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BAG, Ur­teil vom 24.10.2007, 10 AZR 825/06

   
Schlagworte: Sonderzahlung, Bonus, Freiwilligkeitsvorbehalt, Gehalt: Bonus
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 10 AZR 825/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 24.10.2007
   
Leitsätze:

1. Ein Verstoß gegen das in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verankerte Transparenzgebot, Vertragsklauseln klar und verständlich zu formulieren, liegt vor, wenn der Arbeitgeber in einem von ihm vorformulierten Arbeitsvertrag sich zu einer Bonuszahlung verpflichtet und im Widerspruch dazu in einer anderen Vertragsklausel einen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf eine Bonuszahlung ausschließt. (Rn.12) In einem solchen Fall ist die Bonusregelung nicht insgesamt unwirksam, sondern nur insoweit, als der Arbeitnehmer durch den Ausschluss eines Rechtsanspruchs auf die Bonuszahlung benachteiligt wird.

2. Eine vom Arbeitgeber vorformulierte Klausel, die den Anspruch des Arbeitnehmers auf eine gewinn- und leistungsabhängige Bonuszahlung an ein an einem bestimmten Stichtag ungekündigtes Arbeitsverhältnis knüpft, unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.

3. Eine Stichtagsregelung, die unabhängig von der Höhe der Bonuszahlung den Arbeitnehmer bis zum 30. September des Folgejahres bindet, ist zu weit gefasst, benachteiligt den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen iSv. § 307 BGB und ist deshalb unwirksam.

Es bleibt unentschieden, ob bei der Inhaltskontrolle von Bindungsklauseln zwischen Stichtags- und Rückzahlungsklauseln zu differenzieren ist, ob eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers vorliegt, wenn Bindungsklauseln bei Sonderzahlungen nicht zwischen Kündigungen differenzieren, die in den Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers fallen, und ob bei Sonderzahlungen, die mindestens 25 % der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers ausmachen, Stichtags- oder Rückzahlungsklauseln zulässig sind.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt am Main
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 04.05.2006, 14 Sa 18/06
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

10 AZR 825/06

14 Sa 18/06 Hes­si­sches Lan­des­ar­beits­ge­richt

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am 24. Ok­to­ber 2007

UR­TEIL

Jatz, Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Zehn­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 24. Ok­to­ber 2007 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Frei­tag, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Mar­quardt und den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Brühler so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Sta­edt­ler und Schus­ter für Recht er­kannt:

1. Auf die Re­vi­si­on des Klägers wird das Ur­teil des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 4. Mai 2006 - 14 Sa 18/06 - auf­ge­ho­ben.


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2. Die Sa­che wird zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über ei­ne Bo­nus­zah­lung für das Jahr 2004.

Die Be­klag­te er­bringt Fi­nanz­dienst­leis­tun­gen. Im so­ge­nann­ten „Cor­po­ra­te-Fi­nan­ce-Geschäft“ berät sie na­tio­na­le und in­ter­na­tio­na­le Un­ter­neh­men so­wie öffent­li­che Auf­trag­ge­ber in den Be­rei­chen Mer­gers und Ac­qui­si­ti­ons, Pri­va­ti­sie­rung, Ka­pi­tal­be­schaf­fung und Ka­pi­tal­struk­tur­ma­nage­ment so­wie Börsen­einführun­gen. Der Kläger war bei ihr in die­sem Be­reich vom 1. April 2002 bis zum 30. Sep­tem­ber 2004 als Be­ra­ter beschäftigt. Die Par­tei­en ver­ein­bar­ten im Ar­beits­ver­trag vom 13. Ju­li 2001 nach Ab­lauf der sechs­mo­na­ti­gen Pro­be­zeit ei­ne Kündi­gungs­frist von drei Mo­na­ten zum Quar­tals­en­de. In Nr. 3 des Ar­beits­ver­trags heißt es:

3. Vergütung

Für Ihr Ar­beits­verhält­nis gel­ten die Ta­rif­verträge für das pri­va­te Bank­ge­wer­be. Ih­re Brut­to­ge­halts­ver­ein­ba­rung ist außer­ta­rif­lich und beträgt jähr­lich:

EUR 49.200,--

Die­ser Be­trag wird Ih­nen je­weils am 15. d.M. in 12 mo­nat­li­chen Teil­beträgen in Höhe von EUR 4.100,-- ge­zahlt. Mit Ih­rem Ge­halt sind al­le von Ih­nen ge­leis­te­ten Über­stun­den ab­ge­gol­ten.

Darüber hin­aus er­hal­ten Sie ei­nen ge­winn- und leis­tungs­abhängi­gen Bo­nus, der im ers­ten Jahr Ih­rer Be­triebs­zu­gehörig­keit EUR 7.700,-- nicht un­ter­schrei­ten wird und im Frühjahr des Fol­ge­jah­res zur Aus­zah­lung kommt. Da­nach neh­men Sie an dem in un­se­rem Hau­se übli­chen Bo­nus­sys­tem teil.

Die Zah­lung des Bo­nus er­folgt in je­dem Fal­le frei­wil­lig und be­gründet kei­nen Rechts­an­spruch für die Zu­kunft.

Der An­spruch auf Zah­lung ei­nes Bo­nus entfällt, wenn Sie am 01. April des Aus­zah­lungs­jah­res nicht mehr in ei­nem un­gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis mit un­se­rem Hau­se ste­hen.

Bei Be­ginn des Ver­trags­verhält­nis­ses im Lau­fe ei­nes Ka­len­der­jah­res wer­den al­le Vergütun­gen zeit­an­tei­lig be­rech­net.“

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Das Bo­nus­sys­tem der Be­klag­ten ist in der Broschüre „Das Ziel­ver­ein­ba­rungs- und Be­ur­tei­lungs­sys­tem der M-Grup­pe“ ge­re­gelt. Der Jah­res­bo­nus setzt sich zu 40 % aus dem Be­reichs- bzw. Ge­sell­schafts­er­geb­nis und zu 60 % aus der in­di­vi­du­el­len Leis­tung des Ar­beit­neh­mers zu­sam­men. Für die­se ist die Be­ur­tei­lungs­stu­fe maßge­bend, die in ei­nem ein Jahr nach dem Ab­schluss der Ziel­ver­ein­ba­rung geführ­ten Be­ur­tei­lungs­gespräch er­mit­telt wird. Der Kläger er­hielt für das Beschäfti­gungs­jahr 2002 ei­nen Bo­nus iHv. 10.000,00 Eu­ro. Für das Geschäfts­jahr 2003 zahl­te ihm die Be­klag­te statt des in Aus­sicht ge­stell­ten „Stan­dard­bo­nus“ iHv. 10.000,00 Eu­ro ei­nen Bo­nus iHv. 25.000,00 Eu­ro. Am 24. Fe­bru­ar 2004 schlos­sen die Par­tei­en ei­ne Ziel­ver­ein­ba­rung für das Jahr 2004, für das ein „Stan­dard­bo­nus“ iHv. 20.000,00 Eu­ro an­gekündigt wur­de. In ei­nem Schrei­ben vom 15. März 2004 teil­te die Be­klag­te dem Kläger ua. mit, dass sie zum 1. April 2004 sein mo­nat­li­ches Ge­halt auf 4.600,00 Eu­ro erhöht ha­be.

Das Ar­beits­verhält­nis en­de­te auf Grund ei­ner Kündi­gung des Klägers vom 29. Ju­ni 2004 mit Ab­lauf des 30. Sep­tem­ber 2004. Ab dem 1. Sep­tem­ber 2004 war der Kläger von der Ver­pflich­tung zur Ar­beits­leis­tung frei­ge­stellt.

Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, ihm ste­he für die Mo­na­te Ja­nu­ar bis Sep­tem­ber 2004 ei­ne Bo­nus­zah­lung iHv. 40.200,00 Eu­ro zu. Die Stich­tags­re­ge­lung im Ar­beits­ver­trag sei ei­ne un­zulässi­ge Kündi­gungs­er­schwe­rung. Sie be­nach­tei­li­ge ihn un­an­ge­mes­sen und sei des­halb un­wirk­sam.

Der Kläger hat be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 40.200,00 Eu­ro nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 15. April 2005 zu zah­len.

Die Be­klag­te hat zu ih­rem Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag die Auf­fas­sung ver­tre­ten, der Kläger ha­be nach den ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen kei­nen Rechts­an­spruch auf ei­ne Bo­nus­zah­lung. Ein sol­cher sei aus­drück­lich aus­ge­schlos­sen wor­den. Im Übri­gen ste­he die Kündi­gung des Klägers ei­nem Bo­nus­an­spruch ent­ge­gen. Die Bo­nus­zah­lung die­ne auch der Ho­no­rie­rung von Be­triebs­treue. Die Stich­tags­re­ge­lung im Ar­beits­ver­trag sei des­halb wirk­sam. Im Übri­gen ha­be der Kläger die für das Jahr 2004 ver­ein­bar­ten Zie­le nicht er­reicht.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt der Kläger sei­nen Zah­lungs-
 

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an­spruch wei­ter. Die Be­klag­te be­an­tragt, die Re­vi­si­on des Klägers zurück­zu­wei­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on des Klägers ist be­gründet. Sie führt zur Auf­he­bung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils und zur Zurück­ver­wei­sung der Sa­che an das Be­ru­fungs­ge­richt. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­ge­be­nen Be­gründung kann die Kla­ge nicht ab­ge­wie­sen wer­den. Der Se­nat kann in der Sa­che nicht selbst ent­schei­den. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat kei­ne aus­rei­chen­den Fest­stel­lun­gen da­zu ge­trof­fen, ob nach dem Bo­nus­sys­tem der Be­klag­ten die Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne an­tei­li­ge Bo­nus­zah­lung an den Kläger für das Jahr 2004 vor­lie­gen und in wel­cher Höhe dem Kläger ge­ge­be­nen­falls ein Bo­nus zu­steht. Dies kann der Se­nat nicht selbst er­mit­teln. Es be­darf in­so­weit ei­ner Sach­aufklärung durch das Be­ru­fungs­ge­richt.

I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat kurz zu­sam­men­ge­fasst an­ge­nom­men, die Be­klag­te ha­be die Klau­seln im Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en vor­for­mu­liert. Die in Nr. 3 des Ver­trags ge­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen sei­en auch für ju­ris­ti­sche Lai­en nach­voll­zieh­bar und ver­stießen nicht ge­gen das Trans­pa­renz­ge­bot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Zah­lungs­vor­be­halt be­nach­tei­li­ge den Kläger nicht un­an­ge­mes­sen iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Kläger sei mit ei­nem mo­nat­li­chen Grund­ge­halt iHv. 4.600,00 Eu­ro ab­ge­si­chert. Der für ihn aus­ge­lob­te Stan­dard­bo­nus iHv. 20.000,00 Eu­ro über­stei­ge das Mo­nats­ein­kom­men des Klägers um ein Viel­fa­ches. Des­we­gen be­geg­ne ei­ne Bin­dung des Klägers bis zum 30. Sep­tem­ber des Fol­ge­jah­res kei­nen Be­den­ken.

II. Die­se Ausführun­gen hal­ten der recht­li­chen Nach­prüfung und den An­grif­fen der Re­vi­si­on nicht stand.

1. Nach den von der Be­klag­ten nicht mit Ge­genrügen an­ge­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts han­delt es sich bei den in Nr. 3 des Ar­beits­ver­trags zur Bo­nus­zah­lung ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen um All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen iSv. §§ 305 ff. BGB. Die Klau­seln sind ent­ge­gen der An­sicht des Lan­des­ar­beits­ge­richts teil­wei­se wi­dersprüchlich und da­mit nicht klar und verständ­lich iSd. in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ver­an­ker­ten Trans­pa­renz­ge­bots, so­weit sie ei­ner­seits ei­nen An­spruch des Ar­beit­neh­mers auf ei­ne Bo­nus­zah­lung be­gründen, an­de­rer­seits ei­nen sol­chen An­spruch aus­sch­ließen. So­weit der An­spruch auf den Bo­nus dar­an ge­knüpft wird, dass


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der Ar­beit­neh­mer am 1. April des Aus­zah­lungs­jah­res in ei­nem un­gekündig­tem Ar­beits­verhält­nis steht, ist die Bin­dungs­klau­sel zu weit ge­fasst. Dies be­wirkt ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des Ar­beit­neh­mers ent­ge­gen den Ge­bo­ten von Treu und Glau­ben und führt zur Un­wirk­sam­keit die­ser Be­stim­mun­gen (§ 307 Abs. 1 BGB).

a) All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen sind nach ih­rem ob­jek­ti­ven In­halt und ty­pi­schen Sinn ein­heit­lich so aus­zu­le­gen, wie sie von verständi­gen und red­li­chen Ver­trags­part­nern un­ter Abwägung der In­ter­es­sen der nor­ma­ler­wei­se be­tei­lig­ten Ver­kehrs­krei­se ver­stan­den wer­den, wo­bei nicht die Verständ­nismöglich­kei­ten des kon­kre­ten, son­dern die des durch­schnitt­li­chen Ver­trags­part­ners des Ver­wen­ders zu­grun­de zu le­gen sind (st. Rspr., vgl. BGH 14. Ju­li 2004 - VIII ZR 339/03 - NJW 2004, 2961; BAG 31. Au­gust 2005 - 5 AZR 545/04 - BA­GE 115, 372; Fuchs in Ul­mer/Brand­ner/Hen­sen AGB-Recht 10. Aufl. § 307 Rn. 344; Stof­fels AGB-Recht Rn. 565). An­satz­punkt für die nicht am Wil­len der kon­kre­ten Ver­trags­part­ner zu ori­en­tie­ren­de Aus­le­gung All­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen ist in ers­ter Li­nie der Ver­trags­wort­laut (BGH 17. Fe­bru­ar 1993 - VIII ZR 37/92 - NJW 1993, 1381, 1382). Ist der Wort­laut ei­nes For­mu­lar­ver­trags nicht ein­deu­tig, kommt es für die Aus­le­gung ent­schei­dend dar­auf an, wie der Ver­trags­text aus der Sicht der ty­pi­scher­wei­se an Geschäften die­ser Art be­tei­lig­ten Ver­kehrs­krei­se zu ver­ste­hen ist, wo­bei der Ver­trags­wil­le verständi­ger und red­li­cher Ver­trags­part­ner be­ach­tet wer­den muss (BGH 19. Ja­nu­ar 2005 - XII ZR 107/01 - BGHZ 162, 39; BAG 31. Au­gust 2005 - 5 AZR 545/04 - aaO). So­weit auch der mit dem Ver­trag ver­folg­te Zweck ein­zu­be­zie­hen ist, kann das nur in Be­zug auf ty­pi­sche und von red­li­chen Geschäfts­part­nern ver­folg­te Zie­le gel­ten.

b) Bleibt nach Ausschöpfung der Aus­le­gungs­me­tho­den ein nicht be­heb­ba­rer Zwei­fel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Las­ten des Ver­wen­ders (BGH 19. Ja­nu­ar 2005 - XII ZR 107/01 - aaO). Die An­wen­dung der Un­klar­hei­ten­re­gel des § 305c Abs. 2 BGB setzt al­ler­dings vor­aus, dass die Aus­le­gung ei­ner ein­zel­nen AGB-Be­stim­mung min­des­tens zwei Er­geb­nis­se als ver­tret­bar er­schei­nen lässt (Däubler in Däubler/Dorn­dorf AGB-Kon­trol­le im Ar­beits­recht § 305c BGB Rn. 32) und von die­sen kei­ne den kla­ren Vor­zug ver­dient. Es müssen „er­heb­li­che Zwei­fel“ an der rich­ti­gen Aus­le­gung be­ste­hen. Die ent­fern­te Möglich­keit, zu ei­nem an­de­ren Er­geb­nis zu kom­men, genügt für die An­wen­dung der Be­stim­mung nicht. § 305c Abs. 2 BGB ist un­an­wend­bar, wenn sich zwei Klau­seln in­halt­lich wi­der­spre­chen und des­halb un­wirk­sam sind (Däubler Rn. 33). Wi­dersprüchli­che Klau­seln sind nicht klar und verständ­lich iSd. Trans­pa­renz­ge­bots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach die­ser Vor­schrift kann sich ei­ne un­an-


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ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung auch dar­aus er­ge­ben, dass die Be­stim­mung nicht klar und verständ­lich ist. Sinn des Trans­pa­renz­ge­bots ist es, der Ge­fahr vor­zu­beu­gen, dass der Ver­trags­part­ner des Klau­sel­ver­wen­ders von der Durch­set­zung be­ste­hen­der Rech­te ab­ge­hal­ten wird (BAG 3. April 2007 - 9 AZR 867/06 - NZA 2007, 1045). Ein Ver­s­toß ge­gen das Trans­pa­renz­ge­bot liegt des­halb nicht schon dann vor, wenn der Ar­beit­neh­mer kei­ne oder nur ei­ne er­schwer­te Möglich­keit hat, die be­tref­fen­de Re­ge­lung zu ver­ste­hen. Erst in der Ge­fahr, dass der Ver­trags­part­ner des Klau­sel­ver­wen­ders we­gen un­klar ab­ge­fass­ter All­ge­mei­ner Ver­trags­be­din­gun­gen sei­ne Rech­te nicht wahr­nimmt, liegt ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung iSv. § 307 Abs. 1 BGB (BAG 14. März 2007 - 5 AZR 630/06 - AP TVG § 1 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 18).

c) Die Aus­le­gung von All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen durch das Be­ru­fungs­ge­richt un­ter­liegt der vol­len re­vi­si­ons­recht­li­chen Nach­prüfung durch das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG 31. Au­gust 2005 - 5 AZR 545/04 - BA­GE 115, 372).

2. Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Grundsätze verstößt die Re­ge­lung in Nr. 3 Abs. 4 des Ar­beits­ver­trags, wo­nach die Zah­lung des Bo­nus in je­dem Fal­le frei­wil­lig er­folgt und kei­nen Rechts­an­spruch für die Zu­kunft be­gründet, ge­gen das Trans­pa­renz­ge­bot des § 307 Abs. 1 BGB und ist des­halb un­wirk­sam. Die Re­ge­lung steht im Wi­der­spruch zu den in Nr. 3 Abs. 3 und in Nr. 3 Abs. 5 des Ar­beits­ver­trags ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen und birgt die Ge­fahr, dass der Ar­beit­neh­mer von der Durch­set­zung sei­nes An­spruchs auf die Bo­nus­zah­lung ab­ge­hal­ten und da­mit ent­ge­gen Treu und Glau­ben un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­ligt wird.

a) Ein „Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt“ kann so ver­stan­den wer­den, dass sich der Ar­beit­ge­ber „frei­wil­lig“ zur Er­brin­gung der Leis­tung ver­pflich­tet, oh­ne da­zu durch Ta­rif­ver­trag, Be­triebs­ver­ein­ba­rung oder Ge­setz ge­zwun­gen zu sein (BAG 23. Ok­to­ber 2002 - 10 AZR 48/02 - BA­GE 103, 151, 155 mwN). Ein mit ei­ner Zu­wen­dung ver­bun­de­ner Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt kann aber auch be­zwe­cken, das Ent­ste­hen ei­nes Rechts­an­spruchs des Zu­wen­dungs­empfängers auf künf­ti­ge Zah­lun­gen zu hin­dern (vgl. BAG 11. April 2000 - 9 AZR 255/99 - BA­GE 94, 204, 206 f.). Der Wort­laut der in Nr. 3 Abs. 4 des Ar­beits­ver­trags ge­trof­fe­nen Ab­re­de ist in­so­fern ein­deu­tig. Er schließt ei­nen Rechts­an­spruch des Ar­beit­neh­mers auf die Bo­nus­zah­lung aus. Der Ar­beit­ge­ber kann grundsätz­lich auch ei­nen Rechts­an­spruch des Ar­beit­neh­mers auf ei­ne in Aus­sicht ge­stell­te Zu­wen­dung aus­sch­ließen und sich die Ent­schei­dung vor­be­hal­ten, ob und in
 

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wel­cher Höhe er künf­tig Son­der­zah­lun­gen gewährt (st. Rspr., vgl. BAG 23. Ok­to­ber 2002 - 10 AZR 48/02 - BA­GE 103, 151 und 11. April 2000 - 9 AZR 255/99 - BA­GE 94, 204, je­weils mwN). Dar­an hat der Se­nat hat auch nach dem In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes zur Mo­der­ni­sie­rung des Schuld­rechts zum 1. Ja­nu­ar 2002 fest­ge­hal­ten und an­ge­nom­men, der Ar­beit­ge­ber sei auf Grund des Frei­wil­lig­keits­vor­be­halts in ei­nem For­mu­lar­ar­beits­ver­trag, der ei­nen Rechts­an­spruch des Ar­beit­neh­mers auf ei­ne Son­der­zah­lung aus­sch­ließt, grundsätz­lich in sei­ner Ent­schei­dung frei, ob und un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen er ei­ne zusätz­li­che Leis­tung gewährt (28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - AP BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on Nr. 265 = EzA BGB 2002 § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on, Prämie Nr. 21).

b) Die Re­ge­lung in Nr. 3 Abs. 4 des Ar­beits­ver­trags ist je­doch des­halb nicht klar und verständ­lich iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie zu den in Nr. 3 Abs. 3 und in Nr. 3 Abs. 5 des Ar­beits­ver­trags ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen in Wi­der­spruch steht.

(1) Mit der For­mu­lie­rung in Nr. 3 Abs. 3 Satz 1 des Ar­beits­ver­trags „darüber hin­aus er­hal­ten Sie ei­nen ge­winn- und leis­tungs­abhängi­gen Bo­nus, der im ers­ten Jahr Ih­rer Be­triebs­zu­gehörig­keit EUR 7.700,-- nicht un­ter­schrei­ten wird und im Frühjahr des Fol­ge­jah­res zur Aus­zah­lung kommt“ ha­ben die Par­tei­en ei­ne Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zur Bo­nus­zah­lung be­gründet. Ei­ne For­mu­lie­rung, nach der vom Ar­beit­ge­ber ein Bo­nus ge­zahlt wird oder der Ar­beit­neh­mer ei­nen Bo­nus erhält, ist ty­pisch für die Be­gründung ei­nes Ent­gelt­an­spruchs (vgl. BAG 24. Sep­tem­ber 2003 - 10 AZR 34/03 - AP BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on Nr. 254 = EzA BGB 2002 § 133 Nr. 3 mwN). Auch die Ab­re­de in Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 des Ar­beits­ver­trags, wo­nach der Kläger an dem im Hau­se der Be­klag­ten übli­chen Bo­nus­sys­tem teil­nimmt, lässt sich vom Wort­laut her nur da­hin­ge­hend ver­ste­hen, dass dem Kläger ei­ne Bo­nus­zah­lung zu­steht, wenn die nach dem Bo­nus­sys­tem der Be­klag­ten für ei­ne sol­che Zah­lung er­for­der­li­chen Vor­aus­set­zun­gen vor­lie­gen. Sch­ließlich spricht die in Nr. 3 Abs. 5 des Ar­beits­ver­trags ge­trof­fe­ne Ver­ein­ba­rung aus­drück­lich da­von, dass „der An­spruch auf Zah­lung ei­nes Bo­nus“ entfällt, wenn der Ar­beit­neh­mer am 1. April des Aus­zah­lungs­jah­res nicht mehr in ei­nem un­gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis steht. Die­se Ab­re­de setzt das Ent­ste­hen ei­nes An­spruchs auf die Bo­nus­zah­lung vor­aus. Nur ein ent­stan­de­ner An­spruch kann „ent­fal­len“.

(2) Auf Grund der un­klar ab­ge­fass­ten Ver­trags­klau­seln be­steht die Ge­fahr, dass Ar­beit­neh­mer der Be­klag­ten in der An­nah­me, sie hätten kei­nen Rechts­an­spruch auf ei­ne Bo­nus­zah­lung, ih­ren An­spruch auf den Bo­nus nicht gel­tend ma­chen und in­so­weit ih­re Rech­te nicht wahr­neh­men. Dies be­wirkt nach § 306 Abs. 1 BGB je­doch nicht die


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Un­wirk­sam­keit der ge­sam­ten Bo­nus­re­ge­lung. Nach die­ser Vor­schrift bleibt der Ver­trag im Übri­gen wirk­sam, wenn All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen ganz oder teil­wei­se nicht Ver­trags­be­stand­teil ge­wor­den sind oder un­wirk­sam sind. Nur die in Nr. 3 Abs. 4 des Ar­beits­ver­trags ge­trof­fe­ne Re­ge­lung, die ei­nen Rechts­an­spruch auf die Bo­nus­zah­lung aus­sch­ließt, be­nach­tei­ligt den Ar­beit­neh­mer un­an­ge­mes­sen und ist des­halb un­wirk­sam. So­weit die Bo­nus­re­ge­lung ei­nen An­spruch auf ei­nen Bo­nus be­gründet, fehlt es an ei­ner un­an­ge­mes­se­nen Be­nach­tei­li­gung. In­so­weit bleibt die Bo­nus­re­ge­lung des­halb wirk­sam.

3. Ent­ge­gen der An­sicht des Lan­des­ar­beits­ge­richts ist die Stich­tags­re­ge­lung in Nr. 3 Abs. 5 des Ar­beits­ver­trags zu weit ge­fasst, be­nach­tei­ligt den Ar­beit­neh­mer des­halb ent­ge­gen den Ge­bo­ten von Treu und Glau­ben un­an­ge­mes­sen und ist da­her ge­mäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB un­wirk­sam.

a) Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung im Zwei­fel an­zu­neh­men, wenn ei­ne Be­stim­mung mit we­sent­li­chen Grund­ge­dan­ken der ge­setz­li­chen Re­ge­lung, von der ab­ge­wi­chen wird, nicht zu ver­ein­ba­ren ist.

aa) Von maßgeb­li­cher Be­deu­tung ist in­so­weit, ob die ge­setz­li­che Re­ge­lung nicht nur auf Zweckmäßig­keits­erwägun­gen be­ruht, son­dern ei­ne Aus­prägung des Ge­rech­tig­keits­ge­bots dar­stellt. Die Fra­ge, ob ei­ne ge­gen Treu und Glau­ben ver­s­toßen­de un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des Ver­trags­part­ners des Klau­sel­ver­wen­ders vor­liegt, ist auf der Grund­la­ge ei­ner Abwägung der be­rech­tig­ten In­ter­es­sen der Be­tei­lig­ten zu be­ant­wor­ten. Hier­bei ist das In­ter­es­se des Ver­wen­ders an der Auf­recht­er­hal­tung der Klau­sel mit dem In­ter­es­se des Ver­trags­part­ners an der Er­set­zung der Klau­sel durch das Ge­setz ab­zuwägen. Bei die­ser wech­sel­sei­ti­gen Berück­sich­ti­gung und Be­wer­tung recht­lich an­zu­er­ken­nen­der In­ter­es­sen der Ver­trags­part­ner, bei dem auch grund­recht­lich geschütz­te Rechts­po­si­tio­nen zu be­ach­ten sind (BAG 21. April 2005 - 8 AZR 425/04 - AP BGB § 307 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 309 Nr. 3; 4. März 2004 - 8 AZR 196/03 - BA­GE 110, 8; 24. Ok­to­ber 2002 - 6 AZR 632/00 - BA­GE 103, 180), ist ein ge­ne­rel­ler, ty­pi­sie­ren­der Maßstab an­zu­le­gen (BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - NZA 2007, 853 mwN).

bb) Rechts­vor­schrif­ten im Sin­ne von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind nicht nur die Ge­set­zes­be­stim­mun­gen selbst, son­dern die dem Ge­rech­tig­keits­ge­bot ent­spre­chen­den all­ge­mein an­er­kann­ten Rechts­grundsätze, dh. auch al­le un­ge­schrie­be­nen Rechts­grundsätze, die Re­geln des Richter­rechts oder die auf Grund ergänzen­der Aus­le­gung


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nach den §§ 157, 242 BGB und aus der Na­tur des je­wei­li­gen Schuld­verhält­nis­ses zu ent­neh­men­den Rech­te und Pflich­ten (BAG 11. Ok­to­ber 2006 - 5 AZR 721/05 - AP BGB § 308 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 6 mwN). In der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ist an­er­kannt, dass mit Son­der­zah­lun­gen ver­bun­de­ne ein­zel­ver­trag­li­che Stich­tags- und Rück­zah­lungs­klau­seln ei­nen Ar­beit­neh­mer nicht in un­zulässi­ger Wei­se in sei­ner durch Art. 12 GG ga­ran­tier­ten Be­rufs­frei­heit be­hin­dern dürfen und in­so­weit ei­ner In­halts­kon­trol­le durch die Ar­beits­ge­rich­te gemäß § 307 BGB un­ter­lie­gen (28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - AP BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on Nr. 265 = EzA BGB 2002 § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on, Prämie Nr. 21; 25. April 2007 - 10 AZR 634/06 - NZA 2007, 875). Nach den vom Bun­des­ar­beits­ge­richt für Rück­zah­lungs­klau­seln ent­wi­ckel­ten Grundsätzen hängt die Dau­er der zulässi­gen Bin­dung von der Höhe der Son­der­zah­lung ab (28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - aaO; 28. April 2004 - 10 AZR 356/03 - BA­GE 110, 244; 21. Mai 2003 - 10 AZR 390/02 - BA­GE 106, 159). Es müssen Grenz­wer­te ein­ge­hal­ten wer­den. Wer­den die­se über­schrit­ten, ist an­zu­neh­men, dass der Ar­beit­neh­mer durch die ver­ein­bar­te Rück­zah­lung in un­zulässi­ger Wei­se in sei­ner durch Art. 12 GG ga­ran­tier­ten Be­rufs­frei­heit be­hin­dert wird (st. Rspr., vgl. BAG 21. Mai 2003 - 10 AZR 390/02 - BA­GE 106, 159, 162 mwN). In ei­nem sol­chen Fall liegt ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des Ar­beit­neh­mers iSv. § 307 BGB vor, die zur Un­wirk­sam­keit der Rück­zah­lungs­klau­sel führt. Ei­ne am Jah­res­en­de ge­zahl­te Zu­wen­dung, die über 100,00 Eu­ro, aber un­ter ei­nem Mo­nats­be­zug liegt, kann den Ar­beit­neh­mer bis zum 31. März des Fol­ge­jah­res bin­den. Nur wenn die Zu­wen­dung ei­nen Mo­nats­be­zug er­reicht, ist ei­ne Bin­dung des Ar­beit­neh­mers über die­sen Ter­min hin­aus zulässig (BAG 21. Mai 2003 - 10 AZR 390/02 - aaO, mwN). Erhält ein Ar­beit­neh­mer ei­ne Gra­ti­fi­ka­ti­on, die ein zwei­fa­ches Mo­nats­ge­halt nicht er­reicht, so kann er durch ei­ne Rück­zah­lungs­klau­sel je­den­falls dann nicht über den 30. Ju­ni des fol­gen­den Jah­res ge­bun­den wer­den, wenn er bis da­hin meh­re­re Kündi­gungsmöglich­kei­ten hat­te (BAG 27. Ok­to­ber 1978 - 5 AZR 754/77 - AP BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on Nr. 99 = EzA BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on, Prämie Nr. 61).

b) Selbst wenn bei Son­der­zah­lun­gen des Ar­beit­ge­bers bezüglich der zulässi­gen Bin­dung des Ar­beit­neh­mers an der bis­he­ri­gen Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen Stich­tags- und Rück­zah­lungs­klau­seln (BAG 21. Fe­bru­ar 1974 - 5 AZR 302/73 - AP BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on Nr. 81 = EzA BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on, Prämie Nr. 39; 30. No­vem­ber 1989 - 6 AZR 21/88 -) un­ter der Gel­tung der §§ 305 ff. BGB noch fest­zu­hal­ten wäre und bei Stich­tags­klau­seln an­de­re als die vom Bun­des­ar­beits­ge­richt für Rück­zah­lungs­klau­seln


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ent­wi­ckel­ten Grundsätze her­an­zu­zie­hen wären, hiel­te der Zah­lungs­vor­be­halt in Nr. 3 Abs. 5 des Ar­beits­ver­trags ei­ner In­halts­kon­trol­le nach § 307 BGB nicht stand.

aa) Die Stich­tags­re­ge­lung in Nr. 3 Abs. 5 des Ar­beits­ver­trags lässt die Bo­nus­zah­lung für das zurück­lie­gen­de Jahr dann ent­fal­len, wenn der Ar­beit­neh­mer am 1. April des Fol­ge­jah­res nicht mehr in ei­nem un­gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis steht.

(1) Da­mit dif­fe­ren­ziert die Re­ge­lung nicht zwi­schen ei­ner vom Ar­beit­neh­mer aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung und ei­ner von der Be­klag­ten aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung. Die Klau­sel stellt auch nicht dar­auf ab, ob der Ver­trags­part­ner die Kündi­gung ver­an­lasst hat oder die­se sei­nem Ver­ant­wor­tungs­be­reich zu­zu­ord­nen ist. Nach dem in­so­weit ein­deu­ti­gen Wort­laut der Stich­tags­re­ge­lung entfällt die Bo­nus­zah­lung da­mit auch bei ei­ner nicht vom Ar­beit­neh­mer ver­an­lass­ten, zB auf das Vor­lie­gen drin­gen­der be­trieb­li­cher Er­for­der­nis­se gestütz­ten Kündi­gung der Be­klag­ten. Nach der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Se­nats sind Klau­seln, die den An­spruch auf die Son­der­zah­lung dar­an knüpfen, dass das Ar­beits­verhält­nis über den Aus­zah­lungs­zeit­punkt hin­aus in­ner­halb ei­nes be­stimm­ten Zeit­raums fort­be­steht, al­ler­dings auch dann zulässig, wenn der Grund für die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses vor Ab­lauf der Bin­dungs­frist nicht im Ver­ant­wor­tungs­be­reich des Ar­beit­neh­mers liegt, wie das bei ei­ner be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung der Fall ist (28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - AP BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on Nr. 265 = EzA BGB 2002 § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on, Prämie Nr. 21; 4. Mai 1999 - 10 AZR 417/98 - AP BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on Nr. 214 = EzA BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on, Prämie Nr. 155; 19. No­vem­ber 1992 - 10 AZR 264/91 - BA­GE 71, 1). Ei­ne Son­der­zah­lung, die wie der dem Kläger in Aus­sicht ge­stell­te Bo­nus auch in Er­war­tung wei­te­rer en­ga­gier­ter Tätig­keit und Be­triebs­treue ge­zahlt wird, kann ih­ren Zweck, künf­ti­ge Be­triebs­treue zu be­loh­nen und den Ar­beit­neh­mer zu re­ger und en­ga­gier­ter Mit­ar­beit zu mo­ti­vie­ren, bei be­reits aus­ge­schie­de­nen oder als­bald aus­schei­den­den Ar­beit­neh­mern nicht erfüllen (BAG 28. März 2007 - 10 AZR 261/06 - aaO; 8. März 1995 - 10 AZR 208/94 - AP BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on Nr. 184 = EzA BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on, Prämie Nr. 131). En­det das Ar­beits­verhält­nis vor Ab­lauf ei­ner zulässi­gen Bin­dungs­frist, hat­te der Ar­beit­neh­mer in­fol­ge des Feh­lens ei­ner An­spruchs­vor­aus­set­zung da­her nach der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung des Se­nats grundsätz­lich kei­nen An­spruch auf die Son­der­zah­lung.

(2) Ob die­se Grundsätze bei al­len Son­der­zah­lun­gen un­abhängig von ih­rer Höhe gel­ten und da­mit auch bei Bo­nus­zah­lun­gen, die höher sind als das dem Ar­beit­neh­mer zu­ste­hen­de Jah­res­fest­ge­halt, des­sen Höhe na­he­zu er­rei­chen oder je­den­falls mehr als


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25 % der Ge­samt­vergütung aus­ma­chen, braucht der Se­nat hier nicht zu ent­schei­den. Wenn al­ler­dings die Fra­ge, ob ei­ne ge­gen Treu und Glau­ben ver­s­toßen­de un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des Ver­trags­part­ners des Klau­sel­ver­wen­ders vor­liegt, auf der Grund­la­ge ei­ner Abwägung der be­rech­tig­ten In­ter­es­sen der Be­tei­lig­ten zu be­ant­wor­ten ist, er­scheint es bei ty­pi­sie­ren­der Be­trach­tung kaum in­ter­es­sen­ge­recht, dem Ar­beit­neh­mer im Fal­le ei­ner nicht in sei­nen Ver­ant­wor­tungs­be­reich fal­len­den, zB be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung des Ar­beit­ge­bers ei­nen ganz we­sent­li­chen Teil sei­ner Vergütung vor­zu­ent­hal­ten, mag auch das Ziel, künf­ti­ge Be­triebs­treue zu be­loh­nen und den Ar­beit­neh­mer zu re­ger und en­ga­gier­ter Mit­ar­beit zu mo­ti­vie­ren, nicht mehr zu er­rei­chen sein, wenn die­ser sei­nen Ar­beits­platz ver­lo­ren hat. Es spricht auch viel dafür, dass in Fällen, in de­nen die Son­der­zah­lung min­des­tens 25 % der Ge­samt­vergütung aus­macht, der mit der Son­der­zah­lung ver­folg­te Zweck ei­ner zusätz­li­chen Vergütung bei der Abwägung der In­ter­es­sen der Ar­beits­ver­trags­par­tei­en und da­mit bei der Be­ur­tei­lung der Wirk­sam­keit ei­ner Bin­dungs­klau­sel maßge­bend ist und die Ziel­set­zung, künf­ti­ge Be­triebs­treue zu be­loh­nen und den Ar­beit­neh­mer zu re­ger und en­ga­gier­ter Mit­ar­beit zu mo­ti­vie­ren, da­hin­ter zurück­zu­tre­ten hat (vgl. zur Un­wirk­sam­keit von Wi­der­rufs­vor­be­hal­ten bei lau­fen­den Zah­lun­gen, wenn der im Ge­gen­sei­tig­keits­verhält­nis ste­hen­de wi­der­ruf­li­che Teil des Ge­samt­ver­diens­tes min­des­tens 25 % beträgt: BAG 12. Ja­nu­ar 2005 - 5 AZR 364/04 - BA­GE 113, 140; 11. Ok­to­ber 2006 - 5 AZR 721/05 - AP BGB § 308 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 6).

bb) Die Stich­tags­re­ge­lung in Nr. 3 Abs. 5 des Ar­beits­ver­trags be­nach­tei­ligt den Ar­beit­neh­mer un­an­ge­mes­sen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, weil nach die­ser Klau­sel die Bo­nus­zah­lung für das zurück­lie­gen­de Jahr bei ei­nem am 1. April des Aus­zah­lungs­jah­res gekündig­ten Ar­beits­verhält­nis entfällt. Die Re­ge­lung stellt bezüglich der Dau­er der Bin­dung des Ar­beit­neh­mers auf die Höhe der Bo­nus­zah­lung nicht ab. Sie dif­fe­ren­ziert nicht zwi­schen Zah­lun­gen, die über­haupt kei­ne Bin­dung des Ar­beit­neh­mers recht­fer­ti­gen und Zah­lun­gen, die ei­ne Bin­dung des Ar­beit­neh­mers bis zum 31. März des Fol­ge­jah­res oder darüber hin­aus recht­fer­ti­gen könn­ten. Das ist nicht in­ter­es­sen­ge­recht. Selbst wenn bei Son­der­zah­lun­gen des Ar­beit­ge­bers bezüglich der zulässi­gen Bin­dung des Ar­beit­neh­mers an der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung und da­mit der Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen Stich­tags- und Rück­zah­lungs­klau­seln (BAG 21. Fe­bru­ar 1974 - 5 AZR 302/73 - AP BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on Nr. 81 = EzA BGB § 611 Gra­ti­fi­ka­ti­on, Prämie Nr. 39; 30. No­vem­ber 1989 - 6 AZR 21/88 -) fest­zu­hal­ten wäre, und bei Stich­tags­klau­seln an­de­re als die vom Bun­des­ar­beits­ge­richt für Rück­zah­lungs­klau­seln ent­wi­ckel­ten Grundsätze her­an­zu­zie­hen wären, ist doch auch bei Stich­tags­re­ge­lun­gen die Höhe der


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Son­der­zah­lung für die zulässi­ge Dau­er der Bin­dung des Ar­beit­neh­mers von Be­deu­tung. Steht nicht fest, ob der Ar­beit­neh­mer die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Bo­nus­zah­lung nach dem Bo­nus­sys­tem der Be­klag­ten erfüllt und die Be­klag­te dem Ar­beit­neh­mer ei­nen Bo­nus zahlt oder ist die Höhe der Bo­nus­zah­lung un­ge­wiss, wird der Ar­beit­neh­mer durch ei­ne Stich­tags­re­ge­lung, die den An­spruch auf ei­ne Bo­nus­zah­lung an ein am 1. April des Aus­zah­lungs­jah­res un­gekündig­tes Ar­beits­verhält­nis knüpft und den Ar­beit­neh­mer da­mit bei ei­ner Kündi­gungs­frist von drei Mo­na­ten zum Quar­tals­en­de bis zum 30. Sep­tem­ber des Fol­ge­jah­res bin­det, in un­zulässi­ger Wei­se in sei­ner ihm durch Art. 12 Abs. 1 GG ga­ran­tier­ten Be­rufs­frei­heit be­hin­dert und da­mit iSv. § 307 BGB ent­ge­gen den Ge­bo­ten von Treu und Glau­ben un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­ligt. Nur wenn fest­steht, dass und in wel­cher Höhe dem Ar­beit­neh­mer ei­ne Son­der­zah­lung zu­steht, ist ei­ne In­halts­kon­trol­le der Stich­tags­re­ge­lung und da­mit die Be­ur­tei­lung möglich, ob die Bin­dung des Ar­beit­neh­mers an­ge­sichts der Höhe der Zah­lung bei Abwägung der be­rech­tig­ten In­ter­es­sen bei­der Par­tei­en ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des Ar­beit­neh­mers dar­stellt. Ei­ne sol­che wird - ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten - auch nicht von vorn­her­ein da­durch aus­ge­schlos­sen, dass der Ar­beit­neh­mer ein, ge­mes­sen an dem für Ar­beit­neh­mer mit ent­spre­chen­der Be­rufs­er­fah­rung übli­chen Ver­dienst, mögli­cher­wei­se über­pro­por­tio­nal ho­hes Ge­halt erhält.

cc) So­weit nach den bis zum 31. De­zem­ber 2001 gel­ten­den Recht im Rah­men des § 242 BGB bei zu weit ge­fass­ten Klau­seln je­weils ge­prüft wur­de, ob der Ar­beit­neh­mer im kon­kre­ten Fall schutzwürdig ist, bleibt hierfür bei der In­halts­kon­trol­le nach § 307 BGB kein Raum (vgl. für zu weit ge­fass­te Rück­zah­lungs­klau­seln bei Aus­bil­dungs­kos­ten: BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - AP BGB § 307 Nr. 16 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 14 und 23. Ja­nu­ar 2007 - 9 AZR 482/06 - AP BGB § 611 Aus­bil­dungs­bei­hil­fe Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 19). Im Ge­gen­satz zu der un­ter der Gel­tung der Be­reichs­aus­nah­me zum AGB-Ge­setz er­gan­ge­nen Recht­spre­chung, wo­nach Bin­dungs­klau­seln an­hand des kon­kre­ten Ein­zel­falls zu über­prüfen wa­ren, ist bei der In­halts­kon­trol­le nach § 307 BGB ein ge­ne­rel­ler, ty­pi­sie­ren­der Maßstab an­zu­le­gen (BAG 25. April 2007 - 5 AZR 627/06 - AP BGB § 308 Nr. 7 mwN). Die­se ty­pi­sie­ren­de Be­trach­tung schließt ei­ne Berück­sich­ti­gung in­di­vi­du­el­ler Be­son­der­hei­ten wie die Höhe der ei­nem Ar­beit­neh­mer kon­kret zu­ste­hen­den Bo­nus­zah­lung oder die von ihm ein­zu­hal­ten­de or­dent­li­che Kündi­gungs­frist aus (vgl. BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - aaO). Die ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten der §§ 305 ff. BGB miss­bil­li­gen be­reits das Stel­len in­halt­lich un­an­ge­mes­se­ner All­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen, nicht erst den un­an­ge­mes­se­nen Ge­brauch ei­ner Klau­sel im kon­kre­ten Ein­zel­fal­le. Der Rechts­fol­ge der Un­wirk-


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sam­keit sind auch sol­che Klau­seln un­ter­wor­fen, die in ih­rem Über­maßteil in zu be­an­stan­den­der Wei­se ein Ri­si­ko re­geln, das sich im Ent­schei­dungs­fal­le nicht rea­li­siert hat (BAG Se­nat 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - aaO).

4. Die un­wirk­sa­me Stich­tags­klau­sel fällt er­satz­los weg.

a) Ei­ne gel­tungs­er­hal­ten­de Re­duk­ti­on kommt nicht in Be­tracht. Un­wirk­sa­me Klau­seln sind grundsätz­lich nicht auf ei­nen mit dem Recht der All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen zu ver­ein­ba­ren­den Re­ge­lungs­ge­halt zurück­zuführen (BAG 23. Ja­nu­ar 2007 - 9 AZR 482/06 - AP BGB § 611 Aus­bil­dungs­bei­hil­fe Nr. 36 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 19; 19. De­zem­ber 2006 - 9 AZR 294/06 - AP BGB § 611 Sach­bezüge Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 17). § 306 BGB sieht ei­ne sol­che Rechts­fol­ge nicht vor. Ei­ne Auf­recht­er­hal­tung mit ein­ge­schränk­tem In­halt wäre auch nicht mit dem Zweck der §§ 305 ff. BGB ver­ein­bar. Es ist Ziel des Ge­set­zes, auf ei­nen an­ge­mes­se­nen In­halt der in der Pra­xis ver­wen­de­ten All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen hin­zu­wir­ken. Der Ver­trags­part­ner des Klau­sel­ver­wen­ders soll den Um­fang sei­ner Rech­te und Pflich­ten zu­verlässig er­fah­ren. Die­ser Um­fang soll nicht erst in ei­nem Pro­zess geklärt wer­den müssen. Wer die Möglich­keit nut­zen kann, die ihm der Grund­satz der Ver­trags­frei­heit für die Auf­stel­lung von All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen eröff­net, muss auch das vollständi­ge Ri­si­ko ei­ner Klau­sel­un­wirk­sam­keit tra­gen (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - AP BGB § 307 Nr. 16 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 14 mwN). An­de­ren­falls lie­fen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot und das Trans­pa­renz­ge­bot des § 307 Abs. 1 BGB weit­ge­hend ins Lee­re (BAG 23. Ja­nu­ar 2007 - 9 AZR 482/06 - aaO, mwN).

b) Die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung zur Sch­ließung der durch den Weg­fall der un­wirk­sa­men Bin­dungs­klau­sel ent­stan­de­nen Lücke sind nicht ge­ge­ben. Al­ler­dings ha­ben die Par­tei­en den Ar­beits­ver­trag am 13. Ju­li 2001 und da­mit vor dem In­kraft­tre­ten des Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­set­zes ge­schlos­sen. In der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ist an­er­kannt, dass bei sol­chen Altfällen Ver­trags­klau­seln, die nach den §§ 305 ff. BGB un­wirk­sam sind, nicht stets er­satz­los weg­fal­len. Ei­ne durch den Weg­fall der un­wirk­sa­men Klau­sel ent­stan­de­ne Lücke ist im We­ge der ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung zu schließen, wenn dis­po­si­ti­ves Ge­set­zes­recht für den be­tref­fen­den Re­ge­lungs­sach­ver­halt nicht zur Verfügung steht und ein er­satz­lo­ser Weg­fall der un­wirk­sa­men Klau­sel un­verhält­nismäßig in die Pri­vat­au­to­no­mie ein­grei­fen und kei­ne an­ge­mes­se­ne, den ty­pi­schen In­ter­es­sen der Ver­trags­part­ner Rech­nung tra­gen­de Lösung bie­ten würde (vgl. BAG 11. Ok­to­ber 2006 - 5 AZR 721/05 -
 

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AP BGB § 308 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 6; 12. Ja­nu­ar 2005 - 5 AZR 364/04 - BA­GE 113, 140; 23. Ja­nu­ar 2007 - 9 AZR 482/06 - AP BGB § 611 Aus­bil­dungs­bei­hil­fe Nr. 38 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 19; 19. De­zem­ber 2006 - 9 AZR 294/06 - AP BGB § 611 Sach­bezüge Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 17). Ob die­se Vor­aus­set­zun­gen ei­ner ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung hier vor­lie­gen und ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung bei Altfällen darüber hin­aus vor­aus­setzt, dass der Klau­sel­ver­wen­der den Ver­such un­ter­nom­men hat, die nicht mehr den §§ 305 ff. BGB genügen­den Klau­seln der neu­en Ge­set­zes­la­ge an­zu­pas­sen (BAG 19. De­zem­ber 2006 - 9 AZR 294/06 - aaO), kann hier of­fen blei­ben. Ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung im Rah­men des durch den Ar­beits­ver­trag ge­zo­ge­nen Rah­mens ist nicht möglich.

aa) Bei der ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung ist an­ders als bei der gel­tungs­er­hal­ten­den Re­duk­ti­on nicht nach dem „ge­ra­de noch Zulässi­gen“ zu su­chen (BAG 19. De­zem­ber 2006 - 9 AZR 294/06 - AP BGB § 611 Sach­bezüge Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 17). Es ist zu fra­gen, was die Par­tei­en ver­ein­bart hätten, wenn ih­nen die ge­setz­lich an­ge­ord­ne­te Un­wirk­sam­keit der Bin­dungs­klau­sel be­kannt ge­we­sen wäre, wo­bei nicht die sub­jek­ti­ve Vor­stel­lung ei­ner Ver­trags­par­tei maßgeb­lich ist, son­dern was die Par­tei­en bei an­ge­mes­se­ner Abwägung ih­rer In­ter­es­sen nach Treu und Glau­ben als red­li­che Ver­trags­part­ner ver­ein­bart hätten (BAG 11. Ok­to­ber 2006 - 5 AZR 721/05 - AP BGB § 308 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 6; 12. Ja­nu­ar 2005 - 5 AZR 364/04 - BA­GE 113, 140). Bei der ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung muss die Ant­wort auf die­se Fra­ge in­ner­halb des durch den Ver­trag selbst ge­zo­ge­nen Rah­mens ge­sucht wer­den. Das Er­geb­nis ei­ner ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung darf nicht in Wi­der­spruch zu dem im Ver­trag aus­ge­drück­ten Par­tei­wil­len ste­hen (BAG 13. No­vem­ber 2002 - 4 AZR 393/01 - BA­GE 103, 364 mwN).

bb) Dar­an ge­mes­sen feh­len in An­be­tracht der Viel­zahl mögli­cher Stich­tags­re­ge­lun­gen aus­rei­chen­de An­halts­punk­te dafür, was die Par­tei­en als red­li­che Ver­trags­part­ner bei Kennt­nis der Un­wirk­sam­keit der zu weit ge­fass­ten Stich­tags­klau­sel ver­ein­bart hätten. Oh­ne ei­ne Berück­sich­ti­gung des hy­po­the­ti­schen Wil­lens der Par­tei­en ist das Ausfüllen ei­ner ent­stan­de­nen Lücke im We­ge der ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung nicht zulässig. Es ist grundsätz­lich nicht Auf­ga­be des Rich­ters, bei Weg­fall un­wirk­sa­mer All­ge­mei­ner Ar­beits­ver­trags­be­din­gun­gen ge­stal­tend in Ar­beits­verträge ein­zu­grei­fen, wenn aus­rei­chen­de An­halts­punk­te dafür feh­len, was die Par­tei­en bei an­ge­mes­se­ner Abwägung ih­rer be­rech­tig­ten In­ter­es­sen nach Treu und Glau­ben als red­li­che Ver­trags­part­ner ver­ein­bart hätten.


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5. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat auf Grund sei­ner un­zu­tref­fen­den An­nah­me, der Kläger ha­be auf Grund der von ihm vor dem Stich­tag aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung kei­nen An­spruch auf ei­ne Bo­nus­zah­lung für das Jahr 2004, kei­ne Fest­stel­lun­gen zum Be­reichs- bzw. Ge­sell­schafts­er­geb­nis und zur in­di­vi­du­el­len Leis­tung des Klägers ge­trof­fen und nicht ge­prüft, ob und in­wie­weit dem Kläger nach dem Bo­nus­sys­tem der Be­klag­ten für die Mo­na­te Ja­nu­ar bis Sep­tem­ber 2004 ein an­tei­li­ger Bo­nus zu­steht. Die­se Prüfung hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt nach­zu­ho­len.

Dr. Frei­tag Mar­quardt Brühler

N. Schus­ter Sta­edt­ler

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