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BAG, Ur­teil vom 21.06.2011, 9 AZR 203/10

   
Schlagworte: AGB-Kontrolle
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 9 AZR 203/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 21.06.2011
   
Leitsätze:

1. Ausgleichsklauseln, in denen Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklären sollen, dass Ansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund, nicht bestehen, sind nicht nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle entzogen. Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung unterliegen aus Gründen der Vertragsfreiheit regelmäßig ebenso wenig wie Vereinbarungen über das von dem anderen Teil zu erbringende Entgelt einer Inhaltskontrolle. Ausgleichsklauseln sind als Teil eines Aufhebungsvertrags nicht Haupt-, sondern Nebenabrede und deshalb nicht kontrollfrei.

2. Ausgleichsklauseln, die einseitig nur Ansprüche des Arbeitnehmers erfassen und dafür keine entsprechende Gegenleistung gewähren, sind unangemessen benachteiligend iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Augsburg, Urteil vom 7.05.2009, 3 Ca 3854/08
Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 20.01.2010, 5 Sa 603/09
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


9 AZR 203/10
5 Sa 603/09
Lan­des­ar­beits­ge­richt

München

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

21. Ju­ni 2011

UR­TEIL

Brüne, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 21. Ju­ni 2011 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Düwell, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Krasshöfer und
 


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Dr. Suckow so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Preuß und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Mer­te für Recht er­kannt:

Auf die Re­vi­si­on des Klägers wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts München vom 20. Ja­nu­ar 2010 - 5 Sa 603/09 - auf­ge­ho­ben. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Augs­burg vom 7. Mai 2009 - 3 Ca 3854/08 - wird mit der Maßga­be zurück­ge­wie­sen, dass die Be­klag­te auf die Haupt­for­de­rung Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 4. De­zem­ber 2008 zu zah­len hat.

Die Be­klag­te hat die Kos­ten des Be­ru­fungs- und des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über ei­ne Aus­gleichs­zah­lung für die Be­en­di­gung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses vor Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res.

Der am 3. Ju­ni 1944 ge­bo­re­ne Kläger war seit dem 1. Au­gust 1974 bei der Be­klag­ten beschäftigt. Mit Ver­trag vom 21./23. De­zem­ber 2005 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en, ihr Ar­beits­verhält­nis als Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis fort­zu­set­zen. In dem von der Be­klag­ten vor­for­mu­lier­ten und min­des­tens fünf Mal ver­wen­de­ten Ver­trags­for­mu­lar heißt es aus­zugs­wei­se wie folgt:

„§ 1 Be­ginn und Dau­er der Al­ters­teil­zeit
Das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis wird hier­mit im ge­gen­sei­ti­gen Ein­ver­neh­men geändert und vom 01.11.2006 bis 31.10.2008 als Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis fort­geführt.
...

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§ 3 Ab­fin­dung
Das zwi­schen den Ver­trags­par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis en­det auf Ver­an­las­sung des Ar­beit­ge­bers zum 31.10.2008.

Für den Ver­lust des Ar­beits­plat­zes erhält der Ar­beit­neh­mer gemäß §§ 9, 10 KSchG, § 3 Nr. 9, § 24, § 34 EStG und auf der Grund­la­ge (von) § 10 des Ta­rif­ver­trags über Al­ters­teil­zeit vom 22.09.2000 ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von brut­to EUR 2.168,00 zum Aus­tritts­ter­min ab­ge­rech­net.


Darüber hin­aus­ge­hen­de Ab­fin­dungs- oder Aus­gleichs­ansprüche im Zu­sam­men­hang mit der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses, gleich aus wel­chem Rechts­grund, be­ste­hen nicht.“

Hin­sicht­lich des Ta­rif­ver­trags über Al­ters­teil­zeit vom 22. Sep­tem­ber 2000 sind die Par­tei­en ta­rif­ge­bun­den. Die Be­klag­te zahl­te ab 1990 bzw. 1992 an Beschäftig­te, wel­che nach min­des­tens 15-jähri­ger Be­triebs­zu­gehörig­keit vor­zei­tig aus­schie­den, ei­ne sog. „Aus­gleichs­zah­lung“ für je­des Jahr der Beschäfti­gung mit Stei­ge­rung bis zu ei­ner 25-jähri­gen Beschäfti­gungs­dau­er. Da­zu traf sie un­ter dem 25. Ju­li 1990 ei­ne „Aus­gleichs­re­ge­lung we­gen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses vor dem 63. Le­bens­jahr“ und un­ter dem 2. April 1992 ei­ne „Aus­gleichs­re­ge­lung we­gen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nach Voll­endung des 63. Le­bens­jah­res“. Ziff. 3 der Aus­gleichs­re­ge­lung vom 2. April 1992 be­grenzt den An­spruch auf ma­xi­mal 18.000,00 DM. Nach Ziff. 4 der Aus­gleichs­re­ge­lung vom 25. Ju­li 1990 soll­te der Aus­gleichs­be­trag, falls steu­er­recht­lich möglich, gemäß „§ 3 Ab­satz 9 EStG“ steu­er­frei aus­ge­zahlt wer­den.

Die Be­klag­te lehn­te ge­genüber dem Kläger auf des­sen Gel­tend­ma­chungs­schrei­ben vom 31. März 2008 mit Schrei­ben vom 4. No­vem­ber 2008 die Zah­lung des vom Kläger ge­for­der­ten Aus­gleichs­be­trags ab.

Mit sei­ner der Be­klag­ten am 3. De­zem­ber 2008 zu­ge­stell­ten Kla­ge macht der Kläger die­se Aus­gleichs­zah­lung gel­tend.

Er ist der Auf­fas­sung, die Be­klag­te sei zur Zah­lung un­ter dem Ge­sichts­punkt der be­trieb­li­chen Übung ver­pflich­tet. Die Aus­gleichs­klau­sel in § 3

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Abs. 3 des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags ste­he dem er­ho­be­nen An­spruch nicht ent­ge­gen. Als über­ra­schen­de Klau­sel iSd. § 305c Abs. 1 BGB sei die Klau­sel nicht Ver­trags­be­stand­teil ge­wor­den. Zu­dem las­se sich ihr der Wil­le, auf Rech­te zu ver­zich­ten, nicht ent­neh­men. Sch­ließlich fie­len Ansprüche der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung - wie der Kla­ge­an­spruch - re­gelmäßig nicht in den An­wen­dungs­be­reich von Aus­gleichs­klau­seln.


Der Kläger hat be­an­tragt, 


die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 9.203,00 Eu­ro nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­wei­li­gen Ba­sis­zins­satz seit Kla­ge­er­he­bung zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, der An­spruch des Klägers sei auf­grund der Aus­gleichs­klau­sel in § 3 Abs. 3 des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags er­lo­schen. Als gewöhn­li­che Ab­gel­tungs­klau­sel feh­le der Ver­trags­be­stim­mung das von § 305c Abs. 1 BGB vor­aus­ge­setz­te Über­ra­schungs­mo­ment. Ih­rem In­halt nach be­schränke sie sich auf Ab­wick­lungs­ansprüche nach §§ 9, 10 KSchG und die streit­ge­genständ­li­che Aus­gleichs­zah­lung.


Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten ab­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt der Kläger die Wie­der­her­stel­lung der kla­ge­statt­ge­ben­den Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts.


Ent­schei­dungs­gründe

A. Die zulässi­ge Re­vi­si­on ist be­gründet. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge zu Un­recht ab­ge­wie­sen. Die Kla­ge ist be­gründet. Der Kläger hat ge­gen die Be­klag­te An­spruch auf ei­ne Aus­gleichs­zah­lung iHv. 9.203,25 Eu­ro. Hier­von hat der Kläger nur 9.203,00 Eu­ro gel­tend ge­macht.


I. Der An­spruch des Klägers auf die Aus­gleichs­zah­lung war aus be­trieb­li­cher Übung ent­stan­den.

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1. Un­ter ei­ner be­trieb­li­chen Übung ist die re­gelmäßige Wie­der­ho­lung be­stimm­ter Ver­hal­tens­wei­sen des Ar­beit­ge­bers zu ver­ste­hen, aus de­nen die Ar­beit­neh­mer schließen dürfen, ih­nen sol­le ei­ne Leis­tung oder Vergüns­ti­gung auf Dau­er gewährt wer­den. Das als Ver­trags­an­ge­bot zu wer­ten­de Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers wird von den Ar­beit­neh­mern an­ge­nom­men, in­dem sie die Leis­tung wi­der­spruchs­los ent­ge­gen­neh­men (vgl. BAG 18. März 2009 - 10 AZR 281/08 - Rn. 13, BA­GE 130, 21). Der Zu­gang der An­nah­me­erklärung ist nach § 151 Satz 1 BGB ent­behr­lich. Durch die be­trieb­li­che Übung ent­ste­hen ver­trag­li­che Ansprüche auf die üblich ge­wor­de­nen Leis­tun­gen. Ent­schei­dend für die Ent­ste­hung des An­spruchs ist nicht der Ver­pflich­tungs­wil­le des Ar­beit­ge­bers. Maßgeb­lich ist, wie der Erklärungs­empfänger die Erklärung oder das Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers nach Treu und Glau­ben un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Be­gleit­umstände (§§ 133, 157 BGB) ver­ste­hen muss­te. Der Ar­beit­ge­ber kann sich auch im Hin­blick auf Ein­mal­leis­tun­gen durch ei­ne be­trieb­li­che Übung bin­den (BAG 17. No­vem­ber 2009 - 9 AZR 765/08 - Rn. 25, AP BGB § 242 Be­trieb­li­che Übung Nr. 88 = EzA BGB 2002 § 242 Be­trieb­li­che Übung Nr. 12).

2. Nach die­sen Grundsätzen war hier ei­ne be­trieb­li­che Übung ent­stan­den. Die Be­klag­te zahl­te seit 1990 vor­be­halt­los an Ar­beit­neh­mer, die vor dem 63. Le­bens­jahr, und seit 1992 auch an Ar­beit­neh­mer, die später aus ei­nem Ar­beits­verhält­nis mit ihr aus­schie­den, ei­nen „Aus­gleich“, wie ihn auch der Kläger gel­tend ge­macht hat. Aus die­sem re­gelmäßigen Ver­hal­ten durf­ten die Ar­beit­neh­mer auf ei­nen ent­spre­chen­den Bin­dungs­wil­len der Be­klag­ten schließen (vgl. so schon in dem weit­ge­hend par­al­le­len Ver­fah­ren BAG 17. No­vem­ber 2009 - 9 AZR 765/08 - Rn. 21 ff., AP BGB § 242 Be­trieb­li­che Übung Nr. 88 = EzA BGB 2002 § 242 Be­trieb­li­che Übung Nr. 12).

3. Der Kläger erfüll­te die Vor­aus­set­zun­gen, von de­nen die Be­klag­te in der Ver­gan­gen­heit die Aus­gleichs­zah­lung abhängig ge­macht hat. Das ist zwi­schen den Par­tei­en un­strei­tig. Das Ar­beits­verhält­nis en­de­te am 31. Ok­to­ber 2008 und da­mit zu ei­nem Zeit­punkt, zu dem der am 3. Ju­ni 1944 ge­bo­re­ne Kläger das 64., aber noch nicht das 65. Le­bens­jahr voll­endet hat­te. Er war bei der Be­klag­ten seit dem 1. Au­gust 1974 und da­mit mehr als 15 Jah­re beschäftigt. Bei
 


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die­ser Beschäfti­gungs­dau­er von ins­ge­samt 34 Jah­ren war der Aus­gleich ein­sch­ließlich der Stei­ge­rungssätze auf den Höchst­be­trag für 25 Jah­re iHv. 9.203,25 Eu­ro (18.000,00 DM) be­grenzt. Der Kläger hat die Zah­lung von 9.203,00 Eu­ro des­halb zu Recht ge­for­dert.

II. Der aus be­trieb­li­cher Übung ent­stan­de­ne An­spruch des Klägers ist nicht un­ter­ge­gan­gen. Zwar ist in § 3 Abs. 3 des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags vom 21./23. De­zem­ber 2005 be­stimmt, dass über die ta­rif­li­che Ab­fin­dung hin­aus­ge­hen­de Ab­fin­dungs- oder Aus­gleichs­ansprüche im Zu­sam­men­hang mit der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses, gleich aus wel­chem Rechts­grund, nicht be­ste­hen sol­len. Die­se Klau­sel ist aber nach § 307 Abs. 1 BGB un­wirk­sam.


1. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, die Aus­gleichs­klau­sel in § 3 des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags sei we­der über­ra­schend iSv. § 305c Abs. 1 BGB noch be­nach­tei­li­ge sie den Ar­beit­neh­mer un­an­ge­mes­sen. Der von dem Kläger er­ho­be­ne An­spruch sei des­halb un­ter­ge­gan­gen. Das hält ei­ner re­vi­si­ons­recht­li­chen Prüfung nicht stand.

2. Die Aus­gleichs­klau­sel ist ei­ne All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gung im Sin­ne von § 305 Abs. 1 BGB und un­ter­liegt da­mit der rich­ter­li­chen Kon­trol­le nach § 305 ff. BGB.


Der mit dem Kläger ge­schlos­se­ne Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trag enthält vor­for­mu­lier­te Ver­trags­be­din­gun­gen, die die Be­klag­te für ei­ne Viel­zahl von Ar­beits­verträgen auf­ge­stellt hat (§ 305 Abs. 1 BGB). Tatsächlich hat die Be­klag­te auch min­des­tens fünf Mal iden­ti­sche Ver­trags­for­mu­la­re ver­wen­det.


3. Nach sei­nem Wort­laut enthält § 3 Abs. 3 des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags ein kon­sti­tu­ti­ves ne­ga­ti­ves Schuld­an­er­kennt­nis. Die­ses führt re­gelmäßig da­zu, dass die be­trof­fe­ne For­de­rung nach § 397 Abs. 2 iVm. Abs. 1 BGB er­lischt.

a) Wel­che Rechts­qua­lität und wel­chen Um­fang die in ei­ner sog. Ab­gel­tungs­klau­sel ab­ge­ge­be­nen Erklärun­gen ha­ben, ist durch Aus­le­gung zu er­mit­teln. Der Wil­le der Par­tei­en, ih­re Rechts­be­zie­hung zu be­rei­ni­gen, kann ins­be-

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son­de­re durch Er­lass­ver­trag, kon­sti­tu­ti­ves oder de­kla­ra­to­ri­sches Schuld­an­er­kennt­nis aus­ge­drückt wer­den (vgl. nur BAG 24. Ju­ni 2009 - 10 AZR 707/08 (F) - Rn. 24 mwN, AP HGB § 74 Nr. 81; 7. No­vem­ber 2007 - 5 AZR 880/06 - Rn. 17, BA­GE 124, 349). Die Klau­sel in § 3 Abs. 3 des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags der Par­tei­en ist ein kon­sti­tu­ti­ves ne­ga­ti­ves Schuld­an­er­kennt­nis des Klägers.

aa) Die Be­stim­mun­gen in ei­nem For­mu­lar­ar­beits­ver­trag sind nach ih­rem ob­jek­ti­ven In­halt und ty­pi­schen Sinn ein­heit­lich so aus­zu­le­gen, wie sie von verständi­gen und red­li­chen Ver­trags­part­nern un­ter Abwägung der In­ter­es­sen der nor­ma­ler­wei­se be­tei­lig­ten Ver­kehrs­krei­se ver­stan­den wer­den. Da­bei sind die Verständ­nismöglich­kei­ten des durch­schnitt­li­chen Ver­trags­part­ners des Ver­wen­ders zu­grun­de zu le­gen (vgl. für die st. Rspr. BAG 17. No­vem­ber 2009 - 9 AZR 765/08 - Rn. 45, AP BGB § 242 Be­trieb­li­che Übung Nr. 88 = EzA BGB 2002 § 242 Be­trieb­li­che Übung Nr. 12). Gemäß § 305c Abs. 2 BGB ge­hen Zwei­fel bei der Aus­le­gung von All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen zu­las­ten des Ver­wen­ders, dh. des Ar­beit­ge­bers, der die Klau­seln in ei­nen For­mu­lar­ar­beits­ver­trag ein­geführt hat.

bb) Ob­wohl das Lan­des­ar­beits­ge­richt den Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trag nicht aus­ge­legt hat, ist das Re­vi­si­ons­ge­richt im Streit­fall nicht ge­hin­dert, selbst die Aus­le­gung vor­zu­neh­men; denn die Aus­le­gung All­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen in For­mu­lar­verträgen hat wie die Aus­le­gung von Nor­men zu er­fol­gen.


cc) Wol­len Par­tei­en ih­re Rechts­be­zie­hun­gen ab­sch­ließend be­rei­ni­gen, kom­men der Er­lass­ver­trag, das kon­sti­tu­ti­ve und das de­kla­ra­to­ri­sche ne­ga­ti­ve Schuld­an­er­kennt­nis in Be­tracht. Ein Er­lass­ver­trag ist an­zu­neh­men, wenn die Par­tei­en vom Be­ste­hen ei­ner be­stimm­ten Schuld aus­ge­hen, die­se aber über-ein­stim­mend nicht mehr erfüllt wer­den soll. Ein kon­sti­tu­ti­ves ne­ga­ti­ves Schuld­an­er­kennt­nis liegt vor, wenn der Wil­le der Par­tei­en dar­auf ge­rich­tet ist, al­le oder ei­ne be­stimm­te Grup­pe von be­kann­ten oder un­be­kann­ten Ansprüchen zum Erlöschen zu brin­gen (vgl. BAG 31. Ju­li 2002 - 10 AZR 558/01 - zu II 2 b bb der Gründe, AP BGB § 611 Kon­kur­renz­klau­sel Nr. 48 = EzA HGB § 74 Nr. 64).
 

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(1) Der Wort­laut von § 3 Abs. 3 des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags, „Darüber hin­aus­ge­hen­de Ab­fin­dungs- oder Aus­gleichs­ansprüche im Zu­sam­men­hang mit der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ... be­ste­hen nicht”, spricht für den Re­ge­lungs­wil­len der Par­tei­en, dass außer der in § 3 Abs. 2 des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags ge­re­gel­ten ta­rif­li­chen Ab­fin­dung kei­ne wei­te­ren gleich­ar­ti­gen Ansprüche, „gleich aus wel­chem Rechts­grund“, mehr be­ste­hen sol­len. Mit der Re­ge­lung ha­ben die Par­tei­en be­wir­ken wol­len, dass al­le denk­ba­ren sons­ti­gen Ansprüche, die den Zweck ha­ben, den Ver­lust des Ar­beits­plat­zes ab­zu­fin­den oder aus­zu­glei­chen, nicht mehr be­ste­hen und da­mit ge­ge­be­nen­falls erlöschen sol­len.


(2) Die Be­schränkung des kon­sti­tu­ti­ven ne­ga­ti­ven Schuld­an­er­kennt­nis­ses auf die­se Grup­pe von Ansprüchen folgt nicht nur aus dem Wort­laut, „... im Zu­sam­men­hang mit der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ...“, son­dern vor al­lem aus dem sys­te­ma­ti­schen Zu­sam­men­hang der Klau­sel. Sie steht un­ter der Über­schrift „Ab­fin­dung“ und nimmt er­kenn­bar Be­zug auf die im vor­her­ge­hen­den Ab­satz für den Ver­lust des Ar­beits­plat­zes ge­re­gel­te Ab­fin­dungs­zah­lung. Sie knüpft auch sprach­lich hier­an an („Darüber hin­aus­ge­hen­de ...“).


(3) Auch ein Ar­beit­neh­mer muss die Klau­sel in die­sem Sin­ne ver­ste­hen. Das Verständ­nis wird nicht durch ju­ris­ti­sche Fach­be­grif­fe sprach­lich er­schwert. Die Be­deu­tung der Wor­te „Darüber hin­aus­ge­hen­de Ab­fin­dungs- oder Aus­gleichs­ansprüche ..., gleich aus wel­chem Rechts­grund, be­ste­hen nicht“, lässt für ei­nen durch­schnitt­li­chen Ar­beit­neh­mer er­ken­nen, dass der Ar­beit­ge­ber nicht ver­pflich­tet sein soll, über die ta­rif­li­che Ab­fin­dung hin­aus wei­te­re et­wai­ge Ab­fin­dungs- oder Aus­gleichs­ansprüche zu erfüllen.

(4) Ei­ne sol­che Aus­gleichs­klau­sel ist im Ar­beits­le­ben auch nicht un­gewöhn­lich, son­dern durch­aus üblich. Sie war in ähn­li­cher Form be­reits Ge­gen­stand ei­ner Ent­schei­dung des Se­nats, der sie in die­sem Sin­ne aus­ge­legt hat (BAG 7. Sep­tem­ber 2004 - 9 AZR 612/03 - zu I 2 c der Gründe, AP HGB § 75 Nr. 11 = EzA HGB § 74 Nr. 66).

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b) Aus der Un­klar­hei­ten­re­gel des § 305c Abs. 2 BGB folgt kein an­de­res Er­geb­nis.

aa) Nach die­ser Norm ge­hen Zwei­fel bei der Aus­le­gung von All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen zu­las­ten des Ver­wen­ders. Hierfür muss nach Ausschöpfung der Aus­le­gungs­me­tho­den ein nicht be­heb­ba­rer Zwei­fel ver­blei­ben. Die An­wen­dung der Un­klar­hei­ten­re­gel des § 305c Abs. 2 BGB setzt mit­hin vor­aus, dass die Aus­le­gung ei­ner ein­zel­nen AGB-Be­stim­mung min­des­tens zwei Er­geb­nis­se als ver­tret­bar er­schei­nen lässt und kei­nes den kla­ren Vor­zug ver­dient. Es müssen „er­heb­li­che Zwei­fel“ an der rich­ti­gen Aus­le­gung be­ste­hen. Die nur ent­fern­te Möglich­keit, zu ei­nem an­de­ren Er­geb­nis zu kom­men, genügt für die An­wen­dung der Be­stim­mung nicht (BAG 19. Ja­nu­ar 2011 - 10 AZR 873/08 - Rn. 24, AP BGB § 611 Ar­beit­ge­ber­dar­le­hen Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 611 Auf­he­bungs­ver­trag Nr. 9; 14. De­zem­ber 2010 - 9 AZR 642/09 - Rn. 47, NZA 2011, 509).


bb) Der In­halt der Aus­gleichs­klau­sel ist nach der hier ge­fun­de­nen Aus­le­gung, wie be­reits aus­geführt, un­zwei­fel­haft. Sie ist des­halb nicht un­klar. Es wird schon nach ih­rem Wort­laut aus­rei­chend deut­lich, dass kei­ne wei­te­ren Ab­fin­dungs­ansprüche des Ar­beit­neh­mers be­ste­hen sol­len. Die Klau­sel ist zu­dem in ih­rer For­mu­lie­rung im Ar­beits­le­ben üblich.


4. Die Klau­sel er­fasst auch den aus be­trieb­li­cher Übung ent­stan­de­nen Aus­gleichs­an­spruch des Klägers. Tatsächli­che Grund­la­ge wa­ren die Aus­gleichs­re­ge­lun­gen der Be­klag­ten vom 25. Ju­li 1990 und 2. April 1992. Bei­de hat­ten die Über­schrift „Aus­gleichs­re­ge­lung we­gen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ...“ (vgl. hier­zu BAG 17. No­vem­ber 2009 - 9 AZR 765/08 - Rn. 4 f., AP BGB § 242 Be­trieb­li­che Übung Nr. 88 = EzA BGB 2002 § 242 Be­trieb­li­che Übung Nr. 12). Die Aus­zah­lung soll­te nach Ziff. 4 der Re­ge­lung vom 25. Ju­li 1990 „steu­er­frei ... gemäß § 3 Ab­satz 9 EStG“ er­fol­gen. Da­bei han­del­te es sich um Ab­fin­dun­gen we­gen ei­ner vom Ar­beit­ge­ber ver­an­lass­ten oder ge­richt­lich aus­ge­spro­che­nen Auflösung des Dienst­verhält­nis­ses (§ 3 Nr. 9 EStG in der maßgeb­li­chen Fas­sung). Das kon­sti­tu­ti­ve ne­ga­ti­ve Schuld­an­er­kennt­nis in § 3 Abs. 3 des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags be­trifft, wie be­reits aus­geführt, sol­che für


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den Ver­lust des Ar­beits­plat­zes vor­ge­se­he­nen Ab­fin­dungs­ansprüche, und da­mit auch den streit­ge­genständ­li­chen Aus­gleichsan­pruch.

5. Oh­ne Er­folg be­ruft sich der Kläger dar­auf, ein Ver­zicht auf Al­ters­ver­sor­gungs­ansprüche müsse ein­deu­tig und zwei­fels­frei zum Aus­druck ge­bracht wer­den (vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 225/08 - Rn. 50, AP Be­trAVG § 1 Nr. 63). Bei der hier strei­ti­gen Aus­gleichs­zah­lung han­delt es sich nicht um ei­nen An­spruch der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung. Ein sol­cher liegt vor, wenn Leis­tun­gen der Al­ters-, der In­va­li­ditäts- oder der Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung aus An­lass sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses dem Ar­beit­neh­mer vom Ar­beit­ge­ber zu­ge­sagt sind. Die Zu­sa­ge muss ei­nem Ver­sor­gungs­zweck die­nen und die Leis­tungs­pflicht nach dem In­halt der Zu­sa­ge durch ein im Ge­setz ge­nann­tes bio­lo­gi­sches Er­eig­nis, nämlich Al­ter, In­va­li­dität oder Tod aus­gelöst wer­den (BAG 16. März 2010 - 3 AZR 594/09 - Rn. 23, AP Be­trAVG § 7 Nr. 116 = EzA Be­trAVG § 1 Nr. 93). Die von der Be­klag­ten im We­ge der Ge­samt­zu­sa­ge ver­spro­che­nen Leis­tun­gen knüpften nicht an ei­nes der ge­nann­ten Ri­si­ken an, son­dern dien­ten dem Aus­gleich für den Ver­lust des Ar­beits­plat­zes.


6. Das kon­sti­tu­ti­ve ne­ga­ti­ve Schuld­an­er­kennt­nis ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on Be­stand­teil des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags ge­wor­den.


a) Be­stim­mun­gen in For­mu­lar­ar­beits­verträgen, die nach den Umständen, ins­be­son­de­re nach dem äußeren Er­schei­nungs­bild des Ver­trags, so un­gewöhn­lich sind, dass der Ar­beit­neh­mer mit ih­nen nicht zu rech­nen braucht, wer­den nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Ver­trags­be­stand­teil (BAG 14. De­zem­ber 2010 - 9 AZR 642/09 - Rn. 50, NZA 2011, 509). Klau­seln im Sin­ne von § 305c Abs. 1 BGB lie­gen dann vor, wenn ih­nen ein Über­rum­pe­lungs­ef­fekt in­ne­wohnt, weil sie ei­ne Re­ge­lung ent­hal­ten, die von den Er­war­tun­gen des Ver­trags­part­ners deut­lich ab­weicht und mit der die­ser den Umständen nach vernünf­ti­ger­wei­se nicht zu rech­nen braucht. Zwi­schen den durch die Umstände bei Ver­trags­schluss be­gründe­ten Er­war­tun­gen und dem tatsächli­chen Ver­trags­in­halt muss ein deut­li­cher Wi­der­spruch be­ste­hen. Da sich das Über­ra­schungs­mo­ment auch aus dem Er­schei­nungs­bild des Ver­trags er­ge­ben kann, ist es möglich, dass auch das Un­ter­brin­gen ei­ner Klau­sel an ei­ner un­er­war­te­ten Stel­le im Text sie

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des­we­gen als Über­ra­schungs­klau­sel er­schei­nen lässt. Das Über­ra­schungs­mo­ment ist um so eher zu be­ja­hen, je be­las­ten­der die Be­stim­mung ist. Im Ein­zel­fall muss der Ver­wen­der dar­auf be­son­ders hin­wei­sen oder die Klau­sel druck­tech­nisch her­vor­he­ben (BAG 23. Fe­bru­ar 2005 - 4 AZR 139/04 - zu II 4 b cc (1) der Gründe, BA­GE 114, 33).


b) Die Ver­ein­ba­rung ei­nes kon­sti­tu­ti­ven ne­ga­ti­ven Schuld­an­er­kennt­nis­ses war nach den Ge­samt­umständen nicht un­gewöhn­lich. Der Kläger muss­te da­mit rech­nen.


aa) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers er­gibt sich der Über­rum­pe­lungs­ef­fekt nicht schon aus dem äußeren Er­schei­nungs­bild des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags. Es trifft zwar zu, dass die Aus­gleichs­klau­sel im Text un­ter der Über­schrift „Ab­fin­dung“ ent­hal­ten und nicht druck­tech­nisch her­vor­ge­ho­ben ist. Dies war auch nicht not­wen­dig. Hier­bei ist zu berück­sich­ti­gen, dass der Text des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags nur auf zwei Sei­ten ver­teilt ist und ins­ge­samt ei­ne Länge von et­was mehr als ei­ner Sei­te auf­weist. § 3 des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags hat nur drei kur­ze Absätze mit ins­ge­samt drei Sätzen. We­gen die­ser Kürze des Tex­tes ist schon aus­ge­schlos­sen, den Ar­beit­neh­mer mit ei­ner ver­steck­ten Klau­sel zu über­ra­schen. Zu­dem be­fin­det sich die Klau­sel im Text un­mit­tel­bar hin­ter der ge­re­gel­ten Ab­fin­dungs­zah­lung. Es ist des­halb kaum möglich, den An­spruch auf Ab­fin­dungs­zah­lung oh­ne die Aus­gleichs­klau­sel zur Kennt­nis zu neh­men.


bb) Ein Ar­beit­neh­mer muss auch mit ei­ner sol­chen Klau­sel rech­nen. Die Par­tei­en re­gel­ten in § 1 des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags die Be­en­di­gung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses zum 31. Ok­to­ber 2008. Nur des­halb soll­te die Ab­fin­dung nach § 3 Abs. 2 des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags ge­zahlt wer­den. Es ist durch­aus üblich und we­der un­gewöhn­lich noch über­ra­schend, in Be­en­di­gungs­ver­ein­ba­run­gen Aus­gleichs- oder Ab­gel­tungs­klau­seln auf­zu­neh­men (vgl. BAG 17. No­vem­ber 2009 - 9 AZR 765/08 - Rn. 49, AP BGB § 242 Be­trieb­li­che Übung Nr. 88 = EzA BGB 2002 § 242 Be­trieb­li­che Übung Nr. 12).
 


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7. Die Be­stand­teil des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags ge­wor­de­ne Klau­sel hält je­doch nicht der In­halts­kon­trol­le nach § 307 BGB stand. Sie ist we­gen un­an­ge­mes­se­ner Be­nach­tei­li­gung des Klägers gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB un­wirk­sam.

a) Die Klau­sel ist nicht nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB ei­ner In­halts­kon­trol­le ent­zo­gen.

aa) Die­se Vor­schrift be­stimmt, dass ua. die Re­ge­lun­gen des § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB nur dann An­wen­dung fin­den, wenn durch Be­stim­mun­gen in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen von Rechts­vor­schrif­ten ab­wei­chen­de oder die­se ergänzen­de Re­ge­lun­gen ver­ein­bart wer­den. Dar­aus wird die Kon­troll­frei­heit der ver­trag­li­chen Haupt­leis­tungs­pflich­ten her­ge­lei­tet. Das Äqui­va­lenz­verhält­nis im ge­gen­sei­ti­gen Ver­trag soll der Kon­trol­le ent­zo­gen wer­den (vgl. BGH 7. De­zem­ber 2010 - XI ZR 3/10 - Rn. 26, BGHZ 187, 360). Ab­re­den über den un­mit­tel­ba­ren Ge­gen­stand der Haupt­leis­tung un­ter­lie­gen aus Gründen der Ver­trags­frei­heit re­gelmäßig eben­so we­nig wie Ver­ein­ba­run­gen über das von dem an­de­ren Teil zu er­brin­gen­de Ent­gelt ei­ner In­halts­kon­trol­le (vgl. BGH 9. Mai 2001 - IV ZR 121/00 - zu I 1 c der Gründe, BGHZ 147, 354).


bb) Nach die­sen Maßstäben un­ter­liegt die Aus­gleichs­klau­sel der ge­richt­li­chen In­halts­kon­trol­le. Sie re­gelt we­der Haupt­leis­tungs­pflich­ten noch de­ren Teil, son­dern ist kon­trollfähi­ge Ne­ben­be­stim­mung.


(1) Ist die Be­en­di­gungs­ver­ein­ba­rung ein selbstständi­ges Rechts­geschäft, bei dem die Haupt­leis­tung die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses bzw. der Ver­zicht auf zukünf­ti­ge Ansprüche ist, kann die Be­en­di­gung als sol­che kei­ner ver­trag­li­chen In­halts­kon­trol­le und ei­ner ent­spre­chen­den An­ge­mes­sen­heits­prüfung un­ter­zo­gen wer­den (BAG 3. Ju­ni 2004 - 2 AZR 427/03 - zu B IV 3 der Gründe; 27. No­vem­ber 2003 - 2 AZR 135/03 - zu B IV 3 der Gründe, BA­GE 109, 22). Im Äqui­va­lenz­verhält­nis ste­hen im Fal­le ei­ner Be­en­di­gung ge­gen Ab­fin­dungs­zah­lung je­doch le­dig­lich die Auf­he­bung des Ar­beits­verhält­nis­ses und die Ab­fin­dungs­zah­lung (Thüsing/Le­der BB 2004, 42), nicht aber ei­ne Aus­gleichs­klau­sel. Es kann da­hin­ste­hen, ob die­se Kon­troll­frei­heit auch be­steht,
 


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wenn die Auf­he­bung des Ar­beits­verhält­nis­ses nur Teil der Ände­rung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses in ein Al­ters­teil­zeit­ar­beits­verhält­nis ist. Als Teil ei­nes Auf­he­bungs­ver­trags ist die Aus­gleichs­klau­sel nur Ne­ben­ab­re­de zur kon­troll­frei­en Auf­he­bungs­ver­ein­ba­rung und Ab­fin­dungs­zah­lung. Die ei­ne Leis­tung nur be­glei­ten­den Klau­seln, wie die Aus­gleichs­klau­sel, sind ei­ner Kon­trol­le durch die Ge­rich­te nicht ent­zo­gen (vgl. ErfK/Preis 11. Aufl. §§ 305 - 310 BGB Rn. 40).


(2) Die hier von der Be­klag­ten auf­ge­stell­te Aus­gleichs­klau­sel stellt ei­ne von Rechts­vor­schrif­ten ab­wei­chen­de Re­ge­lung dar.

Hier­zu ist es nicht er­for­der­lich, dass ei­ne AGB-Be­stim­mung von dis­po­si­ti­vem Ge­set­zes­recht ab­weicht. Rechts­vor­schrif­ten iSd. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind auch an­er­kann­te, un­ge­schrie­be­ne Rechts­grundsätze und Prin­zi­pi­en (vgl. BGH 15. Ju­li 1997 - XI ZR 269/96 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 136, 261). Hier­zu gehört das im Schuld­recht ver­an­ker­te und an­er­kann­te Äqui­va­lenz­prin­zip. Es dient da­zu, das ursprüng­lich von den Par­tei­en fest­ge­leg­te Verhält­nis von Leis­tung und Ge­gen­leis­tung zu er­hal­ten. Die­ses Gleich­ge­wicht wird durch ein­sei­ti­gen An­spruchs­ver­zicht oder -er­lass gestört. Der Ar­beit­neh­mer ver­liert oh­ne kom­pen­sa­to­ri­sche Ge­gen­leis­tung Ansprüche, un­abhängig da­von, ob sach­li­che Gründe dies recht­fer­ti­gen (vgl. Thies Der Schutz des Ar­beit­neh­mers bei Ab­schluss ar­beits­recht­li­cher Auf­he­bungs­verträge S. 314 f.). Zu­dem folgt aus den Verjährungs­vor­schrif­ten des § 194 ff. BGB, dass ein An­spruchs­hin­der­nis erst nach ge­rau­mer Zeit ein­tre­ten kann. Hier­von weicht ein kon­sti­tu­ti­ves ne­ga­ti­ves Schuld­an­er­kennt­nis ab; denn es führt da­zu, dass der An­spruch oh­ne zeit­li­che Verzöge­rung un­ter­geht (vgl. zu Aus­schluss­fris­ten: BAG 28. Sep­tem­ber 2005 - 5 AZR 52/05 - zu II 3 b der Gründe, BA­GE 116, 66).


8. Die Aus­gleichs­klau­sel hält der An­ge­mes­sen­heits­kon­trol­le nach § 307 Abs. 1 BGB nicht stand.

a) Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Be­stim­mun­gen in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen un­wirk­sam, wenn sie den Ver­trags­part­ner des Ver­wen­ders ent­ge­gen den Ge­bo­ten von Treu und Glau­ben un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­li­gen. Ei­ne for­mu­larmäßige Ver­trags­be­stim­mung ist un­an­ge­mes­sen, wenn der

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Ver­wen­der durch ein­sei­ti­ge Ver­trags­ge­stal­tung miss­bräuch­lich ei­ge­ne In­ter­es­sen auf Kos­ten sei­nes Ver­trags­part­ners durch­zu­set­zen ver­sucht, oh­ne von vorn­her­ein auch des­sen Be­lan­ge hin­rei­chend zu berück­sich­ti­gen und ihm ei­nen an­ge­mes­se­nen Aus­gleich zu gewähren. Die Fest­stel­lung ei­ner un­an­ge­mes­se­nen Be­nach­tei­li­gung setzt ei­ne wech­sel­sei­ti­ge Berück­sich­ti­gung und Be­wer­tung recht­lich an­zu­er­ken­nen­der In­ter­es­sen der Ver­trags­part­ner vor­aus. Bei die­sem Vor­gang sind auch grund­recht­lich geschütz­te Rechts­po­si­tio­nen zu be­ach­ten. Zur Be­ur­tei­lung der An­ge­mes­sen­heit ist ein ge­ne­rel­ler, ty­pi­sie­ren­der, vom Ein­zel­fall gelöster Maßstab an­zu­le­gen. Im Rah­men der In­halts­kon­trol­le sind da­bei Art und Ge­gen­stand, Zweck und be­son­de­re Ei­gen­art des Geschäfts zu berück­sich­ti­gen. Zu prüfen ist, ob der Klau­sel­in­halt bei der in Re­de ste­hen­den Art des Rechts­geschäfts ge­ne­rell un­ter Be­ach­tung der ty­pi­schen In­ter­es­sen der be­tei­lig­ten Ver­kehrs­krei­se ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des Ver­trags­part­ners er­gibt (BAG 14. De­zem­ber 2010 - 9 AZR 642/09 - Rn. 53, NZA 2011, 509).


b) Die­se Vor­aus­set­zun­gen ei­ner un­an­ge­mes­se­nen Be­nach­tei­li­gung sind erfüllt. Dies folgt dar­aus, dass der Ar­beit­neh­mer ein­sei­tig und oh­ne kom­pen­sa­to­ri­sche Ge­gen­leis­tung auf wei­te­re Aus­gleichs­ansprüche für die Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses ver­zich­ten soll.

aa) Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat zu ei­ner ein­sei­ti­gen nur für Ansprüche des Ar­beit­neh­mers gel­ten­den Aus­schluss­frist an­ge­nom­men, der Ar­beit­ge­ber ver­su­che da­mit miss­bräuch­lich, sein ei­ge­nes In­ter­es­se an ei­ner ra­schen Klärung of­fe­ner Ansprüche oh­ne an­ge­mes­se­nen Aus­gleich durch­zu­set­zen. Die­se Be­nach­tei­li­gung des Ar­beit­neh­mers sei sach­lich nicht zu be­gründen. Es sei nicht er­sicht­lich, dass es für den Ar­beit­ge­ber schwe­rer möglich sei als für den Ar­beit­neh­mer, Ansprüche durch­zu­set­zen. Die ein­sei­tig den Ar­beit­neh­mer tref­fen­de Er­schwe­rung der Durch­set­zung von Ansprüchen und der bei Frist­versäum­nis nur für den Ar­beit­neh­mer vor­ge­se­he­ne völli­ge An­spruchs­ver­lust wi­dersprächen ei­ner aus­ge­wo­ge­nen Ver­trags­ge­stal­tung (BAG 31. Au­gust 2005 - 5 AZR 545/04 - zu I 5 b dd (2) der Gründe, BA­GE 115, 372).
 


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bb) Die­se Grundsätze gel­ten erst recht für Aus­gleichs­klau­seln, die ei­nen un­mit­tel­ba­ren Ver­lust von Ansprüchen be­wir­ken sol­len und da­mit den Ar­beit­neh­mer noch stärker be­las­ten als Aus­schluss­fris­ten. Bei Aus­schluss­fris­ten be­steht für den Ar­beit­neh­mer die Möglich­keit, während der Frist sei­ne Ansprüche durch­zu­set­zen; bei ei­ner Ver­zichts­erklärung, durch die die Frist „auf Null“ ge­setzt wird (Preis DB 2006, 2812, 2815), be­steht die­se Möglich­keit nicht.


cc) Ei­nen an­ge­mes­se­nen Aus­gleich gewährt der vor­lie­gen­de Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trag nicht. Die in sei­nem § 3 Abs. 2 an­geführ­te Ab­fin­dung be­gründet kei­nen neu­en An­spruch, son­dern ver­weist nur de­kla­ra­to­risch auf die „Grund­la­ge von § 10 des Ta­rif­ver­trags über Al­ters­teil­zeit vom 22.09.2000“. Die Be­lan­ge des Ar­beit­neh­mers wer­den da­mit nicht an­ge­mes­sen berück­sich­tigt. Ihm wer­den Ansprüche ge­nom­men, oh­ne dass dem ei­ne ent­spre­chen­de Ge­gen­leis­tung des Ar­beit­ge­bers ge­genüber­steht (vgl. für den Ver­zicht auf ei­ne Kündi­gungs­schutz-kla­ge oh­ne not­wen­di­ge Kom­pen­sa­ti­on: BAG 6. Sep­tem­ber 2007 - 2 AZR 722/06 - Rn. 37, BA­GE 124, 59).

dd) Dem lässt sich nicht mit Er­folg ent­ge­gen­hal­ten, der An­spruchs­ver­lust be­tref­fe vor­lie­gend nicht, wie re­gelmäßig bei Aus­schluss­fris­ten, al­le Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis, son­dern nur Ab­fin­dungs- und ab­fin­dungsähn­li­che Ansprüche. Zwar kann ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung aus­ge­schlos­sen sein, wenn ei­ne Klau­sel nur ge­ringfügi­ge Ansprüche des Ar­beit­neh­mers be­trifft. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB zeigt al­ler­dings, dass we­sent­li­che Rech­te und Pflich­ten, die sich aus der Na­tur des Ver­trags er­ge­ben, nicht ge­ringfügig sein können. Ge­ra­de bei Be­en­di­gungs­ver­ein­ba­run­gen sind Ab­fin­dungs- und Aus­gleichs­ansprüche für den Ver­lust des Ar­beits­plat­zes von we­sent­li­cher Be­deu­tung.


ee) Das kon­sti­tu­ti­ve ne­ga­ti­ve Schuld­an­er­kennt­nis be­las­tet zu­dem ein­sei­tig nur den Ar­beit­neh­mer. Nach § 3 Abs. 3 des Al­ters­teil­zeit­ar­beits­ver­trags sol­len über die im vor­ste­hen­den Ab­satz be­schrie­be­ne ta­rif­li­che Ab­fin­dung kei­ne darüber hin­aus­ge­hen­den Ansprüche im Zu­sam­men­hang mit der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses be­ste­hen. Da­mit wird deut­lich, dass nur Ansprüche des Ar­beit­neh­mers be­trof­fen sein sol­len; denn Ab­fin­dungs- und ab­fin­dungsähn­li­che Aus­gleichs­ansprüche des Ar­beit­ge­bers sind kaum denk­bar. Ei­ne Ge­gen-
 


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leis­tung des Ar­beit­ge­bers ist, wie be­reits dar­ge­legt, nicht ver­ein­bart. Es kann da­hin­ste­hen, ob Ar­beit­neh­mer ein­sei­tig ih­rem Ar­beit­ge­ber be­stimm­te Ansprüche auch for­mu­larmäßig und oh­ne Kom­pen­sa­ti­on er­las­sen können. Dies würde aber zu­min­dest vor­aus­set­zen, dass sich die Klau­sel auf die dem Ar­beit­neh­mer be­kann­ten Ansprüche be­schränkt und die­se kon­kre­ti­siert sind. Zu­min­dest an Letz­te­rem fehlt es. Die Aus­gleichs­klau­sel be­nennt nicht den streit­ge­genständ­li­chen aus be­trieb­li­cher Übung ent­stan­de­nen Aus­gleichs­an­spruch.

c) Die nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB ge­bo­te­ne Berück­sich­ti­gung der Be­son­der­hei­ten im Ar­beits­recht führt zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis. Zwar sind im Ar­beits­recht Aus­gleichs­klau­seln in ver­schie­de­nen For­men üblich (vgl. BAG 19. No­vem­ber 2008 - 10 AZR 671/07 - Rn. 32, AP ZPO § 448 Nr. 7 = EzA ZPO 2002 § 448 Nr. 2). Es gibt aber kei­ne Gründe, Aus­gleichs­klau­seln ge­ne­rell trotz ih­res mögli­chen Über­ra­schungs­ef­fekts, ih­rer un­an­ge­mes­se­nen Be­nach­tei­li­gung des Ar­beit­neh­mers und ih­rer mögli­chen In­trans­pa­renz für wirk­sam zu er­ach­ten. Aus der Üblich­keit al­lein folgt we­der die Rechtmäßig­keit noch die An­ge­mes­sen­heit ei­ner Klau­sel, die „an sich“ in For­mu­lar­verträgen un­zulässig ist. An­sons­ten würde zu Un­recht die bis­he­ri­ge Üblich­keit von Aus­gleichs­quit­tun­gen recht­fer­ti­gend berück­sich­tigt, wenn dem Ar­beit­ge­ber als Ver­wen­der oh­ne be­gründe­te und bil­li­gens­wer­te In­ter­es­sen und oh­ne Ge­gen­leis­tung zu­ge­stan­den würde, mit vor­for­mu­lier­ten Klau­seln be­ste­hen­de Ansprüche des Ar­beit­neh­mers zum Erlöschen zu brin­gen (vgl. LAG Düssel­dorf 13. April 2005 - 12 Sa 154/05 - zu B II 3 der Gründe, LA­GE BGB 2002 § 307 Nr. 7).

B. Der Kläger hat erst ab 4. De­zem­ber 2008 An­spruch auf Zin­sen. Er macht Pro­zess­zin­sen gel­tend („seit Kla­ge­er­he­bung“). Das Ar­beits­ge­richt hat zu Un­recht an­ge­nom­men, er könne schon seit dem 3. De­zem­ber 2008 Pro­zess-zin­sen be­an­spru­chen. Die Ver­zin­sungs­pflicht für Pro­zess­zin­sen be­ginnt nach §§ 291, 187 Abs. 1 BGB erst mit dem Fol­ge­tag der Rechtshängig­keit, die hier am 3. De­zem­ber 2008 ein­trat (vgl. BAG 16. Sep­tem­ber 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 64 mwN, BA­GE 127, 367).

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C. Da die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­zu­wei­sen ist, ver­bleibt es im Er­geb­nis bei der erst­in­stanz­li­chen Kos­ten­ent­schei­dung. Die Be­klag­te hat auch die Kos­ten des Be­ru­fungs- und des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens zu tra­gen. Das teil­wei­se Un­ter­lie­gen des Klägers hin­sicht­lich der er­ho­be­nen Zins­for­de­rung ist ge­ringfügig und hat auf die Bil­dung der Kos­ten­quo­te kei­nen Ein­fluss, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.


Ver­merk
Vor­sit­zen­der Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Düwell ist in­fol­ge Krank­heit an der Un­ter­schrift ver­hin­dert. Krasshöfer 

Suckow 

Krasshöfer

Preuß 

Mer­te

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