­nah­me, ein („red­li­cher und verständi­ger“) Ar­beit­neh­mer müsse auch oh­ne ir­gend­ei­nen Hin­weis in ei­nem ihm vor­ge­leg­ten Ar­beits­ver­trags­ent­wurf da­von aus­ge­hen, das Ver­trags­an­ge­bot des Ar­beit­ge­bers stünde in je­der Hin­sicht un­ter dem Vor­be­halt ei­ner Abänder­bar­keit - ins­be­son­de­re auch

 

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ei­ner Ver­schlech­te­rungsmöglich­keit - durch ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung, weil er nicht da­mit rech­nen könne, dass ihm an­de­re Ar­beits­be­din­gun­gen zu­ge­stan­den würden, als sie im Be­trieb „gel­ten“, gibt es kei­ne An­halts­punk­te. Ein Ar­beit­neh­mer, der ei­nen vom Ar­beit­ge­ber vor­for­mu­lier­ten Ar­beits­ver­trag als An­trag iSv. § 145 BGB vor­ge­legt be­kommt, kann zwar ggf. noch er­ken­nen, dass es sich um ei­nen For­mu­lar­ver­trag han­delt. Da­bei ist für ihn aber schon nicht mehr er­kenn­bar, ob das vom Ar­beit­ge­ber ver­wand­te Ver­trags­ex­em­plar nur für ihn ent­wor­fen ist oder ob es den be­triebsübli­chen Ver­trags­for­mu­lie­run­gen ent­spricht, die der Ar­beit­ge­ber in der Ge­gen­wart oder Ver­gan­gen­heit für an­de­re und ggf. wie­vie­le Ar­beits­verhält­nis­se mit wel­chem An­teil an der ge­sam­ten Be­leg­schaft oder ei­nes Teils da­von ver­wandt hat. Al­lein hier­aus auf ei­ne Ver­ein­heit­li­chungs­ab­sicht des Ar­beit­ge­bers schließen zu müssen, ist nicht ein­mal na­he­lie­gend, erst recht we­der zwin­gend noch durch die Ge­samt­umstände ge­bo­ten, zu­mal schon völlig un­klar ist, ob und war­um ein Ar­beit­ge­ber über­haupt ei­ne even­tu­el­le Ver­ein­heit­li­chungs­ab­sicht hat und die­se al­lein durch die Ver­wen­dung von von ihm vor­for­mu­lier­ten Ar­beits­be­din­gun­gen zum - er­kenn­ba­ren - Aus­druck brin­gen woll­te, ob­wohl ihm als Ver­wen­der je­de an­de­re Möglich­keit of­fen ge­stan­den hätte. Die An­nah­me, der Ar­beit­neh­mer müsse da­von aus­ge­hen, ein ihm ge­genüber nicht mit­ge­teil­ter, aber kon­kre­ter und im Er­geb­nis außer­or­dent­lich be­deu­tungs­vol­ler „Ver­trags­in­halt“ sei Ge­gen­stand sei­ner ei­ge­nen Wil­lens­bil­dung und durch die Un­ter­zeich­nung des Ar­beits­ver­trags auch In­halt der von ihm selbst ab­ge­ge­be­nen Wil­lens­erklärung, ist ei­ne bloße Fik­ti­on. Ei­ne sol­che hätte über­dies die pa­ra­do­xe Fol­ge, dass al­lein durch die Ver­wen­dung von All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen, de­ren ge­setz­li­che Kon­trol­le nach Maßga­be der §§ 305 ff. BGB dem schwäche­ren Ver­trags­part­ner ge­ra­de zusätz­li­chen Schutz gewähren soll, die aus­drück­lich ver­ein­bar­ten ein­zel­nen Ver­trags­be­din­gun­gen kon­klu­dent zur Dis­po­si­ti­on der Be­triebs­par­tei­en ge­stellt würden. Dass ein Ar­beit­neh­mer dies - ggf. so­gar hin­sicht­lich der Höhe der ihm ver­spro­che­nen Vergütung und des In­halts der von ihm zu­ge­si­cher­ten Ar­beits­pflicht - al­lein durch die Ent­ge­gen­nah­me und Un­ter­zeich­nung des vor­for­mu­lier­ten Ar­beits­ver­trags und oh­ne je­de Erwähnung bei den Ver­trags­ver­hand­lun­gen oder schrift­li­che Auf­nah­me in den

 

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Ar­beits­ver­trag erklären will, er­scheint dem er­ken­nen­den Se­nat nicht nach­voll­zieh­bar.

(d) An­ge­sichts der mit dem Schutz der Be­trof­fe­nen be­gründe­ten ho­hen An­for­de­run­gen an ei­ne In­di­vi­dua­la­b­re­de iSv. § 305b BGB (vgl. da­zu nur HWK/Ro­loff 8. Aufl. § 305b BGB Rn. 1: „Dies ist dann der Fall, wenn sie zu den AGB in un­mit­tel­ba­rem oder di­rek­tem Wi­der­spruch ste­hen“, mwN) fällt prak­tisch je­der Ar­beits­ver­trag als All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung un­ter die Kon­trol­le der §§ 305 ff. BGB und erfüllt da­mit die Vor­aus­set­zun­gen der „so­zio­ty­pi­schen Si­tua­ti­on“ der An­nah­me ei­ner „Be­triebs­ver­ein­ba­rungs­of­fen­heit“. So­weit nur Ar­beits­be­din­gun­gen „mit kol­lek­ti­vem Be­zug“ von der Veränder­bar­keit durch Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen er­fasst sein sol­len, ist die­se Be­din­gung per de­fi­ni­tio­nem auf der Ver­trags­sei­te be­reits durch die An­nah­me der Be­deu­tung und Wir­kungs­wei­se All­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen erfüllt und aus­drück­li­che Vor­aus­set­zung für die An­knüpfung an ei­ne Ver­ein­heit­li­chungs­ab­sicht des Ar­beit­ge­bers. Auf der an­de­ren Sei­te müssen die die Ver­trags­la­ge un­mit­tel­bar ändern­den Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen oh­ne­hin kol­lek­ti­ven Cha­rak­ter ha­ben. Da nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts außer­halb von § 77 Abs. 3 Be­trVG Ar­beits­be­din­gun­gen al­ler Art, auch sol­che, die die Haupt­leis­tungs­pflicht un­mit­tel­bar be­stim­men, durch Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen nach § 88 Be­trVG fest­ge­legt wer­den können (BAG 12. De­zem­ber 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 14 ff., BA­GE 120, 308; Fit­ting 29. Aufl. § 77 Rn. 45 ff.; krit. Ri­char­di Be­trVG 16. Aufl. § 77 Rn. 74; Preis in Wlotz­ke/Preis/Kreft Be­trVG 4. Aufl. § 77 Rn. 18), kann die grundsätz­li­che An­nah­me ei­ner „Be­triebs­ver­ein­ba­rungs­of­fen­heit“ in die­sem Rah­men zu dem Er­geb­nis führen, dass sämt­li­che im Ar­beits­ver­trag aus­drück­lich ver­ein­bar­ten Ab­re­den der Par­tei­en durch die Be­triebs­par­tei­en ab­geändert wer­den könn­ten. Das wie­der­um würde be­deu­ten, dass aus kol­lek­ti­ven Min­dest­ar­beits­be­din­gun­gen im Er­geb­nis Höchst­ar­beits­be­din­gun­gen würden, die, so­weit sie Haupt­leis­tungs­pflich­ten be­tref­fen, noch nicht ein­mal der In­halts­kon­trol­le ieS un­ter­wor­fen wären (arg. § 307 Abs. 3 BGB; Art. 4 Abs. 2 RL 93/13/EWG).

(e) Auch mit Blick auf das Recht der AGB-Kon­trol­le un­ter­liegt die­se Sicht­wei­se nach Auf­fas­sung des Se­nats er­heb­li­chen Be­den­ken.

 

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(aa) Die „kon­klu­den­te“ Ver­ein­ba­rung ei­ner „Be­triebs­ver­ein­ba­rungs­of­fen­heit“ - ihr Vor­lie­gen un­ter­stellt - wäre ih­rer­seits selbst ei­ne All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung iSv. §§ 305 ff. BGB. Der Ar­beit­ge­ber leg­te da­nach dem Ar­beit­neh­mer nicht nur die aus­drück­li­chen Ar­beits­be­din­gun­gen in vor­for­mu­lier­ter Form zur Un­ter­zeich­nung vor, son­dern zusätz­lich re­gelmäßig den in die­ser Form ent­hal­te­nen, al­ler­dings un­ge­schrie­be­nen Vor­be­halt ei­ner Ver­schlech­te­rung der aus­drück­lich for­mu­lier­ten Ar­beits­be­din­gun­gen durch ei­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung. Da­mit wäre auch die bei ei­ner „Be­triebs­ver­ein­ba­rungs­of­fen­heit“ an­ge­nom­me­ne kon­klu­den­te Ver­trags­klau­sel vom Ar­beit­ge­ber ge­stellt. Mit Un­ter­zeich­nung des Ar­beits­ver­trags durch den Ar­beit­neh­mer würde sie zunächst - als un­ge­schrie­be­ne Klau­sel - Be­stand­teil je­des in der Form von All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen ver­ein­bar­ten Ar­beits­ver­trags. Sie un­terläge da­mit der ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen Kon­trol­le nach Maßga­be der §§ 305 ff. BGB, wie es auch für ei­ne münd­lich ver­ein­bar­te All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung all­ge­mein an­ge­nom­men wor­den ist (zB BAG 16. Mai 2012 - 5 AZR 331/11 - Rn. 12 ff., BA­GE 141, 324; 27. Au­gust 2008 - 5 AZR 820/07 - Rn. 20 ff., BA­GE 127, 319; Cle­menz in Cle­menz/Kreft/Krau­se AGB-Ar­beits­recht § 305 BGB Rn. 20; vgl. für wei­te­re Pri­vat­rechts­be­rei­che Ul­mer/Ha­ber­sack in Ul­mer/Brand­ner/Hen­sen AGB-Recht 12. Aufl. § 305 BGB Rn. 36, mit zahlr. Nachw. aus der Rspr. des BGH).

(bb) Ob die­se un­ge­schrie­be­ne und un­erwähnt ge­blie­be­ne Ver­trags­klau­sel ei­ner Über­prüfung nach Maßga­be des § 305c Abs. 2 BGB (Un­klar­hei­ten­re­gel) und des § 305c Abs. 1 BGB (Ver­bot über­ra­schen­der Klau­seln) stand­hiel­te, kann vor­lie­gend of­fen­blei­ben. Je­den­falls würden sich im Hin­blick auf die An­wen­dung der Trans­pa­renz­kon­trol­le nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ganz er­heb­li­che Be­den­ken er­ge­ben. Das Trans­pa­renz­ge­bot schließt das Be­stimmt­heits­ge­bot ein und ver­langt, dass die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen und Rechts­fol­gen so ge­nau be­schrie­ben wer­den, dass der Ver­trags­part­ner des Klau­sel­ver­wen­ders klar und deut­lich er­ken­nen kann, wel­che Rech­te und Pflich­ten er hat. Das Be­stimmt­heits­ge­bot ist ver­letzt, wenn ei­ne Klau­sel ver­meid­ba­re Un­klar­hei­ten und Spielräume für den Ver­wen­der enthält (BAG 23. Ja­nu­ar 2014 - 8 AZR 130/13 - Rn. 23; 1. Sep­tem­ber 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 14, BA­GE 135, 250; BGH 3. März 2004 - VIII ZR 151/03 - zu II 2 a bb der Gründe).

 

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Vor­aus­set­zun­gen und Um­fang der Leis­tungs­pflicht müssen so be­stimmt oder zu­min­dest so be­stimm­bar sein, dass der Ver­trags­part­ner des Ver­wen­ders be­reits bei Ver­trags­schluss er­ken­nen kann, „was auf ihn zu­kommt“ (BAG 21. Ja­nu­ar 2015 - 10 AZR 84/14 - Rn. 33, BA­GE 150, 286; 21. Au­gust 2012 - 3 AZR 698/10 - Rn. 18, BA­GE 143, 30; vgl. allg. da­zu Schaub ArbR-HdB/Linck 17. Aufl. § 35 Rn. 54 mit zahlr. wei­te­ren Nachw. aus der Rspr.). Dies dürf­te bei ei­nem un­ge­schrie­be­nen und le­dig­lich aus den äußeren Umständen ge­fol­ger­ten Ver­zicht auf das Güns­tig­keits­prin­zip als tra­gen­dem Rechts­grund­satz kaum ge­ge­ben sein. Der Vor­be­halt ei­ner ablösen­den „Be­triebs­ver­ein­ba­rungs­of­fen­heit“ kann viel­mehr nur dann in Be­tracht kom­men, wenn der Ar­beit­ge­ber als Ver­wen­der der AGB ei­nen sol­chen hin­rei­chend klar und verständ­lich zum Aus­druck ge­bracht hat. Die An­nah­me, ein verständi­ger Ar­beit­neh­mer müsse auch oh­ne ei­nen ent­spre­chen­den aus­drück­li­chen Vor­be­halt des Ar­beit­ge­bers von ei­ner „Be­triebs­ver­ein­ba­rungs­of­fen­heit“ aus­ge­hen, dürf­te dem nicht genügen (für den Fall der Ablösbar­keit ei­ner Son­der­zah­lung BAG 5. Au­gust 2009 - 10 AZR 483/08 - Rn. 15).

(2) Ei­ner ab­sch­ließen­den Ent­schei­dung über die­se Fra­gen be­darf es im Streit­fall nicht. Gin­ge man - ent­ge­gen den oa. Be­den­ken - da­von aus, es lie­ge grundsätz­lich ei­ne kon­klu­den­te Ei­ni­gung der Par­tei­en über ei­ne „Be­triebs­ver­ein­ba­rungs­of­fen­heit“ ih­rer Ar­beits­be­din­gun­gen vor, er­fass­te die­se je­den­falls nicht die aus­drück­li­che Ver­ein­ba­rung der Par­tei­en über die An­wend­bar­keit der Vergütungs­ord­nung des BAT auf ihr Ar­beits­verhält­nis.

(a) Von ei­ner kon­klu­dent ver­ein­bar­ten „Be­triebs­ver­ein­ba­rungs­of­fen­heit“ in­di­vi­du­al­ver­trag­lich ge­re­gel­ter Ar­beits­be­din­gun­gen ist schon dann nicht aus­zu­ge­hen, wenn Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer aus­drück­lich Ver­trags­be­din­gun­gen ver­ein­ba­ren, die un­abhängig von ei­ner für den Be­trieb gel­ten­den nor­ma­ti­ven Re­ge­lung An­wen­dung fin­den sol­len (BAG 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 60, aE).

(aa) Dies ist bei ei­ner im Wort­laut zum Aus­druck kom­men­den ein­zel­ver­trag­lich ver­ein­bar­ten dy­na­mi­schen Ver­wei­sung auf ei­nen Ta­rif­ver­trag stets der Fall. Die dy­na­mi­sche Ver­wei­sung auf ei­nen Ta­rif­ver­trag in ei­nem vom Ar­beit­ge­ber

 

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vor­for­mu­lier­ten Ar­beits­ver­trag hat im­mer ei­nen „kol­lek­ti­ven Be­zug“. Soll­te sich tatsächlich al­lein aus der For­men­wahl des Ar­beit­ge­bers das er­kenn­ba­re Ziel ei­ner Ein­heit­lich­keit der Ar­beits­be­din­gun­gen er­ge­ben, wäre je­den­falls die Be­zug­nah­me auf ei­nen aus­drück­lich ge­nann­ten Ta­rif­ver­trag in der Re­gel so zu ver­ste­hen, dass des­sen Re­ge­lun­gen im Rah­men ih­rer ver­trag­li­chen In­be­zug­nah­me die vom Ar­beit­ge­ber - un­ter der oa. An­nah­me - an­ge­streb­te und er­reich­ba­re kol­lek­ti­ve Ver­ein­heit­li­chung rea­li­sie­ren und gewähr­leis­ten. Von ei­ner nur kon­klu­den­ten Ver­ein­ba­rung über ei­nen be­stimm­ten dy­na­mi­schen Ver­trags­in­halt könn­te des­halb be­reits dann nicht mehr aus­ge­gan­gen wer­den, wenn es für den­sel­ben Re­ge­lungs­be­reich ei­ne sich aus dem Text des Ver­trags er­ge­ben­de dy­na­mi­sche Ver­wei­sung gibt, die ein ge­genüber der Be­triebs­ver­ein­ba­rung höher­ran­gi­ges Re­ge­lungs­sys­tem in Be­zug nimmt. Zwar blie­be auch ei­ner sol­chen in­di­vi­du­al­ver­trag­li­chen Be­zug­nah­me die Be­triebs­ver­ein­ba­rung im Rang über­ge­ord­net, je­doch aus­sch­ließlich in ih­rer nor­ma­ti­ven Wir­kung bei gleich­zei­ti­ger An­wen­dung des Güns­tig­keits­prin­zips (§ 77 Abs. 4 Satz 1 Be­trVG). Für ei­ne - oh­ne­hin un­ter pro­ble­ma­ti­schen Prämis­sen an­ge­nom­me­ne - kon­klu­dent ver­ein­bar­te ver­trag­li­che „Be­triebs­ver­ein­ba­rungs­of­fen­heit“ mit der Fol­ge ei­ner an­sons­ten nicht be­ste­hen­den Ver­schlech­te­rungsmöglich­keit hin­sicht­lich kon­kret ver­ein­bar­ter Ver­trags­be­din­gun­gen fehlt es an je­dem An­halts­punkt, wenn die Ver­trags­par­tei­en den In­halt ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses aus­drück­lich (und ge­ra­de nicht nur kon­klu­dent) den ta­rif­li­chen Ver­ein­ba­run­gen kon­kre­ter Ta­rif­ver­trags­par­tei­en an­ver­trau­en. Hier er­gibt sich die Nach­ran­gig­keit ei­ner sol­chen - kon­klu­dent ge­trof­fe­nen - Be­triebs­ver­ein­ba­rungs­of­fen­heits­ab­re­de so­wohl aus dem Vor­rang der Ver­ein­ba­rungs­form als auch aus dem Vor­rang der in Be­zug ge­nom­me­nen dy­na­mi­schen Rechts­quel­le des Ta­rif­ver­trags ge­genüber der Be­triebs­ver­ein­ba­rung. Mit dem Zweck ei­ner sol­chen dy­na­mi­schen Be­zug­nah­me auf Vergütungs­re­ge­lun­gen des öffent­li­chen Diens­tes, nach dem bei der Vergütung ei­ne Gleich­stel­lung mit den in die­sem Be­reich beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern er­reicht wer­den soll, wäre ei­ne An­wen­dung der al­lein für den Be­reich der Be­klag­ten maßgeb­li­chen be­trieb­li­chen Re­ge­lun­gen nicht ver­ein­bar (so auch BAG 21. Au­gust 2013 - 5 AZR 581/11 - Rn. 48).

 

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(bb) Ei­ne der kon­klu­den­ten Ver­ein­ba­rung ei­ner „Be­triebs­ver­ein­ba­rungs­of­fen­heit“ wi­der­spre­chen­de und sie da­mit aus­sch­ließen­de aus­drück­li­che Ver­trags­re­ge­lung kann auch dar­in be­ste­hen, dass dem Wort­laut des Ver­trags nach be­trieb­li­che Re­ge­lun­gen zwar grundsätz­lich An­wen­dung fin­den sol­len, aber nur nach­ran­gig, al­so „im Übri­gen“ oder nur „so­weit kei­ne an­de­ren Ver­ein­ba­run­gen ge­trof­fen wor­den sind“. In die­sem Fall ha­ben die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ih­ren Wil­len im Wort­laut des Ver­trags zum Aus­druck ge­bracht, dass sie den ar­beits­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen den Vor­rang einräum­en woll­ten, so­fern die Be­triebs­ver­ein­ba­rung hin­sicht­lich güns­ti­ge­rer Ar­beits­be­din­gun­gen nicht oh­ne­hin nor­ma­tiv gilt; in­so­weit gölten die güns­ti­ge­ren Re­ge­lun­gen un­mit­tel­bar und zwin­gend und un­terlägen in ih­rer Wir­kungs­wei­se nicht der Re­ge­lungs­be­fug­nis der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en (§ 77 Abs. 4 Satz 1 Be­trVG).

(b) Nach die­sen Maßstäben ha­ben die Par­tei­en im Streit­fall ei­ne - kon­klu­den­te - Be­triebs­ver­ein­ba­rungs­of­fen­heit ver­trag­lich aus­ge­schlos­sen.

(aa) Die Par­tei­en ha­ben in ih­rem Ar­beits­ver­trag in der Fas­sung der Zu­satz­ver­ein­ba­rung 1992 auf die Ein­grup­pie­rungs- und Vergütungs­re­ge­lun­gen des BAT Be­zug ge­nom­men, sie als ver­trag­li­che Grund­la­ge ver­ein­bart (vgl. oben un­ter B I 2) und da­mit ei­ne ver­trag­li­che Ein­be­zie­hung - der ggf. nor­ma­tiv gel­ten­den Be­triebs­ver­ein­ba­rung - aus­ge­schlos­sen.

(bb) Da­ge­gen spricht nicht die in § 7 des Ar­beits­ver­trags 1991 ge­trof­fe­ne Be­stim­mung, nach der al­le be­trieb­li­chen Re­ge­lun­gen gel­ten soll­ten. Die­se Ein­be­zie­hung soll­te nach dem aus­drück­li­chen Wil­len der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en nur in­so­weit grei­fen, als in dem Ar­beits­ver­trag kei­ne an­de­re Ver­ein­ba­rung ge­trof­fen wor­den ist. Das ist aber durch die Ver­wei­sung auf die Ein­grup­pie­rungs-und Vergütungs­re­ge­lun­gen des BAT ge­sche­hen. Da­mit ha­ben die Par­tei­en auch hier über die „Rang­fol­ge“ von evtl. meh­re­ren - dy­na­misch - in Be­zug ge­nom­me­nen Rechts­quel­len für ihr Ar­beits­verhält­nis ei­ne aus­drück­li­che Ver­ein­ba­rung zu­guns­ten der In­di­vi­dua­la­b­re­de ge­trof­fen.

bb) Auch die wei­te­re Be­gründung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, die Un­ter­zeich­nung des von dem Rechts­vorgänger der Be­klag­ten ver­fass­ten Nach­trags

 

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1993 AV stel­le ei­ne aus­drück­li­che Abände­rung des Ar­beits­ver­trags da­hin­ge­hend dar, dass nun­mehr die ei­genständi­ge Vergütungs­ord­nung der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 an die Stel­le der bis­her ver­ein­bar­ten Vergütungs­ord­nung des BAT tre­ten sol­le, ist un­zu­tref­fend. Bei dem Nach­trag 1993 AV han­delt es sich nicht um ein Ver­trags­an­ge­bot des Ar­beit­ge­bers, son­dern le­dig­lich um ei­ne In­for­ma­ti­on über die sei­ner Auf­fas­sung nach durch die Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 ein­ge­tre­te­ne Ände­rung der ob­jek­ti­ven Rechts­la­ge.

(1) Als von dem Rechts­vorgänger der Be­klag­ten vor­for­mu­lier­te und da­mit ty­pi­sche Erklärung un­ter­liegt die Aus­le­gung des Schrei­bens der un­ein­ge­schränk­ten Über­prüfung durch das Re­vi­si­ons­ge­richt (st. Rspr. des BAG, zB BAG 7. De­zem­ber 2016 - 4 AZR 414/14 - Rn. 21; 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - zu I 2 a der Gründe, BA­GE 105, 284).

(2) Die­sem Maßstab hält das Be­ru­fungs­ur­teil nicht stand. Bei dem Nach­trag 1993 AV han­delt es sich un­ge­ach­tet der Un­ter­schrift des Klägers nicht um ei­ne Ände­rungs­ver­ein­ba­rung zum Ar­beits­ver­trag, son­dern um ei­ne bloße Mit­tei­lung des Rechts­vorgängers der Be­klag­ten in Fol­ge und Um­set­zung der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 (vgl. § 5 Abs. 2 Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993). Die An­nah­me ei­ner kon­sti­tu­ti­ven in­di­vi­du­al­ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung der Par­tei­en wäre nur dann ge­recht­fer­tigt, wenn es sich bei dem Nach­trag 1993 AV um ei­nen An­trag des Rechts­vorgängers der Be­klag­ten iSv. §§ 145 ff. BGB han­del­te, der zur Ent­fal­tung der be­ab­sich­tig­ten Rechts­fol­gen der An­nah­me durch den Kläger be­durft hätte. Dies ist je­doch nicht der Fall. Der Rechts­vorgänger der Be­klag­ten hat den Kläger viel­mehr mit dem Nach­trag 1993 AV in Um­set­zung der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 le­dig­lich von sei­ner Auf­fas­sung in Kennt­nis ge­setzt, dass die­se Be­triebs­ver­ein­ba­rung kraft Ge­set­zes nor­ma­ti­ve Wir­kung ent­fal­te und des­halb auch für das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en wirk­sam sei.

(a) Das er­gibt sich be­reits aus der Ein­gangs­for­mu­lie­rung. Da­nach wur­den „die Be­stim­mun­gen der o.g. Be­triebs­ver­ein­ba­rung ... mit de­ren In­kraft­tre­ten au­to­ma­tisch Be­stand­teil Ih­res Ar­beits­ver­tra­ges“. Die­se For­mu­lie­rung be­inhal­tet zunächst den - von dem Rechts­vorgänger der Be­klag­ten an­ge­nom­me­nen - Zeit­punkt des Wirk­sam­wer­dens der Be­stim­mun­gen der Be­triebs­ver­ein­ba­rung

 

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1993, nämlich „de­ren In­kraft­tre­ten“. Dies soll­te nach § 4 Abs. 1 Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 rück­wir­kend zum 1. Ja­nu­ar 1993 ge­sche­hen. Von der recht­li­chen Not­wen­dig­keit ei­ner Zu­stim­mung des Klägers ist im Nach­trag 1993 AV in­so­weit kei­ne Re­de.

(b) Fer­ner wird der bloße In­for­ma­ti­ons­cha­rak­ter des Nach­trags 1993 AV aus der wei­te­ren For­mu­lie­rung im ers­ten Ab­satz deut­lich. Dort wird dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Be­triebs­ver­ein­ba­rung „au­to­ma­tisch“, dh. ge­ra­de oh­ne ei­ne ent­spre­chen­de Wil­lens­erklärung der Par­tei­en, Be­stand­teil des Ar­beits­ver­trags „ge­wor­den sei“.

(c) Dem ent­spricht auch der Be­treff, der das Schrei­ben als „Nach­trag“ zum Ar­beits­ver­trag und ge­ra­de nicht als „Zu­satz­ver­ein­ba­rung“ (so die Ver­tragsände­run­gen aus den Jah­ren 1992 und 1995) oder als „Ände­rung zum Ar­beits­ver­trag“ (so das Schrei­ben vom 23. März 2006) be­zeich­net. Den da­her an­zu­neh­men­den bloßen Ver­weis auf die be­ste­hen­de Rechts­la­ge darf und kann ein Ar­beit­neh­mer da­hin ver­ste­hen, es blei­be in­so­weit im Übri­gen bei der ge­setz­li­chen Re­ge­lung, ins­be­son­de­re dem Güns­tig­keits­prin­zip als Kol­li­si­ons­re­ge­lung zwi­schen der nor­ma­ti­ven Wir­kung ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung und der in­di­vi­du­el­len Ver­trags­ab­re­de, das sich zwar nicht un­mit­tel­bar aus dem Wort­laut des § 77 Abs. 4 Be­trVG, un­be­strit­ten aber aus dem all­ge­mei­nen ar­beits­recht­li­chen Schutz­prin­zip er­gibt (BAG 16. Sep­tem­ber 1986 - GS 1/82 - zu C II 3 der Gründe, BA­GE 53, 42; 7. No­vem­ber 1989 - GS 3/85 - zu C II 1 der Gründe, BA­GE 63, 211; Fit­ting 29. Aufl. § 77 Rn. 196; Ri­char­di Be­trVG 16. Aufl. § 77 Rn. 165, je­weils mwN).

(d) Im Übri­gen hat die Ar­beit­ge­be­rin mit dem Nach­trag 1993 AV le­dig­lich die be­reits in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 selbst vor­ge­se­he­ne Vor­ge­hens­wei­se um­ge­setzt. Dort ist nach dem er­neu­ten Hin­weis in § 5, wo­nach die Be­stim­mun­gen der Be­triebs­ver­ein­ba­rung „au­to­ma­tisch Be­stand­teil von Ar­beits­verträgen“ wer­den, auf­ge­nom­men, dass der Ar­beit­ge­ber den be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer/-in­nen ei­nen „ent­spre­chen­den Nach­trag“ über­sen­det.

 

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(e) Ent­ge­gen der An­sicht des Lan­des­ar­beits­ge­richts kann die­se In­for­ma­ti­on über die nach An­sicht der Ar­beit­ge­be­rin be­reits durch den Ab­schluss der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 her­bei­geführ­te Rechts­la­ge auch nicht des­halb als Ver­trags­an­ge­bot ge­wer­tet wer­den, weil der Kläger sie un­ter­zeich­net hat. Das „Ein­verständ­nis“ be­zieht sich al­len­falls auf die mit­ge­teil­te Rechts­auf­fas­sung des Ar­beit­ge­bers, oh­ne dass dar­in ei­ne ei­ge­ne Wil­lens­erklärung zur Abände­rung des Ar­beits­ver­trags liegt.

(3) So­weit im zwei­ten Ab­satz des Nach­trags 1993 AV aus­geführt wird, dass „al­le in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung ge­trof­fe­nen Be­stim­mun­gen ... die ent­spre­chen­den Re­ge­lun­gen des Ar­beits­ver­tra­ges außer Kraft“ set­zen, wird dar­aus je­den­falls nicht hin­rei­chend deut­lich, dass da­mit - ab­wei­chend vom ers­ten Ab­satz des Schrei­bens - ein Vor­rang der Be­triebs­ver­ein­ba­rung un­ter Ver­zicht auf das ge­setz­lich vor­ge­se­he­ne Güns­tig­keits­prin­zip aus­drück­lich in­di­vi­du­al­ver­trag­lich ver­ein­bart wer­den soll­te. Ein sol­cher Ver­zicht in ei­ner vor­for­mu­lier­ten Ver­trags­be­stim­mung muss klar und verständ­lich iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB for­mu­liert sein. Das wäre hier selbst dann nicht der Fall, wenn es ei­ne der­ar­ti­ge Ab­sicht des Ar­beit­ge­bers ge­ge­ben hätte. Der ers­te Ab­satz des Schrei­bens so­wie der Be­treff sug­ge­rie­ren, dass es le­dig­lich ei­ne Mit­tei­lung über die ge­setz­lich an­ge­ord­ne­te nor­ma­ti­ve Wir­kung ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung enthält. Die­se be­schränkt sich je­doch auf die Ver­drängung schlech­te­rer ein­zel­ver­trag­li­cher Ar­beits­be­din­gun­gen; bes­se­re blei­ben be­ste­hen. Hätte der Rechts­vorgänger der Be­klag­ten dem Schrei­ben ei­ne wei­ter ge­hen­de Be­deu­tung bei­mes­sen wol­len, hätte er dies ein­deu­tig for­mu­lie­ren müssen.

(4) Dafür, dass die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en das Schrei­ben von März 1993 nicht als Ver­tragsände­rung an­ge­se­hen ha­ben, spricht auch, dass sie je­weils mit dem Ab­schluss ei­ner neu­en Zu­satz- oder Ände­rungs­ver­ein­ba­rung die vor­he­ri­ge Zu­satz­ver­ein­ba­rung außer Kraft ge­setzt ha­ben. Die Zu­satz­ver­ein­ba­rung 1995 nimmt da­bei in Ziff. 4 die Zu­satz­ver­ein­ba­rung 1992 und ge­ra­de nicht das Schrei­ben von März 1993 in Be­zug.

cc) Auf ei­ne mögli­che Un­wirk­sam­keit der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 kommt es da­nach auch hier nicht mehr an.

 

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c) Die ver­trag­li­che dy­na­mi­sche Ver­wei­sung auf die Vergütungs- und Ein­grup­pie­rungs­be­stim­mun­gen des BAT ist auch nicht durch ei­ne an­de­re Ver­ein­ba­rung der Par­tei­en ab­geändert oder ab­gelöst wor­den.

aa) Selbst wenn die Zu­satz­ver­ein­ba­rung 1995 die Zu­satz­ver­ein­ba­rung 1992 „außer Kraft ge­setzt“ ha­ben soll­te, enthält sie je­den­falls in Ziff. 2 ih­rer­seits ei­ne ent­spre­chen­de dy­na­mi­sche Be­zug­nah­me und ändert da­mit an der grund­le­gen­den Ver­trags­si­tua­ti­on der Par­tei­en im Hin­blick auf die vor­lie­gen­den Streit­ge­genstände nichts.

bb) Die dy­na­mi­sche Be­zug­nah­me­klau­sel ist schließlich nicht durch die Ände­rung des Ar­beits­ver­trags vom 23. März 2006 ent­fal­len. Die Ver­ein­ba­rung war er­sicht­lich durch ei­ne Ände­rung der Ar­beits­zeit ver­an­lasst. Das Ar­beits­ent­gelt des Klägers wur­de des­halb „ent­spre­chend der 0,78 Stel­le“ erhöht. Be­reits dem Wort­laut nach liegt dar­in nur ei­ne - re­la­ti­ve - An­pas­sung des Ar­beits­ent­gelts oh­ne ei­ne grund­le­gen­de Ände­rung der bis­he­ri­gen Ent­gelt­ver­ein­ba­run­gen. Die­ses Verständ­nis wird durch Ziff. 4 der Ar­beits­ver­tragsände­rung bestätigt, wo­nach al­le übri­gen Be­stand­tei­le des be­ste­hen­den Ar­beits­ver­trags - und da­mit ins­be­son­de­re die In­be­zug­nah­me der Ein­grup­pie­rungs- und Vergütungs­be­stim­mun­gen des öffent­li­chen Diens­tes - un­verändert gültig blei­ben. Für die­ses Aus­le­gungs­er­geb­nis und ge­gen die Ver­ein­ba­rung ei­nes künf­tig fes­ten Ar­beits­ent­gelts un­abhängig von den über Jah­re in Be­zug ge­nom­me­nen ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen spricht zu­dem der Um­stand, dass auch in den wei­te­ren Ent­gel­tab­rech­nun­gen bis 2010 ein Hin­weis auf „Vb Stu­fe 09“ ent­hal­ten war, was der Vergütungs­grup­pe und -stu­fe bei der Ein­grup­pie­rung nach der Vergütungs­ord­nung des BAT ent­sprach. Der Nen­nung des nun­mehr zu zah­len­den Ar­beits­ent­gelts kommt da­her - wie auch schon in der Zu­satz­ver­ein­ba­rung 1992 - le­dig­lich ei­ne klar­stel­len­de Be­deu­tung zu. Vor die­sem Hin­ter­grund ist auch Ziff. 3 der Ver­ein­ba­rung, nach der die Zu­satz­ver­ein­ba­rung 1995 mit die­ser Ver­ein­ba­rung un­wirk­sam wird, be­schränkt auf die Ar­beits­zeit zu ver­ste­hen.

cc) Al­lein der Um­stand, dass die Be­klag­te an­sch­ließend das Ar­beits­ent­gelt des Klägers nicht mehr erhöht hat, recht­fer­tigt nicht die An­nah­me, die Par­tei­en hätten - ent­ge­gen den bis­he­ri­gen Re­ge­lun­gen und der prak­ti­schen Ver­trags-

 

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durchführung - ei­ne le­dig­lich sta­ti­sche Ent­gelt­ver­ein­ba­rung tref­fen wol­len. Die tatsächli­che Pra­xis des Voll­zugs ei­ner ver­trag­li­chen Re­ge­lung durch die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en kann An­halts­punk­te für den tatsächli­chen Wil­len der Ver­trags­par­tei­en ent­hal­ten und so­mit für die Aus­le­gung von Be­deu­tung sein. Der bei Ver­trags­schluss zum Aus­druck ge­brach­te ob­jek­ti­ve Ge­halt der wech­sel­sei­ti­gen Wil­lens­erklärun­gen kann aber durch die späte­re tatsächli­che Hand­ha­bung nicht mehr be­ein­flusst wer­den (vgl. BAG 24. Fe­bru­ar 2016 - 4 AZR 991/13 - Rn. 33 mwN). Es han­del­te sich viel­mehr um die schlich­te Nich­terfüllung der ar­beit­ge­ber­sei­tig ver­trag­lich ge­schul­de­ten Leis­tung.

III. Die so ver­stan­de­ne ar­beits­ver­trag­li­che Be­zug­nah­me auf die Ein­grup­pie­rungs- und Vergütungs­be­stim­mun­gen des BAT ist zwar zeit­dy­na­misch, aber nicht in­halts­dy­na­misch aus­ge­stal­tet. Sie ist des­halb mit der Ablösung des BAT durch den TVöD und den TV-L lücken­haft ge­wor­den. Die mit der Er­set­zung des BAT ent­stan­de­ne nachträgli­che Re­ge­lungslücke ist im We­ge der ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung zu schließen. Dies führt zur An­wend­bar­keit der Ent­gel­t­ord­nung des TVöD/VKA auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en.

1. Die im Ar­beits­ver­trag ent­hal­te­ne zeit­dy­na­misch aus­ge­stal­te­te Ver­wei­sung auf die Vergütungs­ord­nung des BAT ist in­fol­ge der Ablösung die­ses ta­rif­li­chen Re­ge­lungs­werks zu ei­ner sta­ti­schen ge­wor­den, weil das Be­zug­nah­me­ob­jekt von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en nicht mehr wei­ter­ent­wi­ckelt wird. Ein da­mit ver­bun­de­nes „Ein­frie­ren“ der Vergütung auf die­sem Stand ent­sprach je­doch nicht dem Wil­len der Par­tei­en. Der Ver­trag ist nachträglich lücken­haft ge­wor­den, weil die ar­beits­ver­trag­li­che Be­zug­nah­me auf der Dy­na­mik der ta­rif­ver­trag­li­chen Vergütungs­re­ge­lun­gen auf­bau­te (st. Rspr., vgl. nur BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 25 ff., BA­GE 134, 283; 18. Mai 2011 - 5 AZR 213/09 - Rn. 16).

2. Die­se nachträglich ent­stan­de­ne Re­ge­lungslücke ist im We­ge der ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung zu schließen. Da­bei tritt an die Stel­le der lücken­haf­ten Klau­sel die­je­ni­ge Ge­stal­tung, die die Par­tei­en bei ei­ner an­ge­mes­se­nen Abwägung der bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen nach Treu und Glau­ben als red­li­che Ver­trags­par­tei­en ver­ein­bart hätten, wenn ih­nen die Un­wirk­sam­keit der Ge-

 

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schäfts­be­din­gung be­kannt ge­we­sen wäre. Die Ver­trags­ergänzung muss des­halb für den be­trof­fe­nen Ver­trags­typ als all­ge­mei­ne Lösung ei­nes stets wie­der­keh­ren­den In­ter­es­sen­ge­gen­sat­zes an­ge­mes­sen sein. Maßge­ben­der Zeit­punkt für die Fest­stel­lung und Be­wer­tung des mut­maßli­chen ty­pi­sier­ten Par­tei­wil­lens und der In­ter­es­sen­la­ge ist der Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses, da die ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung ei­ne anfäng­li­che Re­ge­lungslücke rück­wir­kend schließt. Das gilt auch, wenn ei­ne Lücke sich erst nachträglich als Fol­ge des wei­te­ren Ver­laufs der Din­ge er­ge­ben hat (st. Rspr., BAG 18. April 2012 - 4 AZR 392/10 - Rn. 20, BA­GE 141, 150; 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 31 mwN, BA­GE 134, 283).

3. In An­wen­dung die­ser Grundsätze ist für das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en seit dem 1. Ok­to­ber 2005 die Ent­gel­t­ord­nung des TVöD/VKA maßge­bend.

a) Die ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung be­deu­tet vor­lie­gend in ei­nem ers­ten Schritt, dass die Par­tei­en red­li­cher­wei­se für den Fall der hier vor­lie­gen­den Ta­rif­suk­zes­si­on des im Ar­beits­ver­trag be­nann­ten ta­rif­li­chen Re­ge­lungs­werks das nach­fol­gen­de Re­ge­lungs­werk des öffent­li­chen Diens­tes ver­ein­bart hätten, weil ei­ne sta­ti­sche Re­ge­lung der Ar­beits­be­din­gun­gen auf den Zeit­punkt der be­ste­hen­den Ta­rif­suk­zes­si­on nicht ih­ren In­ter­es­sen ent­sprach. Die Par­tei­en ha­ben mit der dy­na­mi­schen Aus­ge­stal­tung der Be­zug­nah­me auf das Ta­rif­werk des BAT die Re­ge­lun­gen der Ar­beits­be­din­gun­gen für die Zu­kunft der Re­ge­lungs­macht der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en des öffent­li­chen Diens­tes an­ver­traut.

b) We­gen der Auf­spal­tung der bis zum 30. Sep­tem­ber 2005 gleich­lau­ten­den Re­ge­lun­gen für die An­ge­stell­ten des öffent­li­chen Diens­tes bei Bund, Ländern und Kom­mu­nen ist in ei­nem wei­te­ren Schritt zu be­stim­men, wel­che Nach­fol­ge­re­ge­lung für die Vergütung des Klägers maßge­bend sein soll. Da­bei ist zu er­mit­teln, wel­ches der dem BAT nach­fol­gen­den Ta­rif­wer­ke die Par­tei­en in Be­zug ge­nom­men hätten, wenn sie ei­ne Ta­rif­suk­zes­si­on be­dacht hätten. Dies ist im Streit­fall der TVöD in der im Be­reich der Ver­ei­ni­gung der kom­mu­na­len Ar­beit­ge­ber­verbände (VKA) gel­ten­den Fas­sung, weil die Be­klag­te auf­grund ih­rer Auf­ga­ben am ehes­ten dem öffent­li­chen Dienst der Kom­mu­nen zu­zu­rech­nen ist (vgl. BAG 25. Fe­bru­ar 2015 - 5 AZR 481/13 - Rn. 18 ff., BA­GE 151, 56). Et­was

 

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an­de­res er­gibt sich nicht dar­aus, dass die Un­ter­neh­mens­grup­pe, der die Be­klag­te an­gehört, bun­des­weit tätig ist. Meh­re­re Un­ter­neh­men ei­ge­ner Rechts­persönlich­keit ei­ner Un­ter­neh­mens­grup­pe bil­den kei­ne dem Bund als obers­ter ter­ri­to­ria­ler Körper­schaft des öffent­li­chen Rechts ver­gleich­ba­re Ein­heit. Ent­schei­dend ist viel­mehr, wel­che Ge­bietskörper­schaft des öffent­li­chen Rechts die Auf­ga­ben wahr­neh­men würde, al­so die Zu­ord­nung der Auf­ga­ben in­ner­halb der Ge­bietskörper­schaf­ten des öffent­li­chen Diens­tes und nicht, dass die Be­klag­te Schwes­ter­un­ter­neh­men in an­de­ren Kom­mu­nen oder Ländern hat, die sich der­sel­ben Auf­ga­be wid­men. Vor­lie­gend sind das die Kom­mu­nen als Körper­schaf­ten des öffent­li­chen Rechts für Selbst­ver­wal­tungs­an­ge­le­gen­hei­ten.

IV. Un­ter Zu­grun­de­le­gung der so ver­stan­de­nen Be­zug­nah­me­klau­sel hat der Kläger ei­nen An­spruch auf Vergütung nach der Ent­gelt­grup­pe 9 TVöD/VKA.

1. Gem. § 17 Abs. 1 TVÜ-VKA aF gal­ten da­bei die §§ 22, 23 BAT ein­sch­ließlich der Vergütungs­ord­nung bis zum In­kraft­tre­ten ent­spre­chen­der Re­ge­lun­gen des TVöD/VKA fort. Für die Über­lei­tung in die neue Ent­gel­t­ord­nung von be­reits vor dem 1. Ok­to­ber 2005 beschäftig­ten Ar­beit­neh­mern wur­den die Vergütungs­grup­pen der Vergütungs­ord­nung (An­la­ge 1a zum BAT) den Ent­gelt­grup­pen des TVöD zu­ge­ord­net (§ 17 Abs. 7 TVÜ-VKA iVm. An­la­ge 1).

2. Da­nach ist die Be­klag­te ver­pflich­tet, den Kläger nach der Ent­gelt­grup­pe 9 Stu­fe 4 TVöD/VKA zu vergüten. Der Kläger war zunächst in der VergGr. Vc BAT und so­dann auf­grund Bewährungs­auf­stiegs in der VergGr. Vb BAT ein­grup­piert. Dies führt nach § 17 Abs. 7 TVÜ-VKA idF des ÄndTV Nr. 10 iVm. An­la­ge 1 für die Zeit bis zum 31. De­zem­ber 2016 zu ei­ner Über­lei­tung in die Ent­gelt­grup­pe 9 TVöD/VKA. Darüber be­steht zwi­schen den Par­tei­en kein Streit. Die Zu­ord­nung zur Stu­fe 4 der Ent­gelt­grup­pe hat die Be­klag­te eben­falls zu kei­nem Zeit­punkt in Fra­ge ge­stellt.

C. Die Kla­ge ist auch hin­sicht­lich des Zah­lungs­an­trags be­gründet.

 

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I. Die sich aus der Ent­gelt­grup­pe 9 Stu­fe 4 TVöD/VKA er­ge­ben­den Ein­zel­beträge so­wie die Ge­samt­sum­me für den Streit­zeit­raum ist zwi­schen den Par­tei­en nicht strei­tig. Der gel­tend ge­mach­te Zins­an­spruch er­gibt sich aus §§ 286, 288 BGB iVm. § 24 Abs. 1 Satz 2 TVöD.

II. Die Zah­lungs­ansprüche des Klägers sind auch nicht - teil­wei­se - ver­fal­len. Ei­ne ein­zel­ver­trag­li­che oder ta­rif­li­che Aus­schluss­frist kommt für das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht zur An­wen­dung.

1. Die ein­zel­ver­trag­lich in § 8 Ar­beits­ver­trag 1991 ver­ein­bar­te Aus­schluss­frist er­fasst die gel­tend ge­mach­ten Zah­lungs­ansprüche nicht. Da­bei kann da­hin­ste­hen, ob die Ver­ein­ba­rung über­haupt wirk­sam ist, wofür an­ge­sichts der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu ein­zel­ver­trag­li­chen Aus­schluss­fris­ten (zB BAG 1. März 2006 - 5 AZR 511/05 - Rn. 14, BA­GE 117, 165) we­nig spricht. Die Aus­schluss­fris­ten­re­ge­lung ver­langt kei­ne Gel­tend­ma­chung von Ansprüchen während des lau­fen­den Ar­beits­verhält­nis­ses, son­dern nur für den Fall von des­sen Be­en­di­gung.

2. Die ta­rif­li­chen Aus­schluss­fris­ten des § 37 TVöD und des § 70 BAT kom­men nicht zur An­wen­dung.

a) § 37 TVöD ist auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht auf­grund ar­beits­ver­trag­li­cher Be­zug­nah­me an­wend­bar. Die Par­tei­en ha­ben le­dig­lich die Ein­grup­pie­rungs- und Vergütungs­be­stim­mun­gen des BAT und des die­sen er­set­zen­den TVöD in Be­zug ge­nom­men. Da­zu gehört im Streit­fall nicht die ta­rif­li­che Re­ge­lung der Aus­schluss­fris­ten. In­so­weit hat­ten die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en im Übri­gen aus­drück­lich ei­ne ei­genständi­ge ver­trag­li­che Re­ge­lung vor­ge­se­hen.

b) § 70 BAT fin­det nicht auf­grund ei­ner ursprüng­lich nor­ma­tiv wir­ken­den Be­triebs­ver­ein­ba­rung 1993 im We­ge der Nach­wir­kung auf das Ar­beits­verhält­nis An­wen­dung. Da­bei kann auch hier da­hin­ste­hen, ob die Be­triebs­ver­ein­ba­rung über­haupt wirk­sam war. Die in ihr als Ver­wei­sung ggf. ent­hal­te­ne Aus­schluss­fris­ten­re­ge­lung des § 70 BAT wäre von der Nach­wir­kungs­an­ord­nung des § 77

 

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Abs. 6 Be­trVG nicht er­fasst. Als in ei­ner al­len­falls teil­mit­be­stimm­ten Be­triebs­ver­ein­ba­rung ent­hal­te­ne Re­ge­lung ist die Aus­schluss­fris­ten­be­stim­mung kei­nem der Tat­bestände des § 87 Abs. 1 Be­trVG zu­zu­ord­nen und auch nicht zwin­gend mit ei­ner ent­spre­chen­den Re­ge­lung ver­bun­den, son­dern un­terfällt dem Be­reich der frei­wil­li­gen Mit­be­stim­mung gem. § 88 Be­trVG (BAG 5. Mai 2015 - 1 AZR 435/13 - Rn. 20). Sie wirkt da­mit nicht nach (vgl. oben B II 1 b).

D. Die Be­klag­te hat gem. § 91 Abs. 1 ZPO die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

Ey­lert
Creutz­feldt
Rinck
Ste­ding
H. Klotz

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