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BAG, Ur­teil vom 16.05.2007, 8 AZR 709/06

   
Schlagworte: Mobbing, Ausschlussfrist
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 8 AZR 709/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 16.05.2007
   
Leitsätze: In Mobbing-Fällen beginnt die Ausschlussfrist wegen der systematischen, sich aus mehreren einzelnen Handlungen zusammensetzenden Verletzungshandlung regelmäßig erst mit der zeitlich letzten Mobbing-Handlung.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 24.11.2004, 1 Ca 1603/02
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 23.03.2006, 8 Sa 949/05
Nachgehend Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 11.02.2008, 8 Sa 188/08
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

8 AZR 709/06
8 Sa 949/05
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Hamm

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

16. Mai 2007

UR­TEIL

Di­ede­rich, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Ach­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 16. Mai 2007 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Hauck, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Brein­lin­ger und Creutz­feldt so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Schömburg und von Schuck­mann für Recht er­kannt:

Auf die Re­vi­si­on des Klägers wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm vom 23. März 2006 - 8 Sa 949/05 - auf­ge­ho­ben.
 


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Der Rechts­streit wird zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung, auch über die Kos­ten der Re­vi­si­on, an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über Ansprüche auf Zah­lung von Scha­dens­er­satz, Schmer­zens­geld und Entschädi­gung.

Der Kläger trat mit Wir­kung vom 1. April 1987 auf Grund ei­ner Be­wer­bung für den Be­reich Kraft­werks­pla­nung/-be­trieb bei der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten, der V AG, als außer­ta­rif­lich an­ge­stell­ter Ver­suchs­in­ge­nieur, Ab­tei­lung Ver­suchs­we­sen, ein. Die Über­tra­gung ei­ner an­de­ren, sei­ner Vor­bil­dung und sei­nen Fähig­kei­ten ent­spre­chen­den Tätig­keit war ver­trag­lich vor­be­hal­ten. Der Kläger ist aus­ge­bil­de­ter Di­plom-In­ge­nieur der Fach­rich­tung Ma­schi­nen­bau. Mit Wir­kung zum 1. Ja­nu­ar 1999 fass­ten die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten und der Kläger den Ar­beits­ver­trag neu. Un­ter § 1 des Ver­tra­ges ist die ergänzen­de oder sinn­gemäße An­wen­dung der Be­stim­mun­gen des Rah­men­ta­rif­ver­tra­ges für die Ar­beit­neh­mer der Un­ter­neh­men der P-Grup­pe (RTV) ge­re­gelt. In § 17 des Ver­tra­ges (Schluss­be­stim­mun­gen) ist die Gel­tung der Aus­schluss­frist des RTV aus­drück­lich ver­ein­bart.


Der in Be­zug ge­nom­me­ne § 23 RTV lau­tet: 


„1. ...
2. Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis müssen spätes­tens
in­ner­halb ei­ner Aus­schlußfrist von sechs Mo­na­ten nach Ent­ste­hen des An­spruchs gel­tend ge­macht wer­den; Ist dies ge­sche­hen, so blei­ben die ge­setz­li­chen Verjährungs­fris­ten un­berührt.“

Der Kläger, der über be­son­de­re Kennt­nis­se auf den Ge­bie­ten der Wärmeüber­tra­gung und der Ther­mo­dy­na­mik verfügt, war ab sei­ner Ein­stel­lung bis En­de 1996 als Ver­suchs­in­ge­nieur in der Ab­tei­lung Ver­suchs­we­sen ein­ge­setzt, bis zum 30. Sep­tem­ber 1991 un­ter dem di­rek­ten Vor­ge­setz­ten, dem Ab­tei­lungs­lei­ter Dipl.-Ing. K. Mit der Bil­dung ei­ner Ge­samt­ab­tei­lung, de­ren Di­rek­tor Herr K wur­de, und de­ren Auf­tei­lung in drei Ab­tei­lun­gen, wur­den Herr G und später Herr H die für den Kläger zuständi­gen

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Ab­tei­lungs­lei­ter. Nach wei­te­ren Um­struk­tu­rie­run­gen wur­de 1996 Herr R Vor­ge­setz­ter des Klägers. Nach der Zu­sam­men­le­gung der Ab­tei­lun­gen Be­rech­nun­gen und che­mi­sche Ver­fah­rens­tech­nik zur Ab­tei­lung Pro­jekt­steue­rung/St­ab­sauf­ga­ben (EAP) wur­de als de­ren Lei­ter Herr Dr. S ein­ge­setzt. Der Kläger wur­de in die Ab­tei­lung EAP, die ko­or­di­na­ti­ve Tätig­kei­ten über­neh­men soll­te, ver­setzt. Hin­ter­grund der Neu­glie­de­rung war die Ab­sicht der V AG und der P, das überg­rei­fen­de In­ge­nieur-know-how bei­der Un­ter­neh­men künf­tig durch ei­ne ei­genständi­ge In­ge­nieur­ge­sell­schaft an­zu­bie­ten. Im Herbst 1998 wur­de dann die P E GmbH ge­gründet, die An­fang 1999 die Ab­tei­lung, in der der Kläger beschäftigt war, über­nahm. Im Lau­fe des Jah­res 2002 wur­de die nun­meh­ri­ge Be­klag­te ge­gründet, auf die das Ar­beits­verhält­nis des Klägers über­ging.


Ab dem 23. Sep­tem­ber 1999 ist der Kläger dau­er­haft ar­beits­unfähig er­krankt. Seit dem 18. Ja­nu­ar 2001 ist er ei­nem schwer­be­hin­der­ten Men­schen gleich­ge­stellt. Im Au­gust 2002 wur­de dem Kläger rück­wir­kend ab 1. Sep­tem­ber 2000 ei­ne be­fris­te­te Ren­te we­gen Er­werbs­unfähig­keit be­wil­ligt. Seit Ju­ni 2006 wird die Ren­te un­be­fris­tet gewährt.

Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, we­gen fort­ge­setz­ten Mob­bings ha­be er An­spruch auf Zah­lung von Scha­dens­er­satz, Entschädi­gung und Schmer­zens­geld und macht die­se Ansprüche mit der Kla­ge gel­tend. Während sei­ner Beschäfti­gung sei er in vielfälti­ger Wei­se sys­te­ma­ti­schen Mob­bing-Hand­lun­gen, vor al­lem von Sei­ten sei­ner Vor­ge­setz­ten, aus­ge­setzt ge­we­sen. Hier­auf sei zurück­zuführen, dass er nach wie­der­hol­ten Ar­beits­unfähig­keits­zei­ten we­gen psy­chi­scher Er­kran­kun­gen seit dem 23. Sep­tem­ber 1999 durchgängig er­krankt ist. Die Kla­ge­sum­me in Höhe von 78.109,42 Eu­ro set­ze sich da­bei aus dem Ver­dienst­aus­fall­scha­den und aus der nicht gewähr­ten zweijähri­gen Ge­halts­erhöhung als AT-An­ge­stell­ter für den Zeit­raum ab Ja­nu­ar 1995 zu­sam­men. We­gen der Ver­let­zung sei­nes Persönlich­keits­rechts ste­he ihm außer­dem ein Entschädi­gungs­an­spruch aus § 823 Abs. 1 BGB in Höhe von 25.000,00 Eu­ro so­wie Schmer­zens­geld in Höhe von wei­te­ren 25.000,00 Eu­ro zu.

Zur Dar­stel­lung der von ihm be­haup­te­ten Mob­bing-Hand­lun­gen hat der Kläger um­fang­rei­che Auf­zeich­nun­gen mit An­la­gen vor­ge­legt, wel­che er in die Zeit­ab­schnit­te 1987 bis 1996, 1996 bis 1999 und 1999 bis 2002 glie­dert. Während des ers­ten Zeit­raums ha­be der Ab­tei­lungs­lei­ter Dipl.-Ing. K trotz vie­ler Be­schwer­den bei Vor­ge­setz­ten und Be­triebsräten sei­ne Leis­tun­gen igno­riert und ihn mit Be­dro­hun­gen und Schi­ka­nen über­zo­gen. Sein an den Vor­stands­vor­sit­zen­den der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten, Herrn P, mit Schrei­ben vom 19. Fe­bru­ar 1995 ge­rich­te­ter Ap­pell an die Fürsor­ge­pflicht
 


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des Ar­beit­ge­bers ha­be nicht zu Ände­run­gen des Ver­hal­tens geführt. Ab dem Jah­re 1997 sei er un­ter Vortäuschung fal­scher Tat­sa­chen in die für ihn fach­frem­de Ab­tei­lungs­grup­pe des Che­mi­kers Dr. S ver­setzt wor­den, wo er durch sys­te­ma­ti­sche Über-und Un­ter­for­de­rung mit be­rufs­frem­den und sinn­lo­sen Auf­ga­ben mas­siv be­hin­dert und schi­ka­niert wor­den sei. Auch nach dem 23. Sep­tem­ber 1999 ha­be sich am Mob­bing-Ver­hal­ten der Be­klag­ten nichts geändert. Sie igno­rie­re ihn und kopp­le ihn trotz fort­be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses von be­trieb­li­chen In­for­ma­tio­nen ab. So sei­en ihm be­rech­tig­te Zah­lungs­ansprüche vor­ent­hal­ten wor­den, wo­ge­gen er sich - wie auch ge­gen ei­ne un­be­rech­tig­te Ab­mah­nung - ge­richt­lich er­folg­reich zur Wehr ge­setzt ha­be.

Der Kläger meint, es lie­ge ei­ne ei­ge­ne un­er­laub­te Hand­lung der Be­klag­ten bzw. ih­rer ge­setz­li­chen Ver­tre­ter vor; zu­min­dest je­doch ein ent­spre­chen­des Über­wa­chungs­ver­schul­den, da trotz ent­spre­chen­der Kennt­nis­se kei­ner­lei Kon­troll­maßnah­men ver­an­lasst oder An­wei­sun­gen an das an­geb­lich sorgfältig aus­gewähl­te Lei­tungs­per­so­nal er­teilt wor­den sei­en. Spätes­tens die Schrei­ben der „Mob­bing-Zen­tra­le e.V.“ vom 7. Ok­to­ber und 16. No­vem­ber 1999 hätten der Be­klag­ten An­lass ge­ben müssen, in sei­nem In­ter­es­se tätig zu wer­den. Statt­des­sen ha­be der frühe­re Per­so­nal­lei­ter L ihn als Que­ru­lan­ten be­han­delt und im Jah­re 2001 auf die Fra­ge nach sei­ner Per­son ge­ant­wor­tet: „Den Herrn W gibt’s nicht mehr bei uns“. Hierfür müsse die Be­klag­te zu­min­dest nach § 831 BGB ein­ste­hen.


Die ar­beits­ver­trag­lich in Be­zug ge­nom­me­ne Aus­schluss­klau­sel un­ter­lie­ge der ar­beits­ge­richt­li­chen An­ge­mes­sen­heits­kon­trol­le. Ansprüche we­gen Persönlich­keits­rechts­ver­let­zun­gen sei­en oh­ne­hin von der­ar­ti­gen Aus­schluss­klau­seln nicht um­fasst.

Mit sei­ner am 24. Ju­li 2002 zu­ge­stell­ten Kla­ge hat der Kläger zu­letzt be­an­tragt,

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 78.109,42 Eu­ro brut­to nebst 5 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 12. Ju­li 2002 aus 63.985,49 Eu­ro und aus 14.123,92 Eu­ro seit Rechtshängig­keit zu zah­len;


2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn min­des­tens 50.000,00 Eu­ro nebst 5 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 12. Ju­li 2002 zu zah­len;

3. fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, sämt­li­che über die Anträge zu 1. und 2. hin­aus­ge­hen­den und der­zeit noch nicht be­zif­fer­ba­ren Schäden zu er­set­zen, die ihm auf Grund der Mob­bing-Überg­rif­fe er­wach­sen sind oder noch er­wach­sen wer­den.


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Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt und die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Ansprüche sei­en ver­fal­len.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des Klägers zurück­ge­wie­sen. Mit der Re­vi­si­on ver­folgt der Kläger sein Be­geh­ren wei­ter.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on ist zulässig und be­gründet. Sie führt zur Auf­he­bung des lan­des­ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils und Zurück­ver­wei­sung des Rechts­streits an das Lan­des­ar­beits­ge­richt. Das Ur­teil be­ruht auf ei­ner rechts­feh­ler­haf­ten An­wen­dung der ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Aus­schluss­frist.


A. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, so­weit der Kläger Ansprüche auf Zah­lung von Schmer­zens­geld und Gel­dentschädi­gung gel­tend ma­che, feh­le es an ei­ner ei­ge­nen von der Be­klag­ten selbst durch ak­ti­ves Tun oder Un­ter­las­sen be­gründe­ten Persönlich­keits­rechts­ver­let­zung und un­er­laub­ten Hand­lung. Außer­dem schei­ter­ten sämt­li­che Ansprüche am Er­for­der­nis der recht­zei­ti­gen Gel­tend­ma­chung, da der Kläger die in Be­zug ge­nom­me­ne ta­rif­li­che Aus­schluss­frist nicht ein­ge­hal­ten ha­be.


Ei­ne ei­ge­ne von der Be­klag­ten selbst bzw. ih­ren Or­ga­nen ak­tiv be­gan­ge­ne Persönlich­keits­rechts­ver­let­zung tra­ge der Kläger nicht vor. Auch lie­ge kein Un­ter­las­sen vor. So­weit der Geschäftsführer Se drei Mal Gespräche mit dem Kläger ver­wei­gert ha­be, könne dem nicht die Be­deu­tung ei­nes rechts­wid­ri­gen Ein­griffs in das Persönlich­keits­recht bei­ge­mes­sen wer­den, da es sich da­bei um das sach­li­che An­lie­gen der nach Auf­fas­sung des Klägers feh­ler­haf­ten Be­rech­nun­gen beim Kraft­werk S ge­han­delt ha­be. Glei­ches gel­te für den Vor­wurf des Klägers, die Be­klag­te ha­be auf die Schrei­ben der Mob­bing-Zen­tra­le und sei­ner frühe­ren Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten nicht bzw. nicht aus-rei­chend re­agiert. Das Persönlich­keits­recht um­fas­se kei­nen An­spruch auf Kom­mu­ni­ka­ti­on. Ein An­spruch we­gen Un­ter­las­sens käme nur in Be­tracht, wenn die Be­klag­te auf der Grund­la­ge ih­rer Er­kennt­nis­se zu der Auf­fas­sung hätte ge­lan­gen müssen, ein ak­ti­ves Ein­grei­fen sei zum Schutz des Klägers drin­gend ge­bo­ten. Die vom Kläger gel­tend ge­mach­ten Ein­grif­fe hätten je­doch mit der ihm über­tra­ge­nen Ar­beits­auf­ga­be im Zu­sam­men­hang ge­stan­den.
 


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Ei­ne Haf­tung aus § 831 BGB kom­me nicht in Be­tracht, selbst wenn berück­sich­tigt wer­de, dass der Kläger sich mit Schrei­ben vom 19. Fe­bru­ar 1995 bei dem ge­setz­li­chen Ver­tre­ter der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten darüber be­schwert ha­be, er wer­de von sei­nem Vor­ge­setz­ten K in un­an­ge­mes­se­ner Wei­se be­han­delt. Es ha­be kein An­lass zu ei­genständi­gen Auf­sichts­maßnah­men be­stan­den, da das Schrei­ben kei­ne kon­kre­ten Tat­sa­chen für die Einschätzung ent­hal­ten ha­be, das Ver­hal­ten des Vor­ge­setz­ten ver­let­ze das Persönlich­keits­recht des Klägers.


Auf den Ge­sichts­punkt der Ver­trags­ver­let­zung könne der An­spruch auf Er­satz im­ma­te­ri­el­ler Schäden nicht gestützt wer­den, da die Neu­fas­sung der Vor­schrift des § 253 BGB erst mit Wir­kung zum 1. Au­gust 2002 in Kraft ge­tre­ten sei.

Im Übri­gen sei der Kläger mit sämt­li­chen Ansprüchen we­gen Versäum­ung der ar­beits­ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Ver­fall­frist aus­ge­schlos­sen. Ge­gen de­ren wirk­sa­me Ein­be­zie­hung bestünden kei­ne Be­den­ken. Sie sei auch nicht des­halb un­wirk­sam, weil sie auch den Fall der Haf­tung für vorsätz­li­ches Han­deln um­fas­se. Denn man­gels Gel­tung des erst ab dem 1. Ja­nu­ar 2003 An­wen­dung fin­den­den Rechts der §§ 305 ff. BGB nF kom­me ei­ne vollständi­ge Un­wirk­sam­keit der Klau­sel nicht in Be­tracht, son­dern al­len­falls ei­ne Teil­un­wirk­sam­keit. Glei­ches gel­te für den Um­stand, dass die ver­ein­bar­te Aus­schluss­klau­sel an das „Ent­ste­hen“ des An­spru­ches an­knüpfe.


Die Klau­sel um­fas­se auch die Ansprüche we­gen Persönlich­keits­rechts­ver­let­zun­gen. Dies fol­ge aus ih­rem Wort­laut so­wie dem Sinn und Zweck. Den Be­son­der­hei­ten der Schädi­gung durch „Mob­bing-Ver­hal­ten“ sei bei der kon­kre­ten An­wen­dung der Aus­schluss­klau­seln Rech­nung zu tra­gen. Nach den Re­geln der An­spruchs­kon­kur­renz be­ste­he beim Zu­sam­men­tref­fen von ver­trag­li­chen und de­lik­ti­schen Ansprüchen aus ei­nem ein­heit­li­chen Le­bens­sach­ver­halt kein Grund dafür, letz­te­re per se vom Gel­tungs­be­reich von Ver­fall­klau­seln aus­zu­neh­men.

Die sechs­mo­na­ti­ge Aus­schluss­frist ha­be der Kläger nicht ge­wahrt.

So­weit we­ni­ge Ansprüche aus Ver­let­zungs­hand­lun­gen vor der kla­ge­wei­sen Gel­tend­ma­chung am 24. Ju­li 2002 nicht er­fasst würden, könne die­ses Ver­hal­ten - wie zB die zöger­li­che Be­hand­lung sei­ner An­fra­ge über die Be­rech­nung sei­nes Ru­he­gel­des, die ver­späte­te Zu­sen­dung von Brief­wahl­un­ter­la­gen zur Be­triebs­rats­wahl und die sechstägi­ge Zah­lungs­verzöge­rung mit dem in ei­nem an­de­ren ar­beits­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren aus­ge­ur­teil­ten Be­trag - die hier gel­tend ge­mach­ten Ansprüche je­doch nicht recht­fer­ti­gen.
 


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B. Auf die Re­vi­si­on des Klägers ist das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts auf­zu­he­ben und der Rechts­streit zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen.

I. Die Re­vi­si­on ist zulässig.

Sie ist auf Grund der im Te­nor des Ur­teils des Lan­des­ar­beits­ge­richts aus­ge­spro­che­nen Zu­las­sung statt­haft, § 72 Abs. 1 ArbGG. Die Re­vi­si­on ist form- und frist­ge­recht ein­ge­legt so­wie frist- und ord­nungs­gemäß be­gründet wor­den, §§ 73, 74 ArbGG. Der Kläger rügt die Ver­let­zung so­wohl ma­te­ri­el­len als auch for­mel­len Rechts.

II. Die Re­vi­si­on ist auch be­gründet.

1. Das folgt zwar nicht be­reits auf Grund von Ver­fah­rens­feh­lern des Lan­des­ar­beits­ge­richts. Aus der Re­vi­si­ons­be­gründung des Klägers er­gibt sich be­reits nicht klar, wel­che das Ver­fah­ren be­tref­fen­de Rechts­vor­schrift durch das Lan­des­ar­beits­ge­richt ver­letzt wor­den sein soll.


a) So­weit er mit dem Ein­wand, am Verkündungs­ter­min hätten an­de­re eh­ren­amt­li­che Rich­ter als an der münd­li­chen Ver­hand­lung vor der Kam­mer teil­ge­nom­men, gel­tend ma­chen will, an der Ur­teils­fin­dung hätten an­de­re eh­ren­amt­li­che Rich­ter mit­ge­wirkt als an der münd­li­chen Ver­hand­lung, rügt er die Ver­let­zung des § 309 ZPO. Da­nach kann ein Ur­teil nur von den­je­ni­gen Rich­tern gefällt wer­den, die an der dem Ur­teil zu­grun­de lie­gen­den münd­li­chen Ver­hand­lung teil­ge­nom­men ha­ben. Dies ist im Streit­fall ge­sche­hen, denn das lan­des­ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil wur­de von den an der münd­li­chen Ver­hand­lung be­tei­lig­ten eh­ren­amt­li­chen Rich­tern un­ter­zeich­net.


So­weit bei der Verkündung des lan­des­ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils an­de­re eh­ren­amt­li­che Rich­ter le­dig­lich an­we­send wa­ren, ver­mag dies ei­nen Ver­fah­rens­feh­ler nicht zu be­gründen. Gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 ArbGG ist die Wirk­sam­keit der Verkündung von der An­we­sen­heit der eh­ren­amt­li­chen Rich­ter nicht abhängig. Sie kann auch un­ter Be­tei­li­gung an­de­rer eh­ren­amt­li­cher Rich­ter er­fol­gen als der­je­ni­gen, die die Ent­schei­dung ge­trof­fen ha­ben (BAG 27. Ja­nu­ar 1983 - 2 AZR 188/81 - AP ZPO § 38 In­ter­na­tio­na­le Zuständig­keit Nr. 12). Das in § 309 ZPO ent­hal­te­ne Ge­bot be­trifft nur die Mit­wir­kung an der Sach­ent­schei­dung, nicht auch an dem for­ma­len Akt der Ent­schei­dungs­verkündung.
 


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b) So­weit der Kläger rügt, das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­be die münd­li­che Ver­hand­lung wie­de­reröff­nen müssen, macht er letzt­lich ei­nen Ver­s­toß ge­gen den Grund­satz der Münd­lich­keit (§ 128 Abs. 1 ZPO) gel­tend. Die­ser hat zum In­halt, dass oh­ne münd­li­che Ver­hand­lung das Ge­richt kei­ne Ent­schei­dung er­las­sen und Ent­schei­dungs­grund­la­ge nur der Pro­zess­stoff sein darf, der Ge­gen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung war (BAG 23. Ja­nu­ar 1996 - 9 AZR 600/93 - BA­GE 82, 74 = AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 20 = EzA ZPO § 128 Nr. 2). Ein Ver­s­toß ge­gen die­sen Grund­satz er­gibt sich aus dem die Rüge des Klägers be­gründen­den Vor­brin­gen je­doch nicht. Der Kläger be­tont viel­mehr, dass Ge­gen­stand der münd­li­chen Ver­hand­lung vor der Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts am 12. De­zem­ber 2005 fast aus­sch­ließlich die Pro­ble­ma­tik der Aus­schluss­frist ge­we­sen sei. Da­mit be­stand kei­ne Ver­pflich­tung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, nach der im Nach­gang zur münd­li­chen Ver­hand­lung schriftsätz­lich mit­ge­teil­ten Rechts­mei­nung der Par­tei­en die münd­li­che Ver­hand­lung gemäß § 156 ZPO wie­der zu eröff­nen. Gemäß § 156 Abs. 2 ZPO hat das Ge­richt nur dann zwin­gend die Wie­de­reröff­nung der münd­li­chen Ver­hand­lung an­zu­ord­nen, wenn ei­ner der dort aus­drück­lich ge­nann­ten Fälle vor­liegt. Tat­sa­chen, die sich ei­nem die­ser Fälle zu­ord­nen las­sen, hat der Kläger zur Be­gründung sei­ner Ver­fah­rensrüge je­doch nicht dar­ge­tan.


c) Die wei­te­re Ver­fah­rensrüge des Klägers, das Lan­des­ar­beits­ge­richt ha­be sei­nen An­spruch auf Gewährung recht­li­chen Gehörs ver­letzt, ist durch die Be­zug­nah­me auf den Schrift­satz aus dem Be­ru­fungs­ver­fah­ren vom 8. No­vem­ber 2005 nicht nach­voll­zieh­bar. In die­sem Schrift­satz rügt der Kläger ei­ne feh­ler­haf­te Rechts­an­wen­dung durch das erst­in­stanz­li­che Ge­richt. Die­se steht je­doch zur re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prüfung nicht an. Auch kann das lan­des­ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil nicht auf ihr be­ru­hen. Die Ver­fah­rensrüge ist da­mit schon nicht in zulässi­ger Wei­se er­ho­ben.

d) Sch­ließlich führt auch die auf die vierjähri­ge Ver­fah­rens­dau­er be­zo­ge­ne Rüge des Klägers nicht be­reits zur Be­gründet­heit der Re­vi­si­on. Zwar lau­fen über­lan­ge Ver­fah­rens­dau­ern dem rechts­staat­li­chen Be­schleu­ni­gungs­grund­satz (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG) so­wie der Ga­ran­tie des Art. 19 Abs. 4 GG zu­wi­der (vgl. BVerfG 6. De­zem­ber 2004 - 1 BvR 1977/04 - NJW 2005, 739; 27. Ju­li 2004 - 1 BvR 1196/04 - NJW 2004, 3320). Im Streit­fall kann je­doch da­hin­ste­hen, ob mit der Ver­fah­rens­dau­er von vier Jah­ren die ge­nann­ten Grundsätze be­reits ver­letzt sind. Für ei­ne zulässi­ge Ver­fah­rensrüge hätte der Kläger dar­le­gen müssen, dass es bei ei­ner kürze­ren Ver­fah­rens­dau­er zu ei­ner an­de­ren Ent­schei­dung hätte kom­men können (vgl. BFH 17. Ja­nu­ar
 


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2006 - VIII B 172/05 - BFH/NV 2006, 799). Hier­an fehlt es. Die Ver­fah­rensrüge ist da­mit be­reits un­zulässig.

2. Das lan­des­ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil hält je­doch aus ma­te­ri­ell­recht­li­chen Gründen ei­ner re­vi­si­ons­recht­li­chen Über­prüfung nicht stand. Ein Ver­fall der gel­tend ge­mach­ten Ansprüche auf Grund der ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Aus­schluss­frist kann mit der Be­gründung des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht an­ge­nom­men wer­den. Ob die mit der Kla­ge gel­tend ge­mach­ten Ansprüche gemäß § 23 Abs. 2 des in Be­zug ge­nom­me­nen Rah­men­ta­rif­ver­tra­ges für die Ar­beit­neh­mer der Un­ter­neh­men der P-Grup­pe (RTV) ver­fal­len sind, be­darf ei­ner er­neu­ten Prüfung und Ent­schei­dung durch das Lan­des­ar­beits­ge­richt.

a) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ist zwar zu­tref­fend von der An­wend­bar­keit und Wirk­sam­keit der Ver­fall­klau­sel aus­ge­gan­gen.

Gemäß § 23 Abs. 2 des RTV müssen Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis spätes­tens in­ner­halb ei­ner Aus­schluss­frist von sechs Mo­na­ten nach Ent­ste­hen des An­spruchs gel­tend ge­macht wer­den.

aa) Die Ein­be­zie­hungs- und Wirk­sam­keits­kon­trol­le der in § 17 des Ar­beits­ver­tra­ges ge­trof­fe­nen Re­ge­lung über die Gel­tung der ta­rif­li­chen Aus­schluss­klau­sel rich­tet sich nach al­tem Recht. Gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB fin­det im Streit­fall das Recht des Bürger­li­chen Ge­setz­bu­ches in der Fas­sung vor dem In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes zur Mo­der­ni­sie­rung des Schuld­rechts vom 26. No­vem­ber 2001 An­wen­dung. Die­ses gilt für vor dem 1. Ja­nu­ar 2002 be­gründe­te Dau­er­schuld­verhält­nis­se erst seit dem 1. Ja­nu­ar 2003. Der Kläger stützt den gel­tend ge­mach­ten Scha­dens­er­satz­an­spruch auf Er­eig­nis­se, die nach sei­ner Dar­stel­lung bis zum Jahr 2002 an­dau­er­ten.


bb) Die Klau­sel ist In­halt des Ar­beits­ver­tra­ges der Par­tei­en ge­wor­den. Man­gels Gel­tung der §§ 305 ff. BGB rich­tet sich die Ein­be­zie­hung al­lein nach den Vor­schrif­ten der §§ 145 ff. BGB und den all­ge­mei­nen Rechts­ge­dan­ken, die in an­de­ren Ge­set­zen ih­ren Nie­der­schlag ge­fun­den ha­ben (vgl. BAG 13. De­zem­ber 2000 - 10 AZR 168/00 - BA­GE 96, 371 = AP BGB § 241 Nr. 2 = EzA BGB § 611 In­halts­kon­trol­le Nr. 8).


Oh­ne Be­lang ist, ob die Be­klag­te den Ta­rif­ver­trag gemäß § 8 TVG im Be­trieb aus­ge­legt hat. Nach der Ent­schei­dung des Vier­ten Se­nats vom 23. Ja­nu­ar 2002 (- 4 AZR 56/01 - BA­GE 100, 225 = AP NachwG § 2 Nr. 5 = EzA NachwG § 2 Nr. 3)
 


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wird die An­wen­dung ei­ner ta­rif­li­chen Aus­schluss­frist nicht durch ei­nen Ver­s­toß ge­gen die Aus­le­gungs­pflicht aus­ge­schlos­sen.


cc) Die Klau­sel un­ter­liegt hin­sicht­lich ih­rer Wirk­sam­keit kei­nen Be­den­ken. Die Par­tei­en können im Rah­men ih­rer Ver­trags­frei­heit in Ar­beits­verträgen Ver­fall­klau­seln für die Gel­tend­ma­chung von Ansprüchen aus dem Ar­beits­verhält­nis ver­ein­ba­ren, wo­bei es kei­nen Un­ter­schied macht, ob sie ei­ne sol­che Klau­sel aus­for­mu­lie­ren oder auf ei­ne in ei­nem an­de­ren Re­ge­lungs­werk ent­hal­te­ne Klau­sel Be­zug neh­men (BAG 13. De­zem­ber 2000 - 10 AZR 168/00 - BA­GE 96, 371 = AP BGB § 241 Nr. 2 = EzA BGB § 611 In­halts­kon­trol­le Nr. 8).


Ei­ne al­lein an­hand der §§ 138, 134 und 242 BGB vor­zu­neh­men­de In­halts­kon­trol­le führt nicht zur Un­wirk­sam­keit der Ver­fall­klau­sel. Sie gilt für bei­de Ver­trags­par­tei­en und ist mit ei­ner Frist­dau­er von sechs Mo­na­ten nicht zu kurz. Nach der zum al­ten Recht er­gan­ge­nen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts wa­ren be­reits Ver­fall-fris­ten von zwei Mo­na­ten (24. März 1988 - 2 AZR 630/87 - AP BGB § 241 Nr. 1 = EzA TVG § 4 Aus­schluss­fris­ten Nr. 72) und so­gar von ei­nem Mo­nat (BAG 13. De­zem­ber 2000 - 10 AZR 168/00 - BA­GE 96, 371 = AP BGB § 241 Nr. 2 = EzA BGB § 611 In­halts­kon­trol­le Nr. 8) recht­lich zulässig.

dd) Die Klau­sel, die nach ih­rem Wort­laut „Ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis“ er­fasst, um­fasst ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers auch Ansprüche aus vorsätz­lich un­er­laub­ter Hand­lung. Dem steht die seit 1. Ja­nu­ar 2002 gel­ten­de Vor­schrift des § 202 Abs. 1 BGB, der zu­fol­ge die Verjährung bei Haf­tung we­gen Vor­sat­zes nicht im Vor­aus durch Rechts­geschäft er­leich­tert wer­den kann, nicht ent­ge­gen.

Zu den Ansprüchen aus dem Ar­beits­verhält­nis zählen we­gen des ein­heit­li­chen Le­bens­vor­gangs nicht nur ver­trag­li­che Erfüllungs- und Scha­dens­er­satz­ansprüche, son­dern auch sol­che aus un­er­laub­ter Hand­lung (BAG 27. April 1995 - 8 AZR 582/94 - ZTR 1995, 520; 26. April 1990 - 8 AZR 153/89 - ZTR 1991, 26; 26. Mai 1981 - 3 AZR 269/78 - AP TVG § 4 Aus­schluss­fris­ten Nr. 71 = EzA TVG § 4 Aus­schluss­fris­ten Nr. 47).


Ein Ver­fall ist nach der vor In­kraft­tre­ten des § 202 BGB nF am 1. Ja­nu­ar 2002 er­gan­ge­nen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts auch dann nicht aus­ge­schlos­sen, wenn es sich um Ansprüche aus de­lik­ti­scher Vor­satz­tat han­delt. Nach der Ent­schei­dung des Se­nats vom 27. April 1995 (- 8 AZR 582/94 - ZTR 1995, 520; eben­so BAG 6. Mai 1969 - 1 AZR 303/68 - AP TVG § 4 Aus­schluss­fris­ten Nr. 42) un­ter­schei­det

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ei­ne Klau­sel, die den hier maßgeb­li­chen Wort­laut hat, nicht da­nach, ob die den An­spruch be­gründen­de Hand­lung vorsätz­lich oder fahrlässig ge­sche­hen ist. Des­halb wer­den von der Aus­schluss­frist auch Ansprüche er­fasst, die auf vorsätz­lich be­gan­ge­ner un­er­laub­ter Hand­lung be­ru­hen. Dies verstößt nicht ge­gen § 276 Abs. 3 BGB, da die Haf­tung des Schuld­ners nicht im Vor­aus er­las­sen wird.


Zwar ist nach der Ent­schei­dung des Fünf­ten Se­nats vom 25. Mai 2005 (- 5 AZR 572/04 - BA­GE 115, 19 = AP BGB § 310 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3; eben­so 28. Sep­tem­ber 2005 - 5 AZR 52/05 - AP BGB § 307 Nr. 7 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 8) ei­ne Aus­schluss­klau­sel, die auch die Haf­tung we­gen Vor­sat­zes er­fasst, gemäß den §§ 134, 202 Abs. 1 BGB teil­un­wirk­sam. Da das Ge­setz ei­nen um­fas­sen­den Schutz ge­gen im Vor­aus ver­ein­bar­te Ein­schränkun­gen von Haf­tungs­ansprüchen aus vorsätz­li­chen Schädi­gun­gen be­zwe­cke, ver­bie­te sie auch Ver­ein­ba­run­gen über Aus-schluss­fris­ten. Das Ver­bot des § 202 Abs. 1 BGB gilt für al­le Scha­dens­er­satz­ansprüche aus De­likt und Ver­trag (Pa­landt/Hein­richs BGB 66. Aufl. § 202 Rn. 8). Da­mit kann ei­ne Haf­tung aus vorsätz­lich be­gan­ge­ner Ver­trags­pflicht­ver­let­zung oder un­er­laub­ter Hand­lung zwar grundsätz­lich nicht mehr durch ver­trag­li­che Aus­schluss­fris­ten aus­ge­schlos­sen wer­den. Die von der Be­klag­ten in der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung we­gen § 278 Satz 2 BGB vor­ge­brach­te Ein­schränkung die­ses Grund­sat­zes ist aber zu­tref­fend. Da die Haf­tung für frem­des vorsätz­li­ches Han­deln aus­ge­schlos­sen wer­den kann, können der­ar­ti­ge Ansprüche auch un­ter der Gel­tung neu­en Rechts ei­ner Aus­schluss­klau­sel un­ter­fal­len. Vor dem In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes zur Mo­der­ni­sie­rung des Schuld­rechts vom 26. No­vem­ber 2001 gab es ei­ne § 202 Abs. 1 BGB ent­spre­chen­de Vor­schrift nicht. § 225 BGB aF ließ Ver­ein­ba­run­gen zur Er­leich­te­rung der Verjährung aus­drück­lich zu. Dies konn­te auch die Verjährung von Scha­dens­er­satz­ansprüchen aus vorsätz­li­chem Han­deln be­tref­fen (vgl. Pa­landt/Hein­richs 61. Aufl. § 225 Rn. 4).


Nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ist auf Schuld­verhält­nis­se, die vor dem 1. Ja­nu­ar 2002 ent­stan­den sind, das Bürger­li­che Ge­setz­buch in der bis zu die­sem Tag gel­ten­den Fas­sung an­zu­wen­den, so­weit nicht ein an­de­res be­stimmt ist. Ei­ne sol­che ab­wei­chen­de, spe­zi­el­le­re Über­lei­tungs­vor­schrift enthält an sich Art. 229 § 6 EGBGB (BGH 19. Ja­nu­ar 2005 - VIII ZR 114/04 - BGHZ 162, 30; Stau­din­ger/Pe­ters (2003) Art. 229 § 6 EGBGB Rn. 1). Da­nach rich­te­te sich auch die Be­ur­tei­lung der Wirk­sam­keit der zwi­schen den Par­tei­en ver­ein­bar­ten Aus­schluss­frist seit dem 1. Ja­nu­ar 2002 nach § 202 BGB nF, da die­se Norm zu den Vor­schrif­ten des BGB über die Verjährung gehört. Dem­ent­spre­chend un­ter­fie­le die Haf­tung we­gen Vor­sat­zes der ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist im Streit­fall nicht mehr. Nach Pe­ters (in: Stau­din­ger Art. 229 § 6 EGBGB


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Rn. 25) gilt für Ver­ein­ba­run­gen über die Verjährung, die vor dem 1. Ja­nu­ar 2002 ge­trof­fen wur­den, gleich­wohl § 225 BGB aF. Bei Ver­ein­ba­run­gen über die Verjährung in Dau­er­schuld­verhält­nis­sen gilt Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB mit der Fol­ge, dass sich die Wirk­sam­keit der Aus­schluss­klau­sel im Streit­fall noch nach al­tem Recht, das noch bis zum 31. De­zem­ber 2002 galt, be­ur­teilt. Die Über­g­angs­vor­schrift des Art. 229 § 6 EGBGB dient der Klar­stel­lung, wel­che Fris­ten auf bei In­kraft­tre­ten der Neu­re­ge­lung be­reits ent­stan­de­ne, je­doch noch nicht verjähr­te Ansprüche An­wen­dung fin­den, wann der Lauf der Fris­ten be­ginnt und auf wel­che Wei­se der Frist­lauf un­ter­bro­chen oder ge-hemmt wer­den kann. Dass da­bei die Fra­ge, wel­ches Recht zur Kon­trol­le von Ver­ein­ba­run­gen über die Verjährung wann An­wen­dung fin­det, be­dacht wur­de, ist nicht er­kenn­bar und er­gibt sich auch nicht aus den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 273). Die An­wen­dung von Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB auf Verjährungs­ver­ein­ba­run­gen ist we­gen der da­hin­ter­ste­hen­den ge­setz­ge­be­ri­schen Über­le­gung, den Par­tei­en ei­nes Dau­er­schuld­verhält­nis­ses die Möglich­keit zu ge­ben, ih­ren Ver­trag dem neu­en Recht bis zum 31. De­zem­ber 2002 an­zu­pas­sen (so BT-Drucks. aaO), an­ge­mes­se­ner.


Die im Streit­fall ver­ein­bar­te Aus­schluss­klau­sel er­fasst da­nach auch die Haf­tung für vorsätz­li­che Pflicht- oder Rechts(gut)ver­let­zun­gen.

ee) Die Aus­schluss­klau­sel er­fasst auch Ansprüche we­gen der Ver­let­zung der Ge­sund­heit (vgl. zu­letzt zu § 70 BAT Se­nat 14. De­zem­ber 2006 - 8 AZR 628/05 - AP BGB § 618 Nr. 28 = EzA BGB 2002 § 618 Nr. 2; 27. April 1995 - 8 AZR 582/94 - ZTR 1995, 520). Da­bei ist aber strei­tig, ob ei­ne Aus­schluss­klau­sel die­ses In­halts auch Ansprüche we­gen der Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts er­fasst.

Nach ei­ner Ent­schei­dung des Ers­ten Se­nats vom 25. April 1972 (- 1 AZR 322/71 - BA­GE 24, 247 = AP BGB § 611 Öffent­li­cher Dienst Nr. 9; eben­so Se­nat 27. April 1995 - 8 AZR 582/94 - ZTR 1995, 520) greift ei­ne ta­rif­li­che Aus­schluss­frist, die auf Ansprüche aus dem Ar­beits­ver­trag ab­stellt, bei ei­nem auf die Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts gestütz­ten Schmer­zens­geld­an­spruch nicht ein. Die Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts sei we­gen der Not­wen­dig­keit des Schut­zes der Persönlich­keit ein Tat­be­stand ei­ge­ner Art, der ne­ben der Ver­let­zung von Pflich­ten aus dem Ar­beits­ver­trag ste­he. Der Fünf­te Se­nat ver­tritt in ständi­ger Recht­spre­chung, die al­ler­dings nicht Scha­dens­er­satz- oder Entschädi­gungs­ansprüche zum Ge­gen­stand hat­te, die Auf­fas­sung, dass Ansprüche aus Persönlich­keits­ver­let­zun­gen nicht un­ter Aus­schluss­klau­seln fie­len, die ih­ren Wir­kungs­be­reich auf Ansprüche aus dem Ar­beits­ver­trag oder dem Ar­beits­verhält­nis er­streck­ten. Ab­so­lu­te Rech­te, wie zB auch der An­spruch auf Her­aus­ga-

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be des Ei­gen­tums, fie­len nicht un­ter der­ar­ti­ge Klau­seln (15. Ju­li 1987 - 5 AZR 215/86 - BA­GE 54, 365 = AP BGB § 611 Persönlich­keits­recht Nr. 14 = EzA BGB § 611 Persönlich­keits­recht Nr. 5 zur Ent­fer­nung ei­nes Ver­merks aus der Per­so­nal­ak­te; 15. Mai 1991 - 5 AZR 271/90 - BA­GE 68, 60 = AP BGB § 611 Beschäfti­gungs­pflicht Nr. 23 = EzA TVG § 4 Aus­schluss­fris­ten Nr. 91 zum Beschäfti­gungs­an­spruch). Die In­stanz­recht­spre­chung hat sich im Zu­ge der Be­fas­sung mit sog. Mob­bing­kla­gen bis­lang le­dig­lich mit der Gel­tung von Aus­schluss­klau­seln we­gen der Ver­let­zung der Ge­sund­heit aus­ein­an­der­set­zen müssen (so LAG Köln 3. Ju­ni 2004 - 5 Sa 241/04 - ZTR 2004, 643; Säch­si­sches LAG 17. Fe­bru­ar 2005 - 2 Sa 751/03 - al­ler­dings un­ter aus­drück­li­cher Be­to­nung, Ansprüche we­gen der Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts würden von der Klau­sel nicht um­fasst).

Un­ter Zu­grun­de­le­gung der dar­ge­stell­ten bun­des­ar­beits­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung spricht sich in der Li­te­ra­tur Hänsch (in: HMR Teil 3 Rn. 106 ff.) ge­gen die Gel­tung von Aus­schluss­klau­seln so­wohl für ver­trag­li­che als auch für de­lik­ti­sche Ansprüche im Zu­sam­men­hang mit Persönlich­keits­rechts­ver­let­zun­gen aus. Im Übri­gen ist das Mei­nungs­bild in der Li­te­ra­tur dif­fe­ren­ziert. Za­chert (in: Kem­pen/Za­chert TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 480) so­wie Wank (in: Wie­de­mann TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 761) spre­chen sich ge­gen den Ver­fall der­ar­ti­ger Ansprüche aus. Löwisch/Rieb­le (TVG 2. Aufl. § 1 Rn. 659 f.) sind dem­ge­genüber der Auf­fas­sung, das ab­so­lu­te Recht sei streng zu tren­nen von den aus sei­ner Ver­let­zung re­sul­tie­ren­den schuld­recht­li­chen Ansprüchen. Ein Scha­dens­er­satz­an­spruch aus §§ 989 f. BGB we­gen der Zerstörung von Ei­gen­tum könne durch­aus ver­fal­len, eben­so wie Entschädi­gungs­ansprüche des Ar­beit­neh­mers we­gen Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts. Oh­ne das Persönlich­keits­recht an­zu­spre­chen, dif­fe­ren­ziert auch Zwan­zi­ger (in: Däubler TVG 2. Aufl. § 4 Rn. 1124) zwi­schen dem nicht mögli­chen Ver­fall des sog. Stamm­rechts, et­wa dem Ei­gen­tums­her­aus­ga­be­an­spruch, und sich dar­aus er­ge­ben­den et­wai­gen Scha­dens­er­satz­ansprüchen.

Der Se­nat geht da­von aus, dass auch die Ansprüche we­gen der Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts er­fasst wer­den; für ihn ist aus­schlag­ge­bend, dass durch die ent­ge­gen­ste­hen­de Auf­fas­sung Scha­dens­er­satz­ansprüche we­gen der Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts oh­ne nach­voll­zieh­ba­ren Grund ge­genüber Scha­dens­er­satz­ansprüchen we­gen der Ver­let­zung der Ge­sund­heit oder des Ei­gen­tums pri­vi­le­giert würden. Letz­te­re sind eben­falls Rechtsgüter bzw. Rech­te iSd. § 823 Abs. 1 BGB und tei­len den Aus­sch­ließlich­keitscha­rak­ter des Persönlich­keits­rechts. Wei­ter­hin ge­nießen sie eben­so wie das Persönlich­keits­recht ver­fas­sungs­recht­li­chen Schutz. Gleich­wohl un­ter­fal­len Scha­dens­er­satz- oder Schmer­zens­geld­ansprüche we­gen ih­rer
 


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Ver­let­zung un­strei­tig ta­rif­li­chen oder ver­trag­li­chen Aus­schluss­klau­seln mit ei­nem der strei­ti­gen Klau­sel ent­spre­chen­den Wort­laut. Die­sem Wer­tungs­wi­der­spruch wird da­mit Rech­nung ge­tra­gen.


ff) Zu­tref­fend ist das Lan­des­ar­beits­ge­richt da­von aus­ge­gan­gen, dass die Aus­schluss­klau­sel grundsätz­lich auch Ansprüche er­fasst, die in der Zeit vor Ab­schluss des Ar­beits­ver­tra­ges vom 26. Fe­bru­ar/15. April 1999, in den erst­mals mit der Re­ge­lung in § 17 ei­ne Ver­fall­frist auf­ge­nom­men wur­de, ent­stan­den und fällig ge­wor­den sind. Die Be­gründung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, in dem Neu­ab­schluss des Ver­tra­ges kom­me re­gelmäßig der Wil­le der Ver­trags­par­tei­en zum Aus­druck, ih­re Rechts­be­zie­hun­gen um­fas­send den neu­en ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen zu un­ter­stel­len, ist oh­ne Rechts­feh­ler.

b) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Ver­fall­klau­sel je­doch feh­ler­haft an­ge­wen­det.

aa) Die in Be­zug ge­nom­me­ne ta­rif­li­che Aus­schluss­klau­sel knüpft den Be­ginn des Frist­laufs an die „Ent­ste­hung“ des An­spruchs. Da­mit ist re­gelmäßig die Fällig­keit ge­meint (vgl. BAG 9. Au­gust 1990 - 2 AZR 579/89 - AP BGB § 615 Nr. 46 = EzA TVG § 4 Aus­schluss­fris­ten Nr. 88; Däubler/Zwan­zi­ger § 4 Rn. 1139).

Die Fällig­keit ei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs setzt zunächst vor­aus, dass ein Scha­den über­haupt ent­stan­den ist. Erst mit der Ent­ste­hung des Scha­dens kann auch ein Scha­dens­er­satz­an­spruch ent­ste­hen, der in der Re­gel auch mit sei­ner Ent­ste­hung fällig wird (BAG 14. De­zem­ber 2006 - 8 AZR 628/05 - AP BGB § 618 Nr. 28 = EzA BGB 2002 § 618 Nr. 2; 25. Ja­nu­ar 1967 - 4 AZR 532/65 - AP TVG § 4 Aus­schluss­fris­ten Nr. 35 = EzA TVG § 4 Nr. 13; 7. März 1995 - 3 AZR 282/94 - BA­GE 79, 236, 258 = AP Be­trAVG § 1 Gleich­be­hand­lung Nr. 26 = EzA Be­trAVG § 1 Gleich­be­hand­lung Nr. 9 un­ter Ver­weis auf BGH 19. De­zem­ber 1990 - VIII ARZ 5/90 - BGHZ 113, 188, 193).


Die Fällig­keit tritt nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts bei Scha­dens­er­satz­ansprüchen ein, wenn der Scha­den für den Gläubi­ger fest­stell­bar ist und gel­tend ge­macht wer­den kann (Se­nat 14. De­zem­ber 2006 - 8 AZR 628/05 - AP BGB § 618 Nr. 28 = EzA BGB 2002 § 618 Nr. 2; 20. Ju­ni 2002 - 8 AZR 488/01 - EzA BGB § 611 Ar­beit­ge­ber­haf­tung Nr. 11). Fest­stell­bar ist der Scha­den, so-bald der Gläubi­ger vom Scha­dens­er­eig­nis Kennt­nis er­langt oder bei Be­ach­tung der ge­bo­te­nen Sorg­falt hätte er­lan­gen können (BAG 14. De­zem­ber 2006 - 8 AZR 628/05 - aaO; 27. April 1995 - 8 AZR 582/94 - ZTR 1995, 520; 16. Mai 1984 - 7 AZR 143/81 - AP TVG § 4 Aus­schluss­fris­ten Nr. 85 = EzA TVG § 4 Aus­schluss­fris­ten Nr. 58). Gel­tend ge­macht wer­den können Scha­dens­er­satz­for­de­run­gen, so­bald der Gläubi­ger in der


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La­ge ist, sich den er­for­der­li­chen Über­blick oh­ne schuld­haf­tes Zögern zu ver­schaf­fen und sei­ne For­de­run­gen we­nigs­tens annähernd zu be­zif­fern (BAG 14. De­zem­ber 2006 - 8 AZR 628/05 - aaO; 17. Ju­li 2003 - 8 AZR 486/02 - AP BGB § 611 Haf­tung des Ar­beit­ge­bers Nr. 27). Aus­rei­chend ist, dass der Ar­beit­neh­mer die Ansprüche so deut­lich be­zeich­nen kann, dass der Ar­beit­ge­ber er­ken­nen kann, aus wel­chem Sach­ver­halt und in wel­cher un­gefähren Höhe er in An­spruch ge­nom­men wer­den soll (Se­nat 27. April 1995 - 8 AZR 582/94 - aaO). Dem­ent­spre­chend ist der Gläubi­ger grundsätz­lich ver­pflich­tet, bei der Gel­tend­ma­chung auch zu­min­dest die un­gefähre Höhe sei­ner For­de­rung zu nen­nen (Se­nat 14. De­zem­ber 2006 - 8 AZR 628/05 - aaO).


bb) Die­ser Ent­ste­hungs­zeit­punkt ist in der Re­gel un­pro­ble­ma­tisch zu er­mit­teln, wenn die Ver­let­zungs­hand­lung sich auf ei­nen ein­ma­li­gen, zeit­lich und ge­genständ­lich ab­grenz­ba­ren Hand­lungs­akt be­schränkt. Dies wird im Fall von Persönlich­keits­rechts­ver­let­zun­gen, wie sie der Kläger be­haup­tet und wie sie häufig Ge­gen­stand sog. Mob­bing-Pro­zes­se sind, re­gelmäßig nicht der Fall sein.


Al­ler­dings hat der Um­stand, dass der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer die ge­schil­der­ten Ver­hal­tens­wei­sen von Vor­ge­setz­ten und Kol­le­gen als Mob­bing be­zeich­net, kei­nen Ein­fluss auf die recht­li­che Prüfung. Mob­bing ist kein Rechts­be­griff und erst recht kei­ne An­spruchs­grund­la­ge (Thürin­ger LAG 15. Fe­bru­ar 2001 - 5 Sa 102/2000 - LA­GE BGB § 626 Nr. 133; 10. April 2001 - 5 Sa 403/2000 - LA­GE GG Art. 2 Persönlich­keits­recht Nr. 2; LAG Ber­lin 1. No­vem­ber 2002 - 19 Sa 940/02 - LA­GE GG Art. 2 Persönlich­keits­recht Nr. 6; ErfK/Preis 7. Aufl. § 611 BGB Rn. 768a; Ben­ecke NZA-RR 2003, 225; Rieb­le/Klumpp ZIP 2002, 369; Koll­mer AR-Blat­tei SD 1215 Stand Au­gust 2007 Rn. 7a). Rieb­le/Klumpp (aaO) führen zu Recht aus, dass Mob­bing an sich kein recht­li­ches Phäno­men, son­dern als tatsächli­che Er­schei­nung recht­lich zu würdi­gen sei. Nicht al­les, was als Mob­bing be­zeich­net wird ist von recht­li­cher, dh. ins­be­son­de­re ar­beits­recht­li­cher und scha­dens­recht­li­cher Re­le­vanz.

Auch den zahl­rei­chen von Recht­spre­chung und Leh­re ent­wi­ckel­ten Be­griffs­de­fi­ni­tio­nen ist ge­mein, dass sie kei­ne recht­li­chen Sub­sum­ti­ons­hil­fen bie­ten. Die recht­li­che Würdi­gung ei­nes von der kla­gen­den Par­tei als Mob­bing be­zeich­ne­ten Sach­ver­hal­tes hat dar­auf­hin zu er­fol­gen, ob ar­beits­recht­li­che Pflich­ten oder ein Recht bzw. Rechts­gut iSd. §§ 823 ff. BGB ver­letzt wur­den.

cc) Die im Kern übe­rein­stim­men­den De­fi­ni­tio­nen, wie die des Sieb­ten Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts (15. Ja­nu­ar 1997 - 7 ABR 14/96 - BA­GE 85, 56 = AP Be­trVG


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1972 § 37 Nr. 118 = EzA Be­trVG 1972 § 37 Nr. 133), Mob­bing sei das sys­te­ma­ti­sche An­fein­den, Schi­ka­nie­ren oder Dis­kri­mi­nie­ren von Ar­beit­neh­mern un­ter­ein­an­der oder durch Vor­ge­setz­te, oder die des Thürin­ger Lan­des­ar­beits­ge­richts (15. Fe­bru­ar 2001 - 5 Sa 102/2000 - LA­GE BGB § 626 Nr. 133; 10. April 2001 - 5 Sa 403/2000 - LA­GE GG Art. 2 Persönlich­keits­recht Nr. 2; eben­so LAG Rhein­land-Pfalz 16. Au­gust 2001 - 6 Sa 415/01 - NZA-RR 2002, 121; LAG Bre­men 17. Ok­to­ber 2002 - 3 Sa 78/02 - LA­GE GG Art. 2 Persönlich­keits­recht Nr. 5; LAG Hamm 25. Ju­ni 2002 - 18 (11) Sa 1295/01 - NZA-RR 2003, 8), Mob­bing sei­en „fort­ge­setz­te, auf­ein­an­der auf­bau­en­de oder in­ein­an­der überg­rei­fen­de, der An­fein­dung, Schi­ka­ne oder Dis­kri­mi­nie­rung die­nen­de Ver­hal­tens­wei­sen, die nach ih­rer Art und ih­rem Ab­lauf im Re­gel­fall ei­ner über-ge­ord­ne­ten, von der Rechts­ord­nung nicht ge­deck­ten Ziel­set­zung förder­lich sind und je­den­falls in ih­rer Ge­samt­heit das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht, die Eh­re oder die Ge­sund­heit des Be­trof­fe­nen ver­let­zen“, zei­gen - un­abhängig da­von, wel­cher De­fi­ni­ti­on man folgt -, dass die un­ter dem Be­griff Mob­bing zu­sam­men­ge­fass­ten tatsächli­chen Er­schei­nun­gen recht­li­che Fra­ge­stel­lun­gen auf­wer­fen, die ge­ra­de für den Lauf von Fris­ten von Be­deu­tung sind. Denn die recht­li­che Be­son­der­heit der als Mob­bing be­zeich­ne­ten tatsächli­chen Er­schei­nun­gen liegt dar­in, dass nicht ei­ne ein­zel­ne, ab­grenz­ba­re Hand­lung, son­dern die Zu­sam­men­fas­sung meh­re­rer Ein­zel­ak­te in ei­nem Pro­zess zu ei­ner Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts oder der Ge­sund­heit des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers führen kann, wo­bei die ein­zel­nen Teil­ak­te je­weils für sich be­trach­tet recht­lich wie­der­um „neu­tral“ sein können. Recht­lich be­trach­tet geht es da­mit zunächst um die Qua­li­fi­zie­rung ei­nes be­stimm­ten Ge­samt­ver­hal­tens als Ver­let­zungs­hand­lung im Rechts­sin­ne. Die Zu­sam­men­fas­sung der ein­zel­nen Ver­hal­tens­wei­sen er­folgt da­bei durch die ih­nen zu­grun­de lie­gen­de Sys­te­ma­tik und Ziel­rich­tung, Rech­te und Rechtsgüter - im Re­gel­fall das Persönlich­keits­recht und/oder die Ge­sund­heit des Be­trof­fe­nen - zu be­ein­träch­ti­gen (vgl. Thürin­ger LAG 15. Fe­bru­ar 2001 - 5 Sa 102/2000 - aaO; 10. Ju­ni 2004 - 1 Sa 148/01 - LA­GE GG Art. 2 Persönlich­keits­recht Nr. 8a; LAG Schles­wig-Hol­stein 19. März 2002 - 3 Sa 1/02 - NZA-RR 2002, 457).

dd) Ent­spre­chend den dar­ge­leg­ten Grundsätzen wird auch in der Li­te­ra­tur zur sog. Mob­bing-Pro­ble­ma­tik da­von aus­ge­gan­gen, dass we­gen der Pro­zess­haf­tig­keit des Mob­bings nicht et­wa ein­zel­ne zurück­lie­gen­de Hand­lun­gen aus der Berück­sich­ti­gung her­aus­fal­len könn­ten. Sie sei­en viel­mehr, da sie ei­nem sys­te­ma­ti­schen Pro­zess an­gehörten, in die Be­trach­tung ein­zu­be­zie­hen (Rieb­le/Klumpp ZIP 2002, 369).


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We­sens­merk­mal der als Mob­bing be­zeich­ne­ten Form der Persönlich­keits­rechts­ver­let­zung ist die sys­te­ma­ti­sche, sich aus vie­len ein­zel­nen Hand­lun­gen zu­sam­men­set­zen­de Ver­let­zungs­hand­lung, wo­bei den ein­zel­nen Hand­lun­gen bei iso­lier­ter Be­trach­tung ei­ne recht­li­che Be­deu­tung oft nicht zu­kommt. Hier­zu stünde im Wi­der­spruch, wenn der Lauf der Aus­schluss­frist mit Ab­schluss ei­ner je­den ein­zel­nen Hand­lung begönne. Dem­ent­spre­chend be­ginnt die Aus­schluss­frist in Mob­bing-Fällen re­gelmäßig mit Ab­schluss der zeit­lich letz­ten vor­ge­tra­ge­nen „Mob­bing-Hand­lung“. Lässt sich ein fort­lau­fen­der Pro­zess von Hand­lun­gen fest­stel­len, mit dem ins­ge­samt in rechts­wid­ri­ger Wei­se in das Persönlich­keits­recht des Ar­beit­neh­mers ein­ge­grif­fen wur­de, ist der An­spruchs­geg­ner auch nicht schutzwürdig; dies gilt um­so mehr, als er über ei­nen lan­gen Zeit­raum hin­weg in sys­te­ma­ti­scher Wei­se vor­ge­gan­gen ist.

Da­mit wird auch der Ge­fahr be­geg­net, dass über die Aus­schluss­frist be­stimm­te Sach­ver­hal­te als ver­fal­len an­ge­se­hen und aus der Be­ur­tei­lung, ob das Persönlich­keits­recht ver­letzt wur­de, aus­ge­schlos­sen wer­den. Die Persönlich­keits­rechts­ver­let­zung wird in sog. Mob­bing-Fällen durch ei­ne zu­sam­menhängen­de Ge­samt­hand­lung ver­ur­sacht, die auch in ih­rer Ge­samt­heit zu würdi­gen ist.

ee) Bei Zu­grun­de­le­gung die­ser Grundsätze kann ein Aus­schluss der Ansprüche je­den­falls nicht in vol­lem Um­fang an­ge­nom­men wer­den. Die von dem Kläger be­haup­te­ten Ein­grif­fe in sein Persönlich­keits­recht ha­ben bis in den Mo­nat Mai 2002 hin­ein an­ge­dau­ert. Grundsätz­lich ist da­her zu die­sem Zeit­punkt von dem Be­ginn der Aus­schluss­frist aus­zu­ge­hen. Die Kla­ge, die das Lan­des­ar­beits­ge­richt als erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung der Ansprüche iSd. der Aus­schluss­klau­sel an­ge­se­hen hat, wur­de am 24. Ju­li 2002 zu­ge­stellt.


ff) Die Fra­ge, ob ein Ge­samt­ver­hal­ten als ei­ne ein­heit­li­che Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts zu qua­li­fi­zie­ren ist, und ob ein­zel­ne Hand­lun­gen in der Ge­samt­schau ei­nen persönlich­keits­rechts­ver­let­zen­den Cha­rak­ter ha­ben, un­ter­liegt der re­vi­si­ons-recht­lich nur ein­ge­schränkt über­prüfba­ren tatrich­ter­li­chen Würdi­gung. Die Fra­ge, ob das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht ver­letzt ist, ist auf Grund ei­ner Güter- und In­ter­es­sen­abwägung un­ter sorg­sa­mer Würdi­gung al­ler Umstände zu be­ur­tei­len (BAG 18. De­zem­ber 1984 - 3 AZR 389/83 - AP BGB § 611 Persönlich­keits­recht Nr. 8 = EzA BGB § 611 Persönlich­keits­recht Nr. 2); die­se Würdi­gung darf dem Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht ent­zo­gen wer­den.

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3. Soll­te das Lan­des­ar­beits­ge­richt bei er­neu­ter Ent­schei­dung des Rechts­streits zu dem Er­geb­nis ge­lan­gen, dass ein Ver­fall der Ansprüche nicht oder nicht in vol­lem Um­fang ein­ge­tre­ten ist, er­ge­ben sich fol­gen­de Be­son­der­hei­ten:

a) Mit dem Kla­ge­an­trag zu 1) macht der Kläger den Er­satz ma­te­ri­el­ler Schäden gel­tend, die ihm durch die ver­meint­li­chen Mob­bing-Hand­lun­gen der Be­klag­ten bzw. sei­ner Vor­ge­setz­ten, ins­be­son­de­re we­gen der dar­aus fol­gen­den Er­kran­kun­gen, ent­stan­den sein sol­len. Im We­sent­li­chen han­delt es sich da­bei um die Dif­fe­renz zwi­schen dem fik­ti­ven Brut­to­ent­gelt des Klägers und den er­hal­te­nen Leis­tun­gen wie Kran­ken­geld und Zuschüssen der Be­klag­ten zum Kran­ken­geld für den Zeit­raum von März 2000 (En­de der Ent­gelt­fort­zah­lung) bis März 2002. Im Lau­fe des Ver­fah­rens hat der Kläger die Kla­ge­sum­me rück­wir­kend auf ei­nen Ver­dienst­aus­fall­scha­den seit dem Jahr 1995 aus­ge­dehnt. Auch von 1995 bis 1999 sei er von den für die AT-An­ge­stell­ten übli­chen Re­ge­l­ent­gel­terhöhun­gen aus­ge­nom­men wor­den.

aa) Der Kla­ge­an­spruch könn­te auf ei­ne po­si­ti­ve For­de­rungs­ver­let­zung des zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­den Ar­beits­ver­tra­ges ent­spre­chend den §§ 280, 286 BGB aF gestützt wer­den.

(1) Im Streit­fall fin­det gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB das Recht des Bürger­li­chen Ge­setz­bu­ches in der Fas­sung vor dem In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes zur Mo­der­ni­sie­rung des Schuld­rechts vom 26. No­vem­ber 2001 An­wen­dung.

(2) Der An­spruch setzt die Ver­let­zung sich aus dem Ar­beits­verhält­nis er­ge­ben­der Pflich­ten vor­aus. Hier­bei kommt so­wohl ei­ne von der Be­klag­ten selbst, dh. durch ih­re Or­ga­ne be­gan­ge­ne und ihr gemäß den §§ 31, 89 BGB zu­zu­rech­nen­de, oder aber ei­ne
durch ih­re Erfüllungs­ge­hil­fen und ihr gemäß § 278 BGB zu­zu­rech­nen­de Pflicht­ver­let­zung in Be­tracht.

(a) Der Kläger wirft der Be­klag­ten vor, sie hätte zu sei­nem Schutz tätig wer­den und auf sei­ne Ein­ga­ben an­ders als ge­sche­hen re­agie­ren müssen. So­weit der Kläger sei­ne Auf­fas­sung da­mit be­gründet hat, die Be­klag­te sei auf sein an den Vor­stands­vor-sit­zen­den der Rechts­vorgänge­rin P ge­rich­te­tes Schrei­ben vom 19. Fe­bru­ar 1995 nicht tätig ge­wor­den, außer­dem ha­be der frühe­re Geschäftsführer der Be­klag­ten, Se, ihn trotz drei­ma­li­ger An­fra­ge nicht zu ei­nem Gespräch emp­fan­gen und schließlich ha­be die Be­klag­te auf die bei­den Schrei­ben der Mob­bing-Zen­tra­le vom 7. Ok­to­ber und 16. No­vem­ber 1999 nicht re­agiert, hat die Be­klag­te als Ar­beit­ge­be­rin zwar be­stimm­te


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Fürsor­ge- und Schutz­pflich­ten wahr­zu­neh­men. Wie der Se­nat zu­letzt in sei­nem Ur­teil vom 14. De­zem­ber 2006 (- 8 AZR 628/05 - AP BGB § 618 Nr. 28 = EzA BGB 2002 § 618 Nr. 2) noch­mals aus­geführt hat, er­wach­sen ei­ner Ver­trags­par­tei aus ei­nem Schuld­verhält­nis nicht nur Leis­tungs-, son­dern auch Ver­hal­tens­pflich­ten zur Rück­sicht­nah­me und zum Schutz der Rech­te, Rechtsgüter und In­ter­es­sen des an­de­ren Teils. Die­se nun­mehr in § 241 Abs. 2 BGB aus­drück­lich nor­mier­ten Pflich­ten wa­ren be­reits vor In­kraft­tre­ten die­ser Norm aus § 242 BGB ab­ge­lei­tet wor­den. Der Ar­beit­ge­ber ist da­mit ins­be­son­de­re auch zum Schutz der Ge­sund­heit und der Persönlich­keits­rech­te sei­ner Ar­beit­neh­mer ver­pflich­tet (vgl. ErfK/Die­te­rich Art. 2 GG Rn. 72 ff.; ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 765; MünchArbR/Blo­mey­er 2. Aufl. § 97 Rn. 1 ff.).

Die Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers, das Persönlich­keits­recht des Ar­beit­neh­mers zu schützen, ent­spricht ge­fes­tig­ter Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts. Zu­letzt hat der Neun­te Se­nat mit Ur­teil vom 12. Sep­tem­ber 2006 (- 9 AZR 271/06 - AP BGB § 611 Per­so­nal­ak­te Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlich­keits­recht Nr. 4) dar-auf hin­ge­wie­sen, dass der Ar­beit­ge­ber im Rah­men sei­ner Fürsor­ge­pflicht auf das Wohl und die be­rech­tig­ten In­ter­es­sen des Ar­beit­neh­mers Rück­sicht zu neh­men ha­be. Die Fürsor­ge­pflicht sei Aus­fluss des in § 242 BGB nie­der­ge­leg­ten Ge­dan­kens von Treu und Glau­ben, der auch den In­halt des Schuld­verhält­nis­ses be­stim­me. Bei der Fra­ge, was Treu und Glau­ben und die Fürsor­ge­pflicht im Ein­zel­fall geböten, sei ins­be­son­de­re auf die in den Grund­rech­ten zum Aus­druck ge­kom­me­nen Wer­tent­schei­dun­gen der Ver­fas­sung Be­dacht zu neh­men. Das durch Art. 1 und Art. 2 GG gewähr­leis­te­te all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht sei auch im Pri­vat­rechts­ver­kehr und da­mit auch im Ar­beits­verhält­nis zu be­ach­ten. Ver­let­ze der Ar­beit­ge­ber das Persönlich­keits­recht des Ar­beit­neh­mers, oh­ne dass dies durch ei­ge­ne über­wie­gen­de In­ter­es­sen ge­recht­fer­tigt sei, lie­ge dar­in zu­gleich ein Ver­s­toß ge­gen sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten. In sei­ner Ent­schei­dung vom 27. No­vem­ber 1985 (- 5 AZR 101/84 - BA­GE 50, 202 = AP BGB § 611 Fürsor­ge­pflicht Nr. 93 = EzA BGB § 611 Fürsor­ge­pflicht Nr. 38) hat der Fünf­te Se­nat un­ter Be­zug­nah­me auf den Be­schluss des Großen Se­nats vom 27. Fe­bru­ar 1985 (- GS 1/84 - BA­GE 48, 122 = AP BGB § 611 Beschäfti­gungs­pflicht Nr. 14 = EzA BGB § 611 Beschäfti­gungs­pflicht Nr. 9) eben­falls be­tont, dass der ver­fas­sungs­recht­li­che Persönlich­keits­schutz für das Ar­beits­verhält­nis und die sich dar­aus er­ge­ben­den Rech­te und Pflich­ten be­deut­sam sei.

Das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht ist das Recht des Ein­zel­nen auf Ach­tung und Ent­fal­tung sei­ner Persönlich­keit. Zum Schutz­be­reich des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts gehört auch der sog. Eh­ren­schutz, der auf den Schutz ge­gen un­wah­re Be-
 


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haup­tun­gen und ge­gen her­ab­set­zen­de, entwürdi­gen­de Äußerun­gen und Ver­hal­tens-wei­sen und die Wah­rung des so­zia­len Gel­tungs­an­spruchs ge­rich­tet ist (ErfK/Die­te­rich Art. 2 GG Rn. 48, 85; Koll­mer Rn. 38). Es um­fasst da­mit auch den An­spruch auf Un­ter­las­sung der Her­abwürdi­gung und Miss­ach­tung durch an­de­re (BGH 25. Mai 1954 - I ZR 211/53 - BGHZ 13, 334; 2. April 1957 - VI ZR 9/56 - BGHZ 24, 72; 20. Mai 1958 - VI ZR 104/57 - BGHZ 27, 284). Das Be­ste­hen ei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Ne­ben­pflicht des Ar­beit­ge­bers zum Schutz des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts des Ar­beit­neh­mers als As­pekt der Fürsor­ge­pflicht ist - un­abhängig vom Phäno­men des sog. Mob­bings - durch die oben auf­ge­zeig­te Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zur Be­deu­tung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts im Ar­beits­verhält­nis vor­ge­ge­ben und kon­se­quen­te Fortführung der­sel­ben.


In der Recht­spre­chung der In­stanz­ge­rich­te und in der Li­te­ra­tur hat vor die­sem Hin­ter­grund die Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers zum Schutz des Persönlich­keits­rechts als Aus­prägung der all­ge­mei­nen Fürsor­ge­pflicht im Rah­men der Dis­kus­si­on um die sog. Mob­bing-Pro­ble­ma­tik in den letz­ten Jah­ren be­son­de­re Auf­merk­sam­keit er­fah­ren. Teil­wei­se wur­de in Aus­prägung die­ser Pflicht ei­ne be­son­de­re Mob­bing-Schutz­pflicht des Ar­beit­ge­bers her­aus­ge­ar­bei­tet. Ei­ner der ers­ten sog. Mob­bing-Ent­schei­dun­gen des Thürin­ger Lan­des­ar­beits­ge­richts (10. April 2001 - 5 Sa 403/2000 - LA­GE GG Art. 2 Persönlich­keits­recht Nr. 2) zu­fol­ge, sei der Ar­beit­ge­ber ver­pflich­tet, das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht der bei ihm beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer nicht selbst durch Ein­grif­fe in de­ren Persönlich­keits- oder Frei­heits­sphäre zu ver­let­zen und die­se vor Belästi­gun­gen durch Mit­ar­bei­ter oder Drit­te, auf die er Ein­fluss ha­be, zu schützen. Er ha­be ei­nen men­schen­ge­rech­ten Ar­beits­platz zur Verfügung zu stel­len und die Ar­beit­neh­mer­persönlich­keit zu fördern. Zur Ein­hal­tung die­ser Pflich­ten könne der Ar­beit­ge­ber als Störer nicht nur dann in An­spruch ge­nom­men wer­den, wenn er selbst den Ein­griff be­ge­he oder steue­re, son­dern auch dann, wenn er es un­ter­las­se, Maßnah­men zu er­grei­fen oder sei­nen Be­trieb so zu or­ga­ni­sie­ren, dass ei­ne Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts aus­ge­schlos­sen wer­de (eben­so Thürin­ger LAG 15. Fe­bru­ar 2001 - 5 Sa 102/2000 - LA­GE BGB § 626 Nr. 133; LAG Ber­lin 7. No­vem­ber 2002 - 16 Sa 938/02 -; LAG Nürn­berg 2. Ju­li 2002 - 6 (3) Sa 154/01 - LA­GE GG Art. 2 Persönlich­keits­recht Nr. 4). Be­reits mit Ur­teil vom 3. Mai 2000 hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Nie­der­sach­sen (- 16a Sa 1391/99 - LA­GE BGB § 273 Nr. 2) aus­geführt, dass der Ar­beit­ge­ber im Rah­men der Fürsor­ge­pflicht auf das Wohl und die be­rech­tig­ten In­ter­es­sen des Ar­beit­neh­mers Rück­sicht zu neh­men ha­be und ihn auch vor Ge­sund­heits­ge­fah­ren psy­chi­scher Art schützen müsse, was auch den Schutz vor sys­te­ma­ti­schen An­fein­dun­gen und vor
 


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schi­kanösem oder dis­kri­mi­nie­ren­dem Ver­hal­ten durch Kol­le­gen oder durch Vor­ge­setz­te um­fas­se.


Auch in der ar­beits­recht­li­chen - fast aus­sch­ließlich un­ter dem Schlag­wort „Mob­bing“ er­schie­ne­nen - Li­te­ra­tur herrscht Ei­nig­keit darüber, dass den Ar­beit­ge­ber die ar­beits­ver­trag­li­che Ne­ben­pflicht trifft, sei­ne Ar­beit­neh­mer vor sog. Mob­bing und da­mit vor Ver­let­zun­gen sei­nes Persönlich­keits­rechts durch sei­ne Kol­le­gen oder auch Vor­ge­setz­ten zu schützen (Gru­ne­wald NZA 1993, 1071; Hal­ler/Koch NZA 1995, 356; Rieb­le/Klumpp ZIP 2002, 369; dies. FA 2002, 307; Koll­mer Rn. 37, 69a; MünchArbR/Blo­mey­er § 97 Rn. 36; Ben­ecke NZA-RR 2003, 225; dies. Mob­bing Rn. 247; HMR-Wick­ler Teil 2 Rn. 43 ff.; eben­so HMR-Hänsch­Teil 3 Rn. 58 ff.; Spa­mer Mob­bing am Ar­beits­platz S. 145 ff.; Wick­ler AuR 2004, 87).


Je­doch hat die Be­klag­te ge­gen die­se Schutz­pflicht nicht selbst schuld­haft ver­s­toßen. Da­bei kann an die­ser Stel­le da­hin­ste­hen, ob die von dem Kläger um­fang­reich dar­ge­stell­ten Ver­hal­tens­wei­sen sei­ner Kol­le­gen und ins­be­son­de­re Vor­ge­set­zen in den Jah­ren seit Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses 1987 bis 2002 den Tat­be­stand ei­ner Persönlich­keits­rechts- oder Ge­sund­heits­ver­let­zung erfüllen und die Be­klag­te bei nähe­rer Kennt­nis zum Ein­grei­fen hätten ver­an­las­sen müssen. Denn ei­ne schuld­haf­te Ver­let­zung der ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Schutz­pflicht kommt nur in Be­tracht, wenn der Ar­beit­ge­ber von den Ver­let­zun­gen der Rech­te oder Rechtsgüter des Ar­beit­neh­mers durch an­de­re Ar­beit­neh­mer Kennt­nis hat (so für den Fall des sog. Mob­bings: Ben­ecke NZA-RR 2003, 225). Kennt­nis von mögli­chen Rechts(gut)ver­let­zun­gen durch Kol­le­gen oder Vor­ge­setz­te hat­te die Be­klag­te - aus­ge­hend von den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts - nicht. Die­se ist ihr we­der durch die Ein­ga­ben des Klägers noch auf an­de­re Wei­se ver­mit­telt wor­den. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ist - in an­de­rem recht­li­chen Zu­sam­men­hang - da­her zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass die Be­klag­te zum Er­grei­fen von Maßnah­men zum Schutz der Ge­sund­heit oder des Persönlich­keits­rechts des Klägers kei­ne Ver­an­las­sung se­hen muss­te.


So­weit der Kläger auf sein an den Vor­stands­vor­sit­zen­den der V AG P ge­rich­te­tes Schrei­ben vom 19. Fe­bru­ar 1995 Be­zug nimmt, hat er be­reits nicht dar­ge­tan, war­um des­sen et­wai­ges Fehl­ver­hal­ten der Be­klag­ten gemäß §§ 31, 89 BGB zu­ge­rech­net wer­den soll. Aber auch, wenn man - wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt - zu­guns­ten des Klägers von ei­ner Zu­rech­nung aus­geht, war die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten auf Grund die­ses Schrei­bens nicht ge­hal­ten, zum Schutz von Rech­ten oder Rechtsgütern des Klägers Maßnah­men zu er­grei­fen. Die Würdi­gung des In­halts die­ses Schrei-
 


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bens durch das Lan­des­ar­beits­ge­richt, das die­ses im Zu­sam­men­hang mit ei­nem et­wai­gen Or­ga­ni­sa­ti­ons­ver­schul­den erörtert, lässt kei­ne Rechts­feh­ler er­ken­nen. Zu­tref­fend geht das Be­ru­fungs­ge­richt da­von aus, dass in dem Brief in ers­ter Li­nie die Un­zu­frie­den­heit des Klägers mit sei­ner Be­ur­tei­lung durch den Vor­ge­setz­ten Dipl.-Ing. K und die hier­aus fol­gen­de Kürzung der Jah­res­vergütung zum Aus­druck kommt, was ins­be­son­de­re der Ab­schluss des Schrei­bens ver­deut­licht. Auch die wei­te­re Würdi­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts ist oh­ne Rechts­feh­ler, so­weit der Kläger in dem Schrei­ben dar­auf hin­wei­se, er wer­de drang­sa­liert, un­ter Druck ge­setzt, mit fal­schen An­schul­di­gun­gen über­zo­gen und mas­siv an­ge­grif­fen und ver­lan­ge, men­sch­lich und nicht als wil­len­lo­se Ma­schi­ne be­han­delt zu wer­den, ent­hal­te das Schrei­ben kei­ne Tat­sa­chen und da­mit auch kei­nen An­satz­punkt für ei­ne Einschätzung, das Ver­hal­ten des Herrn K ver­let­ze auch ob­jek­tiv den Kläger in sei­nem Persönlich­keits­recht in ei­ner Wei­se, die ein Ein­schrei­ten ge­bie­tet. Erst recht lässt sich dem Schrei­ben die Ge­fahr kon­kre­ter Ge­sund­heits­be­ein­träch­ti­gun­gen des Klägers nicht ent­neh­men.


Die Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers, zum Schutz des Persönlich­keits­rechts des Ar­beit­neh­mers ak­tiv tätig zu wer­den, er­for­dert grundsätz­lich kein Ein­grei­fen bei Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten zwi­schen Ar­beit­neh­mern und Vor­ge­setz­ten über Sach­fra­gen wie Be­ur­tei­lun­gen, In­halt des Wei­sungs­rechts, Be­wer­tung von Ar­beits­er­geb­nis­sen. Dies gilt auch dann, wenn der Ton der Aus­ein­an­der­set­zung die Ebe­ne der Sach­lich­keit im Ein­zel­fall ver­las­sen soll­te, je­doch An­halts­punk­te dafür, dass die Mei­nungs­ver­schie­den­heit über das im Ar­beits­le­ben so­zi­al Übli­che hin­aus­geht, nicht vor­lie­gen. Vor dem Hin­ter­grund, dass der Um­gang von Ar­beit­neh­mern un­ter­ein­an­der und mit Vor­ge­setz­ten im Ar­beits­all­tag zwangsläufig mit Kon­flik­ten ver­bun­den ist, können kei­ne über­spann­ten An­for­de­run­gen an In­halt und der Reich­wei­te der Schutz­pflicht ge­stellt wer­den.

Wei­ter­hin hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt oh­ne Rechts­feh­ler an­ge­nom­men, dass auch die von dem Kläger be­haup­te­te Tat­sa­che, der Geschäftsführer der Be­klag­ten, Se, ha­be sich auf sei­ne te­le­fo­ni­schen Kon­takt­auf­nah­men und auf sein Schrei­ben vom 28. Sep­tem­ber 1999 nicht ge­mel­det, den Vor­wurf, die Be­klag­te ha­be ih­re ar­beits-ver­trag­li­chen Schutz­pflich­ten ver­letzt, nicht zu be­gründen ver­mag. Denn das Schrei­ben ent­hielt le­dig­lich sach­li­che, dh. im Zu­sam­men­hang mit Ar­beits­auf­ga­ben (Be­rech­nun­gen bei dem Kraft­werk S) ste­hen­den An­lie­gen.


Sch­ließlich muss­te sich die Be­klag­te auch nicht auf Grund der Schrei­ben der Mob­bing-Zen­tra­le vom 7. Ok­to­ber und 16. No­vem­ber 1999 zur Wahr­neh­mung et­wai­ger Schutz­pflich­ten ver­an­lasst se­hen. Bei­de Schrei­ben ent­hal­ten aus­sch­ließlich all­ge­mein
 


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ge­hal­te­ne Ausführun­gen über „Mob­bing“ und mit Aus­nah­me des Hin­wei­ses, der Kläger sei Ver­eins­mit­glied, kei­ner­lei Be­zug zum Ein­zel­fall. Hin­zu kommt, dass der Be­klag­ten ein un­mit­tel­ba­res Han­deln zu die­sem Zeit­punkt auf Grund der seit Sep­tem­ber 1999 an­dau­ern­den Ar­beits­unfähig­keit des Klägers nicht not­wen­dig er­schei­nen muss­te. Ob es die Höflich­keit ge­bie­tet, auf Schrei­ben, ins­be­son­de­re er­neu­te An­fra­gen, zu ant­wor­ten, un­ter­liegt nicht der recht­li­chen Würdi­gung. Das Nicht­be­ant­wor­ten von Schrei­ben stellt im Streit­fall je­doch kei­ne Ver­let­zung der ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Fürsor­ge­pflicht dar.


(b) In Be­tracht kommt da­mit al­lein ei­ne Haf­tung der Be­klag­ten für das Ver­schul­den ih­rer Erfüllungs­ge­hil­fen gemäß § 278 BGB.
 

Der Ar­beit­ge­ber haf­tet dem be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer ge­genüber gemäß § 278 BGB für schuld­haft be­gan­ge­ne Persönlich­keits­rechts- oder Ge­sund­heits­ver­let­zun­gen durch von ihm als Erfüllungs­ge­hil­fen ein­ge­setz­te an­de­re Ar­beit­neh­mer und Vor­ge­setz­te (so auch die ganz herr­schen­de Mei­nung im Rah­men der sog. Mob­bing-Dis­kus­si­on: LAG Nie­der­sach­sen 3. Mai 2000 - 16a Sa 1391/99 - LA­GE BGB § 273 Nr. 2; LAG Nürn­berg 2. Ju­li 2002 - 6 (3) Sa 154/01 - LA­GE GG Art. 2 Persönlich­keits­recht Nr. 4; Thürin­ger LAG 10. Ju­ni 2004 - 1 Sa 148/01 - LA­GE GG Art. 2 Persönlich­keits­recht Nr. 8a; Däubler BB 1995, 1347; Rieb­le/Klumpp FA 2002, 307; dies. ZIP 2002, 369; Ben­ecke NZA-RR 2003, 225; dies. Mob­bing Rn. 242 ff.; Koll­mer Rn. 70; HMR-Hänsch Teil 3 Rn. 56 ff.).


Der Ar­beit­ge­ber hat dem­zu­fol­ge für die schuld­haf­te Ver­let­zung der auf sei­ne Erfüllungs­ge­hil­fen über­tra­ge­nen ar­beits­ver­trag­li­chen Schutz­pflich­ten, et­wa die Pflicht zum Schutz des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts oder der Ge­sund­heit, ein­zu­ste­hen. Not­wen­dig ist je­doch im­mer, dass die schuld­haf­te Hand­lung in ei­nem in­ne­ren sach­li­chen Zu­sam­men­hang mit den Auf­ga­ben steht, die der Schuld­ner dem Erfüllungs­ge­hil­fen im Hin­blick auf die Ver­trags­erfüllung zu­ge­wie­sen hat (Pa­landt/Hein­richs 66. Aufl. § 278 Rn. 19). Dies wird - wor­auf Ben­ecke (NZA-RR 2003, 225 und Mob­bing Rn. 243 ff.) und auch Koll­mer (Rn. 71) zu­tref­fend hin­wei­sen - re­gelmäßig nur dann der Fall sein, wenn die Erfüllungs­ge­hil­fen ge­genüber dem be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer die Fürsor­ge­pflicht kon­kre­ti­sie­ren bzw. ihm ge­genüber Wei­sungs­be­fug­nis­se ha­ben. Ei­ne Zu­rech­nung kommt hin­ge­gen nicht in Be­tracht, wenn gleich­ge­stell­te Kol­le­gen den an¬de­ren Ar­beit­neh­mer be­schimp­fen oder igno­rie­ren.


Ob die von dem Kläger be­nann­ten Kol­le­gen und Vor­ge­setz­ten, wie et­wa Herr K, Herr Dr. S oder der Per­so­nal­lei­ter der Be­klag­ten, als Erfüllungs­ge­hil­fen den Kläger
 


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in sei­nem Persönlich­keits­recht oder in sei­ner Ge­sund­heit oder ih­nen über­tra­ge­ne Schutz­pflich­ten schuld­haft ver­letzt ha­ben, hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht ge­prüft.


(3) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat bei ei­ner er­neu­ten Ent­schei­dung des Rechts­streits fol­gen­de Grundsätze zu berück­sich­ti­gen:

(a) Die Würdi­gung, ob ein be­stimm­tes Ge­samt­ver­hal­ten als rechts­wid­ri­ger Ein­griff in das Persönlich­keits­recht des Ar­beit­neh­mers oder als Ge­sund­heits­ver­let­zung zu qua­li­fi­zie­ren ist, hat je­weils im Rah­men ei­ner sorgfälti­gen Ein­zel­fall­prüfung zu er­fol­gen, die - was die Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts an­be­langt - re­vi­si­ons­recht­lich nur ein­ge­schränkt über­prüfbar ist.

(b) Zu berück­sich­ti­gen ist da­bei, dass im Ar­beits­le­ben übli­che Kon­flikt­si­tua­tio­nen, die sich durch­aus auch über ei­nen länge­ren Zeit­raum er­stre­cken können, nicht ge­eig­net sind, der­ar­ti­ge recht­li­che Tat­bestände zu erfüllen (so auch LAG Schles­wig-Hol­stein 19. März 2002 - 3 Sa 1/02 - NZA-RR 2002, 457) und es da­her gilt sog. fol­gen­lo­ses (so Ben­ecke NZA-RR 2003, 225, 228) oder so­zi­al- und recht­s­adäqua­tes Ver­hal­ten (so Rieb­le/Klumpp ZIP 2002, 369) auf Grund ei­ner ob­jek­ti­ven Be­trach­tungs­wei­se, dh. oh­ne Rück­sicht auf das sub­jek­ti­ve Emp­fin­den des be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers, von der recht­li­chen Be­wer­tung aus­zu­neh­men. Wei­sun­gen, die sich im Rah­men des dem Ar­beit­ge­ber zu­ste­hen­den Di­rek­ti­ons­rechts be­we­gen und bei de­nen sich nicht ein­deu­tig ei­ne schi­kanöse Ten­denz ent­neh­men lässt, dürf­ten nur in sel­te­nen Fällen ei­ne Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts dar­stel­len.

(c) Glei­ches kann für den Rah­men des Di­rek­ti­ons­rechts über­schrei­ten­de Wei­sun­gen gel­ten, de­nen je­doch sach­lich nach­voll­zieh­ba­re Erwägun­gen des Ar­beit­ge­bers zu­grun­de lie­gen (vgl. hier­zu Ben­ecke NZA-RR 2003, 225; Rieb­le/Klumpp ZIP 2002, 369). An der ver­schie­de­ne ein­zel­ne Hand­lun­gen zu­sam­men­fas­sen­den Sys­te­ma­tik kann es darüber hin­aus feh­len, wenn ein Ar­beit­neh­mer von ver­schie­de­nen Vor­ge­setz­ten, die nicht zu­sam­men­wir­ken und die zeit­lich auf­ein­an­der fol­gen, in sei­ner Ar­beits­leis­tung kri­ti­siert oder schlecht be­ur­teilt wird oder wenn die Ar­beits­leis­tung - wie es bei dem Kläger der Fall war - nicht nur kri­ti­siert oder igno­riert, son­dern aus­drück­lich glei­cher­maßen auch po­si­tiv gewürdigt wird. Eben­falls können Ver­hal­tens­wei­sen von Ar­beit­ge­bern oder Vor­ge­setz­ten nicht in die Prüfung ein­be­zo­gen wer­den, die le­dig­lich ei­ne Re­ak­ti­on auf Pro­vo­ka­tio­nen durch den ver­meint­lich ge­mobb­ten Ar­beit­neh­mer dar­stel­len. In­so­weit fehlt es an der von der In­stanz­recht­spre­chung und Leh­re so be­zeich­ne­ten ein­deu­ti­gen Täter-Op­fer-Kon­stel­la­ti­on (vgl. Thürin­ger LAG 10. April 2001 - 5 Sa
 


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403/2000 - LA­GE GG Art. 2 Persönlich­keits­recht Nr. 2; Ben­ecke NZA-RR 2003, 225; dies. Mob­bing Rn. 19 ff.).

(d) Fer­ner kann es an der für die Ver­let­zungs­hand­lung er­for­der­li­chen Sys­te­ma­tik feh­len, wenn zwi­schen den ein­zel­nen Teil­ak­ten lan­ge zeit­li­che Zwi­schenräume lie­gen (vgl. Ben­ecke Mob­bing Rn. 34).

(e) Die Be­weis­last für die Pflicht­ver­let­zung trägt nach all­ge­mei­nen Grundsätzen der Gläubi­ger und da­mit der Ar­beit­neh­mer (vgl. Pa­landt/Hein­richs 66. Aufl. § 280 Rn. 35). Dies gilt auch in sog. Mob­bing-Fällen.

Die Fünf­te Kam­mer des Thürin­ger Lan­des­ar­beits­ge­richts (15. Fe­bru­ar 2001 - 5 Sa 102/2000 - LA­GE BGB § 626 Nr. 133) möch­te die­sen Grund­satz mo­di­fi­zie­ren und dar­auf ab­stel­len, dass das Vor­lie­gen ei­nes „mob­bing­ty­pi­schen“ me­di­zi­ni­schen Be­fun­des als In­diz für die Rich­tig­keit der Be­haup­tun­gen an­ge­se­hen wer­den kann, wenn ei­ne Kon­ne­xität zu den be­haup­te­ten Mob­bing-Hand­lun­gen be­steht. An­de­re Lan­des­ar­beits­ge­rich­te ver­wei­sen dem­ge­genüber auf die all­ge­mei­nen Grundsätze zur Dar­le­gungs- und Be­weis­last (LAG Ber­lin 15. Ju­li 2004 - 16 Sa 2280/03 - LA­GE GG Art. 2 Persönlich­keits­recht Nr. 9; LAG Bre­men 17. Ok­to­ber 2002 - 3 Sa 78/02 - LA­GE GG Art. 2 Persönlich­keits­recht Nr. 5), wo­bei das Lan­des­ar­beits­ge­richt Bre­men (in An­leh­nung an MünchArbR/Blo­mey­er § 97 Rn. 45) ergänzend dar­auf hin­weist, die Be­weisführung fol­ge den Re­geln des pri­ma-fa­cie-Be­wei­ses, wenn es sich um ei­nen ty­pi­schen Ge­sche­hens­ab­lauf han­de­le, oh­ne zu erläutern, wann im Rah­men von be­haup­te­ten Persönlich­keits­rechts­ver­let­zun­gen von ty­pi­schen Ge­sche­hens­abläufen ge­spro­chen wer­den kann.


Ben­ecke (NZA-RR 2003, 225 und Mob­bing Rn. 328) weist zu­tref­fend dar­auf hin, dass der von dem Thürin­ger Lan­des­ar­beits­ge­richt ver­wen­de­te Be­griff der Kon­ne­xität äußerst un­be­stimmt sei. Hin­zu kommt, dass das Thürin­ger Lan­des­ar­beits­ge­richt - so­fern man sein Vor­ge­hen als Auf­stel­lung ei­ner Ver­mu­tungs­re­gel an­se­hen möch­te - die Ver­mu­tungs­fol­ge (Vor­lie­gen der be­haup­te­ten Mob­bing-Hand­lun­gen) zu­gleich zu ei­ner Vor­aus­set­zung des Ver­mu­tungs­tat­be­stan­des macht.

In der ar­beits­recht­li­chen Li­te­ra­tur wird da­her ein Ab­wei­chen von den all­ge­mei­nen Grundsätzen der Be­weis­last über­wie­gend mit der zu­tref­fen­den Be­gründung ab­ge­lehnt, ei­ne Be­wei­ser­leich­te­rung oder Be­weis­last­um­kehr kom­me im deut­schen Rechts­sys­tem grundsätz­lich nur in Be­tracht, wenn der An­spruchs­geg­ner auf Grund Sach­wis­sens über kom­ple­xe Vorgänge dem Geschädig­ten weit über­le­gen sei, wie et­wa bei der

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de­lik­ti­schen Pro­du­zen­ten­haf­tung oder der Arzt­haf­tung (Rieb­le/Klumpp ZIP 2002, 369; Ben­ecke NZA-RR 2003, 225; Abeln/Gau­der­nack LAG-Re­port 2005, 225). Dies sei bei sog. Mob­bing-Fällen nicht der Fall. Das „Mob­bing-Op­fer“ ha­be kei­ne ge­rin­ge­re Sach­kennt­nis, son­dern be­fin­de sich oft al­lein des­halb in Be­weis­not, weil es kei­ne Zeu­gen für die be­haup­te­ten Mob­bing-Hand­lun­gen ha­be. Dem kann aber durch die eben­falls von dem Thürin­ger Lan­des­ar­beits­ge­richt auf­ge­zeig­ten, pro­zes­su­al an sich selbst­verständ­li­chen Mit­tel wie die Par­tei­anhörung nach § 141 ZPO und die Par­tei­ver­neh­mung nach den §§ 445, 448 ZPO und ei­ner sorgfälti­gen Be­weis- und Sach­ver­haltswürdi­gung in aus­rei­chen­dem Maße Rech­nung ge­tra­gen wer­den. Die­ser Auf­fas­sung schließt sich der Se­nat an.


(f) Bei sei­ner er­neu­ten Würdi­gung des Streit­falls wird das Lan­des­ar­beits­ge­richt ggf. auch die Kau­sa­lität et­wai­ger Pflicht­ver­let­zun­gen von Erfüllungs­ge­hil­fen der Be-klag­ten für die vom Kläger gel­tend ge­mach­ten Schäden, ins­be­son­de­re die ihm auf Grund der Ar­beits­unfähig­keit ent­stan­de­nen Ent­gelt­ein­bußen, zu prüfen ha­ben.

Grundsätz­lich trägt der Gläubi­ger auch für die­sen Kau­sal­zu­sam­men­hang die Be­weis­last (Pa­landt/Hein­richs 66. Aufl. § 280 Rn. 38). Das Thürin­ger Lan­des­ar­beits­ge­richt (15. Fe­bru­ar 2001 - 5 Sa 102/2000 - LA­GE BGB § 626 Nr. 133) geht hier wie­der­um von Be­wei­ser­leich­te­run­gen für den Ar­beit­neh­mer aus und meint, es spre­che ei­ne wi­der­leg­ba­re Ver­mu­tung für die Kau­sa­lität, wenn zwi­schen dem „mob­bing­ty­pi­schen“ me­di­zi­ni­schen Be­fund und den be­haup­te­ten Mob­bing-Hand­lun­gen ei­ne Kon­ne­xität be­ste­he. Hier­in wird von Ben­ecke (NZA-RR 2003, 225 und Mob­bing Rn. 328) ein Zir­kel­schluss ge­se­hen, da die Krank­heit die Rich­tig­keit der be­haup­te­ten Hand­lun­gen in­di­zie­ren sol­le und die­se wie­der­um In­dizwir­kung für die Kau­sa­lität ent­fal­ten soll­ten. Dies trifft zu. Auch hier ver­mengt das Thürin­ger Lan­des­ar­beits­ge­richt die Ver­mu­tungs­fol­ge mit den Vor­aus­set­zun­gen des Ver­mu­tungs­tat­be­stan­des.


Teil­wei­se spricht sich die Li­te­ra­tur auch für ei­ne Über­nah­me der zu § 618 BGB ent­wi­ckel­ten Be­weis­last­grundsätze aus (so MünchArbR/Blo­mey­er § 97 Rn. 45; aA Ben­ecke Mob­bing Rn. 334). Da­nach hat der Ar­beit­neh­mer nur den ob­jek­tiv ord­nungs­wid­ri­gen Zu­stand der Räume, Vor­rich­tun­gen oder Gerätschaf­ten nach­zu­wei­sen, wenn die­ser ge­ne­rell ge­eig­net ist, den ein­ge­tre­te­nen Scha­den her­bei­zuführen; der Ar­beit­ge­ber hat dann den Ge­gen­be­weis da­hin zu führen, dass der ord­nungs­wid­ri­ge Zu-stand für den Scha­den nicht ursächlich ge­we­sen sei oder dass ihn kein Ver­schul­den tref­fe (vgl. BAG 8. Mai 1996 - 5 AZR 315/95 - BA­GE 83, 105 = AP BGB § 618 Nr. 23 = EzA BGB § 273 Nr. 5).
 


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Tre­ten in zeit­li­chem Zu­sam­men­hang mit fest­ste­hen­den Persönlich­keits­rechts­ver­let­zun­gen bei dem be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer Er­kran­kun­gen auf, spricht je­den­falls ein star­kes In­diz für die Kau­sa­lität (so auch Rieb­le/Klumpp FA 2002, 307; Ben­ecke Mob­bing Rn. 330), so dass es wei­te­rer Be­wei­ser­leich­te­run­gen nicht be­darf. Die zu § 618 BGB ent­wi­ckel­ten Be­weis­last­grundsätze ent­spre­chen den all­ge­mein zum Feh­len von durch Ge­setz oder tech­ni­schen Nor­men vor­ge­se­he­nen Schutz­maßnah­men ent­wi­ckel­ten be­son­de­ren Be­wei­ser­leich­te­run­gen (vgl. hier­zu Pa­landt/Hein­richs 66. Aufl. Vorb v § 249 Rn. 162 ff.). Das Feh­len vor­ge­schrie­be­ner Schutz­maßnah­men ist als Ver­mu­tungs­tat­be­stand in der Re­gel leicht fest­zu­stel­len. Dies gilt nicht für die erst im We­ge ei­ner um­fang­rei­chen Ein­zel­fall­prüfung fest­zu­stel­len­de Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts, so dass ei­ne Über­tra­gung die­ser im Rah­men von § 618 BGB be­ste­hen­den Grundsätze nicht in Be­tracht kommt.

bb) Der Kläger kann den gel­tend ge­mach­ten An­spruch auf Er­satz der ma­te­ri­el­len Schäden grundsätz­lich auch auf das Recht der un­er­laub­ten Hand­lung stützen.

(1) In Be­tracht kommt zunächst ein An­spruch aus § 823 Abs. 1 BGB ge­gen die Be­klag­te we­gen der Ver­let­zung der Ge­sund­heit und des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts. Der An­spruch setzt die Ver­let­zung des ge­nann­ten Rechts bzw. Rechts­guts durch ein ei­ge­nes Han­deln der Be­klag­ten, dh. durch ak­ti­ves Tun oder durch Un­ter­las­sen, vor­aus.

(a) Das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht ist ein sons­ti­ges Recht iSd. § 823 Abs. 1 BGB (BGH 1. De­zem­ber 1999 - I ZR 49/97 - BGHZ 143, 214; Pa­landt/Sprau 66. Aufl. § 823 Rn. 84). Die Ge­sund­heit wird als Rechts­gut in § 823 Abs. 1 BGB aus­drück­lich erwähnt.

(b) Die Be­klag­te selbst hat den Kläger nicht durch ak­ti­ves Tun in sei­ner Ge­sund­heit oder sei­nem all­ge­mei­nen Persönlich­keits­recht ver­letzt. Dies hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt in re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den­der Wei­se fest­ge­stellt.

(c) Eben­so ist re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den, dass das Lan­des­ar­beits­ge­richt ei­ne Ver­let­zungs­hand­lung der Be­klag­ten durch Un­ter­las­sen ver­neint hat.


In­so­weit ist zu prüfen, ob zum ei­nen ein Un­ter­las­sen ge­bo­te­ner Maßnah­men ge­gen Rechts(gut)ver­let­zun­gen, die von Vor­ge­setz­ten des Klägers be­gan­gen wur­den (Wick­ler AuR 2004, 87 be­zeich­net dies in Ab­gren­zung zum Or­ga­ni­sa­ti­ons­ver­schul­den
 


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als In­ter­ven­ti­ons­ver­schul­den) vor­liegt und zum an­de­ren, ob ein Un­ter­las­sen in Form des sog. Or­ga­ni­sa­ti­ons­ver­schul­dens ge­ge­ben ist.


Da kei­ne all­ge­mei­ne Rechts­pflicht, ei­nen Drit­ten vor Schäden an den in § 823 Abs. 1 BGB ge­nann­ten Rech­ten und Rechtsgütern zu schützen, be­steht, setzt ei­ne Haf­tung we­gen Un­ter­las­sens der ge­bo­te­nen Hand­lung vor­aus, dass ei­ne Pflicht zum Han­deln be­steht und dass die Vor­nah­me der ge­bo­te­nen Hand­lung den Scha­den hätte ver­hin­dern können. Die Pflicht zum Han­deln kann da­bei auf Ge­setz, Ver­trag oder vor­an­ge­gan­ge­nem gefähr­li­chen Tun be­ru­hen (vgl. Stau­din­ger/Ha­ger (1999) § 823 Rn. H 5 ff.; Pa­landt/Hein­richs 66. Aufl. Vorb v § 249 Rn. 84). Ob den Ar­beit­ge­ber zur Ver­mei­dung von Persönlich­keits­rechts- oder Ge­sund­heits­ver­let­zun­gen sei­ner Ar­beit­neh­mer ei­ne Ga­ran­ten­pflicht im de­liktsrecht­li­chen Sin­ne trifft, die sich al­lein aus Ver­trag er­ge­ben kann, wird aus­drück­lich nur von Rieb­le/Klumpp (FA 2002, 307) an­ge­spro­chen. Sie mei­nen, die ar­beits­ver­trag­li­che Fürsor­ge­pflicht könne kei­ne de­lik­ti­sche Ga­ran­ten­pflicht be­gründen. An­de­rer Auf­fas­sung ist of­fen­bar Wick­ler (AuR 2004, 87), der oh­ne nähe­re Pro­ble­ma­ti­sie­rung, ob die ar­beits­ver­trag­li­che Fürsor­ge­pflicht ei­ne de­lik­ti­sche Ga­ran­ten­stel­lung des Ar­beit­ge­bers er­zeu­gen kann, of­fen­bar da­von aus­geht, die sog. Mob­bing-Schutz­pflicht könne zu ei­ner Haf­tung des Ar­beit­ge­bers aus De­likt führen. Das Thürin­ger Lan­des­ar­beits­ge­richt (10. Ju­ni 2004 - 1 Sa 148/01 - LA­GE GG Art. 2 Persönlich­keits­recht Nr. 8a) erörtert das Be­ste­hen ei­ner Ga­ran­ten­pflicht im Zu­sam­men­hang mit der Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers, sei­nen Be­trieb so zu or­ga­ni­sie­ren, dass Mob­bing ver­hin­dert wird. Die­se Pflicht ent­spricht je­doch mehr der un­ten noch zu erläutern-den Or­ga­ni­sa­ti­ons­pflicht, nicht aber der hier in Re­de ste­hen­den Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers, im Ein­zel­fall ein­zu­schrei­ten.

Man­gels Ver­s­toßes ge­gen die ar­beits­ver­trag­li­che Fürsor­ge­pflicht kann das aber da­hin­ge­stellt blei­ben. Al­ler­dings ent­spricht es der herr­schen­den Mei­nung im all-ge­mei­nen Zi­vil­recht, dass ei­ne Ga­ran­ten­stel­lung durch pri­va­tes Rechts­geschäft be­gründet wer­den kann, wel­ches die ei­ne Par­tei zur Fürsor­ge um die Rechtsgüter der Ge­gen­sei­te ver­pflich­tet (so aus­drück­lich Münch­KommBGB/Wag­ner 4. Aufl. § 823 Rn. 237 ff.).

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ist glei­cher­maßen zu­tref­fend zu dem Er­geb­nis ge­langt, dass der Be­klag­ten kein Or­ga­ni­sa­ti­ons­ver­schul­den zur Last zu le­gen ist.

Bei der Haf­tung für Or­ga­ni­sa­ti­ons­ver­schul­den han­delt es sich um ei­nen Un­ter­fall der Haf­tung we­gen Ver­let­zung von Ver­kehrs­si­che­rungs­pflich­ten. Der Un­ter­neh­mer ist da­nach ver­pflich­tet, die in­ner­be­trieb­li­chen Abläufe so zu or­ga­ni­sie­ren, dass Schädi-
 


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gun­gen Drit­ter in dem ge­bo­te­nen Um­fang ver­mie­den wer­den. Er hat al­so für ei­ne „or­dent­li­che Be­triebsführung“ zu sor­gen (vgl. hier­zu Münch­KommBGB/Wag­ner § 823 Rn. 368 ff.).


Im Rah­men des zur sog. Mob­bing-Pro­ble­ma­tik er­schie­ne­nen Schrift­tums wird da­bei kon­kret die Fra­ge erörtert, ob den Ar­beit­ge­ber ei­ne Pflicht trifft, in sei­nem Be­trieb Struk­tu­ren ent­ge­gen­zu­wir­ken, die Mob­bing fördern (vgl. hier­zu Ben­ecke Mob­bing Rn. 238 f.; dies. NZA-RR 2003, 225; Rieb­le/Klumpp FA 2002, 307; Wick­ler AuR 2004, 87; ders. DB 2002, 477; HMR-Hänsch Teil 3 Rn. 58 ff.). Wick­ler (aaO) und Hänsch (aaO) ver­tre­ten darüber hin­aus­ge­hend so­gar die Auf­fas­sung, wenn ein Mob­bing-Sach­ver­halt un­strei­tig oder nach­ge­wie­sen sei, müsse ver­mu­tet wer­den, dass der Ar­beit­ge­ber sei­ne dies­bezügli­che Or­ga­ni­sa­ti­ons- und Schutz­pflich­ten schuld­haft ver­letzt ha­be. Dies steht in Wi­der­spruch zur im all­ge­mei­nen Zi­vil­recht ent­wi­ckel­ten Be­weis­last­ver­tei­lung bei der Ver­let­zung von Ver­kehrs­si­che­rungs­pflich­ten. Da­nach hat der Geschädig­te dar­zu­le­gen und zu be­wei­sen, dass ei­ne Ver­kehrs­pflicht ver­letzt wur­de. Steht der ob­jek­ti­ve Ver­s­toß ge­gen ei­ner Ver­kehrs­pflicht fest, so spricht der An­scheins­be­weis für die Kau­sa­lität zwi­schen der Pflicht­ver­let­zung und der ein­ge­tre­te­nen Rechts­gut­ver­let­zung, je­den­falls dann, wenn sich die Ge­fahr ver­wirk­licht hat, vor der die Erfüllung der Ver­kehrs­pflicht schützen soll (vgl. Stau­din­ger/Ha­ger (1999) § 823 Rn. E 72 mwN). Hier­von im Rah­men von sog. Mob­bing-Pro­zes­sen ab­zu­wei­chen und be­reits die Or­ga­ni­sa­ti­ons­pflicht­ver­let­zung zu ver­mu­ten, be­steht kei­ne Ver­an­las­sung. Im Übri­gen ist nicht klar, was ein „Mob­bing-Sach­ver­halt“ ist und wann er fest­steht oder er­wie­sen ist.


Zum In­halt der Or­ga­ni­sa­ti­ons­pflicht ver­tre­ten Ben­ecke (Mob­bing Rn. 239) und 1Rieble/Klumpp (FA 2002, 307) die Auf­fas­sung, dass die An­for­de­run­gen an die­se Pflicht des Ar­beit­ge­bers mit der Fol­ge ei­ner de­lik­ti­schen Haf­tung nicht über­spannt wer­den dürfen, zu­mal ei­ne ge­ne­rel­le Aus­sa­ge darüber, wie Mob­bing bzw. Persönlich­keits­rechts­ver­let­zun­gen in ei­nem Be­trieb ver­hin­dert wer­den können, kaum möglich sei.

Letzt­lich kann aber die Fra­ge, ob der­ar­ti­ge Or­ga­ni­sa­ti­ons­pflich­ten be­ste­hen und wie weit sie rei­chen, im Streit­fall da­hin­ste­hen, da der Kläger an kei­ner Stel­le dar-ge­tan hat, durch wel­che all­ge­mei­nen or­ga­ni­sa­to­ri­schen Maßnah­men die Be­klag­te die von ihm be­haup­te­ten Rechts(gut)ver­let­zun­gen hätte ver­hin­dern können.

(d) Sch­ließlich kommt ein Er­satz der gel­tend ge­mach­ten ma­te­ri­el­len Schäden we­gen ei­ner Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts - un­abhängig da­von, ob im Streit­fall das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht des Klägers durch die Be­klag­te selbst oder ih­re Ver­rich­tungs­ge­hil­fen ver­letzt wor­den ist - nicht in Be­tracht. Der ma­te­ri­el­le Scha­den fällt

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nicht in den Schutz­be­reich des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts. So führt auch das Lan­des­ar­beits­ge­richt Rhein­land-Pfalz (4. Ok­to­ber 2005 - 5 Sa 140/05 - PflR 2006, 416) in sei­ner Ent­schei­dung aus­drück­lich aus, dass die Zah­lung von Ver­dienst­aus­fall und Entschädi­gung für den Ver­lust des Ar­beits­plat­zes vom Schutz­zweck des § 823 Abs. 1 BGB iVm. den Art. 1 und 2 Abs. 1 GG nicht er­fasst wird.


Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs (1. De­zem­ber 1999 - I ZR 49/97 - BGHZ 143, 214) die­nen das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht und sei­ne be­son­de­ren Er­schei­nungs­for­men in ers­ter Li­nie dem Schutz ide­el­ler In­ter­es­sen, ins­be­son­de­re dem Schutz des Wert- und Ach­tungs­an­spru­ches der Persönlich­keit. Die­ser Schutz wer­de da­durch ver­wirk­licht, dass bei ei­ner Ver­let­zung die­ser Rech­te ne­ben Ab­wehransprüchen auch Scha­dens­er­satz­ansprüche in Be­tracht kämen, die nicht nur auf den Er­satz ma­te­ri­el­ler, son­dern - wenn es sich um ei­nen schwer­wie­gen­den Ein­griff han­de­le und die Be­ein­träch­ti­gung nicht in an­de­rer Wei­se be­frie­di­gend aus­ge­gli­chen wer­den könne - auch auf den Aus­gleich im­ma­te­ri­el­ler Schäden ge­rich­tet sei­en. Darüber hin­aus schütz­ten das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht und sei­ne be­son­de­ren Aus­prägun­gen aber auch vermögens­wer­te In­ter­es­sen der Per­son. So könne der Ab­bil­dung, dem Na­men so­wie sons­ti­gen Merk­ma­len der Persönlich­keit wie et­wa der Stim­me ein beträcht­li­cher wirt­schaft­li­cher Wert zu­kom­men. Durch ei­ne un­er­laub­te Ver­wer­tung ih­rer Persönlich­keits­merk­ma­le würden da­her häufig we­ni­ger ide­el­le als kom­mer­zi­el­le In­ter­es­sen der Be­trof­fe­nen be­ein­träch­tigt. Nach die­ser Recht­spre­chung kommt ein auf den Er­satz ma­te­ri­el­ler Schäden ge­rich­te­ter Scha­dens­er­satz­an­spruch we­gen der Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts nur dann in Be­tracht, wenn in des­sen vermögens-wer­te Be­stand­tei­le ein­ge­grif­fen wird. Aus ihr geht wei­ter­hin her­vor, dass der Schutz des Wert- und Ach­tungs­an­spru­ches der Persönlich­keit eher dem ide­el­len Schutz­be­reich zu­zu­ord­nen ist.

So­weit der Kläger vorträgt, durch die von ihm be­haup­te­ten Hand­lun­gen sei­ner Vor­ge­setz­ten in ei­nem vermögens­wer­ten Be­stand­teil sei­nes all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts ver­letzt wor­den zu sein, macht er viel­mehr fort­ge­setz­te An­grif­fe auf den Wert- und Ach­tungs­an­spruch sei­ner Persönlich­keit gel­tend. Wie aus­geführt, gehört zum Schutz­be­reich des Persönlich­keits­rechts der sog. Ehr­schutz, der ge­gen her­ab­set­zen­de, entwürdi­gen­de Äußerun­gen und Ver­hal­tens­wei­sen und die Wah­rung des so­zia­len Gel­tungs­an­spruchs der Per­son ge­rich­tet ist. Persönlich­keits­rechts­ver­let­zun­gen wie sie der Kläger be­haup­tet, be­tref­fen aber kei­nen Be­reich des Persönlich­keits­rechts, der Schutz vor ma­te­ri­el­len Schäden bie­ten soll. Im Übri­gen ent­spricht es ständi­ger, jüngst durch das Ur­teil vom 18. Ja­nu­ar 2007 (- 8 AZR 234/06 - AP BGB § 823 Nr. 17 = EzA
 


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BGB 2002 § 823 Nr. 6) noch­mals bestätig­ter Recht­spre­chung des Se­nats (eben­falls 4. Ju­ni 1998 - 8 AZR 786/96 - BA­GE 89, 80 = AP BGB § 823 Nr. 7 = EzA BGB § 823 Nr. 9), dass Schäden we­gen des Ver­lus­tes des Ar­beits­plat­zes oder ei­ner Er­werbs­min­de­rung nicht in den Schutz­be­reich ei­nes Ehr­schutz­de­likts, das letzt­lich den Schutz des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts kon­kre­ti­siert, fal­len.

(2) Ob der gel­tend ge­mach­te An­spruch auf Er­satz der ma­te­ri­el­len Schäden wei­ter­hin auf § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 75 Abs. 2 Be­trVG gestützt wer­den kann, kann da­hin­ste­hen.

Bei der Haf­tung des Ar­beit­ge­bers we­gen der Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts des Ar­beit­neh­mers wird in der der­zei­ti­gen Dis­kus­si­on um die sog. Mob­bing-Pro­ble­ma­tik teil­wei­se als An­spruchs­grund­la­ge auch § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 75 Abs. 2 Be­trVG in Be­tracht ge­zo­gen (HMR-Hänsch Teil 3 Rn. 60; Hal­ler/Koch NZA 1995, 356). § 75 Abs. 2 Be­trVG ver­pflich­tet Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat zum Schutz und zur Förde­rung der frei­en Ent­fal­tung der Persönlich­keit der im Be­trieb beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer. Al­ler­dings ist strei­tig, ob die Vor­schrift ein Schutz­ge­setz iSd. § 823 Abs. 2 BGB ist.

Die­se Fra­ge kann je­doch da­hin­ste­hen. Zum ei­nen hat die Be­klag­te selbst nicht ge­gen ih­re Ver­pflich­tung zum Schutz des Persönlich­keits­rechts des Klägers ver­s­toßen. Zum an­de­ren fal­len die von dem Kläger gel­tend ge­mach­ten ma­te­ri­el­len Schäden nicht in den Schutz­be­reich die­ses Ge­set­zes.

(3) Sch­ließlich kann die Be­klag­te dem Kläger auf Er­satz der gel­tend ge­mach­ten ma­te­ri­el­len Schäden aus § 831 BGB haf­ten, wenn die von dem Kläger be­nann­ten Per­so­nen, wie Herr K, Herr Dr. S ua., als Ver­rich­tungs­ge­hil­fen der Be­klag­ten ei­ne tat­be­standsmäßige rechts­wid­ri­ge un­er­laub­te Hand­lung in Ausführung ei­ner Ver­rich­tung be­gan­gen ha­ben.

Der Scha­den muss aber, um ei­ne Haf­tung des Geschäfts­herrn aus­zulösen, in Ausführung der Ver­rich­tung und nicht nur ge­le­gent­lich zu­gefügt wor­den sein (Pa­landt/Sprau 66. Aufl. § 831 Rn. 9), so dass das Ver­hal­ten des Ge­hil­fen nicht aus dem Kreis oder dem all­ge­mei­nen Rah­men der ihm an­ver­trau­ten Auf­ga­ben her­aus­fal­len darf. Ein sol­cher in­ne­rer Zu­sam­men­hang wird, wor­auf Ben­ecke (Mob­bing Rn. 234) zu­tref­fend hin­weist, in sog. Mob­bing-Fällen in der Re­gel vor­lie­gen, wenn die Ver­let­zungs­hand­lun­gen durch ar­beits­recht­li­che Maßnah­men, zB durch Wei­sun­gen, er­fol­gen. Hier­auf be­ruft sich der Kläger im Streit­fall über­wie­gend.
 


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Ob die von dem Kläger näher be­zeich­ne­ten Per­so­nen, wie zB Herr K und Herr Dr. S, Ver­rich­tungs­ge­hil­fen der Be­klag­ten sind und ob sie in Ausführung ei­ner Ver­rich­tung rechts­wid­rig und schuld­haft das Persönlich­keits­recht oder die Ge­sund­heit des Klägers ver­letzt ha­ben, hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht ge­prüft. Eben­so hat es nicht fest­ge­stellt, ob sich die Be­klag­te gemäß § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB ent­las­tet hat. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird da­her bei ei­ner er­neu­ten Ent­schei­dung im Rah­men die­ses Kla­ge­an­trags ggf. zu prüfen ha­ben, ob Ver­rich­tungs­ge­hil­fen der Be­klag­ten den Kläger in sei­ner Ge­sund­heit ver­letzt ha­ben so­wie ggf. ob die Be­klag­te sich von ei­nem et­wai­gen Aus­wahl- und Über­wa­chungs­ver­schul­den exkul­pie­ren kann.

b) Mit dem Kla­ge­an­trag zu 2) macht der Kläger die Zah­lung ei­nes Schmer­zens­gel­des und ei­ner Entschädi­gung in ei­ner Höhe von min­des­tens 50.000,00 Eu­ro gel­tend.


aa) Der An­spruch kann nicht auf ver­trags­recht­li­che An­spruchs­grund­la­gen gestützt wer­den. Zwar sieht § 253 Abs. 2 BGB nun­mehr vor, dass, wenn we­gen ei­ner Ver­let­zung des Körpers, der Ge­sund­heit, der Frei­heit oder der se­xu­el­len Selbst­be­stim­mung Scha­dens­er­satz zu leis­ten ist, auch we­gen des Scha­dens, der nicht Vermögens­scha­den ist, ei­ne bil­li­ge Entschädi­gung in Geld ge­for­dert wer­den kann. Die Vor­schrift wur­de je­doch erst durch das Zwei­te Ge­setz zur Ände­rung scha­dens­er­satz­recht­li­cher Vor­schrif­ten neu in das BGB auf­ge­nom­men und gilt mit Wir­kung vom 1. Au­gust 2002. § 253 Abs. 2 BGB er­setzt in der heu­ti­gen Fas­sung § 847 BGB aF, der bis­her den Geld­er­satz für im­ma­te­ri­el­le Schäden re­gel­te. Gemäß Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB gilt die Neu­re­ge­lung aber erst für Scha­dens­er­eig­nis­se, die sich nach dem 31. Ju­li 2002 er­eig­net ha­ben. Im Streit­fall, in dem die letz­te von Kläger be­haup­te­te „Teil­hand­lung“ im Mai 2002 statt­ge­fun­den hat, fin­det dem­zu­fol­ge al­tes Recht An­wen­dung.

bb) Der An­spruch kann, so­fern er Schmer­zens­geld we­gen ei­ner Ver­let­zung der Ge­sund­heit des Klägers be­trifft, auf § 831 BGB iVm. § 847 BGB aF und so­fern er die Entschädi­gung we­gen ei­ner Persönlich­keits­rechts­ver­let­zung be­trifft, auf § 831 BGB iVm. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG gestützt wer­den. Die Her­lei­tung des Entschädi­gungs­an­spru­ches aus ei­ner de­liktsrecht­li­chen An­spruchs­grund­la­ge und dem Ver­fas­sungs­recht und nicht aus § 847 BGB aF ist in den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en zum Zwei­ten Ge­setz zur Ände­rung scha­dens­er­satz­recht­li­cher Vor­schrif­ten (BT-Drucks. 14/7752 S. 25) noch­mals aus­drück­lich be­tont wor­den und ent­sprach schon vor­her ständi­ger
 


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Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs (5. De­zem­ber 1995 - VI ZR 332/94 - NJW 1996, 984).

cc) Die Prüfung, ob ein rechts­wid­ri­ger Ein­griff in das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht vor­liegt, und ob ein sol­cher Ein­griff zu ei­nem Entschädi­gungs­an­spruch führt, un­ter­liegt ei­ni­gen Be­son­der­hei­ten.

Ob das Persönlich­keits­recht im Ein­zel­fall ver­letzt ist, lässt sich nur auf Grund ei­ner um­fas­sen­den Güter- und In­ter­es­sen­abwägung un­ter sorg­sa­mer Würdi­gung al­ler Umstände be­ur­tei­len (BAG 18. De­zem­ber 1984 - 3 AZR 389/83 - AP BGB § 611 Persönlich­keits­recht Nr. 8 = EzA BGB § 611 Persönlich­keits­recht Nr. 2), da das Persönlich­keits­recht ein sog. of­fe­nes Recht ist. Die Rechts­wid­rig­keit muss durch Abwägung der be­trof­fe­nen In­ter­es­sen im Ein­zel­fall fest­ge­stellt wer­den. Da­bei ist zunächst zu fra-gen, ob der Be­ein­träch­ti­gung des Persönlich­keits­rechts ein schutzwürdi­ges In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers ge­genüber­steht und dann, ob das Persönlich­keits­recht deut­lich über­wiegt (so zu­tref­fend Ben­ecke Mob­bing Rn. 157). Hier gilt im We­sent­li­chen be­reits das oben Ge­sag­te, ins­be­son­de­re wer­den Maßnah­men des Ar­beit­ge­bers dann durch ein grundsätz­lich schutzwürdi­ges In­ter­es­se mo­ti­viert sein, wenn ih­nen sach­li­che Erwägun­gen zu­grun­de lie­gen. Dies kann un­ter Umständen auch bei rechts­wid­ri­gen Maß-nah­men, zB rechts­wid­ri­gen Wei­sun­gen, der Fall sein (eben­so: LAG Nürn­berg 2. Ju­li 2002 - 6 (3) Sa 154/01 - LA­GE GG Art. 2 Persönlich­keits­recht Nr. 4; Ben­ecke Mob­bing Rn. 158; Rieb­le/Klumpp ZIP 2002, 369). An­de­rer­seits kann, wor­auf Rieb­le/Klumpp (aaO) zu­tref­fend hin­wei­sen, bei an sich rechtmäßigen Maßnah­men die Persönlich­keits­rechts­ver­let­zung aus den Mo­da­litäten fol­gen, so zB bei Maßnah­men in der ge­ziel­ten Be­triebsöffent­lich­keit.


Ein Entschädi­gungs­an­spruch we­gen ei­nes rechts­wid­ri­gen und schuld­haf­ten Ein­griffs in das Persönlich­keits­recht hat darüber hin­aus­ge­hend zur Vor­aus­set­zung, dass zum ei­nen ei­ne schwer­wie­gen­de Ver­let­zung des Persönlich­keits­rechts vor­liegt, was von Be­deu­tung und Trag­wei­te des Ein­griffs, An­lass und Be­weg­grund so­wie Grad des Ver­schul­dens abhängt, und zum an­de­ren die Be­ein­träch­ti­gung nach der Art der Ver­let­zung nicht auf an­de­re Wei­se be­frie­di­gend aus­ge­gli­chen wer­den kann (BAG 18. De­zem­ber 1984 - 3 AZR 389/83 - AP BGB § 611 Persönlich­keits­recht Nr. 8 = EzA BGB § 611 Persönlich­keits­recht Nr. 2; BGH 5. Ok­to­ber 2004 - VI ZR 255/03 - BGHZ 160, 298; 12. De­zem­ber 1995 - VI ZR 223/94 - NJW 1996, 985). Für den Streit­fall ist da­bei zu berück­sich­ti­gen, dass im Rah­men des al­lein noch zu prüfen­den de­liktsrecht­li­chen Tat­be­stan­des des § 831 BGB ggf. nur ein fahrlässi­ges Über­wa­chungs- oder
 


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Aus­wahl­ver­schul­den ge­ge­ben sein wird, was der An­nah­me ei­ner schwer­wie­gen­den Persönlich­keits­rechts­ver­let­zung ent­ge­gen­ste­hen könn­te.


Die Ent­schei­dung über die Höhe der Entschädi­gung bzw. des Schmer­zens­gel­des bei der Ge­sund­heits­ver­let­zung ist in ers­ter Li­nie Sa­che des Tatrich­ters (BGH 12. De­zem­ber 1995 - VI ZR 223/94 - NJW 1996, 985). Sie ist mit der Re­vi­si­on nur an­greif­bar, wenn sie auf ei­ner un­rich­ti­gen Würdi­gung der ma­te­ri­el­len Rechts­la­ge be­ruht oder wenn der Tatrich­ter für die Be­mes­sung we­sent­li­che Ge­sichts­punk­te über­se­hen hat (BGH 19. Sep­tem­ber 1961 - VI ZR 259/60 - BGHZ 35, 363).

c) Bei dem auf Fest­stel­lung der Er­satz­pflicht der Be­klag­ten für künf­ti­ge und noch nicht be­zif­fer­ba­re Schäden ge­rich­te­ten Kla­ge­an­trag zu 3) kommt es dar­auf an, ob die Be­klag­te über­haupt dem Grun­de nach gemäß § 831 BGB haf­tet.

In der ge­stell­ten Form ist der An­trag je­doch be­reits nicht zulässig. Zwar be­steht grundsätz­lich ein recht­li­ches In­ter­es­se an der auf zukünf­ti­ge bzw. noch nicht be­zif­fer­ba­re Schäden be­zo­ge­nen Fest­stel­lung, wenn Scha­dens­fol­gen in der Zu­kunft möglich sind. Dies gilt auch dann, wenn ih­re Art, ihr Um­fang und ihr Ein­tritt noch un­ge­wiss sind. Es muss da­bei ei­ne ge­wis­se Wahr­schein­lich­keit des Scha­den­s­ein­tritts be­ste­hen. In­so­weit reicht es aus, wenn die nicht eben ent­fernt lie­gen­de Möglich­keit künf­ti­ger Ver­wirk­li­chung der Er­satz­pflicht durch Auf­tre­ten wei­te­rer, bis­her noch nicht er­kenn­ba­rer und vor­aus­seh­ba­rer Lei­den be­steht (Se­nat 14. De­zem­ber 2006 - 8 AZR 628/05 - AP BGB § 618 Nr. 28 = EzA BGB 2002 § 618 Nr. 2; 19. Au­gust 2004 - 8 AZR 349/03 - AP SGB VII § 104 Nr. 4 = EzA SGB VII § 104 Nr. 2). Dies er­scheint auf der Grund­la­ge der vom Kläger be­haup­te­ten ge­sund­heit­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen möglich. Al­ler­dings ist der An­trag nicht hin­rei­chend be­stimmt gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, so­weit er die For­mu­lie­rung „Schäden ..., die ihm auf Grund der Mob­bing-Überg­rif­fe er­wach­sen“ enthält. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird nicht zu prüfen ha­ben, ob der Kläger Mob­bing-Überg­rif­fen aus­ge­setzt war. Der Be­griff „Mob­bing“ ist kein Rechts­be­griff und über­dies in­halt­lich in den Ein­zel­hei­ten un­klar (eben­so LAG Ber­lin 7. No­vem­ber 2002 - 16 Sa 938/02 -), da es ei­ne ein­heit­li­che De­fi­ni­ti­on die­ses tatsächli­chen Phäno­mens nicht gibt. Hin­zu kommt, dass aus dem An­trag kei­ne zeit­li­che Be­gren­zung des Sach­ver­hal­tes oder Er­eig­nis­ses, aus dem Ansprüche er­wach­sen sein sol­len, er­kenn­bar wird.

Ein Fest­stel­lungs­an­trag die­ser Art dient zum ei­nen der Hem­mung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Da­ne­ben bie­tet er dem Kläger den Vor­teil, dass der Grund des Scha­dens­er­satz­an­spru­ches geklärt wird und im Fal­le späte­rer Fol­geschäden nur noch der Ur­sa­chen­zu­sam­men­hang mit dem Scha­dens­er­eig­nis und die
 


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Scha­denshöhe nach­zu­wei­sen sind. Vor die­sem Hin­ter­grund sind die An­for­de­run­gen an die Be­stimmt­heit des An­tra­ges fest­zu­set­zen. Soll ein späte­rer Rechts­streit über den Grund des Scha­dens­er­satz­an­spru­ches ver­mie­den wer­den, muss die­ser klar aus dem Fest­stel­lungs­an­trag her­vor­ge­hen. Die An­for­de­run­gen an die Be­stimmt­heit wer­den hin-ge­gen über­spannt, wenn man wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin (7. No­vem­ber 2002 - 16 Sa 938/02 -) ver­lan­gen woll­te, den An­trag so zu fas­sen, dass späte­re Rechts­strei­tig­kei­ten über die Kau­sa­lität zukünf­ti­ger Scha­dens­fol­gen ver­mie­den wer­den. Dies ver­langt dem Geschädig­ten et­was Un­zu­mut­ba­res ab. Der­ar­ti­ge Rechts­strei­tig­kei­ten können und sol­len durch die­se Art des An­tra­ges nicht ver­mie­den wer­den.

Zu­tref­fen­der ist es, in dem An­trag von Schäden, die dem Kläger „auf Grund der Ver­let­zung der Ge­sund­heit und des Persönlich­keits­rechts im Zeit­raum zwi­schen 1987 und 2002 er­wach­sen sind oder noch er­wach­sen wer­den“ zu spre­chen. Ob es der­ar­ti­ge Ver­let­zun­gen gab, ist hin­ge­gen ei­ne Fra­ge der Be­gründet­heit der Kla­ge. Der An­trag ist auf die­se Wei­se aus­zu­le­gen, denn dies ent­spricht dem Rechts­schutz­ziel des Klägers.

C. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird auch über die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens zu ent­schei­den ha­ben.

Hauck 

Brein­lin­ger 

Creutz­feldt

Schömburg 

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