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LAG Ba­den-Würt­tem­berg, Ur­teil vom 26.02.2016, 17 Sa 74/15

   
Schlagworte: Betriebsübergang, Betriebsinhaber
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg
Aktenzeichen: 17 Sa 74/15
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 26.02.2016
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Stuttgart, 26 Ca 1810/14
   

Aus­fer­ti­gung
Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg
Ak­ten­zei­chen:
17 Sa 74/15
26 Ca 1810/14 (ArbG Stutt­gart - Kn. Lud­wigs­burg)
(Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben!)

Verkündet am 26.02.2016

Bas­ce­lic

Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In der Rechts­sa­che

- Kläge­rin/Be­ru­fungskläge­rin -
Proz.-Bev.:

ge­gen

- Be­klag­te zu 1 -
Proz.-Bev.:

- Be­klag­te zu 2/Be­ru­fungs­be­klag­te -
Proz.-Bev.:

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg - 17. Kam­mer - durch den Rich­ter am Ar­beits-ge­richt Sänger, die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Ha­gen­lo­cher und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Schmol­ke auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 26.02.2016

für Recht er­kannt:

I. Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Stutt­gart - Kam­mern Lud­wigs­burg - vom 17. Ju­li 2015 - 26 Ca 1810/14 in­so­weit ab­geändert, als die Kla­ge ge­gen die Be­klag­te zu 2. ab­ge­wie­sen wur­de:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass zwi­schen der Kläge­rin und der Be­klag­ten zu 2. über den 31. März 2011 hin­aus ein Ar­beits­verhält­nis be­steht.

 

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2. Die Be­klag­te zu 2. wird ver­ur­teilt, die Kläge­rin zu un­veränder­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Rechts­streits als ge­werb­li­che Ar­beit­neh­me­rin wei­ter zu beschäfti­gen.

II. 1. Die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens hat die Be­klag­te zu 2. zu tra­gen.

2. Von den ge­richt­li­chen Kos­ten ers­ter In­stanz und den außer­ge­richt­li­chen Kos­ten ers­ter In­stanz der Kläge­rin ha­ben die Be­klag­ten zu 1. und zu 2. je­weils 50 % zu tra­gen. Im Übri­gen ha­ben die Par­tei­en ih­re außer­ge­richt­li­chen Kos­ten ers­ter In­stanz selbst zu tra­gen.

III. Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

 

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Tat­be­stand

Die Kläge­rin und die Be­klag­te zu 2. strei­ten ins­be­son­de­re noch darüber, ob das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen ih­nen zum 1. April 2011 durch ei­nen Be­triebsüber­gang auf die Be­klag­te zu 1. über­ge­gan­gen ist oder ob es bei der Be­klag­ten zu 2 ver­blie­ben ist. Fer­ner be­gehrt die Kläge­rin, von der Be­klag­ten zu 2. wei­ter­beschäftigt zu wer­den.

Die Kläge­rin war langjährig bei der Be­klag­ten zu 2. (bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin) als Pro­duk­ti-ons­mit­ar­bei­te­rin in de­ren Be­trieb in O. beschäftigt. Der Be­trieb war dar­auf aus­ge­rich­tet, In­dus­trie-pro­duk­te, ins­be­son­de­re in den Be­rei­chen Holz- und Kunst­stoff­werk­stof­fe so­wie Form­tei­le, her­zu-stel­len, die­se zu ver­edeln und Werk- und Dienst­leis­tun­gen auf die­sen Ge­bie­ten zu er­brin­gen. Hier­zu setz­te die Be­klag­te zu 2. die in ih­rem Ei­gen­tum ste­hen­den Be­triebs­mit­tel, ins­be­son­de­re Ma­schi-nen, Pro­duk­ti­ons­an­la­gen und das Be­triebs­grundstück, so­wie über 150 Ar­beit­neh­mer ein. Wei­te­re Be­trie­be un­ter­hielt die Be­klag­te zu 2. in N. (T.) und in B..

Im Som­mer des Jah­res 2010 be­schloss der Bei­rat der Be­klag­ten zu 2. aus­zugs­wei­se das Fol­gen­de:

„Die W. GmbH + Co. KG soll in Zu­kunft nur noch die Im­mo­bi­li­en hal­ten und ver­wal­ten so­wie das An­la­ge­vermögen, die Li­zenz­rech­te so­wie die sons­ti­gen Vermögens­ge­genstände der Ge­sell­schaft.

Der Be­trieb der Ge­sell­schaft soll zukünf­tig - im We­sent­li­chen un­verändert - durch ei­ne neu ge­gründe­te Schwes­ter­ge­sell­schaft in der Rechts­form ei­ner GmbH + Co. KG mit den glei­chen Be­tei­li­gungs­verhält­nis­sen wie bei der W. GmbH + Co. KG geführt wer­den (W. I. GmbH + Co. KG). In der neu­en Ge­sell­schaft soll der­sel­be Bei­rat in­stal­liert wer­den wie bei der W. GmbH + Co. KG.

Die­se neue Ge­sell­schaft soll die Pro­duk­ti­on der W.-Pro­duk­te als Lohn­fer­ti­gung für die W. GmbH + Co. KG über­neh­men so­wie die Be­rei­che Ein­kauf, Ver­trieb, Mar­ke­ting, For­schung und Ent­wick­lung so­wie das Rech­nungs­we­sen etc. für die W. GmbH + Co. KG mit­tels Dienst­leis­tungs­verträgen er­le­di­gen. Die neu ge­gründe­te Ge­sell­schaft soll da­bei die Möglich­keit ha­ben, ne­ben der Auf­trags­pro­duk­ti­on für die W. GmbH + Co. KG ei­ge­ne, nicht in Kon­kur­renz zu den W.-Pro­duk­ten ste­hen­de Pro­duk­te zu ent­wi­ckeln und zu ver­trei­ben so-

 

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wie Fremd­aufträge von an­de­ren Un­ter­neh­men (aus­ge­nom­men Kon­kur­renz­un­ter­neh­men) zu über­neh­men.

Die Ar­beits­verhält­nis­se der W. GmbH + Co. KG sol­len auf die neu ge­gründe­te W. I. GmbH + Co. KG über­ge­hen (Be­triebsüber­gang gemäß § 613 a BGB).

Die Rechts­verhält­nis­se zwi­schen den bei­den Ge­sell­schaf­ten wer­den durch Ab­schluss ent­spre­chen­der Verträge (z.B. Dienst­leis­tungs­verträge) ge­re­gelt.

Es han­delt sich um ei­ne stra­te­gi­sche Ent­schei­dung, die mit­tel- und lang­fris­ti­ge Vor­tei­le für das Un­ter­neh­men hat, v.a. im ar­beits­recht­li­chen Be­reich.“

Am 28. Ok­to­ber 2010 schlos­sen die Be­klag­te zu 2. und der bei ihr ge­bil­de­te Ge­samt­be­triebs­rat zur Um­set­zung die­ses Kon­zepts ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich, der ins­be­son­de­re die Über­nah­me al­ler Ar­beit­neh­mer durch die neu zu gründen­de Ge­sell­schaft im We­ge ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges zum Ge­gen­stand hat­te (vgl. An­la­ge der Be­klag­ten, auf de­ren In­halt Be­zug ge­nom­men wird).

Im März 2011 schlos­sen die Be­klag­te zu 2. und die neu ge­gründe­te, da­mals noch als I. W. GmbH + Co. KG fir­mie­ren­de Be­klag­te zu 1. - je­weils ver­tre­ten durch die Geschäftsführer der Komp­le-mentärin­nen Herrn J. W. und Herrn Dr. J. K. - ei­ne „Ver­ein­ba­rung über Lohn­fer­ti­gung und Ge-schäfts­be­sor­gungs­ver­trag über Be­triebsführung“ (im Fol­gen­den: Ver­ein­ba­rung 2011, in der die Be­klag­te zu 2. als „W.“, die heu­ti­ge Be­klag­te zu 1. als „I. W.“ be­zeich­net ist; An­la­ge der Be­klag­ten). Dar­in heißt es ua.:

„Vor­be­mer­kung:

W. ist ein welt­weit täti­ger Her­stel­ler von Bau­ele­men­ten (Fens­terbänke, Bal­kon-, Fas­sa­den-ele­men­te, Ter­ras­sen­pro­fi­le), Tisch­plat­ten, In­dus­trie­form­tei­len und Sperr­holz-Form­tei­len (ins­be­son­de­re Fe­der­leis­ten) und verfügt in Deutsch­land über 3 Stand­or­te in O., N. und B..

Im De­zem­ber 2010 wur­de ei­ne neue Schwes­ter­ge­sell­schaft, die I. W. GmbH + Co. KG, mit dem Sitz in O. ge­gründet. Die­se neue Ge­sell­schaft soll in Zu­kunft die Pro­duk­te von W. in Lohn­fer­ti­gung her­stel­len und im Übri­gen die drei Be­trie­be von W. in D. führen. Die Mit­ar­bei­ter von W. wer­den zum Stich­tag 1. April 2011 im Rah­men ei­nes ge­setz­li­chen Be­triebsüber­gangs gemäß § 613a BGB auf die neu ge­gründe­te I. W. GmbH + Co. KG über­ge­hen.

Dies vor­aus­ge­schickt, ver­ein­ba­ren die Ver­trags­par­tei­en fol­gen­des:

 

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A. Lohn­fer­ti­gung

§ 1 Ver­trags­in­halt/Ent­gelt

Die I. W. führt die kom­plet­te Pro­duk­ti­on der W.-Pro­duk­te an al­len 3 inländi­schen Stand­or­ten ab dem 1. April 2011 in Lohn­fer­ti­gung wei­ter. Dies um­fasst ins­be­son­de­re die Her­stel­lung und Be­ar­bei­tung der fol­gen­den Pro­duk­te nach den Vor­ga­ben von W.:

Die Vergütung der von der I. W. er­brach­ten Leis­tun­gen er­folgt an­hand der von der I. W. nach­ge­wie­se­nen Lohn­kos­ten (zuzüglich Ar­beit­ge­ber­beiträgen zur So­zi­al­ver­si­che­rung so-wie sons­ti­gen Lohn­ne­ben­kos­ten) plus ei­nes Auf­schlags zu den Brut­to-Lohn­sum­men von 3%. Darüber hin­aus hat die I. W. An­spruch auf Er­stat­tung der ge­recht­fer­tig­ten Sach­kos­ten, die im di­rek­ten Zu­sam­men­hang mit der Wertschöpfung ent­ste­hen.

§ 3 Gewähr­leis­tung des Lohn­fer­ti­gers

Im Zu­sam­men­hang mit der Lohn­fer­ti­gung gewähr­leis­ten die I. W. die Be­ar­bei­tung der be-tref­fen­den Wa­re so­wie die Ver­ar­bei­tung der Roh­stof­fe, Vor­pro­duk­te und Halb­zeu­ge gemäß den Vor­ga­ben von W.. Die­se Vor­ga­ben wer­den von der I. W. nicht über­prüft. W. ist für die-se al­lein ver­ant­wort­lich.

§ 4 Ei­gen­tum und Ge­fahrüber­gang bei Lohn­fer­ti­gung

An Wa­re für Lohn­fer­ti­gung er­wer­ben die I. W. zu kei­nem Zeit­punkt Ei­gen­tum. Die Be­schaf-fung von Wa­re für Lohn­fer­ti­gung, wel­che die I. W. bei Drit­ten be­zie­hen, er­folgt im Na­men und auf Rech­nung von W.. Von W. an die I. W. ge­lie­fer­te Wa­re für Lohn­fer­ti­gung bleibt im Ei­gen­tum von W., bis ein Drit­ter die­se Wa­re zu Ei­gen­tum er­wirbt.

B. Be­triebsführung im Übri­gen

 

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§ 6 Be­triebsführung mit­tels Geschäfts­be­sor­gungs­ver­trag

Die I. W. über­neh­men darüber hin­aus für W. ab dem 1. April 2011 die Be­triebsführung des ge­sam­ten Geschäfts­be­triebs an al­lein drei inländi­schen Stand­or­ten. Ins­be­son­de­re um­fasst dies sämt­li­che, in den fol­gen­den Ab­tei­lun­gen zu er­le­di­gen­den Ar­bei­ten nach den Vor­ga­ben von W.:
- Ein­kauf
- Ver­trieb
- Mar­ke­ting
- Fi­nanz­buch­hal­tung
- For­schung und Ent­wick­lung so­wie
- In­stand­hal­tung.

Der Auf­trag zur Be­triebsführung er­streckt sich auf al­le Geschäfte und Maßnah­men, die dem Be­triebs­ab­lauf und dem ge­werb­li­chen Zweck des Be­triebs die­nen.

Die Geschäfts­be­sor­gung und die Be­triebsführung er­folgt durch die I. W. mit ei­ge­nen, auf sie gem. § 613a BGB über­ge­gan­ge­nen Ar­beit­neh­mern.

Grund­la­ge dafür ist ein Geschäfts­be­sor­gungs­ver­trag zwi­schen den Ver­trags­par­tei­en mit fol­gen­dem In­halt:

§ 7 Han­deln für Rech­nung und im Na­men von W. / Be­vollmäch­ti­gung

Die I. W. han­deln bei ih­rer Tätig­keit gem. § 6, so­fern die­se im Zu­sam­men­hang mit der Lohn-fer­ti­gung und der Her­stel­lung der W.-Pro­duk­te aus­geführt wird, für wel­che W. die Pa­tent­rech­te und das know-how be­sitzt, aus­sch­ließlich für Rech­nung und im Na­men von W..

In­so­fern er­teilt W. der I. W. Ge­ne­ral­hand­lungs­voll­macht zur Ver­tre­tung von W. bei al­len Rechts­geschäften und Rechts­hand­lun­gen, bei de­nen das Ge­setz ei­ne Stell­ver­tre­tung ge­stat­tet und die der Be­trieb des Ge­wer­bes von W. mit sich bringt. Die I. W. dürfen von dies-

 

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er Voll­macht nur für die Zwe­cke der Be­triebsführung und im Rah­men die­ses Auf­trags Ge­brauch ma­chen.

§ 8 Ver­pflich­tung des Auf­trag­neh­mers I. W.

Die I. W. er­le­di­gen und ma­na­gen ei­gen­ver­ant­wort­lich die in § 6 auf­geführ­ten Ab­tei­lun­gen an al­len drei Stand­or­ten. Sie sind ver­ant­wort­lich für die ge­sam­ten Abläufe ab Auf­trags­ein­gang bis zum Zah­lungs­ein­gang durch den Kun­den von W.. Des Wei­te­ren kümmern sie sich im Ver­trieb dar­um, dass aus­rei­chen­de Auf­trags­eingänge zu ver­zeich­nen sind. Hin­zu kom­men die Er­le­di­gung der er­for­der­li­chen In­stand­hal­tungs­maßnah­men, der ge­bo­te­nen For­schungs- und Ent­wick­lungstätig­kei­ten so­wie die pünkt­li­che und ord­nungs­gemäße Er­stel­lung der Fi-nanz­buch­hal­tung.

Da­bei sind ne­ben den Vor­ga­ben von W. al­le ge­setz­li­chen Vor­ga­ben zu be­ach­ten.

§ 9 Ent­gelt für die Geschäfts­be­sor­gung

Die Vergütung der von der I. W. er­brach­ten Leis­tun­gen er­folgt an­hand der von der I. W. nach­ge­wie­se­nen Kos­ten für die Gehälter der in den in § 6 ge­nann­ten Ab­tei­lun­gen ein­ge-setz­ten Mit­ar­bei­ter (zuzüglich Ar­beit­ge­ber­beiträgen zur So­zi­al­ver­si­che­rung so­wie sons­ti­gen Ne­ben­kos­ten) plus ei­nes Auf­schlags zu den Brut­to-Ge­halts­sum­men von 3%. Darüber hin-aus ha­ben die I. W. An­spruch auf Er­stat­tung der ge­recht­fer­tig­ten Sach­kos­ten, die im di­rek­ten Zu­sam­men­hang mit der Wertschöpfung ent­ste­hen.

Mie­te und/oder Pacht für die Nut­zung der Ver­wal­tungs­gebäude so­wie das An­la­ge­vermögen ist von der I. W. nicht zu ent­rich­ten. Die mit der Ver­wal­tung zu­sam­menhängen­den Ne­ben­kos­ten (ins­be­son­de­re En­er­gie­kos­ten und sons­ti­ge Ver­brauchs­kos­ten) trägt W..

§ 10 Ge­werb­li­che Schutz­rech­te

W. verfügt zum Zeit­punkt der Ver­trags­un­ter­zeich­nung über ei­ne Rei­he von ge­werb­li­chen Schutz­rech­ten (Alt­schutz­rech­te). Un­be­scha­det der Be­nut­zung die­ser Schutz­rech­te zur Ausführung der Lohn­fer­ti­gung und der Durchführung von wei­te­ren Ent­wick­lungs­ar­bei­ten

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durch die Mit­ar­bei­ter der I. W. in der For­schung- und Ent­wick­lungs­ab­tei­lung, berührt die­ser Ver­trag nicht die recht­li­che Si­tua­ti­on der Schutz­rech­te, ins­be­son­de­re ver­blei­ben die­se Schutz­rech­te im aus­sch­ließli­chen Ei­gen­tum von W..

Neue Ent­wick­lun­gen und Er­fin­dun­gen, die die Ar­beit­neh­mer der I. W. während der Dau­er die­ses Ver­tra­ges auf den Ge­bie­ten Pro­duk­te und Ver­fah­rens­tech­ni­ken im Be­reich Holz- und Kunst­stof­fe so­wie Holz- und Kunst­stoff­form­tei­le täti­gen (Neu­schutz­rech­te), wer­den von W. un­be­schränkt in An­spruch ge­nom­men und in de­ren Na­men zum Schutz­recht an­ge­mel­det. Die An­mel­dung wird von der I. W. im Na­men und auf Rech­nung von W. er­le­digt. Die­se Schutz­rech­te ste­hen auch ei­gen­tums­recht­lich aus­sch­ließlich W. zu.

C. All­ge­mei­ne Be­stim­mun­gen

§ 12 Aus­kunfts­recht von W.

W. kann von der Geschäftsführung der I. W. je­der­zeit und in al­len die Lohn­fer­ti­gung und die Be­triebsführung be­tref­fen­den An­ge­le­gen­hei­ten Auskünf­te ver­lan­gen. Im Hin­blick auf die Be­triebsführung gemäß Lit. B., nicht aber für Lit. A. die­ses Ver­tra­ges (mit Aus­nah­me der Vor­ga­ben für die Her­stel­lung, Be­ar­bei­tung und Lie­fe­rung der Wa­re gemäß §§ 1, 2 und 3 Abs. 1), kann W. Richt­li­ni­en er­las­sen und Wei­sun­gen er­tei­len. Ins­be­son­de­re kann W. be­stim­men, wel­che Ar­ten von Geschäften ih­rer vor­he­ri­gen Zu­stim­mung bedürfen.“

Mit Schrei­ben vom 1. März 2011 (vgl. An­la­ge der Kläge­rin, auf de­ren In­halt Be­zug ge­nom­men wird) in­for­mier­te die Be­klag­te zu 2. sämt­li­che Ar­beit­neh­mer darüber, dass ih­re Ar­beits­verhält­nis­se zum 1. April 2011 gemäß § 613 a BGB auf die Be­klag­te zu 1. über­gin­gen. Die Kläge­rin wi­der-sprach dem wie auch die übri­gen Ar­beit­neh­mer (mit Aus­nah­me ei­nes Ar­beit­neh­mers) nicht. Sie und die an­de­ren er­brach­ten fort­an ih­re Ar­beits­leis­tung an ih­ren bis­he­ri­gen Ar­beitsplätzen in un­veränder­ter Art und Wei­se und stell­ten wei­ter aus­sch­ließlich W.-Pro­duk­te her. Verträge mit Drit­ten (ins­be­son­de­re mit Kun­den und Lie­fe­ran­ten) wur­den von der Be­klag­ten zu 1. - ent­spre­chend der Ver­ein­ba­rung 2011 - auf Rech­nung und im Na­men der Be­klag­ten zu 2. ge­schlos­sen. Der Markt-auf­tritt zum Ver­trieb der W.-Pro­duk­te er­folg­te wei­ter­hin über die In­ter­net­sei­te der Be­klag­ten zu 2. Bei der Email-Kom­mu­ni­ka­ti­on nach außen ver­sah das EDV-Sys­tem die Emails der Mit­ar­bei­ter au­to­ma­tisch mit ei­ner Si­gna­tur der Be­klag­ten zu 2., geschäft­li­che Kor­re­spon­denz er­folg­te auf dem Brief­pa­pier der Be­klag­ten zu 2. Ge­genüber den Ar­beit­neh­mern trat dem­ge­genüber die Be­klag­te

 

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zu 1. als Ar­beit­ge­be­rin auf, et­wa ver­wen­de­te die Per­so­nal­ab­tei­lung bei der in­ter­nen Kom­mu­ni­ka­ti­on mit ih­ren Mit­ar­bei­tern ei­ne Si­gna­tur der Be­klag­ten zu 1.

Im Mai/Ju­ni 2013 be­schlos­sen die Ge­sell­schaf­ter der Be­klag­ten zu 1., die­se zu li­qui­die­ren und den Be­trieb in O., wie auch die bei­den an­de­ren Be­trie­be in N. und B., still­zu­le­gen (vgl. An­la­ge der Be­klag­ten). Die Li­qui­da­ti­on der Ge­sell­schaft wur­de am 12. Ju­li 2013 in das Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen (vgl. An­la­ge der Be­klag­ten).

Am 17. Ju­li 2013 schlos­sen die Be­klag­ten ei­ne neue „Ver­ein­ba­rung über Lohn­fer­ti­gung und Ge-schäfts­be­sor­gungs­ver­trag über Be­triebsführung“ (im Fol­gen­den: Ver­ein­ba­rung 2013; An­la­ge der Be­klag­ten, auf de­ren In­halt Be­zug ge­nom­men wird). Da­nach führt die Be­klag­te zu 1. le­dig­lich Tei­le der Pro­duk­ti­on in Lohn­fer­ti­gung wei­ter, wo­bei „der Um­fang der Tätig­kei­ten zwi­schen den Par­tei­en lau­fend ab­ge­stimmt“ wird (§ 1). Nach § 6 über­nimmt die Be­klag­te zu 1. bis zur Be­en­di­gung der Ge­sell­schaft für die Be­klag­te zu 2. „die Be­triebsführung ein­zel­ner Be­rei­che des Geschäfts­be­trie­bes gem. Ein­zel­ab­spra­che“. Die Be­klag­te zu 2. soll wei­ter be­rech­tigt sein, ein­zel­ne Ge­wer­ke oder Tei­le da­von an an­de­re Un­ter­neh­men zu ver­ge­ben (§ 6 Satz 2). Auch soll der Auf­trag zur Be­triebsführung nach Ab­spra­che ein­ge­schränkt wer­den können, wenn wie be­ab­sich­tigt ein­zel­ne Teil­be­rei­che ganz oder teil­wei­se an an­de­re Un­ter­neh­men ver­ge­ben wer­den (§ 6 Satz 5). Auch nach der Ver­ein-ba­rung 2013 han­delt die Be­klag­te zu 1. bei der Tätig­keit gemäß § 6, so­fern die­se im Zu­sam­men­hang mit der Lohn­fer­ti­gung und der Her­stel­lung der W.-Pro­duk­te aus­geführt wird, aus­sch­ließlich für Rech­nung und im Na­men der Be­klag­ten zu 2.

Nach­dem in der Fol­ge­zeit Ver­hand­lun­gen über ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich vor der Ei­ni­gungs­stel­le ge­schei­tert wa­ren (vgl. An­la­ge der Be­klag­ten), kündig­te die Be­klag­te zu 1. die Ar­beits­verhält­nis­se mit ih­ren Ar­beit­neh­mern nach Be­tei­li­gung des Be­triebs­rats (vgl. An­la­gen der Be­klag­ten) und Er­s­tat-tung ei­ner Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge (vgl. An­la­gen der Be­klag­ten), das­je­ni­ge mit der Kläge­rin mit Schrei­ben vom 28. Ok­to­ber 2014 zum 31. Mai 2015.

Am 25. No­vem­ber 2014 kam durch Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le ein So­zi­al­plan zu­stan­de, der al­ler-dings kei­ne Ab­fin­dungs­leis­tun­gen für die Ar­beit­neh­mer vor­sah (vgl. An­la­ge der Be­klag­ten).

Mit Schrei­ben vom 31. De­zem­ber 2014 (An­la­ge der Be­klag­ten) kündig­te die Be­klag­te zu 2. die Ver­ein­ba­rung 2013 zum 31. März 2015. Un­ter dem 26. März 2015 schlos­sen die Be­klag­ten ei­ne bis zum 31. Mai 2015 be­fris­te­te, den Be­trieb in O. be­tref­fen­de „Ver­ein­ba­rung über Geschäfts­be-sor­gung und Be­triebsführung“ (im Fol­gen­den: Ver­ein­ba­rung 2015; An­la­ge der Be­klag­ten, auf de-

 

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ren In­halt Be­zug ge­nom­men wird). Der Be­trieb in B. wur­de zum 30. Sep­tem­ber 2014, der Be­trieb in N. zum 28. Fe­bru­ar 2015 ge­schlos­sen.

Die Kläge­rin hat zunächst ge­gen die Kündi­gung der Be­klag­ten zu 1. Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben. Im April 2015 er­wei­ter­te sie ih­re Kla­ge auf die Be­klag­te zu 2. mit dem Be­geh­ren fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis nach wie vor mit der Be­klag­ten zu 2. be­ste­he, und die­se zu ih­rer Wei-ter­beschäfti­gung zu ver­ur­tei­len. Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, das Ar­beits­verhält­nis sei im Jahr 2011 nicht im We­ge ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges auf die Be­klag­te zu 1. über­ge­gan­gen. Viel­mehr sei die Be­klag­te zu 2. Ar­beit­ge­be­rin ge­blie­ben. Ein Be­triebsüber­gang set­ze die Wah­rung der Iden­tität der wirt­schaft­li­chen Ein­heit vor­aus, die nicht ge­ge­ben sei, wenn le­dig­lich die Ar­beit­neh­mer ei­nes be­triebs­mit­tel­ge­prägten Be­triebs über­nom­men würden, wie es hier der Fall sei. Die Be­klag­te zu 1. ha­be kei­ner­lei ma­te­ri­el­le Be­triebs­mit­tel oder Kun­den- und Lie­fe­ran­ten­be­zie­hun­gen über­nom­men. Ein Be­triebs­in­ha­ber­wech­sel ha­be nicht statt­ge­fun­den. Es lie­ge ein sog. ech­ter Be­triebsführungs-ver­trag vor, der kei­nen Be­triebsüber­gang auslöse. Auch wenn die Be­klag­te zu 1. beim Ab­schluss ei­ni­ger Rechts­geschäfte (über Leih­ar­beit oder ge­genüber Behörden) nach außen auf­ge­tre­ten sei, sei sie zu kei­nem Zeit­punkt am Markt auf­ge­tre­ten oder ha­be Ak­qui­se be­trie­ben. Die Be­klag­te zu 2. sei das al­lei­ni­ge Tor zur Öffent­lich­keit ge­blie­ben. Auch für die Ar­beit­neh­mer ha­be sich zum 1. April 2011 nichts verändert, der Per­so­nal­lei­ter sei für bei­de Un­ter­neh­men in Per­so­nal­uni­on auf­ge­tre­ten. Die Be­klag­ten hätten ei­ner ge­mein­sa­men Lei­tungs­macht un­ter­le­gen. Der Geschäftsführer der Be-klag­ten zu 2. sei erst kurz vor dem Li­qui­da­ti­ons­be­schluss als Geschäftsführer der Be­klag­ten zu 1. aus­ge­schie­den. Er ha­be auch die Ge­schi­cke der Be­klag­ten zu 1. ge­lei­tet und mit bei­den Fir­men ei­nen ein­heit­li­chen wirt­schaft­li­chen Zweck ver­folgt. Aus der Ver­ein­ba­rung 2011 er­ge­be sich nichts an­de­res. § 1 Ver­ein­ba­rung 2011 zei­ge, dass die Be­klag­te zu 1. kom­plett nach den Vor­ga­ben der Be­klag­ten zu 2. de­ren Per­so­nal ein­zu­set­zen ge­habt ha­be. Vergütung für die In­an­spruch­nah­me der Be­triebs­mit­tel ha­be die Be­klag­te zu 1. nicht leis­ten müssen. In § 3 Ver­ein­ba­rung 2011 sei noch­mals ge­re­gelt, dass die Be­klag­te zu 1. die Wa­re und die Ver­ar­bei­tung aus­sch­ließlich gemäß den Vor­ga-ben der Be­klag­ten zu 2. gewähr­leis­te. Gemäß § 4 Ver­ein­ba­rung 2011 er­wer­be aus­sch­ließlich die Be­klag­te zu 2. Ei­gen­tum an den Wa­ren, de­ren Be­schaf­fung er­fol­ge im­mer im Na­men und auf Rech­nung der Be­klag­ten zu 2. Auch dies zei­ge die un­ter­ge­ord­ne­te Stel­lung der Be­klag­ten zu 1. Dass die Be­klag­te zu 1. den Be­triebs­all­tag in Tei­len ha­be selbst ge­stal­ten dürfen, ände­re nichts dar­an, dass kein In­ha­ber­wech­sel statt­ge­fun­den ha­be. Auch in § 7 Ver­ein­ba­rung 2011 sei fest­ge­hal-ten, dass die Be­klag­te zu 1. aus­sch­ließlich - mit­tels ei­ner Ge­ne­ral­hand­lungs­voll­macht - auf Rech­nung und im Na­men der Be­klag­ten zu 2. hand­le. Gemäß § 12 Ver­ein­ba­rung 2011 ha­be die Be­klag-te zu 2. das Recht, Richt­li­ni­en zu er­las­sen und

 

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Wei­sun­gen zu er­tei­len, was zei­ge, dass die Be­klag­te zu 1. über­haupt kei­ne Hand­lungs­be­rech­ti­gung im ei­ge­nen Na­men und in ei­ge­ner Ver­ant­wor­tung ge­habt ha­be. Die Ver­ein­ba­rung 2011 bestäti­ge, dass die Be­zie­hun­gen zwi­schen den Be­klag­ten letzt­lich wie in ei­nem Verhält­nis zwi­schen Ar­beit­ge­ber und lei­ten­dem An­ge­stell­ten funk­tio­niert hät-ten. Dass künst­lich zwei Un­ter­neh­men ge­schaf­fen wor­den sei­en, ände­re dar­an nichts. Ein Be­triebsüber­gang ha­be da­her nicht vor­ge­le­gen. Ob dies von an­de­ren in der Ver­gan­gen­heit an­ders ge­se­hen wor­den sei, sei oh­ne Re­le­vanz. So­weit von Ge­rich­ten von ei­nem Be­triebsüber­gang aus­ge­gan-gen wor­den sei, sei an­zu­neh­men, dass dies nicht in Kennt­nis al­ler re­le­van­ten Umstände und Be­weis­mit­tel ge­sche­hen sei. Die Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den hätten sich mit der Prüfung des Be­triebsüber­g­an­ges als sol­chem nicht be­fasst, glei­ches gel­te für den Be­triebs­rat und des­sen Vert­re-ter. Der Beschäfti­gungs­be­darf für die Kläge­rin sei nicht ent­fal­len, die Be­klag­te zu 2. wer­de nicht still­ge­legt. Es sei da­von aus­zu­ge­hen, dass die Be­klag­te zu 2. schlicht neue Ar­beit­neh­mer su­chen wol­le, um den Be­trieb fort­zuführen. Die Kündi­gung der Be­klag­ten zu 1. sei al­lein schon man­gels Ar­beits­verhält­nis­ses mit die­ser un­wirk­sam. Je­den­falls könne sich die Be­klag­te zu 2. auf­grund Ge­stal­tungs­miss­brauchs nicht auf das Vor­lie­gen ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges be­ru­fen. Die Be­klag­te zu 1. ha­be le­dig­lich als mit­tel­lo­se Ma­rio­net­te fun­gie­ren sol­len, um sich - durch Li­qui­da­ti­on der­sel­ben - der fi­nan­zi­el­len, so­zia­len und ju­ris­ti­schen Ver­ant­wor­tung ge­genüber der langjährig beschäftig­ten Be­leg­schaft zu ent­zie­hen. Ei­ne Ver­wir­kung, sich auf ein Fort­be­ste­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Be­klag­ten zu 2. zu be­ru­fen, lie­ge nicht vor. Ein Um­stands­mo­ment sei we­der vor­ge­tra­gen noch er­sicht­lich. Dem­gemäß sei die Be­klag­te zu 2. auch zur Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin zu ver­ur-tei­len. Ein Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch be­ste­he auch in ei­nem Fal­le wie hier, wenn über ei­nen Be­triebsüber­gang als Be­en­di­gungs­tat­be­stand ge­strit­ten wer­de. Falsch sei, dass kei­ne Beschäfti­gungsmöglich­keit be­ste­he. Die Be­klag­te zu 2. beschäfti­ge auch Leih­ar­beit­neh­mer. Für den Fall, dass ein Be­triebsüber­gang statt­ge­fun­den ha­be und die Be­klag­te zu 2. sich hier­auf be­ru­fen könne, sei die aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung der Be­klag­ten zu 1. man­gels so­zia­ler Recht­fer­ti­gung iSd. § 1 KSchG und man­gels ord­nungs­gemäßer Be­tei­li­gung des Be­triebs­rats iSd. § 17 Abs. 2 KSchG un-wirk­sam.

Die Kläge­rin hat - erst­in­stanz­lich, zu­letzt un­be­dingt - be­an­tragt,

fest­zu­stel­len, dass zwi­schen der Be­klag­ten zu 2. und der Kläge­rin über den 31. März 2011 hin­aus ein un­gekündig­tes Ar­beits­verhält­nis be­steht;

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die Be­klag­te zu 2. zu ver­ur­tei­len, die Kläge­rin zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen ar­beits­ver­trags­gemäß bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Rechts­streits als ge-werb­li­che Ar­beit­neh­me­rin wei­ter zu beschäfti­gen;

fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis durch die Kündi­gung der Be­klag­ten zu 1. vom 28. Ok­to­ber 2014 zum 31. Mai 2015 nicht auf­gelöst wor­den ist,

die Be­klag­te zu 1. zu ver­ur­tei­len, die Kläge­rin zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen ar­beits­ver­trags­gemäß bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Rechts­streits als ge­werb­li­che Ar­beit­neh­me­rin wei­ter zu beschäfti­gen;

Die Be­klag­ten ha­ben - erst­in­stanz­lich - je­weils be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Während die Be­klag­te zu 1. die Recht­fer­ti­gung der Kündi­gung ver­tei­digt hat, in­dem sie vor­ge­bracht hat, die­se sei we­gen Be­triebs­stil­le­gung aus be­triebs­be­ding­ten Gründen iSd. § 1 KSchG so­zi­al ge­recht­fer­tigt und auch un­ter Zu­grun­de­le­gung des § 17 Abs. 2 KSchG nicht zu be­an­stan­den, hat die Be­klag­te zu 2. die An­sicht ver­tre­ten, das Ar­beits­verhält­nis sei im Jahr 2011 im We­ge ei­nes Be-triebsüber­g­an­ges auf die Be­klag­te zu 1. über­ge­gan­gen. Gemäß dem In­ter­es­sen­aus­gleich vom 28. Ok­to­ber 2010 sei­en zum 1. April 2011 die Fer­ti­gungs­ak­ti­vitäten, die Be­rei­che For­schung und Ent­wick­lung, Lo­gis­tik, Ein­kauf, Ver­trieb, Fi­nanz­buch­hal­tung und In­stand­hal­tung auf die Be­klag­te zu 1. über­tra­gen und die­ser das Im­mo­bi­li­en-, An­la­ge- und Um­lauf­vermögen so­wie die Pa­ten­te und Li-zenz­verträge un­ent­gelt­lich zur Verfügung ge­stellt wor­den. Der Pro­duk­ti­ons­be­trieb der Be­klag­ten zu 2. sei un­ter Wah­rung der wirt­schaft­li­chen Iden­tität über­ge­gan­gen und von der Be­klag­ten zu 1. tatsächlich fort­geführt wor­den. Da ein be­triebs­mit­tel­ar­mer Be­trieb vor­lie­ge, kom­me es we­sent­lich auf die Fähig­kei­ten der Mit­ar­bei­ter an, die - bis auf ei­nen Mit­ar­bei­ter - al­le über­nom­men wor­den sei­en. Aber auch wenn man von ei­nem be­triebs­mit­tel­ge­prägten Be­trieb aus­ge­he, lie­ge ein Be­triebsüber­gang vor, da die Be­triebs­mit­tel ge­ra­de mitüber­nom­men wor­den sei­en und es in­so­weit nicht auf die Ei­gen­tums­verhält­nis­se an­kom­me. Aus­rei­chend sei, dass die sächli­chen Be­triebs­mit­tel der Be­klag­ten zu 1. von der Be­klag­ten zu 2. zur Verfügung ge­stellt wor­den sei­en. Auch ha­be der Vor­sit­zen­de im ver­gleichs­wei­se am 22. No­vem­ber 2012 bei­ge­leg­ten Rechts­streit vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg - 6 Sa 31/12 - dar­auf hin­ge­wie­sen, dass von ei­nem Be­triebsüber­gang aus­zu­ge­hen sei. Die In­an­spruch­nah­me

 

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der Be­klag­ten zu 2. ne­ben der­je­ni­gen der Be­klag­ten zu 1. sei im Übri­gen wi­dersprüchlich. Ei­ne Beschäfti­gung bei der Be­klag­ten zu 2. sei zu­dem nicht möglich, da die­se kei­nen Be­trieb mehr führe. Auf­ga­ben, die ei­ner ge­werb­li­chen Mit­ar­bei­te­rin über­tra­gen wer­den könn­ten, sei­en nicht vor­han­den.

Mit wei­te­rem Schrift­satz vom 3. Ju­ni 2015 hat die Be­klag­te zu 2. ih­ren Vor­trag ver­tieft und aus­geführt, dass das Vor­lie­gen ei­nes Be­triebsüber­gangs nicht da­von abhänge, ob ein wie auch im­mer ge­ar­te­ter Be­triebsführungs­ver­trag ge­schlos­sen wor­den sei. Die Be­grif­fe „ech­te Be­triebsführung“ und „un­ech­te Be­triebsführung“ sei­en nicht ein­deu­tig de­fi­niert und da­mit kei­ner iso­lier­ten recht­li­chen Würdi­gung zugäng­lich. Maßgeb­lich sei­en viel­mehr die tatsächli­chen Umstände und die Prüfung der Kri­te­ri­en, die nach der Recht­spre­chung ei­nen Be­triebsüber­gang be­gründe­ten. Die­se sei­en hier al­le­samt erfüllt:

Ge­gen­stand der Über­tra­gung sei ein Be­trieb ge­we­sen, der Fer­ti­gungs­ak­ti­vitäten und die da­mit ver­bun­de­nen und ad­mi­nis­tra­ti­ven Funk­tio­nen (insb. For­schung und Ent­wick­lung, Lo­gis­tik, Ein­kauf, Ver­trieb, Fi­nanz­buch­hal­tung und In­stand­hal­tung) ver­folgt ha­be. Des­sen Per­so­nal sei zum 1. April 2011 von der Be­klag­ten zu 1. über­nom­men wor­den. Die­se ha­be den Be­trieb ab dem 1. April 2011 als ein an­de­rer In­ha­ber fort­geführt. Bei den Be­klag­ten hand­le es sich um ver­schie­de­ne Recht­sträger. Die geschäftsführen­den Ge­sell­schaf­ten (Kom­ple­mentärin­nen) sei­en nie iden­tisch ge­we­sen, die für die un­ter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dun­gen zuständi­gen Beiräte sei­en nicht per­so­nen­iden­tisch be­setzt. So­weit vorüber­ge­hend Per­so­nen­iden­tität in der Geschäftsführung der Kom­ple­mentärin­nen im Jahr 2011 be­stan­den ha­be, hätten die han­deln­den Per­so­nen stets er­ken­nen las­sen, in wel­cher Funk­ti­on für wel­che Ge­sell­schaft sie han­del­ten. Un­abhängig da­von sei die Be­klag­te zu 1. auch nach außen auf­ge­tre­ten und ha­be Rechts­geschäfte getätigt, zB. Verträge mit an­de­ren Un­ter­neh-men und Körper­schaf­ten (Leih­ar­beit, IHK, Fi­nanz­ver­wal­tung, Wirt­schafts­prüfer, Steu­er­be­ra­ter etc.) ab­ge­schlos­sen. Die Über­tra­gung sei durch ei­ne rechts­geschäft­li­che Ver­ein­ba­rung in Ge­stalt der Ver­ein­ba­rung 2011 er­folgt. Die Her­stel­lung und Be­ar­bei­tung der Pro­duk­te sei durch die dar­in ent­hal­te­ne Lohn­fer­ti­gungs­ver­ein­ba­rung auf die Be­klag­te zu 1. über­tra­gen wor­den, wo­bei der Be­klag­ten zu 2. pro­dukt­be­zo­ge­ne Vor­ga­ben vor­be­hal­ten ge­blie­ben sei­en. Be­zo­gen auf die Ab­tei­lun­gen For­schung und Ent­wick­lung, Lo­gis­tik, Ein­kauf, Ver­trieb, Fi­nanz­buch­hal­tung und In­stand­hal­tung ha­be die Be­klag­te zu 2. der Be­klag­ten zu 1. ei­nen Auf­trag in Form ei­nes Geschäfts­be­sor­gungs­ver­tra­ges er­teilt und sich vor­be­hal­ten, auf den Ge­gen­stand der Geschäfts­be­sor­gung be­zo­ge­ne Vor­ga­ben zu ma­chen. Zu­gleich sei aber ver­ein­bart wor­den, dass die Be­klag­te zu 1. die­se Auf­ga­ben ei­gen­ver­ant­wort­lich er­le­di­ge und ma­na­ge und sie für sämt­li­che Abläufe ab Auf­trags­ein­gang bis zum Zah­lungs­ein­gang ver­ant­wort­lich sei. Die­se Auf­ga­ben ha­be die Be­klag­te zu 1. bis min­des­tens zum Ab­schluss der Ver­ein­ba­rung 2013, mit der sie die Ex­klu­si­vität als Ver­trags­part­ner

 

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ver­lo­ren ha­be, ei­gen­ver­ant­wort­lich erfüllt, teil­wei­se darüber hin­aus. Die Ver­ein­ba­rung 2011 räume der Be­klag­ten zu 2. ins­be­son­de­re kein Wei­sungs­recht ge­genüber ein­zel­nen Ar­beit­neh­mern ein. Die Be­klag­te zu 2. ha­be der Be­klag­ten zu 1. die Be­triebs­mit­tel gemäß der Ver­ein­ba­rung 2011 un­ent­gelt­lich über­las­sen, was die­se in die La­ge ver­setzt ha­be, den Be­trieb zu führen. Die Be­klag­te zu 1. ha­be die­sen nach dem Be­triebsüber­gang auch tatsächlich geführt, ih­re Mit­ar­bei­ter an­ge­lei­tet und an­ge­wie­sen und de­ren Vergütung be­zahlt. Die Be­klag­te zu 1. ha­be ab dem 1. April 2011 die Lei­tungs­macht über den Be­trieb und sämt­li­che zur Er­rei­chung des Be­triebs­zwecks we­sent­li­chen Fak­to­ren ge­steu­ert und ko­or­di­niert. Sie sei ge­genüber den Ar­beit­neh­mern, dem Be­triebs­rat und der zuständi­gen Ge­werk­schaft klar er­kenn­bar un­ter ih­rer Fir­ma und nicht un­ter dem Na­men der Be­klag­ten zu 2. auf­ge­tre­ten. Der Um­stand, wie die Be­klag­te zu 1. am Markt auf­ge­tre­ten sei, sei un­er­heb­lich für die Fra­ge, ob der Be­trieb über­tra­gen wor­den sei. Un­er­heb­lich sei auch, dass ge­brauch­te, von der Be­klag­ten zu 2. einst­mals ih­ren Ar­beit­neh­mern über­las­se­ne Ar­beits­klei­dung mit dem Schrift­zug „W.“ mögli­cher­wei­se nach dem 31. März 2011 wei­ter­be­nutzt wor­den sei. Dass die Be­klag­te zu 1. ih­re ei­ge­ne Be­leg­schaft da­nach mit sol­cher Ar­beits­klei­dung aus­ge­stat­tet ha­be, wer­de mit Nicht­wis­sen be­strit­ten. Maßgeb­lich sei al­lein, dass die Be­klag­te zu 1. ab dem 1. April 2011 deut­lich als Ar­beit­ge­ber auf­ge­tre­ten sei. Die ei­gen­ver­ant­wort­li­che Ausübung der Ar­beit­ge­ber­stel­lung sei aus­rei­chend, um ei­nen Be­triebsüber­gang zu be­gründen. Nach eu­ropäischem Recht sei Be­triebs­in­ha­ber ge­ra­de der­je­ni­ge, der die Ar­beit­ge­ber­ver­pflich­tun­gen ge­genüber den Beschäftig­ten ein­ge­he, was ab dem 1. April 2011 ein­deu­tig die Be­klag­te zu 1. ge­we­sen sei. Ar­beit­ge­ber sei der­je­ni­ge, der das Wei­sungs­recht ge­genüber den Ar­beit­neh­mern ei­gen­ver­ant­wort­lich ausübe und in des­sen be­trieb­li­che Or­ga­ni­sa­ti­on die­se ein­ge­glie­dert sei­en. Da die Be­klag­te zu 1. ge­genüber den Ar­beit­neh­mern im ei­ge­nen Na­men auf­ge­tre­ten sei und die be­trieb­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren tatsächlich ge­nutzt ha­be, sei­en die­se Vor­aus­set­zun­gen erfüllt. Die über den Be­triebsüber­gang un­ter­rich­te­te Kläge­rin ha­be in Kennt­nis der Vorgänge vier Jah­re nie die Ar­beit­ge­ber­stel­lung der Be­klag­ten zu 1. be­zwei­felt oder die Be­klag­te zu 2. als Ar­beit­ge­be­rin an­ge­spro­chen. Auch Be­triebs­rat - ver­tre­ten durch die So­zietät der Ver­tre­te­rin der Kläge­rin - und Ge­werk­schaft hätten die Be­klag­te zu 1. als Ar­beit­ge­be­rin an­ge­spro­chen und an­er­kannt; im Jahr 2014 sei der Be­triebs­rat als Be­triebs­rat der Be­klag­ten zu 1. gewählt wor­den (näher da­zu vgl. das schriftsätz­li­che Vor­brin­gen der Be­klag­ten zu 2.). Die recht­li­che Qua­lität der Zu­sam­men­ar­beit der Be­klag­ten sei zu­dem viel­fach Vor­fra­ge ar­beits­ge­richt­li­cher Aus­ein­an­der­set­zun­gen ge­we­sen. Da­bei sei stets von ei­nem Be­triebsüber­gang aus­ge­gan­gen wor­den. Dies gel­te für ein Be­schluss­ver­fah­ren vor der 26. Kam­mer des Ar­beits­ge­richts Stutt­gart - Kam­mern Lud­wigs­burg - 26 BV 62/13 -, in dem das Ge­richt zu dem Er­geb­nis ge­kom­men sei, dass es sich bei der Zu­sam­men­ar­beit der Be-

 

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klag­ten um ei­ne bloße un­ter­neh­me­ri-sche Zu­sam­men­ar­beit hand­le und das Be­ste­hen ei­nes ge­mein­sa­men Be­trie­bes nicht an­satz­wei­se er­sicht­lich sei. Wei­ter gel­te dies für ein Ver­fah­ren vor dem Ar­beits­ge­richt Stutt­gart - Kam­mern Lud­wigs­burg - 12 Ca 905/11 -, bezüglich dem der Vor­sit­zen­de im Be­ru­fungs­ver­fah­ren vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg - 6 Sa 31/12 - im Be­ru­fungs­ter­min eben­falls geäußert ha­be, dass er von ei­nem Be­triebsüber­gang aus­ge­he. Auch das Ar­beits­ge­richt Ber­lin ha­be in meh-re­ren Ver­fah­ren (55 Ca 4863/14 und 57 Ca 4865/14) ei­nen Be­triebsüber­gang an­ge­nom­men, erst-ge­nann­tes Ur­teil sei vom Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg mitt­ler­wei­le rechts­kräftig bestätigt wor­den. Auch die je­wei­li­gen Ei­ni­gungs­stel­len­vor­sit­zen­den hätten bei der Be­ja­hung ih­rer Zuständig­keit die Ar­beits­ge­ber­stel­lung der Be­klag­ten zu 1. an­er­kannt. Vor die­sem Hin­ter­grund ge­bie­te auch die Rechts­si­cher­heit die An­nah­me ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges. In der übri­gen Recht­spre­chung zu Be­triebsführungs­verträgen und zur Lohn­fer­ti­gung, so­weit sol­che exis­tie­re, sei eben­falls von Be-triebsübergängen aus­ge­gan­gen wor­den (vgl. LAG Ba­den-Würt­tem­berg 24. Ju­ni 2005 - 7 Sa 10/05; LAG Rhein­land-Pfalz 12. Ju­li 2012 - 2 Sa 144/12).

Im Übri­gen sei das Recht der Kläge­rin, sich auf ein Fort­be­ste­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Be­klag­ten zu 2. zu be­ru­fen, ver­wirkt.

Der Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag ge­gen die Be­klag­te zu 2. sei auch des­halb un­be­gründet, weil ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung unmöglich sei. Die Be­klag­te zu 2. un­ter­hal­te kei­nen Be­trieb und kei­ne Ar­beitsplätze, sie ver­ge­be die Fer­ti­gungs­aufträge seit 2011 an an­de­re Un­ter­neh­men, wie sie am 20. Mai 2015 noch­mals be­kräftigt ha­be. Sie sei durch die Bei­rats­be­schlüsse ge­bun­den und ver­trag­lich ver­pflich­tet, Räume und Ma­schi­nen die­sen zur Nut­zung zu über­las­sen. Auch verfüge sie nicht über tech­nisch er­fah­re­ne Auf­sichts­per­so­nen für die Pro­duk­ti­ons­mit­ar­bei­ter. Falsch sei, dass die Be­klag­te zu 2. Leih­ar­beit­neh­mer beschäfti­ge, le­dig­lich die Be­klag­te zu 1. ha­be sol­che ein­ge­setzt. Im Übri­gen exis­tie­re ein all­ge­mei­ner Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch vor rechts­kräfti­ger Ent­schei­dung über den Fest­stel­lungs­an­trag hier nicht. Nur in Kündi­gungs­schutz­pro­zes­sen sei ein sol­cher aus­nahms-wei­se an­er­kannt, nicht aber in ei­nem aty­pi­schen Fal­le wie dem vor­lie­gen­den, in dem das Be­ste­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses auch des­we­gen strei­tig sei, weil um das Vor­lie­gen ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges im Jahr 2011 ge­strit­ten wer­de. Das Beschäfti­gungs­in­ter­es­se der Kläge­rin über­wie­ge nicht. Die­se ha­be über vier Jah­re Zeit ge­habt, über den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses zu strei­ten, was sie un­ter­las­sen ha­be. Dem ge­genüber be­ste­he ein schutz­wer­tes In­ter­es­se der Be­klag­ten zu 2. an der Nicht­beschäfti­gung der Kläge­rin, nach­dem in vor­an­ge­gan­ge­nen Ent­schei­dun­gen von ei­nem Be­triebsüber­gang aus­ge­gan­gen wor­den sei.

 

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Das Ar­beits­ge­richt hat mit Ur­teil vom 17. Ju­li 2015 die ge­gen die Be­klag­te zu 2. ge­rich­te­ten Klag­anträge der Kläge­rin mit der Ar­gu­men­ta­ti­on ab­ge­wie­sen, ihr Ar­beits­verhält­nis sei am 1. April 2011 im We­ge des Be­triebsüber­g­an­ges auf die Be­klag­te zu 1. über­ge­gan­gen. Den ge­gen die Be­klag­te zu 1. ge­rich­te­ten Klag­anträgen hat es hin­ge­gen statt­ge­ge­ben.

In am 8. Mai 2015 ent­schie­de­nen Par­al­lel­ver­fah­ren hat­te das Ar­beits­ge­richt noch ab­wei­chend ent-schie­den. Da­mals hat­te es ei­nen Be­triebsüber­gang ver­neint und ent­spre­chen­den Anträgen an­de­rer Kläger ge­gen die Be­klag­te zu 2. statt­ge­ge­ben so­wie de­ren Kündi­gungs­schutz­kla­gen ge­gen die Be-klag­te zu 1. ab­ge­wie­sen.

Zur Be­gründung sei­ner ab­wei­chen­den Auf­fas­sung hat das Ar­beits­ge­richt im Ur­teil vom 17. Ju­li 2015 aus­geführt, der zulässi­ge Fest­stel­lungs­an­trag ge­gen die Be­klag­te zu 2. sei nicht be­gründet. Die Be­klag­te zu 2. ha­be ih­re Ar­beit­ge­ber­stel­lung am 1. April 2011 in­fol­ge ei­nes Be­triebs-über­g­an­ges an die Be­klag­te zu 1. ver­lo­ren. Aus dem Vor­trag der dar­le­gungs- und be­weis­be­las­te­ten Be­klag­ten zu 2. er­ge­be sich das Vor­lie­gen ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges und als Fol­ge auch der Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses. Ne­ben der Über­nah­me des Per­so­nals sei­en der Be­klag­ten zu 1. sämt­li­che Be­triebs­mit­tel zur Nut­zung über­las­sen wor­den, was für die Über­tra­gung ei­ner wirt­schaft­li­chen Ein­heit bei ei­nem be­triebs­mit­tel­ge­prägten Be­trieb, wie er hier vor­lie­ge, ent­schei­dend sei. Es lie­ge kei­ne an­de­re Si­tua­ti­on vor, als sie bei der Ver­pach­tung ei­nes Be­trie­bes vor­zu­fin­den sei. Die Be­klag­te zu 1. ha­be ab dem 1. April 2011 sämt­li­che Be­triebs­mit­tel zur Her­stel­lung der Pro­duk­te ge­nutzt und sei vom Auf­trags­ein­gang bis zum Zah­lungs­ein­gang durch den Kun­den ver­ant­wort­lich ge­we­sen. Die Be­klag­te zu 1. ha­be hierfür die von der Be­klag­ten zu 2. ge­schaf­fe­ne Be­triebs­or­ga­ni­sa­ti­on und die auf­ge­bau­ten Kun­den- und Lie­fe­ran­ten­be­zie­hun­gen ge­nutzt und ha­be für ei­nen aus­rei­chen­den Auf­trags­ein­gang zu sor­gen ge­habt. Sie ha­be al­so nicht le­dig­lich das Per­so­nal ge­trennt von den Be­triebs­mit­teln über­nom­men. Die Art und der Zweck des Be­trie­bes sei­en un­verändert ge­blie­ben, ei­ne Un­ter­bre­chung der Tätig­keit ha­be nicht statt­ge­fun­den. Die Be­klag­te zu 1. ha­be ab dem 1. April 2011 den be­trieb­li­chen Funk­ti­ons­zu­sam­men­hang für ei­ne (ei­ge­ne) wirt­schaft­li­che Tätig­keit ge­nutzt. Ir­re­le­vant sei, dass die ge­sam­te Pro­duk­ti­on und Be­triebsführung mit frem­den Be­triebs­mit­teln durch­zuführen ge­we­sen sei. Nicht die Ei­gentümer­stel­lung sei in­so­weit maßgeb­lich, son­dern al­lein die tatsächli­che Nut­zungs- und Verfügungs­ge­walt. Die ei­gen­wirt­schaft­li­che Nut­zung von Be­triebs­mit­teln sei kei­ne Vor­aus­set­zung für ei­nen Be­triebsüber­gang. Auch sei die wirt­schaft­li­che Ein­heit durch Rechts­geschäft, nämlich durch die Ver­ein­ba­rung 2011, über­tra­gen wor­den, oh­ne dass es auf des­sen Wirk­sam­keit ankäme. Die Be­klag­te zu 1. sei auch Be­triebs­in­ha­be­rin des zu­vor von der Be­klag­ten zu 2. geführ­ten Be­trie­bes ge­wor­den. Kei­ne

 

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ent­schei­den­de Be­deu­tung ha­be der Um­stand, dass das wirt­schaft­li­che Er­geb­nis der Tätig­keit - mit Aus­nah­me der ge­re­gel­ten Vergütung von 3 % der Brut­to­lohn­sum­me - letzt­lich der Be­klag­ten zu 2. zu­gu­te ge­kom­men sei. Auch Bin­dun­gen im In­nen­verhält­nis oder die feh­len­de Be­fug­nis zur Veräußerung der Be­triebs­mit­tel stünden ei­nem Be­triebs­in­ha­ber­wech­sel nicht ent­ge­gen. Die Be­klag­te zu 1. ha­be auch die maßgeb­li­che Ar­beit­ge­ber­funk­ti­on ge­genüber den Beschäftig­ten über­nom­men und sei nach außen als Voll­rechts­in­ha­be­rin auf­ge­tre­ten. Aus den zwi­schen den Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Ver­ein­ba­run­gen und de­ren tatsäch­li­cher Prak­ti­zie­rung könne nicht ent­nom­men wer­den, dass die Be­klag­te zu 2. wei­ter-hin für den Be­trieb ver­ant­wort­lich ge­blie­ben sei. Zwar ha­be die Kam­mer in den Ent­schei­dun­gen vom 8. Mai 2015 die Auf­fas­sung ver­tre­ten, ein Be­triebs­in­ha­ber­wech­sel ha­be am 1. April 2011 nicht statt­ge­fun­den, weil es hierfür nicht genüge, wenn der neue In­ha­ber le­dig­lich ge­genüber den Ar­beit­neh­mern im ei­ge­nen Na­men auf­tre­te, und es viel­mehr auch er­for­der­lich sei, dass ge­genüber Lie­fe­ran­ten, Kun­den und am Markt im ei­ge­nen Na­men auf­ge­tre­ten wer­de. Für die­se Auf­fas­sung sprächen auch ei­ni­ge Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ar­beits­ge­richts (näher da­zu vgl. S. 21 f. des Ur­teils), in de­ren Fol­ge die Kam­mer die Ver­ein­ba­rung 2011 als sog. ech­te Be­triebsführungs­ver­ein­ba­rung ein­ge­ord­net ha­be, die kei­nen Be­triebsüber­gang aus­gelöst ha­be. Weil die Be­klag­te zu 1. we­der Wa­ren im ei­ge­nen Na­men be­zo­gen noch Verträge mit Kun­den im ei­ge­nen Na­men ge­schlos­sen und die Lie­fe­rung der Pro­duk­te und die ge­sam­te Kom­mu­ni­ka­ti­on nach außen im frem­den Na­men statt­ge­fun­den ha­be, sei die Kam­mer da­mals zu der Einschätzung ge­langt, die Be­klag­te zu 1. sei nicht Be­triebs­in­ha­be­rin ge­wor­den. Dass die Be­klag­te zu 1. ge­genüber den ei­ge­nen Ar­beit­neh­mern im ei­ge­nen Na­men auf­ge­tre­ten sei, ha­be dem Ge­richt am 8. Mai 2015 nicht genügt. In an­de­ren Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ar­beits­ge­richts ha­be dem­ge­genüber für die Er­lan­gung der Or­ga­ni­sa­ti­ons- und Lei­tungs­macht die Ausübung des ar­beits­ge­ber­sei­ti­gen Wei­sungs­rechts - ne­ben den Nut­zung des be­trieb­li­chen Funk­ti­ons­zu­sam­men­hangs - genügt (näher da­zu vgl. S. 22 f. des Ur­teils). In ih­rer jet­zi­gen Be­set­zung hal­te die Kam­mer die letzt­ge­nann­ten Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ar­beits­ge­richts und da­mit ein Ab­stel­len al­lein auf die Ausübung des Wei­sungs­rechts im ei­ge­nen Na­men ge­genüber der Be­leg­schaft für über­zeu­gen­der. Ent­schei­den­des Ar­gu­ment sei hier­bei der Ge­sichts­punkt der Rechts­si­cher­heit. Genügte für die Ausübung der be­trieb­li­chen Lei­tungs­macht das Ge­brauch­ma­chen vom Wei­sungs­recht ge­genüber den Ar­beit­neh­mern nicht, stell­te sich die Fra­ge, ab wel­chem Zeit­punkt (bspw. durch ein Han­deln im ei­ge­nen Na­men ge­genüber Kun­den und Lie­fe-ran­ten) ein Be­triebs­in­ha­ber­wech­sel ein­tre­te, was rechts­si­cher kaum fest­stell­bar und letzt­lich ein Ein­falls­tor für mögli­che Ma­ni­pu­la­tio­nen wäre. Wer­de dem­ge­genüber auf das Wei­sungs­recht ab­ge­stellt, las­se sich der Zeit­punkt des Be­triebs­in­ha­ber­wech­sels rechts­si­cher fest­stel­len. Für den ar­beits­recht­li­chen Sinn­zu­sam­men­hang

 

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müsse es al­so letzt­lich aus­schlag­ge­bend sein, wer ab wann ge­genüber den Ar­beit­neh­mer das Wei­sungs­recht im ei­ge­nen Na­men ausübe. An­dern­falls könne ein Un­ter­neh­men ei­ner Auf­fang­ge­sell­schaft die Be­triebs­mit­tel zur Verfügung stel­len und die­se mit der Pro­duk­ti­on von Wa­ren im frem­den Na­men be­auf­tra­gen, um sich von der Be­leg­schaft zu lösen. Nach Sinn und Zweck des § 613 a BGB soll je­doch ge­nau ein sol­ches Aus­ein­an­der­fal­len von Ar­beits­platz und Ar­beits­verhält­nis ver­mie­den wer­den. Zu­dem ent­spre­che die­ses Verständ­nis dem Uni­ons­recht, wo­nach Be­triebs­in­ha­ber die für den Be­trieb ver­ant­wort­li­che Per­son sei, die die Ar­beit­ge­ber­ver­pflich­tun­gen ge­genüber den Beschäftig­ten ein­ge­he. Ge­mes­sen dar­an sei es ab 1. Ap-ril 2011 zu ei­nem Be­triebs­in­ha­ber­wech­sel ge­kom­men. Die Be­klag­te zu 1. ha­be ab die­sem Zeit­punkt - un­strei­tig - ge­genüber den Ar­beit­neh­mern das ar­beit­ge­ber­sei­ti­ge Wei­sungs­recht im ei­ge­nen Na­men durch den Geschäftsführer und den Per­so­nal­lei­ter aus­geübt. Auch ge­genüber dem Be-triebs­rat sei die Be­klag­te zu 1. im ei­ge­nen Na­men auf ei­ge­nem Brief­pa­pier auf­ge­tre­ten, wor­auf die­ser die Be­klag­te zu 1. als An­sprech­part­ne­rin für die wahr­zu­neh­men­den kol­lek­ti­ven Rech­te iden-ti­fi­ziert ha­be. Ge­genüber dem Ge­samt­be­triebs­rat, der Ge­werk­schaft, der Ei­ni­gungs­stel­le und an-de­ren Drit­ten sei die Be­klag­te zu 1. in Be­zug auf die Ar­beits­verhält­nis­se eben­falls im ei­ge­nen Na-men auf­ge­tre­ten. Sie ha­be fer­ner die Ar­beits­ent­gel­te im ei­ge­nen Na­men ab­ge­rech­net und be­zahlt, die sie dann zuzüglich des Auf­schla­ges von 3 % von der Be­klag­ten zu 2. er­stat­tet be­kom­men ha-be. Ein Han­deln im frem­den Na­men sei in­so­weit nicht an­satz­wei­se er­sicht­lich. Die Be­klag­te zu 1. ha­be die für § 613 a BGB maßgeb­li­che Lei­tungs­macht über den be­trieb­li­chen Funk­ti­ons­zu­sam-men­hang wahr­ge­nom­men. Sie sei zu­dem für sämt­li­che Abläufe, be­gin­nend mit dem Ver­trieb und dem Auf­trags­ein­gang bis hin zum Zah­lungs­ein­gang, ver­ant­wort­lich ge­we­sen und sei da­her auch nach außen - wenn auch im frem­den Na­men - auf­ge­tre­ten. Ei­ge­ne Be­triebstätig­keit ei­ner be­triebsführen­den Ge­sell­schaft sei ge­ra­de die In­ter­es­sen­wahr­neh­mung für die Ei­gentümer­ge­sell­schaft. Dies sei letzt­lich auch der Hin­ter­grund dafür, dass die Kläge­rin vor Aus­spruch der Kündi­gung durch die Be­klag­te zu 1. ei­ne Ar­beit­ge­ber­stel­lung der Be­klag­ten zu 2. nie­mals gel­tend ge­macht ha­be. Dar­auf, dass die Be­klag­te zu 1. ge­genüber Drit­ten, dh. Kun­den und Lie­fe­ran­ten, ver­ein­ba­rungs­ge-mäß im frem­den Na­men auf­ge­tre­ten sei, kom­me es da­nach nicht an. Dies sei le­dig­lich Aus­druck der Bin­dun­gen der Be­klag­ten zu 1. im In­nen­verhält­nis und der ge­schlos­se­nen Ver­ein­ba­rung zur Be­triebsführung. Die Ar­beit­neh­mer hätten die Be­klag­te zu 1. in An­be­tracht der Ausübung der Lei­tungs- und Or­ga­ni­sa­ti­ons­macht iSd. Ge­brauch­ma­chens vom ar­beits­ge­ber­sei­ti­gen Wei­sungs­recht als Ar­beit­ge­be­rin iden­ti­fi­zie­ren können. Der Be­klag­ten zu 2. sei es nicht ver­wehrt, sich in­fol­ge Ge-stal­tungs­miss­brauchs auf den ein­ge­tre­te­nen Be­triebs­in­ha­ber­wech­sel zu be­ru­fen. Es feh­le an aus­rei­chen­den An­halts­punk­ten dafür, dass be­reits im Frühjahr 2011 ge­plant ge­we­sen sei, et­was

 

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mehr als zwei Jah­re später die Li­qui­da­ti­on der Be­klag­ten zu 1. und die Kündi­gung der Ar­beits­verhält­nis­se ein­zu­lei­ten. Hier­ge­gen sprächen auch die geführ­ten Ver­hand­lun­gen über Auf­fanglösun­gen. Da die Be­klag­te zu 2. ih­re Ar­beit­ge­ber­funk­ti­on zum 1. April 2011 ver­lo­ren ha­be, sei auch der zulässi­ge Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag ge­gen sie un­be­gründet. Zulässig und be­gründet sei­en hin­ge­gen der Kündi­gungs­schutz- und der Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag ge­gen die Be­klag­te zu 1. Die von die­ser aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung sei un­wirk­sam, da we­der das nach § 17 Abs. 2 KSchG er­for­der­li­che Kon­sul­ta­ti­ons­ver­fah­ren mit dem zuständi­gen Be­triebs­rat durch­geführt, noch gemäß § 17 Abs. 3 Sätze 2 und 3 KSchG ei­ne ord­nungs­gemäße Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge er­stat­tet wor­den sei. Ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung sei der Be­klag­ten zu 1. nicht un­zu­mut­bar.

Die Be­klag­ten leg­ten ge­gen die­ses Ur­teil kei­ne Be­ru­fung ein. Die Kläge­rin, der das Ur­teil am 23. Ju­li 2015 zu­ge­stellt wor­den war, leg­te da­ge­gen am 13. Au­gust 2015 ge­genüber der Be­klag­ten zu 2. Be­ru­fung ein und be­gründe­te die­se - in­ner­halb der verlänger­ten Frist - am 29. Ok­to­ber 2015.

Ge­genüber den am 8. Mai 2015 ge­genüber der Be­klag­ten zu 2. ob­sie­gen­den Klägern, sprach die Be­klag­te zu 2. vor­sorg­lich außer­or­dent­li­che frist­lo­se, hilfs­wei­se or­dent­li­che Kündi­gun­gen aus. Ge-genüber der Kläge­rin er­folg­te in­des kei­ne vor­sorg­li­che Kündi­gung durch die Be­klag­te zu 2.

Die Kläge­rin trägt zur Be­gründung ih­rer Be­ru­fung vor, die­se sei ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten zu 2. zulässig. In Rechts­kraft er­wach­sen sei le­dig­lich die Fest­stel­lung, dass zwi­schen der Kläge­rin und der Be­klag­ten zu 1. ein Ar­beits­verhält­nis be­ste­he. Bei der Fra­ge des Vor­lie­gens ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges hand­le es sich um ei­ne Tat­sa­che, von der das Ar­beits­ge­richt als Pro­zess­stoff aus­ge­gan­gen sei. Ei­ne sol­che ge­mein­sa­me Vor­fra­ge wer­de nie­mals rechts­kräftig fest­ge­stellt. Ei­ne Kol­li­si­on meh­re­rer rechts­kräfti­ger Ent­schei­dun­gen sei nicht da­durch ver­meid­bar, dass die Be­ru-fung für un­zulässig erklärt wer­de. Viel­mehr müsse die Rechts­kraft des jünge­ren Ur­teils der­je­ni­gen des älte­ren Ur­teils nach der lex-pos­te­ri­or-Re­gel vor­ge­hen, so dass das Be­ru­fungs­ur­teil aus­schlag-ge­bend sei. Auch sei es kei­ne Sel­ten­heit, dass sich ein Ar­beit­neh­mer am En­de ei­nes Rechts­streits in zwei wirk­sa­men Ar­beits­verhält­nis­sen vor­fin­de, wie die in § 12 KSchG ge­re­gel­te Wahlmöglich­keit zei­ge. Die Be­ru­fung sei dem­gemäß nicht mit dem Ver­strei­chen der Rechts­mit­tel­frist für die Be-klag­te zu 1. un­zulässig ge­wor­den. Die Be­ru­fung sei auch be­gründet, es ha­be zum 1. April 2011 kein Be­triebsüber­gang statt­ge­fun­den. Bei dem be­triebs­mit­tel­ge­prägten Be­trieb sei­en le­dig­lich die Ar­beit­neh­mer auf die Be­klag­te zu 1. über­ge­gan­gen, nicht aber die zen­tra­len Be­triebs­mit­tel, wie die Ma­schi­nen und der Kun­den­stamm. Die Ar­beit­neh­mer hätten un­verändert die­sel­ben Ma­schi­nen in den­sel­ben Räum­lich­kei­ten ge­nutzt und die­sel­ben Pro­duk­te der Be­klag­ten zu 2. her­ge­stellt. Die Be­klag­te zu 1. sei zu kei­nem Zeit­punkt am Markt auf­ge­tre­ten. Sie sei nicht Be­triebs­in­ha­be­rin ge-wor­den. Dass die Be­klag­te zu 1. ge­genüber den Beschäftig­ten als Ar­beit­ge­be­rin auf­ge­tre­ten sei, führe nicht zu ei­nem In­ha­ber­wech­sel. Hier lie­ge ein ech­ter Be­triebsführungs­ver­trag vor, bei dem der Be­triebsführer le­dig­lich im frem­den Na­men als „verlänger­ter Arm“ des Veräußerers auf­tre­te, und der zu kei­nem Be­triebsüber­gang führe. Dies ha­be das Ar­beits­ge­richt in den Ur­tei­len vom 8. Mai 2015 noch zu­tref­fend er­kannt. Der Per­so­nal­lei­ter der Be­klag­ten zu 1., der zu­gleich Per­so­nal­lei-ter der Be­klag­ten zu 2. sei, neh­me zwar Ur­laubs­anträge und Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gun­gen ent­ge­gen, las­se sich aber bei den Ent­schei­dun­gen, wann Ur­laub gewährt wer­de, al­lein da­von lei­ten, was die Be­klag­te zu 2. an Auf­trags­vo­lu­men an die Be­klag­te zu 1. ver­ge­be, die die­ses dann zu er­le­di­gen ha­be, wie es sich der Kun­de der

 

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Be­klag­ten zu 2. vor­stel­le. Die Be­klag­te zu 1. ha­be kei­ner­lei ei­gen ak­qui­rier­te Kun­den und tre­te am Markt nicht auf. Die Be­klag­te zu 2. stel­le die Ma­schi­nen zur Verfügung, an de­nen aus­sch­ließlich ih­re Pro­duk­te her­ge­stellt würden. Die Be­klag­te zu 1. sei da­her nicht in der La­ge, ei­genständi­ge Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Sie ha­be le­dig­lich den Ein-satz der Ar­beit­neh­mer vor Ort ge­re­gelt, der aber maßgeb­lich von den Vor­ga­ben der Be­klag­ten zu 2. abhänge. Letzt­lich sei die Be­klag­te zu 1. an­zu­se­hen, als wäre sie ein lei­ten­der An­ge­stell­ter der Be­klag­ten zu 2. mit ent­spre­chen­der Per­so­nal­ver­ant­wor­tung. Un­zu­tref­fend ge­he das Ar­beits­ge­richt in dem an­ge­foch­te­nen Ur­teil da­her von ei­nem un­ech­ten Be­triebsführungs­ver­trag aus. Dass die Ar­beit­neh­mer An­wei­sun­gen ih­res „Ka­po“ bekämen sei un­strei­tig, dies ma­che die­sen je­doch nicht zu ei­nem ei­ge­nen Ar­beit­ge­ber. Die Ausübung des Di­rek­ti­ons­rechts durch Vor­ge­setz­te der Be­klag­ten zu 1. könne unmöglich ent­schei­dend für die Fra­ge des Vor­lie­gens ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges sein, zu­mal sich die­se auf die Be­klag­te zu 2. und de­ren Bedürf­nis­se be­rie­fen, wenn es um den Ein­satz der Ar­beit­neh­mer ge­he. Wenn das Ar­beits­ge­richt von Rechts­si­cher­heit spre­che, genüge die Ausübung des Di­rek­ti­ons­recht ge­ra­de nicht, um ei­nen Be­triebsüber­gang an­zu­neh­men. Im Ge­gen­teil, es sei kei­ne Rechts­si­cher­heit ge­ge­ben, so­lan­ge der „Be­triebsüber­neh­mer“ nicht am Markt auf­tre­te, kei­ner­lei ei­gen­wirt­schaft­li­chen Nut­zen ver­fol­ge, kei­ne Be­triebs­mit­tel über­neh­me, le­dig­lich Kun­den des Veräußerers be­die­ne, des­sen Ar­beits­klei­dung ge­tra­gen wer­de und der Per­so­nal­lei­ter für bei­de zuständig sei. Wenn die wich­ti­gen Ent­schei­dun­gen, wann wel­ches Auf­trags­vo­lu­men zu be­ar­bei­ten sei und ob dies mit der ei­ge­nen Mann­schaft oder Leih­ar­beit­neh­mern ge­sche­he, wie hier im Er­mes­sen des Veräußerers lägen, sei kein Be­triebsüber­gang ge­ge­ben. Dem Fest­stel­lungs- und dem Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag ge­gen die Be­klag­te zu 2. sei da­her statt­zu­ge­ben.

 

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Die Kläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richt Stutt­gart - Kam­mern Lud­wigs­burg - vom 17. Ju­li 2015 - 26 Ca 1810/14 - in Ziff. 3 ab­zuändern;
fest­zu­stel­len, dass zwi­schen der Be­klag­ten zu 2. und der Kläge­rin über den 31. März 2011 hin­aus ein un­gekündig­tes Ar­beits­verhält­nis be­steht;
die Be­klag­te zu 2. zu ver­ur­tei­len, die Kläge­rin zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen ar­beits­ver­trags­gemäß bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Rechts­streits als ge­werb­li­che Ar­beit­neh­me­rin wei­ter zu beschäfti­gen.

Die Be­klag­te zu 2. be­an­tragt,

die Be­ru­fung der Kläge­rin als un­zulässig zu ver­wer­fen, hilfs­wei­se, die Be­ru­fung als un­be­gründet zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te zu 2. ist der Auf­fas­sung, die Be­ru­fung sei we­gen ent­ge­gen­ste­hen­der Rechts­kraft un­zulässig. Da die Be­klag­te zu 1. ge­gen das Sa­chur­teil vom 17. Ju­li 2015 kei­ne Be­ru­fung ein­ge­legt ha­be, ste­he rechts­kräftig fest, dass de­ren Kündi­gung un­wirk­sam sei und dass zum Zeit­punkt des Aus­spruchs der­sel­ben zwi­schen der Kläge­rin und der Be­klag­ten zu 1. ein Ar­beits­verhält­nis bes­tan-den ha­be. Die Rechts­kraft des Ur­teils ste­he dem Ziel, das die Kläge­rin mit ih­rer Be­ru­fung ver­fol­ge, ent­ge­gen, die­se sei un­zulässig ge­wor­den. Die Kläge­rin ha­be, ob­gleich an­de­re pro­zes­sua­le Mög-lich­kei­ten hätten gewählt wer­den können, ei­ne un­be­ding­te sub­jek­ti­ve Kla­gehäufung gewählt. Die­ser Weg führe schnell zu ei­ner ein­heit­li­chen Ent­schei­dung des­sel­ben Spruchkörpers, min­des­tens aber zu ei­nem Un­ter­lie­gen ge­gen ei­ne der bei­den Be­klag­ten. Es sei zwin­gend vor­ge­ge­ben, dass mit der Rechts­kraft ei­nes ob­sie­gen­den Ur­teils zu ei­ner der Be­klag­ten (hier der Be­klag­ten zu 1.) nicht noch ein wei­te­res ob­sie­gen­des Ur­teil zu der an­de­ren Be­klag­ten (hier der Be­klag­ten zu 2.) er­zielt wer­den könne. Je­de an­de­re Be­wer­tung führe zu wi­dersprüchli­chen Ent­schei­dun­gen. Bei der sub­jek­ti­ven un­be­ding­ten Kla­gehäufung be­ste­he ein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se nur dann, wenn sich die Be­klag­ten im Verhält­nis zur Kläge­rin ge­gen­tei­li­ger Rechts­po­si­tio­nen berühm­ten. Fal­le die­se Vor­aus­set­zung weg, wenn ei­ne Be­klag­te, wie hier die Be­klag­te zu 1., ih­re Rechts­po­si­ti­on auf­ge­be, könne die Kläge­rin nicht in dem­sel­ben Rechts­streit wei­ter ein Ziel ver­fol­gen, das den in Rechts­kraft er­wach­se­nen bin­den­den Fest­stel­lun­gen un­auflöslich wi­der­spre­che. Falsch sei, dass im ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teil of­fen ge­blie­ben sei, ob ein Be­triebsüber­gang statt­ge­fun­den ha­be. Die­ser sei nicht nur Pro­zess­stoff, son­dern ju­ris­tisch zwin­gen­de Vor­aus­set­zung

 

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der Ar­beit­ge­ber­stel­lung der Be­klag­ten zu 1. So­weit die Kläge­rin un­ter Be­ru­fung auf § 12 KSchG ausführe, dass zwei wirk­sa­me Abeits­verhält­nis­se be­ste­hen könn­ten, über­se­he sie, dass es hier um das­sel­be Ar­beits­verhält­nis ge­he, bei dem nur die Be­klag­te zu 1. oder die Be­klag­te zu 2. Ar­beit­ge­be­rin sein könne, nicht aber bei­de gleich­zei­tig. Je­den­falls aber sei die Be­ru­fung der Kläge­rin aus die­sen Erwägun­gen rechts­miss­bräuch­lich und un­be­gründet. Un­be­gründet sei die Be­ru­fung fer­ner, weil das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend fest­ge­stellt ha­be, dass der Be­trieb zum 1. April 2011 durch Be­triebsüber­gang von der Be­klag­ten zu 2. auf die Be­klag­te zu 1. über­ge­gan­gen sei. Es stel­le zu­tref­fend auf die Kri­te­ri­en der Recht­spre­chung ab und kom­me in An­wen­dung der­sel­ben zu dem rich­ti­gen Er­geb­nis. Zu­tref­fend ha­be das Ar­beits­ge­richt fest­ge­stellt, dass die wirt­schaft­li­che Ein­heit un­ter Wah­rung ih­rer Iden­tität zum 1. April 2011 durch Rechts­geschäft von der Be­klag­ten zu 2. auf die Be­klag­te zu 1. über­tra­gen wor­den sei, und ha­be als ent­schei­den­des Kri­te­ri­um für den Be­triebsüber­gang die tatsächli­che Wei­terführung der Geschäftstätig­keit ge­nannt. Zu Recht ha­be das Ar­beits­ge­richt für die Er­lan­gung der Or­ga­ni­sa­ti­ons- und Lei­tungs­macht auf die Ausübung des ar­beits­ge­ber­sei­ti­gen Wei­sungs­rechts ne­ben der tatsächli­chen Nut­zung des be­trieb­li­chen Funk­ti­ons­zu­sam­men­hangs ab­ge­stellt und dies mit dem Er­for­der­nis der Rechts­si­cher­heit be­gründet. Zu­tref­fend ha­be es die mit Schrift­satz vom 3. Ju­ni 2015 dar­ge­leg­ten Tat­sa­chen (Ab­rech­nung und Zah­lung der Ar­beits­ent­gel­te durch die Be­klag­te zu 1. im ei­ge­nen Na­men, Schrei­ben der Be­klag­ten zu 1. an den Be­triebs­rat, Auf­tre­ten der Be­klag­ten zu 1. ge­genüber der Ei­ni­gungs­stel­le als Ar­beit­ge­ber und dor­ti­ge An­er­ken­nung als Ar­beit­ge­ber durch den Be­triebs­rat, Auf­tre­ten ge­genüber Behörden als Ar­beit­ge­ber) be­wer­tet. Zu Recht ha­be das Ar­beits­ge­richt an­ge­nom­men, dass bei der Be­klag­ten zu 2. kein be­trieb­li­cher Be­reich ver­blie­ben sei. Die Be­haup­tung der Kläge­rin, die Be­klag­te zu 1. sei nach außen nicht als ei­ge­ner Rechts-träger auf­ge­tre­ten sei da­her eben­so falsch, wie die Be­haup­tung, die Be­triebs­mit­tel sei­en bei der Be­klag­ten zu 2. ver­blie­ben. Die­se ha­be die Nut­zungs­be­fug­nis auf die Be­klag­te zu 1. über­tra­gen. Zu­tref­fend ha­be das Ar­beits­ge­richt be­wer­tet, dass die Be­klag­te zu 1. ab 1. April 2011 für sämt­li­che Abläufe (insb. den Ver­trieb, den Auf­trags­ein­gang und al­le wei­te­ren Abläufe in der Pro­duk­ti­on und Ver­wal­tung bis zum Zah­lungs­ein­gang) ver­ant­wort­lich ge­we­sen sei. Zu Un­recht mei­ne die Kläge­rin, der Per­so­nal­lei­ter der Be­klag­ten zu 1. sei zu­gleich auch Per­so­nal­lei­ter der Be­klag­ten zu 2. Die Be-klag­te zu 2. ha­be kein Per­so­nal und beschäfti­ge kei­nen Per­so­nal­lei­ter. So­weit die Be­klag­te zu 1. die Ur­laubs­be­wil­li­gung an der Auf­trags­la­ge aus­ge­rich­tet ha­be, sei dies sach­ge­recht. Dies ma­che den Auf­trag­ge­ber nicht zum Ar­beit­ge­ber. Falsch sei die pau­scha­le Be­haup­tung, die Be­klag­te zu 1. sei „verlänger­ter Arm“ der Be­klag­ten zu 2. ge­we­sen. Nicht nach­voll­zieh­bar sei die wei­te­re Be­haup­tung, die Be­klag­te zu 1. sei „ein lei­ten­der An­ge­stell­ter der Be­klag­ten zu 2. mit ent­spre­chen­der Per­so­nal­ver­ant­wor­tung“

 

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ge­we­sen. Die Kläge­rin for­mu­lie­re An­for­de­run­gen an die Ar­beit­ge­ber­stel­lung, die kein Kon­zern­un­ter­neh­men erfüllen würde und für die es in der Rechts­ord­nung kei­ne An­knüpfung ge­be. Auch in Kon­zer­nen sei­en die Geschäftsführun­gen der abhängi­gen Ge­sell­schaf­ten nicht vollständig frei in ih­ren Ent­schei­dun­gen, son­dern an Wei­sun­gen ih­rer Ge­sell­schaf­ter ge­bun­den, und könn­ten wirt­schaft­lich vollständig abhängig sein. Un­klar sei, was die Kläge­rin mit der Be­zeich­nung „Ka­po“ mei­ne. Wei­sun­gen hätten die Ar­beit­neh­mer von der Geschäftsführung der Kom­ple­mentärin der Be­klag­ten zu 1. und von de­ren Führungs­kräften er­hal­ten. Die pau­scha­le Be­haup­tung, dass Ver­tre­ter der Be­klag­ten zu 1. Erklärun­gen im Na­men der Be­klag­ten zu 2. ab­ge­ge­ben hätten, sie völlig un­sub­stan­ti­iert und durch Tat­sa­chen wi­der­legt. Ins­be­son­de­re wer­de auf den Schrift­satz vom 3. Ju­ni 2015 Be­zug ge­nom­men, der das Ar­beits­ge­richt ver­an­lasst ha­be, den vor­lie­gen­den Fall an­ders zu ent­schei­den als die par­al­lel ge­la­ger­ten, am 8. Mai 2015 ent­schie­de­nen Fälle. Ab­ge­se­hen da­von könne auch in­fol­ge der Nicht­ausübung des Wi­der­spruchs­rechts des § 613 a Abs. 6 BGB und in­fol­ge von Ver­wir­kung nicht vom Fort­be­stand ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Be­klag­ten zu 2. aus­ge­gan­gen wer­den. Die Kla­ge ge­gen die Be­klag­te zu 2. sei rechts­miss­bräuch­lich, ih­re Rechts­ver­tei­di­gung sei durch Zeit­ab­lauf nach mehr als vier Jah­ren be­ein­träch­tigt. In al­len ge­setz-lich ge­re­gel­ten und von der Recht­spre­chung bis­her zu be­ant­wor­ten­den Fällen sei ein auf die Fest-stel­lung oder Fort­set­zung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses ge­rich­te­ter An­trag aus Gründen der Rechts­si­cher­heit nur in­ner­halb von we­ni­gen Wo­chen oder Mo­na­ten zulässig (näher da­zu vgl. S. 7 f. der Be­ru­fungs­be­ant­wor­tung). All die­sen Wer­tun­gen wi­derspräche es, wenn die Kläge­rin vier Jah­re nach Kennt­nis von dem Über­tra­gungs­vor­gang durch um­fas­sen­de Un­ter­rich­tung und außer­dem vier Mo­na­te nach ei­ner iso­lier­ten Kündi­gungs­schutz­kla­ge ge­gen die Be­klag­te zu 1. erst­mals noch die Fest­stel­lung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zur Be­klag­ten zu 2. gel­tend ma­chen könne. Die Kläge­rin ha­be dem Be­triebsüber­gang nicht in­ner­halb der Mo­nats­frist des § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB wi­der­spro­chen. Die Be­stim­mung sei be­reits un­mit­tel­bar an­wend­bar. Die Un­ter­rich­tungs­pflicht sei sub­jek-tiv de­ter­mi­niert nach dem Kennt­nis­stand des Veräußerers und des Er­wer­bers. Gin­gen die­se über-ein­stim­mend von ei­nem Be­triebsüber­gang aus, sei­en sie zur Un­ter­rich­tung ver­pflich­tet, un­abhängig da­von ob der Ar­beit­neh­mer die recht­li­che Be­wer­tung tei­le. Die Un­ter­rich­tungs­pflicht be­ste­he in Zwei­felsfällen zum Schutz der Ar­beit­neh­mer­inter­es­sen, um die­sen das Wahl­recht zu eröff­nen. Da­mit wer­de auch in solch ei­nem Fal­le wie hier die Frist aus­gelöst. Das Fort­set­zungs­ver­lan­gen des Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber könne der Ar­beit­neh­mer auch hier un­kom­pli­ziert in­ner­halb ei­nes Mo­nats zum Aus­druck brin­gen. So­wohl aus Gründen der Rechts­si­cher­heit als auch nach dem Re­ge­lungs­zweck sei die­ses Er­geb­nis ge­bo­ten. Zu­min­dest aber sei § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB ana­log an­zu­wen­den, je­den­falls aber als Zeit­mo-

 

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ment im Rah­men der Ver­wir­kung des Kla­ge­rechts (Pro­zess­ver­wir­kung) und des ma­te­ri­el­len Rechts zur Fest­stel­lung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses. Auch das Um­stands­mo­ment sei ge­ge­ben. Die Be­klag­te zu 2. ha­be nicht mehr da­mit rech­nen müssen, wie­der als Ar­beit­ge­be­rin be­trach­tet zu wer­den, ein Ver­trau­en­stat­be­stand sei ge­ge­ben. Die Kläge­rin ha­be seit dem 1. April 2011 bis April 2015 durchgängig und aus­sch­ließlich In­ter­es­se an ei­nem Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten zu 1. ge­zeigt. Trotz um­fas­sen­der Un­ter­rich­tung über den Be­triebsüber­gang ha­be sie nicht wi­der­spro­chen, son­dern ihr Wahl­recht zu­guns­ten ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Be­klag­ten zu 1. aus­geübt und dort über Jah­re wei­ter­ge­ar­bei­tet. Auch bei kei­ner an­de­ren Ge­le­gen­heit ha­be sie zum Aus­druck ge­bracht, das Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten zu 2. fort­set­zen zu wol­len. Spätes­tens die Be­triebs­rats­wahl im Jahr 2014 ha­be da­zu ei­ne an­schau­li­che Ge­le­gen­heit ge­bo­ten, wie das der Kläge­rin be­kann­te Wahl­aus­schrei­ben der Be­klag­ten zu 1. zei­ge (vgl. An­la­ge der Be­klag­ten zu 2.). Auch ha­be sich die Kläge­rin mit kei­nem ein­zi­gen ar­beits­ver­trag­li­chen An­lie­gen an die Be­klag­te zu 2. ge­wandt. Die Kläger­ver­tre­te­rin las­se un­kom­men­tiert, dass der von ih­rer So­zietät über meh­re­re Jah­re be­ra­te­ne Be­triebs­rat in Be­schluss- und Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­ren stets die Be­klag­te zu 1. als Ar­beit­ge­be­rin an­ge­spro­chen ha­be. Es lie­ge da­her ei­ne Pro­zess­ver­wir­kung vor, erst recht nach­dem die Kläge­rin ihr Kla­ge­ziel ge­genüber der Be­klag­ten zu 1. er­reicht ha­be. Durch die ver­späte­te Durch­set­zung des Rechts entstünden der Be­klag­ten zu 2. un­zu­mut­ba­re Nach­tei­le. Bei ei­ner frühe­ren Gel­tend­ma­chung wären ihr die zeit- und kos­ten­aufwändi­gen ge­richt­li­chen Aus­ein­an­der­set­zun­gen er­spart ge­blie­ben.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Par­tei­vor­brin­gens wird ergänzend auf die zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen und die Pro­to­kol­le der Ter­mi­ne zur münd­li­chen Ver­hand­lung vor der Kam­mer ers­ter und zwei­ter In­stanz Be­zug ge­nom­men.

 

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Ent­schei­dungs­gründe

I.

Die zulässi­ge Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen die Be­klag­te zu 2. ist be­gründet. Dies gilt so­wohl, so­weit sie mit ih­rer Be­ru­fung die Fest­stel­lung des Be­ste­hens ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen ihr und der Be­klag­ten zu 2. be­gehrt, als auch, so­weit sie da­mit de­ren Ver­ur­tei­lung zu ih­rer Wei­ter­beschäfti­gung ver­langt.

1. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen die Be­klag­te zu 2. ist zulässig, ins­be­son­de­re ist sie gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. b und c ArbGG statt­haft und wur­de gemäß §§ 66 Abs. 1 Sätze 1 und 5, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 1 und 3 ZPO frist- und form­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet. So­weit die Be­klag­te zu 2. die Zulässig­keit der Be­ru­fung in An­be­tracht des - im Hin­blick auf die Be­klag­te zu 1. - rechts­kräfti­gen erst­in­stanz­li­chen Ur­teils in Ab­re­de stellt, kann dem nicht ge­folgt wer­den. Ei­ne et­wai­ge ent­ge­gen­ste­hen­de Rechts­kraft stünde ei­ner Zulässig­keit der Klag­anträge der Kläge­rin ent­ge­gen, nicht aber der Zulässig­keit ih­rer Be­ru­fung. Die Kläge­rin ist durch das - im Hin­blick auf die Be­klag­te zu 2. - klag­ab­wei­sen­de erst­in­stanz­li­che Ur­teil frag­los be­schwert, ih­re Be­ru­fung kann mit­hin mit die­ser Ar­gu­men­ta­ti­on nicht in Fra­ge ge­stellt wer­den.

2. Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen die Be­klag­te zu 2. ist auch be­gründet. So­wohl ihr Fest­stel­lungs­an­trag, mit dem sie die Fest­stel­lung be­gehrt, dass zwi­schen ihr und der Be­klag­ten zu 2. über den 31. März 2011 hin­aus ein Ar­beits­verhält­nis be­steht, als auch ihr Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag, mit dem sie die Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zu 2. er­strebt, sie zu un­veränder­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Rechts­streits als ge­werb­li­che Ar­beit­neh­me­rin wei­ter zu beschäfti­gen, ist zulässig und auch in der Sa­che be­gründet.

a) Der all­ge­mei­ne Fest­stel­lungs­an­trag der Kläge­rin gemäß § 256 Abs. 1 ZPO, wo­nach fest­ge­stellt wer­den soll, dass zwi­schen ihr und der Be­klag­ten zu 2. über den 31. März 2011 hin­aus ein Ar­beits­verhält­nis be­steht, ist zulässig und be­gründet.

aa) Die­ser An­trag - dies sei zunächst an­ge­merkt - ist so zu ver­ste­hen, dass da­mit die Fest­stel­lung be­gehrt wird, dass zwi­schen ihr und der Be­klag­ten zu 2. über den 31. März 2011 hin­aus im Zeit­punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung in der Tat­sa­chen­in­stanz, dh. in der Be­ru­fungs­in­stanz, ein Ar­beits­verhält­nis be­steht. An­ders als in den Fällen, in de­nen die Be­klag­te zu 2. ge­gen ar­beits­ge­richt­li­che Ur­tei­le vom 8. Mai 2015 Be­ru­fung ein­leg­te (vgl. da­zu et­wa LAG Ba­den-Würt­tem­berg

 

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26. Fe­bru­ar 2015 - 17 Sa 58/15), ist der An­trag hier nicht zeit­lich be­schränkt - auf ei­nen Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses über den 31. März 2011 hin­aus bis zum Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung ers­ter In­stanz - zu ver­ste­hen. Hier stellt sich die Fra­ge nicht, ob der Vor­trag der Kläge­rin als An­schluss­be­ru­fung zu be­wer­ten ist, sie ist selbst Be­ru­fungsführe­rin. Auch exis­tiert vor­lie­gend kei­ne vor­sorg­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten zu 2., bezüglich der ein Ver­fah­ren vor dem Ar­beits­ge­richt anhängig wäre. Ein zeit­lich be­schränk­tes An­trags­verständ­nis wäre dem­gemäß nicht sach­ge­recht.

bb) Der in die­sem Sin­ne zu ver­ste­hen­de Fest­stel­lungs­an­trag der Kläge­rin iSv. § 256 Abs. 1 ZPO genügt den An­for­de­run­gen an die Zulässig­keit. Ins­be­son­de­re ist er nicht we­gen ent­ge­gen­ste­hen­der Rechts­kraft, Pro­zess­ver­wir­kung oder feh­len­dem Fest­stel­lungs­in­ter­es­se un­zulässig.

aaa) Das Fest­stel­lungs­be­geh­ren der Kläge­rin ist nicht we­gen ent­ge­gen­ste­hen­der Rechts­kraft iSd. § 322 Abs. 1 ZPO un­zulässig. Ei­ne sol­che er­gibt sich nicht aus dem - in Be­zug auf die Be­klag­te zu 1. - rechts­kräfti­gen Sa­chur­teil des Ar­beits­ge­richts, mit dem fest­ge­stellt wur­de, dass das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin mit der Be­klag­ten zu 1. durch die Kündi­gung der Be­klag­ten zu 1. vom 28. Ok­to­ber 2014 nicht be­en­det wur­de. Zu den am 8. Mai 2015 ent­schie­de­nen Par­al­lelfällen, in de­nen die Be­klag­te zu 1. in den Be­ru­fungs­ver­fah­ren die Kündi­gungs­schutz­anträge der dor­ti­gen Kläger an­er­kannt hat, wor­auf je­weils Tei­la­n­er­kennt­nis­ur­teil er­ging, hat das Ge­richt in den Zwangs­voll­stre­ckungs­be­schlüssen be­reits das Fol­gen­de aus­geführt (vgl. et­wa LAG Ba­den-Würt­tem­berg 9. No­vem­ber 2015 - 18 Ta 18/15):

„Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten Ziff. 2 steht mit dem An­er­kennt­nis der Be­klag­ten Ziff. 1, auch wenn die­ses in Rechts­kraft er­wach­sen soll­te, nicht fest, dass die Kla­ge ge­genüber der Be­klag­ten Ziff. 2 zwangsläufig un­zulässig (…) ist. Rich­tig ist zwar, dass bei ma­te­ri­el­ler Prüfung der Kla­ge ent­we­der die Anträge ge­gen die Be­klag­te Ziff. 1 oder aber die­je­ni­gen ge­gen die Be­klag­te Ziff. 2 ab­zu­wei­sen wären. Da bei ei­nem An­er­kennt­nis aber ge­ra­de kei­ne Schlüssig­keits- und Be­gründet­heits­prüfung statt­fin­det, son­dern bei zulässi­gen Anträgen oh­ne wei­te­re Prüfung dem An­er­kennt­nis gemäß ver­ur­teilt wird, be­steht in die­sem Fall ge­ra­de kein Aus­schluss­verhält­nis. Er­wie­se sich die Rechts­auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts, dass das Ar­beits­verhält­nis nicht auf die Be­klag­te Ziff. 1 über­ge­gan­gen, son­dern bei der Be­klag­ten Ziff. 2 ver­blie­ben ist, als zu­tref­fend, wäre das Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht ge­hin­dert, das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil in­so­weit zu bestäti­gen. So­weit das zu er­las­sen­de An-er­kennt­nis­ur­teil in Rechts­kraft er­wach­sen soll­te, wirkt die­se nur in­ter par­tes im

 

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Verhält­nis zwi­schen Kläger und Be­klag­ter Ziff. 1. Die von der Be­klag­ten Ziff. 2 an­ge­nom­me­ne Präklu­si­on be­steht nicht.“

In den die Fälle vom 8. Mai 2015 be­tref­fen­den Be­ru­fungs­ur­tei­len hat die Kam­mer wei­ter aus­geführt (vgl. et­wa LAG Ba­den-Würt­tem­berg 26. Fe­bru­ar 2015 - 17 Sa 58/15):

„An die­ser Auf­fas­sung hält die Kam­mer fest. In Ergänzung die­ser Be­gründung ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass, wenn in Be­triebsüber­g­angsfällen der (ver­meint­li­che) Be­triebs­veräußerer und der (ver­meint­li­che) Be­triebs­er­wer­ber in ei­nem Ver­fah­ren ver­klagt wer­den - wie es hier der Fall war -, die­se le­dig­lich ein­fa­che Streit­ge­nos­sen iSd. §§ 59, 60 ZPO und nicht et­wa not­wen­di­ge Streit­ge­nos­sen iSd. § 62 ZPO sind (vgl. BAG 22. Au­gust 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 37; 24. Ju­ni 2004 - 2 AZR 215/03 - Rn. 26; 25. April 1996 - 5 AS 1/96 - Rn. 31). Ei­ne not­wen­di­ge Streit­ge­nos­sen­schaft ent­steht nämlich nicht al­lein da­durch, dass in ver­schie­de­nen Rechts­strei­tig­kei­ten bzw. in ver­schie­de­nen Pro­zess­rechts­verhält­nis­sen in ei­nem Ver­fah­ren die­sel­be (Vor-)Fra­ge von Be­deu­tung ist, wie et­wa die Fra­ge, ob ein Be­triebsüber­gang vor­ge­le­gen hat (vgl. BAG 22. Au­gust 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 37). Liegt dem­gemäß ei­ne ein­fa­che Streit­ge­nos­sen­schaft vor, wur­den die ge­gen die bei­den Be­klag-ten ge­rich­te­ten Kla­gen le­dig­lich aus Gründen der pro­zes­sua­len Zweckmäßig­keit in ei­nem ein­heit­li­chen Ver­fah­ren zu­sam­men­ge­fasst, in wel­chem je­doch die Ent­schei­dung - aus pro­zes­sua­len Gründen - ge­gen den ei­nen Streit­ge­nos­sen an­ders lau­ten kann als die­je­ni­ge ge­gen den an­de­ren Streit­ge­nos­sen (vgl. BAG 25. April 1996 - 5 AS 1/96 - Rn. 31). Ei­ne Rechts­kraf­ter­stre­ckung bei ein­fa­cher Streit­ge­nos­sen­schaft, wie sie hier zwi­schen den Be­klag­ten zu 1. und zu 2. vor­lag, er­folgt nicht. Al­lein dass aus Gründen der Lo­gik ei­ne ein­heit­li­che Ent­schei­dung wünschens­wert wäre, genügt nicht für die An­nah­me ei­ner Rechts­kraf­ter­stre­ckung. Le­dig­lich an­ge­merkt sei, dass es die Be­klag­ten selbst in der Hand ge­habt hätten, ei­ne Fest­stel­lung von Ar­beits­verhält­nis­sen mit bei­den Be­klag­ten im Fal­le des Nicht­vor­lie­gens ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges zu ver­mei­den. Hätte die Be­klag­te zu 1. den ge­gen sie ge­rich­te­ten punk­tu­el­len Kündi­gungs­schutz­an­trag nicht an­er­kannt, wäre die­ser - wie be­reits vom Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend er­kannt und be­gründet - ab­zu­wei­sen ge­we­sen. Da ei­ne sub­jek­tiv be­ding­te Kla­gehäufung un­zulässig ist und ei­ne al­ter­na­ti­ve An­trag­stel­lung durch den Kläger, wie sie die Be­klag­te zu 2. als zweckmäßig er­ach­tet (ne­ga­ti­ve Fest­stel­lungs­kla­ge ge­gen die Be­klag­te zu 1., dass mit ihr kein Ar­beits­verhält­nis be­ste­he, hilfs­wei­se punk­tu­el­le Kündi­gungs­schutz­kla­ge ge­gen die Be­klag­te zu 1. so­wie Kla­ge auf Fest­stel­lung des Be­ste­hens ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Be­klag­ten zu 2.; vgl. Ha­Ko-

 

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Mest­werdt/Wem­heu­er 5. Aufl. § 613a BGB Rn. 212), ih­rer­seits mit er­heb­li­chen Ri­si­ken für den Kläger ver­bun­den ist, wie das Bun­des­ar­beits­ge­richt jüngst auf­ge­zeigt hat (vgl. BAG 24. Sep­tem­ber 2015 - 2 AZR 562/14 - Rn. 21), ist es nach­voll­zieh­bar, dass der Kläger den Weg ei­ner un­be­ding­ten sub­jek­ti­ven Kla­gehäufung, wie sie hier vor­lag, be­schrit­ten hat. Das Er­geb­nis der Fest­stel­lung von Ar­beits­verhält­nis­sen mit bei­den Be­klag­ten im Fal­le des Nicht­vor­lie­gens ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges ist da­her nicht ei­ner nicht nach­voll­zieh­ba­ren An­trag­stel­lung des Klägers, son­dern der Pro­zesstak­tik der Be­klag­ten ge­schul­det.“

Die­se ergänzen­de Be­gründung macht deut­lich, dass in­so­weit nicht zwi­schen Tei­la­n­er­kennt­nis­ur­teil und Sa­chur­teil un­ter­schie­den wer­den kann. Auch bei ei­nem Sa­chur­teil kann aus den ge­nann­ten Gründen - bei der hier vor­lie­gen­den ein­fa­chen Streit­ge­nos­sen­schaft - kei­ne Rechts­kraf­ter­stre­ckung an­ge­nom­men wer­den. Auch hier sei an­ge­merkt, dass es die Be­klag­ten selbst in der Hand ge­habt hätten, ei­ne Fest­stel­lung von Ar­beits­verhält­nis­sen mit bei­den Be­klag­ten im Fal­le des Nicht­vor­lie­gens ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges zu ver­mei­den. Hätte die Be­klag­te zu 1. Be­ru­fung ge­gen das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil ein­ge­legt, wären die ge­gen sie ge­rich­te­ten Anträge vom Be­ru­fungs­ge­richt man­gels Be­ste­hens ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Be­klag­ten zu 1. im Zeit­punkt ih­rer Kündi­gung ab­zu­wei­sen ge­we­sen.

bbb) Der Fest­stel­lun­g­an­trag der Kläge­rin ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten zu 2. nicht we­gen Pro­zess­ver­wir­kung un­zulässig.

(1) Nach ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts kann das Recht, ei­ne Kla­ge zu er-he­ben, ver­wirkt wer­den mit der Fol­ge, dass ei­ne den­noch er­ho­be­ne Kla­ge un­zulässig ist. Dies kommt je­doch nur un­ter be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen in Be­tracht. Das Kla­ge­recht soll aus­nahms­wei­se ver­wir­ken können, wenn der An­spruch­stel­ler die Kla­ge erst nach Ab­lauf ei­nes länge­ren Zeit­raums er­hebt und zusätz­lich ein Ver­trau­en­stat­be­stand beim An­spruchs­geg­ner ge­schaf­fen wor­den ist, dass er ge­richt­lich nicht mehr be­langt wer­de. Hier­bei muss das Er­for­der­nis des Ver­trau­ens­schut­zes das In­ter­es­se des Be­rech­tig­ten an der sach­li­chen Prüfung des von ihm be­haup­te­ten An­spruchs der­art über­wie­gen, dass dem Geg­ner die Ein­las­sung auf die nicht in­ner­halb an­ge­mes­se­ner Frist er­ho­be­ne Kla­ge nicht mehr zu­mut­bar ist. Durch die An­nah­me ei­ner pro­zes­sua­len Ver­wir­kung darf der Weg zu den Ge­rich­ten nicht in un­zu­mut­ba­rer, aus Sach­gründen nicht zu recht­fer­ti­gen­den Wei­se er­schwert wer­den. Dies ist im Zu­sam­men­hang mit den an das Zeit- und Um­stands­mo­ment zu stel­len­den An­for­de­run­gen zu berück­sich­ti­gen (vgl. et­wa BAG 20. April 2011 - 4 AZR 368/09 - Rn. 23; 10. Ok­to­ber 2007 - 7 AZR 448/06 - Rn. 17).

 

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(2) Die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Pro­zess­ver­wir­kung lie­gen im Streit­fall nicht vor. Der Be­klag­ten zu 2. ist die Ein­las­sung auf das Kla­ge­be­geh­ren der Kläge­rin nicht un­zu­mut­bar. Da­bei kann da­hin­ste­hen, ob das Recht, sich auf den Be­stand ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zu be­ru­fen, in Ge­stalt ei­ner Pro­zess­ver­wir­kung über­haupt ver­wir­ken kann (of­fen­las­send bzgl. der ma­te­ri­ell-recht­li­chen Ver­wir­kung BAG 13. Au­gust 2008 - 7 AZR 269/07 - Rn. 36 mwN) und ob das Zeit­mo­ment erfüllt ist, nach­dem die Kläge­rin das Fort­be­ste­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Be­klag­ten zu 2. erst­mals vier Jah­re nach dem be­haup­te­ten Be­triebsüber­gang auf die Be­klag­te zu 1. gel­tend ge­macht hat. Je­den­falls fehlt es an dem für ei­ne Pro­zess­ver­wir­kung er­for­der­li­chen Um­stands­mo­ment. Ein Ver­hal­ten der Kläge­rin, aus dem die Be­klag­te zu 2. ein be­rech­tig­tes Ver­trau­en hätte ab­lei­ten können, die­se sei in Kennt­nis ei­nes ihr zu­ste­hen­den Rechts untätig ge­blie­ben, ist nicht er­sicht­lich. Es gibt kei­ne An­halts­punk­te dafür, dass der Kläge­rin be­kannt war, dass in Wirk­lich­keit zum 1. April 2011 kein Be­triebsüber­gang statt­ge­fun­den hat und sie in Kennt­nis des­sen untätig ge­blie­ben ist. Sie durf­te viel­mehr - in­fol­ge der Un­ter­rich­tung nach § 613 a Abs. 5 BGB durch die Be­klag­te zu 2. - ge­ra­de da­von aus­ge­hen, dass ein sol­cher er­folgt ist. Da­bei war sie nicht ver­pflich­tet, das Un­ter­rich­tungs-schrei­ben auf sei­ne sach­li­che Rich­tig­keit zu über­prüfen und die Be­klag­te zu 2. auf de­ren möglich-er­wei­se feh­ler­haf­te Rechts­auf­fas­sung hin­zu­wei­sen. Sie konn­te viel­mehr da­von aus­ge­hen, dass die Be­klag­te zu 2. sie ent­spre­chend ih­rer ge­setz­li­chen Ver­pflich­tung nach § 613 a Abs. 5 BGB zu­tref­fend un­ter­rich­tet hat. Al­lein aus der wi­der­spruchs­frei­en Ver­trags­durchführung in der Fol­ge­zeit, et­wa durch ih­re Wei­ter­ar­beit bei der Be­klag­ten zu 1. oder bspw. durch ei­ne et­wai­ge Teil­nah­me an der Be­triebs­rats­wahl bei der Be­klag­ten zu 1. im Jahr 2014, kann ein Um­stands­mo­ment nicht her­ge­lei­tet wer­den. Die Kläge­rin hat letzt­lich nur nach­voll­zo­gen, was ihr in dem Un­ter­rich­tungs­schrei­ben anläss­lich des be­haup­te­ten Be­triebsüber­gangs von der Be­klag­ten zu 2. als be­ste­hen­de Rechts­la­ge mit­ge­teilt wur­de. Es fehlt an ei­ner be­son­de­ren ver­trau­ens­be­gründen­den Ver­hal­tens­wei­se der Kläge­rin, mit der sie ge­genüber der Be­klag­ten zu 2. den An­schein hätte er­we­cken können, sie wer­de sich auf den Fort­be­stand ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses mit ihr nicht mehr be­ru­fen (vgl. da­zu BAG 22. Fe­bru­ar 2012 - 4 AZR 3/10 - Rn. 32). Die Be­klag­te zu 2. muss­te da­mit rech­nen im Fal­le der Li­qui­da­ti­on der Be­klag­ten zu 1. und im Fal­le von dar­auf gestütz­ten Kündi­gun­gen, von den Gekündig­ten als Ar­beit­ge­ber in An­spruch ge­nom­men zu wer­den, zu­mal das Vor­lie­gen ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges be­reits im Jahr 2012 in ei­nem ver­gleichs­wei­se bei­ge­leg­ten Rechts­streit vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg - 6 Sa 31/12 - the­ma­ti­siert wur­de. Auch wenn der Vor-sit­zen­de der 6. Kam­mer da­mals dar­auf hin­ge­wie­sen ha­ben mag, dass von ei­nem Be­triebsüber­gang auf die Be­klag­te zu 1. aus­zu­ge­hen sei, muss­te die Be­klag­te zu 2. da­mit rech­nen, dass gekündig­te Ar­beit­neh­mer ei­ne an­de­re Rechts­auf­fas­sung ver­tre­ten und die­se ei­ner

 

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ge­richt­li­chen Klärung zuführen, nach­dem der Über­tra­gungs­vor­gang - so ihr ei­ge­ner Vor­trag in den Par­al­lel­ver­fah­ren - „mögli­cher­wei­se ein Grenz­fall“ ist. So­weit die Be­klag­te zu 2. anführt, sie ha­be die tatsächli­che Hand­ha­bung des Be­triebsführungs­ver­tra­ges über meh­re­re Jah­re nicht im Ein­zel­nen do­ku­men­tiert, wie dies na­he ge­le­gen hätte, wäre die­ser von An­fang an strei­tig ge­we­sen, so dass ih­re Rechts­ver­tei­di­gung be­ein­träch­tigt sei, ist dies be­reits des­halb un­er­heb­lich, weil die Kläge­rin - wie dar­ge­legt - kei­ne be­son­de­re ver­trau­ens­be­gründen­de Ver­hal­tens­wei­se an den Tag ge­legt hat. Im Übri­gen kommt zum ei­nen hin­zu, dass die tatsächli­che Hand­ha­bung des Be­triebsführungs­ver­tra­ges wei­test­ge­hend un­strei­tig ist, so dass in ei­ner et­waig feh­len­den Do­ku­men­ta­ti­on kei­ne Be­ein­träch­ti­gung der Rechts­ver­tei­di­gung lie­gen kann. Ab­ge­se­hen da­von geht das Bun­des­ar­beits­ge­richt da­von aus, dass Be­weis­schwie­rig­kei­ten, de­nen der Ver­pflich­te­te des­halb aus­ge­setzt ist, weil der Gläubi­ger sei­ne Rech­te erst nach länge­rer Zeit gel­tend macht, den Ein­wand der Pro­zess­ver­wir­kung grundsätz­lich nicht recht­fer­ti­gen (vgl. BAG 10. Ok­to­ber 2007 - 7 AZR 448/06 - Rn. 19). So­weit die Be­klag­te zu 2. dar­auf hin­weist, dass sie Dis­po­si­tio­nen ge­trof­fen ha­be, in­dem sie wei­te­re Ge­sell­schaf-ten mit der Lohn­fer­ti­gung und Dienst­leis­tun­gen be­auf­tragt ha­be, ist auch dies schon des­we­gen ir­re­le­vant, da die Kläge­rin kei­ne be­son­de­re ver­trau­ens­be­gründen­de Ver­hal­tens­wei­se ge­zeigt hat, die Auslöser hierfür ge­we­sen sein könn­te. So­weit die Be­klag­te zu 2. schließlich an­merkt, die Kläge­rin ha­be un­pro­ble­ma­tisch im Jahr 2011 ei­nem Be­triebsüber­gang wi­der­spre­chen können, wenn sie das Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten zu 2. ha­be fort­set­zen wol­len, ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass ihr dann be­reits da­mals die Kündi­gung ge­droht hätte. Schon in § 3 Ziff. 5 des In­ter­es­sen­aus­gleichs vom 28. Ok­to­ber 2010 heißt es, dass bei ei­nem Wi­der­spruch da­mit ge­rech­net wer­den muss, dass der Ar­beits­platz gefähr­det ist. Der ein­zig wi­der­spre­chen­de Ar­beit­neh­mer er­hielt da­mals of­fen­bar auch ei­ne Kündi­gung. Ver­an­las­sung für die Kläge­rin, die Be­klag­te zu 2. in An­spruch zu neh­men, be­stand erst nach der Kündi­gung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses durch die Be­klag­te zu 1., im Zu­ge des hier­ge­gen an­ge­streng­ten Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses hat sie dies ge­tan.

ccc) Sch­ließlich ist der Fest­stel­lungs­an­trag der Kläge­rin auch nicht man­gels Fest­stel­lungs­in­ter­es­ses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO un­zulässig. Da die Be­klag­te zu 2. das Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis-ses mit ihr über den 31. März 2011 hin­aus bis zum Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung in der Tat­sa­chen­in­stanz in Ab­re­de stellt, be­steht ein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se. So­weit die Be­klag­te zu 2. den An­trag als „wi­dersprüchlich“ und „rechts­miss­bräuch­lich“ be­zeich­net und da­mit mögli­cher­wei­se das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se (oder das Rechts­schutz­bedürf­nis) in Ab­re­de stel­len will, ist dies nicht plau­si­bel. Dass das pro­zes­sua­le Vor­ge­hen der Kläge­rin nach­voll­zieh­bar er­scheint, wur­de be­reits im Rah­men der Erörte­run­gen zur Rechts­kraft und zur Pro­zess­ver­wir­kung auf­ge­zeigt.

 

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cc) Der Fest­stel­lun­g­an­trag der Kläge­rin ist auch in der Sa­che be­gründet. An­trags­gemäß war fest-zu­stel­len, dass zwi­schen ihr und der Be­klag­ten zu 2. über den 31. März 2011 hin­aus ein Ar­beits­verhält­nis be­steht. Da sons­ti­ge Be­en­di­gungs­tat­bestände nicht im Streit ste­hen, folgt dies dar­aus, dass das un­strei­tig bis zum 31. März 2011 mit der Be­klag­ten zu 2. be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis nicht zum 1. April 2011 - oder zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt im streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum - von der Be­klag­ten zu 2. auf die Be­klag­te zu 1. im We­ge ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB über­ge­gan­gen ist. Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Be­triebsüber­gang sind nicht ge­ge­ben, das Ar­beits­verhält­nis ver­blieb bei der Be­klag­ten zu 2. Die Be­ru­fung der Kläge­rin auf den Fort­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Be­klag­ten zu 2. ist ma­te­ri­ell-recht­lich we­der ver­fris­tet noch ver­wirkt mit der Fol­ge, dass ihr Fest­stel­lungs­an­trag be­gründet ist.

aaa) Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Be­triebsüber­gang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB sind nicht ge­ge­ben, das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin ver­blieb über den 31. März 2011 hin­aus bis zum Zeit-punkt der letz­ten münd­li­chen Ver­hand­lung in der Tat­sa­chen­in­stanz bei der Be­klag­ten zu 2, es ging nicht auf die Be­klag­te zu 1. über. Denn es fehlt be­reits an ei­nem für ei­nen Be­triebsüber­gang zwin­gend er­for­der­li­chen Be­triebs­in­ha­ber­wech­sel. Ob die übri­gen Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Be­triebsüber­gang ge­ge­ben sind, be­darf an­ge­sichts des­sen kei­ner Erörte­rung.

(1) Ein Be­triebsüber­gang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB und im Sin­ne der Richt­li­nie 2001/23/EG liegt vor, wenn ein neu­er Recht­sträger ei­ne be­ste­hen­de wirt­schaft­li­che Ein­heit un­ter Wah­rung ih­rer Iden­tität fortführt (vgl. EuGH 6. März 2014 - C-458/12 - [Ama­to­ri ua.] Rn. 30 mwN; BAG 22. Ja­nu­ar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 13). Da­bei muss es um ei­ne auf Dau­er an­ge­leg­te Ein­heit ge­hen, de­ren Tätig­keit nicht auf die Ausführung ei­nes be­stimm­ten Vor­ha­bens be­schränkt ist. Um ei­ne sol­che Ein­heit han­delt es sich bei je­der hin­rei­chend struk­tu­rier­ten und selbständi­gen Ge­samt­heit von Per­so­nen und Sa­chen zur Ausübung ei­ner wirt­schaft­li­chen Tätig­keit mit ei­ge­nem Zweck (vgl. EuGH 6. März 2014 - C-458/12 - Ama­to­ri ua.] Rn. 31 f. mwN; BAG 22. Ja­nu­ar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 14). Den für das Vor­lie­gen ei­nes Über­gangs maßge­ben­den Kri­te­ri­en kommt je nach der aus­geübten Tätig­keit und je nach den Pro­duk­ti­ons- oder Be­triebs­me­tho­den un­ter­schied­li­ches Ge­wicht zu (vgl. EuGH 15. De­zem­ber 2005 - C-232/04 und C-233/04 - [Güney-Görres und De­mir] Rn. 35; BAG 22. Ja­nu­ar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 15). Bei der Prüfung, ob ei­ne sol­che Ein­heit ih­re Iden­tität be­wahrt, müssen sämt­li­che den be­tref­fen­den Vor­gang kenn­zeich­nen­den Tat­sa­chen berück­sich­tigt wer­den. Da­zu gehören na­ment­lich die Art des Un­ter­neh­mens oder Be­triebs, der et­wai­ge Über­gang der ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel wie Gebäude und be­weg­li­che Güter, der Wert der im­ma­te­ri­el­len Ak­ti­va im Zeit­punkt des Über­gangs, die et­wai­ge Über­nah­me der

 

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Haupt­be­leg­schaft durch den neu­en In­ha­ber, der et­wai­ge Über­gang der Kund­schaft so­wie der Grad der Ähn­lich­keit zwi­schen den vor und nach dem Über­gang ver­rich­te­ten Tätig­kei­ten und die Dau­er ei­ner even­tu­el­len Un­ter­bre­chung die­ser Tätig­kei­ten. Die­se Umstände sind je­doch nur Teil­as­pek­te der vor­zu­neh­men­den Ge­samt­be­wer­tung und dürfen des­halb nicht iso­liert be­trach­tet wer­den (vgl. EuGH 20. Ja­nu­ar 2011 - C-463/09 - [CLE­CE] Rn. 34; BAG 22. Ja­nu­ar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 15).

(2) Kommt es im We­sent­li­chen auf die men­sch­li­che Ar­beits­kraft an, kann ei­ne struk­tu­rier­te Ge­samt­heit von Ar­beit­neh­mern trotz des Feh­lens nen­nens­wer­ter ma­te­ri­el­ler oder im­ma­te­ri­el­ler Vermögens­wer­te ei­ne wirt­schaft­li­che Ein­heit dar­stel­len. Wenn ei­ne Ein­heit oh­ne nen­nens­wer­te Vermögens­wer­te funk­tio­niert, kann die Wah­rung ih­rer Iden­tität nach ih­rer Über­nah­me nicht von der Über­nah­me der­ar­ti­ger Vermögens­wer­te abhängen. Die Wah­rung der Iden­tität der wirt­schaft­li­chen Ein­heit ist in die­sem Fall an­zu­neh­men, wenn der neue Be­triebs­in­ha­ber nicht nur die be­tref­fen­de Tätig­keit wei­terführt, son­dern auch ei­nen nach Zahl und Sach­kun­de we­sent­li­chen Teil des Per­so­nals über­nimmt (vgl. EuGH 6. Sep­tem­ber 2011 - C-108/10 - [Scat­to­lon] Rn. 49; BAG 22. Ja­nu­ar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 16). Hin­ge­gen stellt die bloße Fortführung der Tätig­keit durch ei­nen an-de­ren (Funk­ti­ons­nach­fol­ge) eben­so we­nig ei­nen Be­triebsüber­gang dar wie die rei­ne Auf­trags­nach-fol­ge (vgl. EuGH 20. Ja­nu­ar 2011 - C-463/09 - [CLE­CE] Rn. 36 und 415; BAG 22. Ja­nu­ar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 18). Ei­ne wirt­schaft­li­che Ein­heit darf nicht als bloße Tätig­keit ver­stan­den wer­den (vgl. EuGH 20. Ja­nu­ar 2011 - C-463/09 - [CLE­CE] Rn. 41, BAG 22. Au­gust 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 41). Kommt es im We­sent­li­chen auf die Be­triebs­mit­tel wie et­wa das In­ven­tar an, dann kann ein Über­gang ei­ner ih­re Iden­tität be­wah­ren­den Ein­heit auch oh­ne Über­nah­me von Per­so­nal vor­lie­gen (vgl. EuGH 20. No­vem­ber 2003 - C-340/01 - [Ab­ler ua.] Rn. 37; BAG 22. Ja­nu­ar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 17). Oh­ne Be­deu­tung ist, ob das Ei­gen­tum an den ein­ge­setz­ten Be­triebs­mit­teln über-tra­gen wor­den ist (vgl. EuGH 20. No­vem­ber 2003 - C-340/01 - [Ab­ler ua.] Rn. 41; BAG 22. Ja­nu­ar 2015 - 8 AZR 139/14 - Rn. 17).

(3) We­sent­li­che Ände­run­gen in der Or­ga­ni­sa­ti­on, der Struk­tur oder im Kon­zept der be­trieb­li­chen Tätig­keit können ei­ner Wah­rung der Iden­tität ent­ge­gen­ste­hen. So spricht ei­ne Ände­rung des Be­triebs­zwecks ge­gen ei­ne im We­sent­li­chen un­veränder­te Fortführung des Be­trie­bes und da­mit ge-gen die für ei­nen Be­triebsüber­gang er­for­der­li­che Wah­rung der Iden­tität der wirt­schaft­li­chen Ein­heit (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 8 AZR 207/12 - Rn. 24; 22. Au­gust 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 43). Ein Be­triebsüber­gang schei­det auch aus, wenn die funk­tio­nel­le Ver­knüpfung der Wech­sel­be­zie­hung und ge­gen­sei­ti­gen Ergänzung zwi­schen den Pro­duk­ti­ons­fak­to­ren beim an­de­ren Un­ter­neh-

 

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mer ver­lo­ren geht. Bei ei­ner Ein­glie­de­rung der über­tra­ge­nen Ein­heit in die Struk­tur des Er­wer­bers fällt der Zu­sam­men­hang die­ser funk­tio­nel­len Ver­knüpfung der Wech­sel­be­zie­hung und ge­gen­sei­ti­gen Ergänzung zwi­schen den für ei­nen Be­triebsüber­gang maßgeb­li­chen Fak­to­ren nicht zwangsläufig weg. Die Bei­be­hal­tung der „or­ga­ni­sa­to­ri­schen Selbstständig­keit“ ist nicht er­for­der­lich, wohl aber die Bei­be­hal­tung des Funk­ti­ons- und Zweck­zu­sam­men­hangs zwi­schen den ver­schie­de­nen über­tra­ge­nen Fak­to­ren, der es dem Er­wer­ber er­laubt, die­se Fak­to­ren, auch wenn sie in ei­ne an­de­re Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur ein­ge­glie­dert wer­den, zur Ver­fol­gung ei­ner be­stimm­ten wirt­schaft­li­chen Tätig­keit zu nut­zen (vgl. EuGH 12. Fe­bru­ar 2009 - C-466/07 - [Kla­ren­berg] - Rn. 48; BAG 22. Au­gust 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 44)

(4) Der Be­triebsüber­gang tritt mit dem Wech­sel in der Per­son des In­ha­bers des Be­triebs ein. Der bis­he­ri­ge Be­triebs­in­ha­ber muss sei­ne wirt­schaft­li­che Betäti­gung in dem Be­trieb ein­stel­len, der Über­neh­mer muss die Geschäftstätig­keit tatsächlich wei­terführen oder wie­der auf­neh­men (vgl. BAG 27. Sep­tem­ber 2012 - 8 AZR 826/11 - Rn. 21; 31. Ja­nu­ar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn. 28). Ent­schei­den­des Kri­te­ri­um für den Be­triebsüber­gang ist die tatsächli­che Wei­terführung oder Wie­der­auf­nah­me der Geschäftstätig­keit. Ei­ner be­son­de­ren Über­tra­gung ei­ner ir­gend­wie ge­ar­te­ten Lei­tungs­macht be­darf es we­gen des Merk­mals der Fortführung des Be­triebs nicht (vgl. BAG 27. Sep­tem­ber 2012 - 8 AZR 826/11 - Rn. 21; 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27). Al­ler­dings tritt der Wech­sel der In­ha­ber­schaft nicht ein, wenn der neue „In­ha­ber” den Be­trieb gar nicht führt (vgl. BAG 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27). Maßgeb­lich ist die Wei­terführung der Geschäftstätig­keit durch die­je­ni­ge Per­son, die nun­mehr für den Be­trieb als In­ha­ber „ver­ant­wort­lich“ ist (vgl. BAG 27. Sep­tem­ber 2012 - 8 AZR 826/11 - Rn. 21; 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27; 31. Ja­nu­ar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn. 28). Ver­ant­wort­lich ist die Per­son, die den Be­trieb im ei­ge­nen Na­men führt und nach außen als Be­triebs­in­ha­ber auf­tritt (vgl. BAG 27. Sep­tem­ber 2012 - 8 AZR 826/11 - Rn. 21; 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27, 49; 31. Ja­nu­ar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn. 28) . Es kommt nicht al­lein dar­auf an, wer im Verhält­nis zur Be­leg­schaft als In­ha­ber auf­tritt, son­dern auf die um­fas­sen­de Nut­zung des Be­triebs nach außen (vgl. BAG 27. Sep­tem­ber 2012 - 8 AZR 826/11 - Rn. 21; 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27, 49; 31. Ja­nu­ar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn. 28; 13. De­zem­ber 2007 - 8 AZR 1107/06 - Rn. 24; 20. März 2003 - 8 AZR 312/02 - Rn. 43). Dies ent­spricht auch der Recht­spre­chung des EuGH, wo­nach der Zeit­punkt des Über­gangs dem Zeit­punkt ent­spricht, zu dem die In­ha­ber­schaft, mit der die Ver­ant­wor­tung für den Be­trieb der über­tra­ge­nen Ein­heit ver­bun­den ist, vom Veräußerer auf den Er­wer­ber über­geht und die­ser den Be­trieb fortführt (vgl. EuGH 26. Mai 2005 - C-478/03 - [Cel­tec] Rn. 36). Nicht er­for­der­lich ist es da­bei, dass der neue In­ha­ber den Be­trieb auf ei­ge­ne Rech­nung führt. Unschädlich ist es da­her,

 

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wenn der Ge­winn an ei­nen an­de­ren ab­geführt wird (vgl. BAG 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27; 13. De­zem­ber 2007 - 8 AZR 1107/06 - Rn. 24). Ei­nem Be­triebs­in­ha­ber­wech­sel steht es auch nicht ent­ge­gen, wenn der Er­wer­ber im In­nen­verhält­nis Bin­dun­gen un­ter­liegt oder zur Veräußerung der Be­triebs­mit­tel im ei­ge­nen Na­men nicht be­fugt ist. Ent­schei­dend ist viel­mehr, dass er im Außen­verhält­nis als Voll­rechts­in­ha­ber auf­tritt und die Verfügungs­be­fug­nis über den be­trieb­li­chen Funk­ti­ons­zu­sam­men-hang er­langt hat (vgl. BAG 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 43).

(5) Un­ter Zu­grun­de­le­gung die­ser Maßstäbe ist der Be­trieb der Be­klag­ten zu 2. nicht zum 1. April 2011 gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Be­klag­te zu 1. über­ge­gan­gen, weil kein Wech­sel in der Per­son des In­ha­bers des Be­triebs vor­liegt. Die Be­klag­te zu 2. hat ih­re In­ha­ber­stel­lung da­mals nicht ver­lo­ren, die Be­klag­te zu 1. ist nicht Be­triebs­in­ha­be­rin ge­wor­den. Dies folgt dar­aus, dass durch die Be­klag­te zu 1. ge­ra­de kei­ne um­fas­sen­de Nut­zung des Be­triebs nach außen er­folgt ist, sie nicht im Außen­verhält­nis als Voll­rechts­in­ha­be­rin auf­ge­tre­ten ist und sie nicht die Verfügungs­be­fug­nis über den be­trieb­li­chen Funk­ti­ons­zu­sam­men­hang er­langt hat. Ob vor­lie­gend noch an­de­re Gründe ei­nem Be­triebs­in­ha­ber­wech­sel ent­ge­gen­ste­hen, kann da­hin­ste­hen.

(a) Gemäß der Ver­ein­ba­rung 2011 über­nahm die Be­klag­te zu 1. ab dem 1. April 2011 die kom­plet­te Pro­duk­ti­on der W.-Pro­duk­te in Lohn­fer­ti­gung und war im Übri­gen be­auf­tragt, den Be­trieb führen (vgl. Vor­be­mer­kung und §§ 1, 6 Ver­ein­ba­rung 2011). Die Lohn­fer­ti­gung durch die Be­klag­te zu 1. um­fass­te gemäß § 1 Ver­ein­ba­rung 2011 bei un­ent­gelt­li­cher Über­las­sung der Be­triebs­mit­tel die Her­stel­lung der Pro­duk­te nach den Vor­ga­ben der Be­klag­ten zu 2., wo­bei hierfür als Vergütung die Er­stat­tung der Lohn­kos­ten zuzüglich ei­nes Auf­schla­ges von 3 % auf die Brut­to­lohn­sum­men und die Er­stat­tung von Sach­kos­ten vor­ge­se­hen war. Die Wa­ren­be­schaf­fung für die Lohn­fer­ti­gung bei Drit­ten durch die Be­klag­te zu 1. er­folg­te gemäß § 4 Ver­ein­ba­rung 2011 im Na­men und auf Rech­nung der Be­klag­ten zu 2. In Lie­fe­ran­ten­be­zie­hun­gen trat die Be­klag­te zu 1. dem­gemäß aus-schließlich im Na­men der Be­klag­ten zu 2. auf. Die Be­triebsführung durch die Be­klag­te zu 1. um-fass­te gemäß § 6 Ver­ein­ba­rung 2011 bei un­ent­gelt­li­cher Über­las­sung der Be­triebs­mit­tel (§ 9 Ver­ein­ba­rung 2011) den ge­sam­ten Geschäfts­be­trieb bzw. al­le Geschäfte und Maßnah­men, die dem Be­triebs­ab­lauf und dem ge­werb­li­chen Zweck des Be­trie­bes die­nen, ins­be­son­de­re sämt­li­che in den Ab­tei­lun­gen Ein­kauf, Ver­trieb, Mar­ke­ting, Fi­nanz­buch­hal­tung, For­schung und Ent­wick­lung so­wie In­stand­hal­tung zu er­le­di­gen­den Ar­bei­ten nach den Vor­ga­ben der Be­klag­ten zu 1, wo­bei als Vergütung hierfür in § 9 Ver­ein­ba­rung 2011 ei­ne der Vergütung für die Lohn­fer­ti­gung ent­spre­chen­de Re­ge­lung ge­trof­fen war. Bei der Be­triebsführung han­del­te die Be­klag­te zu 1. gemäß § 7 Ver­ein­ba­rung 2011, so­fern die­se im Zu­sam­men­hang mit der Lohn­fer­ti­gung und der Her­stel­lung

 

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der W.-Pro­duk­te aus­geführt wur­de, für wel­che die Be­klag­te zu 2. die Pa­tent­rech­te und das Know-how be­sitzt, mit der ihr in die­ser Re­ge­lung ver­trag­lich ein­geräum­ten Ge­ne­ral­hand­lungs­voll­macht aus­sch­ließlich für Rech­nung und im Na­men der Be­klag­ten zu 2. Ua. in Kun­den­be­zie­hun­gen trat die Be­klag­te zu 1. dem­gemäß aus­sch­ließlich im Na­men der Be­klag­ten zu 2. auf. Der Markt­auf­tritt zum Ver­trieb der W.-Pro­duk­te er­folg­te dem­ent­spre­chend wei­ter­hin über die In­ter­net­sei­te der Be­klag­ten zu 2. Bei der Email-Kom­mu­ni­ka­ti­on nach außen ver­sah das EDV-Sys­tem die Emails der Mit­ar­bei­ter au­to­ma­tisch mit ei­ner Si­gna­tur der Be­klag­ten zu 2., geschäft­li­che Kor­re­spon­denz er­folg­te auf dem Brief­pa­pier der Be­klag­ten zu 2. Zwar heißt es in § 8 Ver­ein­ba­rung 2011, dass die Be­klag­te zu 1. die ge­nann­ten Ab­tei­lun­gen ei­gen­ver­ant­wort­lich ma­nagt und ver­ant­wort­lich für die ge­sam­ten Abläufe ab Auf­trags­ein­gang bis zum Zah­lungs­ein­gang ist, im wei­te­ren Ver­lauf wird aber wie­der­holt, dass da­bei die Vor­ga­ben der Be­klag­ten zu 2. zu be­ach­ten sind. Wei­ter heißt es in § 12 Ver­ein­ba­rung 2011, dass im Hin­blick auf die Be­triebsführung die Be­klag­te zu 2. Richt­li­ni­en er­las­sen und Wei­sun­gen er­tei­len und ins­be­son­de­re be­stim­men kann, wel­che Ar­ten von Geschäften der vor­he­ri­gen Zu­stim­mung bedürfen. Was die ge­werb­li­chen Schutz­rech­te an­be­langt, re­gelt § 10 Ver­ein­ba­rung 2011 - ne­ben dem Um­stand, dass die bis­he­ri­gen ge­werb­li­chen Schutz­rech­te im aus­sch­ließli­chen Ei­gen­tum der Be­klag­ten zu 2. ver­blei­ben -, dass neue Ent­wick­lun­gen und Er­fin­dun­gen von der Be­klag­ten zu 2. un­be­schränkt in An­spruch ge­nom­men und in de­ren Na­men von der Be­klag­ten zu 1. zum Schutz­recht an­ge­mel­det wer­den.

(b) Die ver­trag­li­che Aus­ge­stal­tung der Ver­ein­ba­rung 2011 und die da­von nicht ab­wei­chen­de tat-sächli­che Hand­ha­bung der­sel­ben, die die Be­klag­te zu 2. in den Ter­mi­nen zur münd­li­chen Ver­hand­lung vor der Kam­mer ers­ter In­stanz am 8. Mai 2015 in den Par­al­lelfällen bestätigt hat, lässt deut­lich wer­den, dass die von der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung für ei­nen Be­triebs­in­ha­ber­wech­sel ge­for­der­ten Kri­te­ri­en, nämlich die um­fas­sen­de Nut­zung des Be­triebs nach außen, das Auf­tre­ten als Voll­rechts­in­ha­ber im Außen­verhält­nis und das Er­lan­gen der Verfügungs­be­fug­nis über den be­trieb­li­chen Funk­ti­ons­zu­sam­men­hang, bei der Be­klag­ten zu 1. ge­ra­de nicht vor­lie­gen.

(aa) Die Be­klag­te zu 1. ist im Außen­verhält­nis, insb. ge­genüber Kun­den und Lie­fe­ran­ten, nicht als Voll­rechts­in­ha­be­rin, dh. im ei­ge­nen Na­men, son­dern als Ge­ne­ral­be­vollmäch­tig­te im frem­den Na­men, nämlich dem­je­ni­gen der Be­klag­ten zu 2., auf­ge­tre­ten. Die not­wen­di­ge um­fas­sen­de Nut­zung des Be­triebs nach außen liegt da­mit nicht vor. Dass die Be­klag­te zu 1. im Verhält­nis zu ih­ren Ar­beit­neh­mern im ei­ge­nen Na­men als Be­triebs­in­ha­be­rin auf­ge­tre­ten ist, genügt nicht. Es kommt, wie das Bun­des­ar­beits­ge­richt wie­der­holt deut­lich ge­macht hat, ge­ra­de nicht al­lein dar­auf an, wer im Verhält­nis zur Be­leg­schaft als In­ha­ber auf­tritt, son­dern auf die um­fas­sen­de Nut­zung des Be-

 

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triebs nach außen (vgl. BAG 27. Sep­tem­ber 2012 - 8 AZR 826/11 - Rn. 21; 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11 - Rn. 27, 49; 31. Ja­nu­ar 2008 - 8 AZR 2/07 - Rn. 28; 13. De­zem­ber 2007 - 8 AZR 1107/06 - Rn. 24; 20. März 2003 - 8 AZR 312/02 - Rn. 43).

(bb) Die Be­klag­te zu 1. hat nicht die Verfügungs­be­fug­nis über den be­trieb­li­chen Funk­ti­ons­zu­sam­men­hang er­langt. Die Be­triebsführung durch die Be­klag­te zu 1. hat­te, wie die §§ 6, 8 Ver­ein­ba­rung 2011 zei­gen, nach den Vor­ga­ben der Be­klag­ten zu 2. zu er­fol­gen, nach § 12 Ver­ein­ba­rung 2011 war es der Be­klag­ten zu 2. ge­stat­tet, dies­bezüglich - ein­sei­tig und oh­ne je­de Ein­schränkung - Richt­li­ni­en zu er­las­sen und Wei­sun­gen zu er­tei­len. Die ver­trag­li­che Re­ge­lung belässt da­durch „die Zügel“ un­zwei­deu­tig in der Hand der Be­klag­ten zu 2., sie kann die Be­triebsführung der Be­klag­ten zu 1. je­der­zeit in be­lie­bi­gem Aus­maß ein­schränken und wie­der an sich zie­hen (vgl. da­zu In­gen­feld Die Be­triebs­aus­glie­de­rung aus der Sicht des Ar­beits­rechts 1992 S. 227, der ausführt, dass die be-auf­tra­gen­de Ge­sell­schaft Be­triebs­in­ha­be­rin bleibt, wenn sich die Be­triebsführungs­ge­sell­schaft de­ren Wei­sun­gen un­ter­ord­net bzw. wenn die be­auf­tra­gen­de Ge­sell­schaft die Be­triebsführung wie­der an sich zie­hen kann). Es kann vor die­sem Hin­ter­grund nicht da­von ge­spro­chen wer­den, dass die Be­klag­te zu 1. ei­ne ei­genständi­ge be­trieb­li­che Lei­tungs- und Or­ga­ni­sa­ti­ons­be­fug­nis bzw. Lei­tungs­macht - be­zo­gen auf den be­trieb­li­chen Funk­ti­ons­zu­sam­men­hang - er­langt hat. Auch ist nicht nach­voll­zieh­bar, wie die­se ver­trag­li­che Ge­stal­tungs­wei­se mit der vom Bun­des­ar­beits­ge­richt for­mu­lier­ten De­fi­ni­ti­on ei­nes Be­triebs­in­ha­ber­wech­sels, nach der der bis­he­ri­ge Be­triebs­in­ha­ber sei­ne wirt­schaft­li­che Betäti­gung in dem Be­trieb ein­stel­len muss, in Ein­klang zu brin­gen sein soll. Die Be­klag­te zu 1. fun­gier­te letz­ten En­des le­dig­lich als „verlänger­ter Arm“ der Be­klag­ten zu 2. und hat­te die glei­che Funk­ti­on wie je­der sons­ti­ge Ge­ne­ral­be­vollmäch­tig­te ei­ner Ar­beit­ge­be­rin auch, was für ei-nen Be­triebsüber­gang ge­ra­de nicht aus­rei­chend ist (vgl. MüKo HGB-von Ho­y­nin­gen-Hue­ne 3. Aufl. § 59 Rn. 24). Für den Be­trieb „ver­ant­wort­lich“ iSd. Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts blieb un­ter Zu­grun­de­le­gung der Ver­ein­ba­rung 2011 die Be­klag­te zu 2.

(c) Dass vor­lie­gend nicht von ei­nem Be­triebs­in­ha­ber­wech­sel aus­zu­ge­hen ist, wird aus der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 10. Mai 2012 - 8 AZR 434/11, die sich mit der Fra­ge ei­nes Be­triebsüber­gangs im Ret­tungs­dienst­ge­wer­be zu beschäfti­gen hat­te, be­son­ders deut­lich. In Rn. 49 grenzt das Bun­des­ar­beits­ge­richt die - ei­nen In­ha­ber­wech­sel be­wir­ken­de - um­fas­sen­de Nut­zung nach außen bzw. das Han­deln im ei­ge­nen Na­men nach außen, die hier nicht vor­lie­gen, ge­ra­de von ei­ner - kei­nen In­ha­ber­wech­sel be­wir­ken­den - Be­triebsführung im frem­den Na­men - als „verlänger­ter Arm“ des Auf­trag­ge­bers - ab, wie sie hier, wie an­hand der ver­trag­li­chen Ge­stal­tung auf­ge­zeigt wur­de, ge­ra­de ge­ge­ben ist. Will man an die Ka­te­go­ri­sie­rung in der Rechts­li­te­ra­tur,

 

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nämlich die Ein­tei­lung von Be­triebsführungs­verträgen in sog. ech­te Be­triebsführungs­verträge, die kei­nen Be­triebsüber­gang be­wir­ken, und sog. un­ech­te Be­triebsführungs­verträge, die ei­nen Be­triebsüber­gang nach sich zie­hen, an­knüpfen, ist die Ver­ein­ba­rung 2011 als ech­ter Be­triebsführungs­ver­trag an­zu­se­hen. Nach die­ser Ka­te­go­ri­sie­rung liegt ein ech­ter Be­triebsführungs­ver­trag vor, wenn der Be­triebsführer nicht im ei­ge­nen, son­dern im frem­den Na­men, nämlich dem­je­ni­gen des Auf­trag­ge­bers, auf­tritt, wie es hier nach außen der Fall war. Hin­ge­gen han­delt es sich um ei­nen un­ech­ten Be­triebsführungs­ver­trag, wenn der Be­triebsführer im ei­ge­nen Na­men auf­tritt und mit den Be­triebs­mit­teln und Ar­beit­neh­mern nach außen hin er­kenn­bar ei­ge­ne Zwe­cke ver­folgt, wor­an es hier fehlt (zu die­ser Un­ter­schei­dung vgl. et­wa Wil­lem­sen/Ho­hen­statt/Sch­wei­bert/Seibt Um­struk­tu­rie­rung und Über­tra­gung von Un­ter­neh­men 3. Aufl. G. Rn. 109; Ni­k­las/Schauß BB 2014, 2805, 2809; Rieb­le NZA 2010, 1145, 1147; In­gen­feld Die Be­triebs­aus­glie­de­rung aus der Sicht des Ar­beits­rechts 1992 S. 227). So­weit in der Li­te­ra­tur zT dar­auf ab­ge­stellt wird, dass es für das Auf­tre­ten im ei­ge­nen Na­men al­lein auf die Ausübung des Wei­sungs­rechts ge­genüber den Ar­beit­neh­mern im ei­ge­nen Na­men an­kom­me, nicht aber dar­auf, wer ge­genüber außer­halb des Ar­beits­verhält­nis­ses ste­hen­den Drit­ten als Be­triebs­in­ha­ber in Er­schei­nung tre­te (vgl. HWK/Wil­lem­sen 6. Auf­la­ge § 613 a Rn. 47; Wil­lem­sen/Ho­hen­statt/Sch­wei­bert/Seibt Um­struk­tu­rie­rung und Über­tra­gung von Un­ter-neh­men 3. Aufl. G. Rn. 110), ist dies mit der auf­ge­zeig­ten Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts nicht in Ein­klang zu brin­gen, nach der es ge­ra­de nicht al­lein dar­auf an­kommt, wer im Verhält­nis zur Be­leg­schaft als In­ha­ber auf­tritt (vgl. auch Win­ter/Thei­sen AG 2011, 662, 663, die von ei­ner ech­ten, kei­nen Be­triebsüber­gang be­wir­ken­den Be­triebsführung aus­ge­hen, wenn der Be­triebsführer ge­genüber Geschäfts­part­nern wei­ter­hin un­ter der „Mar­ke“ des Be­triebs­ei­gentümers auf­tritt).

(d) Da im Er­geb­nis zum 1. April 2011 aus den ge­nann­ten Gründen kein Be­triebs­in­ha­ber­wech­sel auf die Be­klag­te zu 1. er­folg­te, kann da­hin­ste­hen, ob der An­nah­me ei­nes sol­chen auch noch an­de-re Gründe ent­ge­genständen. Dies be­trifft die Pro­ble­ma­tik, ob und in­wie­weit der Be­triebsführer, um selbst Be­triebs­in­ha­ber zu wer­den, ne­ben dem Auf­tre­ten im ei­ge­nen Na­men nach außen mit der Be­triebsführung ei­ge­ne wirt­schaft­li­che Zwe­cke ver­fol­gen muss (vgl. da­zu Wil­lem-sen/Ho­hen­statt/Sch­wei­bert/Seibt Um­struk­tu­rie­rung und Über­tra­gung von Un­ter­neh­men 3. Aufl. G. Rn. 111 f.). Wäre die Ver­fol­gung ei­ge­ner wirt­schaft­li­cher Zwe­cke Vor­aus­set­zung für ei­nen In­ha­ber­wech­sel, er­schie­ne es in An­be­tracht der in der Ver­ein­ba­rung 2011 ge­trof­fe­nen Vergütungs­re­ge­lung (Kos­ten­er­stat­tung zuzüglich ei­nes Auf­schla­ges von 3 %) nicht völlig un­zwei­fel­haft, ob vor die­sem Hin­ter­grund von ei­nem Be­triebs­in­ha­ber­wech­sel aus­ge­gan­gen wer­den könn­te. Man­gels Ent­schei­dungs­er­heb­lich­keit be­darf die­se The­ma­tik in­des kei­ner nähe­ren Erörte­rung.

 

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(6) Da be­reits man­gels Be­triebs­in­ha­ber­wech­sels zum 1. April 2011 kein Be­triebsüber­gang iSd. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB an­ge­nom­men wer­den kann, be­darf es kei­ner Ausführun­gen da­zu, ob die übri­gen Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Be­triebsüber­gang ge­ge­ben wären, läge ein In­ha­ber­wech­sel vor. Dies be­trifft ins­be­son­de­re den Ein­wand der Kläge­rin, es sei kei­ne wirt­schaft­li­che Ein­heit un­ter Wah­rung ih­rer Iden­tität fort­geführt wor­den (vgl. da­zu BAG 23. Sep­tem­ber 2010 - 8 AZR 567/09 - Rn. 36).

(7) Auch zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt im streit­ge­genständ­li­chen Zeit­raum kam es nicht zu ei­nem Be­triebsüber­gang iSd. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB von der Be­klag­ten zu 2. auf die Be­klag­te zu 1. Der­ar­ti­ges ist we­der be­haup­tet noch er­kenn­bar. Im Ge­gen­teil, die Ver­ein­ba­run­gen 2013 und 2015 be­schränken im Ver­gleich zur Ver­ein­ba­rung 2011 die Be­triebsführung der Be­klag­ten zu 1. wei­ter. Konn­te die Um­set­zung der Ver­ein­ba­rung 2011 be­reits kei­nen Be­triebsüber­gang be­wir­ken, muss dies erst Recht für die Fol­ge­ver­ein­ba­run­gen gel­ten. Das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin be­steht da-her über den 31. März 2011 hin­aus mit der Be­klag­ten zu 2. fort.

bbb) Der Kläge­rin ist es nicht auf­grund von ma­te­ri­ell-recht­li­cher Ver­fris­tung gemäß § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB ver­wehrt, sich auf das Fort­be­ste­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Be­klag­ten zu 2. zu be­ru­fen. Die­se Vor­schrift ist we­der un­mit­tel­bar noch ana­log an­wend­bar.

(1) Nach § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB kann der Ar­beit­neh­mer dem Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­gang der Un­ter­rich­tung nach § 613 a Abs. 5 BGB schrift­lich wi­der­spre­chen. Nach § 613 a Abs. 6 Satz 2 BGB kann der Wi­der­spruch ge­genüber dem bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber oder dem neu­en In­ha­ber erklärt wer­den. Er­folgt ein frist- und form­ge­rech­ter Wi­der­spruch ver­bleibt das Ar­beits­verhält­nis beim bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber. Die ein­mo­na­ti­ge Wi­der­spruchs­frist wird al­ler­dings nur durch ei­ne ord­nungs­gemäße Un­ter­rich­tung in Lauf ge­setzt, an­dern-falls kann der Ar­beit­neh­mer noch nach Frist­ab­lauf in den Gren­zen der Ver­wir­kung dem Be­triebsüber­gang wi­der­spre­chen (vgl. et­wa BAG 14. No­vem­ber 2013 - 8 AZR 824/12 - Rn. 18, 32). Das Wi­der­spruchs­recht des § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB ist ein Ge­stal­tungs­recht in Form ei­nes Rechts­fol­gen­ver­wei­ge­rungs­rechts (vgl. et­wa BAG 21. Au­gust 2014 - 8 AZR 619/13 - Rn. 27).

(2) § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB ist vor­lie­gend nicht un­mit­tel­bar an­wend­bar. Die Be­stim­mung setzt nämlich zwin­gend vor­aus, dass ein Be­triebsüber­gang statt­ge­fun­den hat. Be­reits dem Wort­laut des Satz 1 ist zu ent­neh­men, dass ein „Über­gang des Ar­beits­verhält­nis­ses“ Vor­aus­set­zung für die Ent­ste­hung des Wi­der­spruchs­rechts und da­mit auch für die Ein­hal­tung des Fris­ter­for­der­nis­ses ist. Fin­det kein Be­triebsüber­gang statt, fehlt es auch an ei­nem bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber und ei­nem

 

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neu­en In­ha­ber, die Satz 2 als Adres­sa­ten ei­nes Wi­der­spruchs be­nennt. Für ein Ge­stal­tungs­recht, das frist­ge­bun­den aus­zuüben ist, ist von vorn­her­ein kein Raum, wenn das Ar­beits­verhält­nis man­gels Be­triebsüber­g­an­ges oh­ne­hin beim bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber ver­bleibt. Ei­ne Ge­stal­tung ei­nes Rechts­verhält­nis­ses ist in solch ei­nem Fal­le nicht möglich.

(3) Auch ei­ne ana­lo­ge An­wen­dung des § 613 a Abs. 6 Satz 1 BGB kommt nicht in Be­tracht. Die ana­lo­ge An­wen­dung ei­ner Norm setzt vor­aus, dass ei­ne vom Ge­setz­ge­ber un­be­ab­sich­tigt ge­las­se­ne Lücke vor­liegt und die­se Plan­wid­rig­keit auf­grund kon­kre­ter Umstände po­si­tiv fest­ge­stellt wer­den kann. Ana­lo­ge Ge­set­zes­an­wen­dung er­for­dert darüber hin­aus, dass der ge­setz­lich un­ge­re­gel­te Fall nach Maßga­be des Gleich­heits­sat­zes und zur Ver­mei­dung von Wer­tungs­wi­dersprüchen nach der glei­chen Rechts­fol­ge ver­langt wie die ge­set­zessprach­lich er­fass­ten Fälle (vgl. BAG 10. De­zem­ber 2013 - 9 AZR 51/13 - Rn. 23). Die­se Vor­aus­set­zun­gen lie­gen of­fen­kun­dig nicht vor. We­der kann auf­grund kon­kre­ter Umstände po­si­tiv fest­ge­stellt wer­den, dass ei­ne un­be­ab­sich­tigt ge­las­se­ne Ge­set­zeslücke vor­liegt, noch ver­langt der ge­setz­lich un­ge­re­gel­te Fall nach Maßga­be des Gleich­heits­sat­zes und zur Ver­mei­dung von Wer­tungs­wi­dersprüchen nach der glei­chen Rechts­fol­ge. Im Ge­gen­teil, es wäre wi­dersprüchlich ein frist­ge­bun­de­nes Ge­stal­tungs­recht ana­log an­wen­den zu wol­len, wo ein Ge­stal­tungs­bedürf­nis über­haupt nicht ge­ge­ben ist. Den Be­lan­gen des Ar­beit­ge­bers im Fal­le ei­nes ver­meint­li­chen Be­triebsüber­g­an­ges, der sich im Nach­hin­ein nicht als sol­cher er-weist, kann ggf. durch die An­wen­dung der Grundsätze der ma­te­ri­ell-recht­li­chen Ver­wir­kung hin­rei­chend Rech­nung ge­tra­gen wer­den, so­fern de­ren Vor­aus­set­zun­gen vor­lie­gen. Liegt kein Be­triebsüber­gang vor, ist die Un­ter­rich­tung des Ar­beit­ge­bers, ein sol­cher fin­de statt, un­rich­tig. Wes­halb ge­ra­de hier ei­ne Wi­der­spruchs­frist zu lau­fen be­gin­nen soll, während sie in den übri­gen Fällen ei­ner feh­ler­haf­ten Un­ter­rich­tung bei Vor­lie­gen ei­nes Be­triebsüber­gangs ge­ra­de nicht in Lauf ge­setzt wird, ist nicht nach­voll­zieh­bar. Ei­ne Ana­lo­gie ver­mie­de hier kei­ne Wer­tungs­wi­dersprüche, son­dern führ­te zu sol­chen.

ccc) Der Kläge­rin ist es nicht auf­grund von ma­te­ri­ell-recht­li­cher Ver­wir­kung gemäß § 242 BGB ver­wehrt, sich auf das Fort­be­ste­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Be­klag­ten zu 2. zu be­ru­fen. Die Vor­aus­set­zung ei­ner ma­te­ri­ell-recht­li­chen Ver­wir­kung lie­gen nicht vor.

(1) Die ma­te­ri­ell-recht­li­che Ver­wir­kung ist ein Son­der­fall der un­zulässi­gen Rechts­ausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die il­loy­al ver­späte­te Gel­tend­ma­chung von Rech­ten aus­ge­schlos­sen. Sie be­ruht auf dem Ge­dan­ken des Ver­trau­ens­schut­zes und dient - wie die Verjährung - dem Bedürf­nis nach Rechts­si­cher­heit und Rechts­klar­heit. Mit der Ver­wir­kung soll das Aus­ein­an­der­fal­len zwi-

 

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schen recht­li­cher und so­zia­ler Wirk­lich­keit be­sei­tigt wer­den; die Rechts­la­ge wird der so­zia­len Wirk­lich­keit an­ge­gli­chen. Die Ver­wir­kung ver­folgt nicht den Zweck, den Schuld­ner be­reits dann von sei­ner Ver­pflich­tung zu be­frei­en, wenn des­sen Gläubi­ger länge­re Zeit sei­ne Rech­te nicht gel­tend ge­macht hat (Zeit­mo­ment). Der Be­rech­tig­te muss viel­mehr un­ter Umständen untätig ge­blie­ben sein, die den Ein­druck er­weck­ten, dass er sein Recht nicht mehr gel­tend ma­chen wol­le, so­dass der Ver­pflich­te­te sich dar­auf ein­stel­len durf­te, nicht mehr in An­spruch ge­nom­men zu wer­den (Um­stands­mo­ment). Hier­bei muss das Er­for­der­nis des Ver­trau­ens­schut­zes auf Sei­ten des Ver­pflich­te­ten das In­ter­es­se des Be­rech­tig­ten der­art über­wie­gen, dass ihm die Erfüllung des Be­geh­rens nicht mehr zu­zu­mu­ten ist (vgl. et­wa BAG 11. De­zem­ber 2014 - 8 AZR 838/13 - Rn. 24, 25).

(2) Ge­mes­sen dar­an liegt kei­ne ma­te­ri­ell-recht­li­che Ver­wir­kung vor. Es fehlt je­den­falls an dem er­for­der­li­chen Um­stands­mo­ment. Dies folgt aus den Erwägun­gen, die die Kam­mer im Rah­men der Erörte­rung der Pro­zess­ver­wir­kung an­ge­stellt hat und auf die an die­ser Stel­le Be­zug ge­nom­men wird (sie­he oben, Ziff. I. 2. a) bb) bbb) (2)). Auf­grund der dort dar­ge­leg­ten Gründe kann auch im Rah­men der Prüfung der ma­te­ri­ell-recht­li­chen Ver­wir­kung nicht vom Vor­lie­gen ei­nes Um­stands­mo­ments aus­ge­gan­gen wer­den. Der Be­klag­ten zu 2. ist die Fest­stel­lung des Fort­be­ste­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses der Kläge­rin mit ihr über den 31. März 2011 hin­aus nicht un­zu­mut­bar.

ddd) Da das Ar­beits­verhält­nis der Kläge­rin man­gels Be­triebsüber­g­an­ges auf die Be­klag­te zu 1. bei der Be­klag­ten zu 2. ver­blie­ben ist, es der Kläge­rin man­gels Ver­fris­tung und man­gels Ver­wir­kung auch nicht ver­wehrt ist, sich hier­auf zu be­ru­fen, und ihr Fest­stel­lungs­an­trag be­reits des­we­gen be­gründet ist, kann of­fen blei­ben, ob das Ar­beits­verhält­nis, selbst wenn zum 1. April 2011 ein Be­trieb-süber­gang statt­ge­fun­den hätte, mögli­cher­wei­se gleich­wohl in der Fol­ge­zeit mit Be­klag­ten zu 2. fort­be­stan­den hätte bzw. ob sich die­se so be­han­deln las­sen müss­te, als hätte es mit ihr fort­be­stan­den. Dies be­trifft zum ei­nen die Fra­ge, ob, hätte ein Be­triebsüber­gang vor­ge­le­gen, die Kläge­rin in­fol­ge et­wai­ger un­zu­rei­chen­der Un­ter­rich­tung iSd. § 613 Abs. 5 BGB die­sem mit ih­rer Kla­ge­er­wei­te­rung ge­gen die Be­klag­te zu 2. noch wirk­sam wi­der­spre­chen hätte können und das Ar­beits­verhält­nis des­we­gen bei die­ser ver­blie­ben wäre. Dies be­trifft zum an­de­ren die Pro­ble­ma­tik, ob, hätte ein Be­triebsüber­gang vor­ge­le­gen, die Be­klag­te zu 2. sich auf­grund des Ein­wan­des des Ge­stal­tungs­miss­brau­ches (§ 242 BGB) so be­han­deln las­sen müss­te, als wäre die­ser nicht er­folgt und des­we­gen nach wie vor als Ar­beit­ge­be­rin an­zu­se­hen wäre (vgl. da­zu Wil­lem­sen/Ho­hen­statt/Sch­wei­bert/Seibt Um­struk­tu­rie­rung und Über­tra­gung von Un­ter­neh­men 3. Aufl. G. Rn. 113).

 

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b) Der Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag, mit dem die Kläge­rin die Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zu 2. er-strebt, sie zu un­veränder­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Rechts­streits als ge­werb­li­che Ar­beit­neh­me­rin wei­ter zu beschäfti­gen, ist eben­falls zulässig und be­gründet.

aa) Der Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag der Kläge­rin ist zulässig. Ins­be­son­de­re ist er nicht we­gen ent­ge­gen­ste­hen­der Rechts­kraft, Pro­zess­ver­wir­kung, feh­len­der Be­stimmt­heit oder feh­len­dem Rechts­schutz­bedürf­nis un­zulässig.

aaa) Ent­ge­gen­ste­hen­de Rechts­kraft iSd. § 322 Abs. 1 ZPO kann nicht zu ei­ner Un­zulässig­keit des Wei­ter­beschäfti­gungs­an­tra­ges der Kläge­rin führen. Zwar wur­de - recht­kräftig - durch das ar­beits-ge­richt­li­che Sa­chur­teil ge­genüber der Be­klag­ten zu 1. ei­ne Wei­ter­beschäfti­gungs­ver­pflich­tung ti­tu­liert. Aus den un­ter Ziff. I. 2. a) bb) aaa) ge­nann­ten Gründen kann auch in­so­weit al­ler­dings kei­ne Rechts­kraf­ter­stre­ckung an­ge­nom­men wer­den.

bbb) Der Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag der Kläge­rin ist auch nicht we­gen Pro­zess­ver­wir­kung un­zulässig. In­so­weit kann voll­umfäng­lich auf die Ausführun­gen zum Fest­stel­lungs­an­trag un­ter Ziff. I. 2. a) bb) bbb) Be­zug ge­nom­men wer­den, die für den Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag ent­spre­chend gel­ten.

ccc) Der Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag der Kläge­rin ist fer­ner nicht we­gen feh­len­der Be­stimmt­heit un­zulässig. Die Kam­mer hält in­so­weit un­ein­ge­schränkt an den Ausführun­gen fest, die in den Zwangs­voll­stre­ckungs­ver­fah­ren zur Be­stimmt­heit von Wei­ter­beschäfti­gungs­ti­teln er­folgt sind, wo das Fol­gen­de aus­geführt wur­de (vgl. Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg 9. No­vem­ber 2015 - 21 Ta 10/15):

„Der Um­fang der ma­te­ri­el­len Rechts­kraft gemäß § 322 Abs. 1 ZPO ist aus dem Ur­teil und den da­zu er­gan­ge­nen Gründen zu be­stim­men. Der Ti­tel muss aus sich her­aus ei­nen be­stimm­ten oder zu­min­dest be­stimm­ba­ren In­halt ha­ben. Das Er­for­der­nis der - von Amts we­gen zu prüfen­den - Be­stimmt­heit des Ur­teils­aus­spruchs dient der Rechts­klar­heit und -si­cher­heit. Der Um­fang der ma­te­ri­el­len Rechts­kraft und da­mit die Ent­schei­dungs­wir­kun­gen müssen fest­ge­stellt wer­den können. An­dern­falls würden Un­klar­hei­ten über den In­halt der Ver­pflich­tung aus dem Er­kennt­nis- in das Voll­stre­ckungs­ver­fah­ren ver­la­gert wer­den, des­sen Auf­ga­be es nicht ist zu klären, wor­in die fest­ge­leg­te Ver­pflich­tung des Schuld­ners be-

 

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steht (st. Rspr., vgl. et­wa BAG 27. Mai 2015 - 5 AZR 88/14 - ju­ris; 15. April 2009 - 3 AZB 93/08 - ju­ris).

Ge­mes­sen dar­an ist der in Ziff. 2 des Te­nors des Ur­teils vom 8. Mai 2015 ti­tu­lier­te Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch hin­rei­chend be­stimmt. Der Um­fang der ma­te­ri­el­len Rechts­kraft ist fest­stell­bar. Dies gilt so­wohl hin­sicht­lich des In­halts der aus­ge­ur­teil­ten Beschäfti­gungs­pflicht als auch in zeit­li­cher Hin­sicht, in­ner­halb der die­se zu er­fol­gen hat.

Der In­halt der aus­ge­ur­teil­ten Beschäfti­gungs­pflicht ist dem Ti­tel mit hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit zu ent­neh­men. Die er­folg­te Ti­tu­lie­rung, wo­nach der Kläger laut Te­nor „als ge­werb­li­cher Ar­beit­neh­mer“ wei­ter zu beschäfti­gen ist, genügt vor­lie­gend den An­for­de­run­gen.

Bei der Ti­tu­lie­rung ei­nes dem Ar­beit­neh­mer während des be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses zu­ste­hen­den Beschäfti­gungs­an­spruchs oder ei­nes ihm während des Laufs ei­nes Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses zu­ste­hen­den Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruchs muss der Voll­stre­ckungs­ti­tel ver­deut­li­chen, um wel­che Art von Beschäfti­gung es geht. Für den Schuld­ner muss aus rechts­staat­li­chen Gründen er­kenn­bar sein, in wel­chen Fällen er mit ei­nem Zwangs­mit­tel zu rech­nen hat. An­de­rer­seits er­for­dert das Rechts­staats­prin­zip und das dar-aus fol­gen­de Ge­bot ef­fek­ti­ven Rechts­schut­zes, dass ma­te­ri­ell-recht­li­che Ansprüche ef­fek­tiv durch­ge­setzt wer­den können. Bei im Ar­beits­ver­trag nur rah­menmäßig um­schrie­be­ner Ar­beits­pflicht kann der Ti­tel aus ma­te­ri­ell-recht­li­chen Gründen nicht so ge­nau sein, dass er auf ei­ne ganz be­stimm­te im Ein­zel­nen be­schrie­be­ne Tätig­keit oder Stel­le zu­ge­schnit­ten ist. Dar­auf hat der Ar­beit­neh­mer re­gelmäßig kei­nen An­spruch, weil das Wei­sungs­recht nach § 106 Satz 1 Ge­wO dem Ar­beit­ge­ber zu­steht. Um die­sen Ge­sichts­punk­ten ge­recht wer­den, ist es je­den­falls er­for­der­lich, dass die Art der aus­ge­ur­teil­ten Beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers aus dem Ti­tel er­sicht­lich ist. Ein­zel­hei­ten hin­sicht­lich der Art der Beschäfti­gung oder sons­ti­gen Ar­beits­be­din­gun­gen muss der Ti­tel dem­ge­genüber nicht ent­hal­ten. Es reicht aus, wenn sich aus dem Ti­tel das Be­rufs­bild, mit dem der Ar­beit­neh­mer beschäftigt wer­den soll, er­gibt oder die­sem zu ent­neh­men ist, wor­in die ihm zu­zu­wei­sen­de Tätig­keit be­ste­hen soll (vgl. BAG 27. Mai 2015 - 5 AZR 88/14 - ju­ris; 15. April 2009 - 3 AZB 93/08 - ju­ris).

 

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Ge­mes­sen dar­an ist vor­lie­gend der In­halt der Tätig­keit hin­rei­chend be­stimmt. An­ders als in der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 27. Mai 2015 (5 AZR 88/14 - ju­ris), die sich mit ei­nem Sach­ver­halt aus­ein­an­der­setz­te, bei dem le­dig­lich ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung „gemäß Ar­beits­ver­trag“ mit dem in die­sem Fall wi­dersprüchli­chen Zu­satz „zu un­veränder­ten Ar­beits­be­din­gun­gen“ ti­tu­liert war, was zur Un­be­stimmt­heit des Ti­tels führ­te, lässt sich hier be­reits aus dem Te­nor die Art der Tätig­keit er­ken­nen. Da­nach ist der Kläger „als ge­werb­li­cher Ar­bei­ter­neh­mer“ ein­zu­set­zen. Da aus dem Ti­tel nur der Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch, nicht aber die da­mit zu­sam­menhängen­den Ansprüche auf Ent­gelt, Zu­wen­dun­gen etc. voll­streckt wer­den, erfüllt die Be­klag­te Ziff. 2 den An­spruch be­reits da­durch, dass sie den Kläger auf­grund ih­res Wei­sungs­rechts im Be­trieb als ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mer ein-setzt. Es ist we­der vor­ge­tra­gen noch er­kenn­bar, dass der Kläger ei­ne näher be­stimm­te Tätig­keit auf­grund des ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Wei­sungs­rechts über­haupt be­an­spru­chen könn­te. So liegt kein Ar­beits­ver­trag vor, aus dem sich Der­ar­ti­ges ergäbe. Auch in der An­la­ge zur Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­ge gemäß § 17 KSchG „Lis­te der zur Ent­las­sung vor­ge­se­he­nen Ar­beit­neh­mer“ be­zeich­net die Be­klag­te Ziff. 1 bei ei­nem Großteil der Gekündig­ten die „zu­letzt aus­geübte Tätig­keit“ schlicht mit „ge­werb­li­cher Ar­beit­neh­mer“. Auch die Be­klag­te Ziff. 2 trägt vor, dass es sich bei den Voll­stre­cken­den um un- oder an­ge­lern­te Ar­beit­neh­mer han­delt. Hin­zu kommt, dass nicht er­sicht­lich ist, dass zwi­schen den Par­tei­en Streit über die vom Kläger aus­zuführen­de Tätig­keit herrscht. Vor die­sem Hin­ter­grund er­weist es sich als hin­rei­chend be­stimmt, wenn das Ar­beits­ge­richt die Be­klag­te Ziff. 2 da­zu ver­ur­teilt hat, den Kläger „als ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mer“ wei­ter zu beschäfti­gen (vgl. da­zu, die Ti­tu­lie­rung ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung „als Ar­bei­ter“ als hin­rei­chend be­stimmt an­se­hend, LAG Ba­den-Würt­tem­berg 21. Fe­bru­ar 2007 - 17 Ta 1/07 - ju­ris; so­wie noch wei­ter­ge­hend, die Ti­tu­lie­rung ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung „als Mit­ar­bei­te­rin zu den bis­he­ri­gen Be­din­gun­gen“ als hin-rei­chend be­stimmt an­se­hend, BAG 17. März 2015 - 9 AZR 702/13 - ZIP 2015, 1653).

In zeit­li­cher Hin­sicht ist der Wei­ter­beschäfti­gungs­ti­tel eben­falls hin­rei­chend be­stimmt. Die ti­tu­lier­te Beschäfti­gungs­pflicht be­durf­te vor­lie­gend kei­ner zeit­li­chen Ein­gren­zung im Te­nor.

Der Um­fang der ma­te­ri­el­len Rechts­kraft iSd. § 322 Abs. 1 ZPO des Ti­tels muss sich auch in zeit­li­cher Hin­sicht er­mit­teln las­sen. Bei ei­nem Wei­ter­beschäfti­gungs­ti­tel muss fest­stell­bar sein, ab wel­chem Zeit­punkt und ggfs. bis zu wel­chem Zeit­punkt die Ver­pflich­tung des

 

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Schuld­ners be­ste­hen soll. Te­nor und Ent­schei­dungs­gründe dürfen sich in­so­weit nicht wi­der­spre­chen (vgl. BAG 27. Mai 2015 - 5 AZR 88/14 - ju­ris).

Ge­mes­sen dar­an ist der Ti­tel vor­lie­gend auch in zeit­li­cher Hin­sicht hin­rei­chend be­stimmt, auch wenn das Ar­beits­ge­richt im Te­nor die Beschäfti­gungs­ver­pflich­tung zeit­lich nicht ein-ge­grenzt hat. An­ders als in der Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 27. Mai 2015 (5 AZR 88/14 - ju­ris), die sich mit ei­nem Sach­ver­halt be­fass­te, in dem am 17. Ja­nu­ar 2012 zum ei­nen rück­wir­kend und da­mit von vorn­her­ein unmöglich ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung „über den 31. März 2007“ hin­aus bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens ti­tu­liert wur­de, während zum an­de­ren in den Ent­schei­dungs­gründen die Ent­schei­dung des Großen Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 27. Fe­bru­ar 1985 (GS 1/84 - BA­GE 48, 122) her­an­ge­zo­gen wur­de, die für ei­ne dem Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag statt­ge­ben­de Ent­schei­dung ein die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung fest­stel­len­des In­st­anz­ur­teil vor­aus­setzt, oh­ne dass ein sol­ches vor dem 17. Ja­nu­ar 2012 vor­han­den ge­we­sen wäre, so dass der Te­nor mit den Ent­schei­dungs­gründen nicht in Ein­klang zu brin­gen war, be­steht die­se Pro­ble­ma­tik vor­lie­gend nicht. Das Ar­beits­ge­richt hat die Be­klag­te Ziff. 2 vor­lie­gend nicht zu ei­ner von vorn­her­ein unmögli­chen rück­wir­ken­den Wei­ter­beschäfti­gung ver­ur­teilt, auch setzt es sich in den Ent­schei­dungs­gründen nicht in Wi­der­spruch zu sei­nem Aus­spruch im Te­nor. So­weit kein ab­wei­chen­der An­fangs­zeit­punkt be­nannt wird, kann ein Wei­ter­beschäfti­gungs­ti­tel na­he­lie­gen­der Wei­se nur so ver­stan­den wer­den, dass die ti­tu­lier­te Ver­pflich­tung ab so­fort, dh. ab de­ren Ti­tu­lie­rung, greift. Ei­ner Be­nen­nung des An­fangs­zeit­punkts der Ver­pflich­tung im Te­nor be­darf es in die­sen Fällen grundsätz­lich nicht. De­ren Feh­len führt auch hier nicht zur Un­be­stimmt­heit des Ti­tels. Aber auch ei­nes End­zeit­punk­tes, bis zu wel­chem Zeit­punkt die ti­tu­lier­te Ver­pflich­tung grei­fen soll, be­durf­te es vor­lie­gend im Te­nor nicht. Aus den Ent­schei­dungs­gründen des Ur­teils vom 8. Mai 2015 und den dort vom Ar­beits­ge­richt zur Be­gründung des ti­tu­lier­ten An­spruchs her­an­ge­zo­ge­nen Ent­schei­dun­gen (vgl. A. II. 2. Buchst. a der Ent­schei­dungs­gründe) wird hin­rei­chend deut­lich, wor­auf der An­spruch gestützt wur­de, wor­aus auch des­sen zeit­li­che Wir­kungs­dau­er her­vor­geht. Dies hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt be­reits in sei­nem Be­schluss vom 18. Au­gust 2015 (4 Sa 19/15 - ju­ris) deut­lich ge­macht.“

Da die­se den Wei­ter­beschäfti­gungs­ti­tel be­tref­fen­den Ausführun­gen ent­spre­chend für den Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag gel­ten, fehlt es die­sem nicht an ei­ner hin­rei­chen­den Be­stimmt­heit, ab­ge­se-

 

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hen da­von, dass der An­trag in zeit­li­cher Hin­sicht hier aus­drück­lich „bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Rechts­streits“ be­schränkt wur­de.

ddd) Sch­ließlich ent­behrt der Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag der Kläge­rin auch nicht ei­nes Recht­schutz­bedürf­nis­ses. Auch die­ser An­trag ist we­der „wi­dersprüchlich“ noch „rechts­miss­bräuch­lich“. Al­lein die Tat­sa­che, dass in dem ge­genüber der Be­klag­ten zu 1. rechts­kräfti­gen Ur­teil be­reits ein Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch ge­genüber die­ser ti­tu­liert wur­de, lässt das Rechts­schutz­bedürf­nis nicht ent­fal­len.

bb) Der Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag der Kläge­rin ist auch be­gründet. Die Kläge­rin hat ge­gen die Be­klag­te zu 2. in An­be­tracht ih­res Ob­sie­gens mit dem Fest­stel­lungs­an­trag, mit dem das Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Be­klag­ten zu 2. fest­ge­stellt wur­de, ei­nen all­ge­mei­nen Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Rechts­streits.

aaa) Der all­ge­mei­ne Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Rechts­streits ist bei ei­nem erst- oder zweit­in­stanz­li­chen Ob­sie­gen des Ar­beit­neh­mers im Kündi­gungs­schutz­pro­zess von der ständi­gen Recht­spre­chung an­er­kannt (st. Rspr. seit BAG 27. Fe­bru­ar 1985 - GS 1/84): Da­nach be­gründet die Un­ge­wiss­heit über den Aus­gang des Kündi­gungs­pro­zes­ses - außer im Fall ei­ner of­fen­sicht­lich un­wirk­sa­men Kündi­gung - zunächst ein schutz­wer­tes In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an der Nicht­beschäfti­gung des gekündig­ten Ar­beit­neh­mers für die Dau­er des Kündi­gungs­pro­zes­ses. Die­ses über­wiegt in der Re­gel das Beschäfti­gungs­in­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers al­ler­dings nur bis zu dem Zeit­punkt, in dem im Kündi­gungs­pro­zess ein die Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung fest­stel­len­des Ur­teil er­geht. So­lan­ge ein sol­ches Ur­teil be­steht, kann die Un­ge­wiss­heit des Pro­zess­aus­gangs für sich al­lein ein über­wie­gen­des Ge­gen­in­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers nicht mehr be­gründen. Hin­zu­kom­men müssen dann viel­mehr zusätz­li­che Umstände, aus de­nen sich im Ein­zel­fall ein über­wie­gen­des In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers er­gibt, den Ar­beit­neh­mer trotz des Ur­teils nicht zu beschäfti­gen. An­ders­falls hat der Ar­beit­ge­ber den Ar­beit­neh­mer während der Dau­er des Rechts­streits wei­ter zu beschäfti­gen.

bbb) Die­ser all­ge­mei­ne Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch be­steht nicht nur, wenn über die Wirk­sam­keit ei­ner Kündi­gung ge­strit­ten wird, son­dern auch bei ei­nem Streit über an­de­re Be­en­di­gungs­tat­bestände, et­wa über ei­ne Be­fris­tung, ei­ne auflösen­de Be­din­gung oder ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag (vgl. BAG 16. Ja­nu­ar 1992 - 2 AZR 412/91 - Rn. 34). Nicht an­ders kann die Rechts­la­ge be­ur­teilt wer­den, wenn im Streit steht, ob ein Ar­beits­verhält­nis mit dem bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber in­fol­ge ei­nes Be­triebsüber­g­an­ges ge­en­det hat. Nimmt man hier zunächst ein im Rah­men der In­ter­es­sen-

 

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abwägung zu berück­sich­ti­gen­des schutz­wer­tes In­ter­es­se des bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­bers an, den Ar­beit­neh­mer bei un­si­che­rem Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses mit ihm für die Dau­er des Rechts­streits nicht zu beschäfti­gen, muss, wenn - wie vor­lie­gend - das Fort­be­ste­hen des Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber durch Ge­richts­ur­teil fest­ge­stellt wird, der bis­he­ri­ge Ar­beit­ge­ber auch hier zusätz­li­che Gründe für ei­ne Nicht­beschäfti­gung für den wei­te­ren Ver­lauf des Rechts­streits anführen. Die In­ter­es­sen­la­ge un­ter­schei­det sich nicht (vgl. BAG 12. Sep­tem­ber 1985 - 2 AZR 193/14 - Rn. 49; LAG Ba­den-Würt­tem­berg 18. Au­gust 2015 - 4 Sa 19/15 - Rn. 36; 5. Ju­li 2012 - 21 Sa 173/11 - Rn. 101).

ccc) Un­ter Zu­grun­de­le­gung die­ser Maßstäbe hat die Kläge­rin den von ihr gel­tend ge­mach­ten An­spruch, von der Be­klag­ten zu 2. zu un­veränder­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Rechts­streits als ge­werb­li­che Ar­beit­neh­me­rin wei­ter­beschäftigt zu wer­den. Sie hat mit ih­rem Fest­stel­lungs­an­trag ob­siegt, vom Be­ru­fungs­ge­richt wur­de das Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen der Kläge­rin und der Be­klag­ten zu 2. fest­ge­stellt. Ein über­wie­gen­des Ge­gen­in­ter­es­se der Be­klag­ten zu 2. an ei­ner Nicht­beschäfti­gung der Kläge­rin be­steht nicht, ins­be­son­de­re be­steht kei­ne Unmöglich­keit, den Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch zu erfüllen.

(1) Mit dem Ein­wand, ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin sei ihr unmöglich, weil sie kei­nen Be­trieb und kei­ne Ar­beitsplätze mehr un­ter­hal­te, ver­mag die Be­klag­te zu 2. nicht durch­zu­drin­gen. Es wur­de ge­ra­de fest­ge­stellt, dass die Be­klag­te zu 2. Be­triebs­in­ha­be­rin ge­blie­ben ist, ihr Be­trieb mit­hin nicht auf die Be­klag­te zu 1. über­ge­gan­gen ist. Un­strei­tig stan­den und ste­hen die ma­te­ri­el­len und im­ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel so­wie das Be­triebs­grundstück un­verändert im Ei­gen­tum der Be­klag­ten Ziff. 2. Die Pro­duk­ti­on der W.-Pro­duk­te fin­det nach wie vor statt, der Ar­beits­platz der Kläge­rin im Be­trieb in O. exis­tiert wei­ter­hin. Es wird ge­ra­de nicht gel­tend ge­macht, dass die Beschäfti­gungsmöglich­keit im Be­trieb rein tatsächlich nicht mehr vor­han­den ist, et­wa weil die Pro­duk­ti­on ein­ge­stellt wur­de. So­weit die Be­klag­te Ziff. 2 ih­ren Unmöglich­keits­ein­wand auf recht­li­che Hin­der­nis­se in Ge­stalt ver­trag­li­cher Be­zie­hun­gen mit Drit­t­un­ter­neh­men stützt, weil sie die Fer­ti­gungs­aufträge seit 2011 an an­de­re Un­ter­neh­men ver­ge­be und sie ver­trag­lich ver­pflich­tet sei, Räume und Ma­schi­nen die­sen zur Nut­zung zu über­las­sen, ver­mag auch dar­aus kei­ne Unmöglich­keit ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin ab­ge­lei­tet zu wer­den. Die Be­klag­te zu 2. hat auf­grund der vor­lie­gen­den Ver­ein­ba­run­gen 2011, 2013 und 2015 mit der Be­klag­ten zu 1. die Be­triebs­in­ha­ber­schaft nicht ver­lo­ren. Letzt­ge­nann­te Ver­ein­ba­rung en­de­te im Übri­gen am 31. Mai 2015 (vgl. § 8 Ver­ein­ba­rung 2015). Sach­vor­trag, auf­grund wel­cher et­wai­gen nach­fol­gen­den Ver-

 

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ein­ba­run­gen mit wel­chen Fir­men wel­chen In­halts mitt­ler­wei­le ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung recht­lich unmöglich ge­wor­den sein soll, fehlt im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren. So­weit die Be­klag­te zu 2. vor­ge­bracht hat, sie verfüge sie nicht über tech­nisch er­fah­re­ne Auf­sichts­per­so­nen für die Pro­duk­ti­ons­mit­ar­bei­ter, ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass in An­be­tracht der Fort­set­zung der Pro­duk­ti­on da­von aus­zu­ge­hen ist, dass ge­eig­ne­tes Auf­sichts­per­so­nal vor­han­den ist, auch wenn die Auf­sichts­per­so­nen nicht bei der Be­klag­ten zu 2. an-ge­stellt sein soll­ten (näher da­zu vgl. LAG Ba­den-Würt­tem­berg 9. No­vem­ber 2015 - 17 Ta 23/15 - Rn. 57 f.).

(2) Der Um­stand, dass die Kläge­rin vier Jahr lang nicht gel­tend ge­macht, dass die Be­klag­te zu 2. ih­re Ar­beit­ge­be­rin sei, ist eben­falls un­er­heb­lich. Der Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch ist ma­te­ri­ell-recht­lich nicht ver­wirkt. In­so­weit kann voll­umfäng­lich auf die Ausführun­gen zum Fest­stel­lungs­an­trag un­ter Ziff. I. 2. a) cc) ccc) Be­zug ge­nom­men wer­den, die für den Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag ent­spre­chend gel­ten. Liegt auf­grund be­sag­ter Gründe kei­ne Ver­wir­kung vor, kann al­lein aus der lang an­dau­ern­den Nicht­gel­tend­ma­chung des An­spruchs auch kein über­wie­gen­des Ge­gen­in­ter­es­se der Be­klag­ten zu 2. an ei­ner Nicht­beschäfti­gung der Kläge­rin ab­ge­lei­tet wer­den.

(3) Eben­so un­er­heb­lich ist schließlich der Um­stand, dass in der Ver­gan­gen­heit von ei­nem Be­triebsüber­gang aus­ge­gan­gen wur­de. Wes­halb al­lein dies ein über­wie­gen­des Ge­gen­in­ter­es­se der Be­klag­ten zu 2. an ei­ner Nicht­beschäfti­gung der Kläge­rin be­gründen soll, ist nicht nach­voll­zieh­bar.

II.

Die Kos­ten­ent­schei­dung er­gibt sich aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 100 Abs. 1 ZPO. Da­nach hat die im Be­ru­fungs­ver­fah­ren voll­umfäng­lich un­ter­le­ge­ne Be­klag­te zu 2. die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens und ha­ben die erst­in­stanz­lich un­ter­le­ge­ne Be­klag­te zu 1. und die Be­klag­te zu 2. die erst­in­stanz­li­chen Kos­ten zu je­weils 50 % zu tra­gen. So­weit für die ers­te In­stanz zwi­schen ge­richt­li­chen und außer­ge­richt­li­chen Kos­ten dif­fe­ren­ziert wur­de, bleibt § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG frei­lich un­berührt.

III.

Die Re­vi­si­on war nicht zu­zu­las­sen, da kei­ne Zu­las­sungs­gründe iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 ArbGG vor­lie­gen. Die Kam­mer ver­mag we­der vom Vor­lie­gen ei­ner ent­schei­dungs­er­heb­li­chen

 

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Rechts­fra­ge von grundsätz­li­cher Be­deu­tung iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG aus­zu­ge­hen, noch ist ei­ne ent­schei­dungs­er­heb­li­che Di­ver­genz iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG er­kenn­bar.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben. Auf § 72a ArbGG wird hin­ge­wie­sen.

Sänger  

Ha­gen­lo­cher  

Schmol­ke

 

Aus­ge­fer­tigt
Stutt­gart, den 06.04.2016

Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

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