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BAG, Ur­teil vom 24.04.2007, 1 AZR 252/06

   
Schlagworte: Streik, Tarifsozialplan, Streik: Tarifsozialplan
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 1 AZR 252/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 24.04.2007
   
Leitsätze:
  1. Ein Arbeitgeberverband kann firmenbezogene Verbandstarifverträge schließen, mit denen die Nachteile aus konkreten Betriebsänderungen ausgeglichen oder gemildert werden sollen. Für den Abschluss solcher Tarifverträge kann eine Gewerkschaft zum Streik aufrufen.
  2. Eine gerichtliche Kontrolle des Umfangs von Streikforderungen, die auf tariflich regelbare Ziele gerichtet sind, ist mit Art. 9 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren.
Vorinstanzen: ArbG Frankfurt Hessisches Landesarbeitsgericht
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


1 AZR 252/06
9 Sa 915/05 Hes­si­sches
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Im Na­men des Vol­kes!


Verkündet am

24. April 2007

UR­TEIL


Klapp, Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,


pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Ers­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 24. April 2007 durch die Präsi­den­tin des Bun­des­ar­beits­ge­richts Schmidt, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Kreft und Lin­sen­mai­er so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Metz und Pla­tow für Recht er­kannt:


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1. Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 2. Fe­bru­ar 2006 - 9 Sa 915/05 - wird zurück­ge­wie­sen.

2. Der Kläger hat die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten, be­stimm­te Streik­auf­ru­fe zu un­ter­las­sen. Sie strei­ten zu­dem über Scha­dens­er­satz­ansprüche we­gen durch­geführ­ter Streiks.


Der Kläger ist der Ar­beit­ge­ber­ver­band der Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie für das Ge­biet Ham­burg und Um­ge­bung, Schles­wig-Hol­stein und Meck­len­burg-Vor­pom­mern. Ihm gehören der­zeit et­wa 280 Mit­glieds­un­ter­neh­men an. Die be­klag­te Ge­werk­schaft ist nach ih­rer Sat­zung bun­des­weit für die Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie ta­rif­zuständig. Sie ist ständi­ge Ta­rif­part­ne­rin des Klägers.

Ein Mit­glied des Klägers ist die Hei­del­ber­ger Druck­ma­schi­nen AG (HDM-AG) mit Sitz in Hei­del­berg und welt­weit rd. 19.000 Mit­ar­bei­tern. Sie führt in Deutsch­land ne­ben wei­te­ren Stand­or­ten ei­nen Be­trieb in Kiel. Dort wur­den ua. di­gi­ta­le Druck­ma­schi­nen und Geräte für die Druck­vor­stu­fe ent­wi­ckelt, pro­du­ziert und mon­tiert. Im Be­trieb wa­ren ge­gen En­de des Jah­res 2002 et­wa 1.050 Ar­beit­neh­mer beschäftigt. Im Ok­to­ber 2002 be­schloss der Vor­stand, zur Kos­ten­er­spar­nis künf­tig die bis­lang in Kiel vor­ge­nom­me­ne Mon­ta­ge ei­nes be­stimm­ten Typs di­gi­ta­ler Druck­ma­schi­nen am Stand­ort Ro­ches­ter in den USA und die End­mon­ta­ge von sog. Pre­press-Geräten am deut­schen Haupt­stand­ort in Wies­loch vor­neh­men zu las­sen. Mit die­ser Pla­nung war im Kie­ler Be­trieb der Weg­fall von 562 Ar­beitsplätzen ver­bun­den. In der Fol­ge­zeit ver­such­te die Un­ter­neh­mens­lei­tung, Un­ter­rich­tungs- und Be­ra­tungs­gespräche mit dem ört­li­chen Be­triebs­rat auf­zu­neh­men und über ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich zu ver­han­deln. Am 16. De­zem­ber 2002 lei­te­te sie ein Ver­fah­ren zur Be­stel­lung des Vor­sit­zen­den ei­ner be­trieb­li­chen Ei­ni­gungs­stel­le ein.


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Am 20. De­zem­ber 2002 er­hielt der Kläger zwei Schrei­ben der Be­klag­ten vom 18. De­zem­ber 2002. In dem ei­nen sprach die­se die Kündi­gung der Re­ge­lun­gen zur Be­en­di­gung von Ar­beits­verhält­nis­sen in § 14 Nr. 1, 2 und 5 des zwi­schen den Par­tei­en ge­schlos­se­nen Man­tel­ta­rif­ver­trags für die ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mer und An­ge­stell­ten der Me­tall­in­dus­trie vom 18. Mai 1990 idF vom 20. April 2000 (MTV) zum 31. Ja­nu­ar 2003 aus; zu­gleich for­der­te sie ei­ne Neu­fas­sung auf der Ba­sis des § 622 BGB und ei­ne Öff­nungs­klau­sel für be­trieb­li­che Ergänzungs­ta­rif­verträge zur Verlänge­rung der Fris­ten. In dem an­de­ren Schrei­ben schlug die Be­klag­te dem Kläger vor, mit ihr in Ver­hand­lun­gen über ei­nen nur auf den Kie­ler Be­trieb der HDM-AG be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trag zu tre­ten. Sie for­der­te für die Beschäftig­ten die­ses Be­triebs den Ab­schluss fol­gen­der ta­rif­li­cher Re­ge­lun­gen für den Fall, „dass es trotz der Bemühun­gen des Be­triebs­ra­tes zur Pro­duk­ti­ons­ver­la­ge­rung und be­triebs­be­ding­ten Kündi­gun­gen kommt“:


„1. Für ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung durch den Ar­beit­ge­ber gilt ei­ne Grundkündi­gungs­frist von drei Mo­na­ten zum Quar­tals­en­de. Die Grundkündi­gungs­frist verlängert sich um je­weils zwei Mo­na­te für je­des vol­le Jahr des Be­ste­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses.


2. Beschäftig­te, die be­triebs­be­dingt gekündigt wer­den, ha­ben nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist An­spruch auf
- Qua­li­fi­zie­rungs­maßnah­men für al­le Beschäftig­ten bis zu 24 Mo­na­te un­ter Fort­zah­lung der Vergütung. Aus­zu­bil­den­de er­hal­ten nach Ab­schluss ih­rer Be­rufs­aus­bil­dung ei­ne An­pas­sungs­qua­li­fi­ka­ti­on
- so­wie auf ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von zwei Mo­nats­gehältern pro Beschäfti­gungs­jahr zuzüglich Erhöhungs­be­trag für Un­ter­halts­ver­pflich­tung und Schwer­be­hin­de­rung/Gleich­stel­lung. Die Vor­schrif­ten der §§ 111 ff. Be­trVG blei­ben un­berührt.


3. Über Art und In­halt der Qua­li­fi­zie­rung ent­schei­det ei­ne pa­ritäti­sche Kom­mis­si­on auf der Grund­la­ge der Aus- und Wei­ter­bil­dungswünsche der Beschäftig­ten. Bei Nicht­ei­ni­gung ent­schei­det die Ei­ni­gungs­stel­le.
Die Qua­li­fi­zie­rungs­maßnah­men wer­den in den vor­han­de­nen Be­triebsstätten durch­geführt.
Die Fir­ma Hei­del­ber­ger Druck­ma­schi­nen AG trägt die Kos­ten der Qua­li­fi­zie­rungs­maßnah­men.“


Mit Schrei­ben vom 23. Ja­nu­ar 2003 lehn­te der Kläger die Auf­nah­me von Ver­hand­lun­gen über ei­nen Fir­men­ver­bands­ta­rif­ver­trag im Hin­blick auf ein mögli­ches Tätig­wer­den der be­trieb­li­chen Ei­ni­gungs­stel­le ab. Am 24. Fe­bru­ar 2003 wur­de in ei­ner

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von den Kie­ler Ver­trau­ens­leu­ten der Be­klag­ten her­aus­ge­ge­be­nen Zei­tung be­kannt ge­macht, dass der Vor­stand der Be­klag­ten am 13. Fe­bru­ar „grünes Licht für Ur­ab­stim­mun­gen und Streiks im Kie­ler Be­trieb der HDM-AG“ zur Durch­set­zung der For­de­run­gen vom 18. De­zem­ber 2002 ge­ge­ben ha­be. Am 3. März 2003 fand im Be­trieb ein Warn­streik statt. Nach­dem die Be­klag­te den Kläger ver­geb­lich auf­ge­for­dert hat­te, bis zum 5. März 2003 Ver­hand­lun­gen mit ihr auf­zu­neh­men, führ­te sie am 6. und 7. März die Ur­ab­stim­mung durch und rief am 10. März zum Streik für den 11. und 12. März 2003 auf. Auf An­trag des Klägers un­ter­sag­te das Ar­beits­ge­richt des­sen Durchführung mit Be­schluss vom 10. März 2003 im We­ge der einst­wei­li­gen Verfügung. Mit Ur­teil vom 14. März 2003 hob es sei­nen Be­schluss auf und wies den An­trag des Klägers ab. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wies die vom Kläger ein­ge­leg­te Be­ru­fung mit Ur­teil vom 27. März 2003 zurück.


Im Be­trieb kam es vom 17. bis 19. März, am 24. März, vom 26. bis 28. März und vom 31. März bis 23. April 2003 zu Streiks, während de­rer die Pro­duk­ti­on still­lag. Par­al­lel da­zu fan­den Ver­hand­lun­gen der be­trieb­li­chen Ei­ni­gungs­stel­le über ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich statt, die schließlich für ge­schei­tert erklärt wur­den. Die Ei­ni­gungs­stel­le be­riet zu­dem über ei­nen So­zi­al­plan, der am 21. Ju­ni 2003 zu­stan­de kam. Nach Ur­ab­stim­mung vom 27. Ju­ni 2003 wur­de der Streik endgültig be­en­det.

Ein wei­te­res Mit­glied des Klägers ist die Y GmbH. Das Un­ter­neh­men plan­te die Sch­ließung sei­nes Lo­gis­tik­zen­trums in Elms­horn mit rd. 80 Beschäftig­ten und teil­te dies dem ört­li­chen Be­triebs­rat am 3. De­zem­ber 2002 mit. Die Be­triebs­par­tei­en setz­ten kurz dar­auf ei­ne be­trieb­li­che Ei­ni­gungs­stel­le zur Her­beiführung ei­nes In­ter­es­sen­aus­gleichs und So­zi­al­plans ein. Am 8. Ja­nu­ar 2003 er­hielt der Kläger ein Schrei­ben der Be­klag­ten, mit dem die­se die Auf­nah­me von Ver­hand­lun­gen über ei­nen „fir­men­be­zo­ge­nen Ver­band­sergänzungs­ta­rif­ver­trag gem. § 3 Abs. 1 TVG und für den Gel­tungs­be­reich der Y GmbH“ ver­lang­te, für des­sen In­halt sie be­stimm­te For­de­run­gen stell­te.


Der Kläger lehn­te die Auf­nah­me von Ta­rif­ver­hand­lun­gen auch in die­sem Fall ab. Mit Aus­hang vom 5. März 2003 for­der­te die Be­klag­te die Beschäftig­ten des Elms­hor­ner Be­triebs zu ei­nem Warn­streik auf. In dem Auf­ruf hieß es:


„Wir wol­len par­al­lel zu den statt­fin­den­den Ver­hand­lun­gen der Ei­ni­gungs­stel­le für un­se­re For­de­run­gen für ei­nen IG Me­tall Ergänzungs­ta­rif­ver­trag ein­tre­ten und for­dern Nord­me­tall und Geschäftsführung auf, zur Ver­nunft zurück­zu­keh­ren und Ta­rif­ver­hand­lun­gen mit der IG Me­tall auf­zu­neh­men. Un­se­re For­de­run­gen für ei­nen IG Me­tall Ergänzungs­ta­rif­ver­trag lau­ten:


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1. Rechts­an­spruch auf ein­heit­li­che ta­rif­ver­trag­li­che Kündi­gungs­fris­ten mit ei­ner Min­destkündi­gungs­frist von zwei Mo­na­ten, ab fünf Jah­ren Be­triebs­zu­gehörig­keit von zwölf Mo­na­ten und ab zehn Jah­ren Be­triebs­zu­gehörig­keit von 24 Mo­na­ten


2. Rechts­an­spruch auf ta­rif­ver­trag­li­che So­zi­al­plan­ab­fin­dung als ta­rif­ver­trag­li­che Entschädi­gung für den Ver­lust des Ar­beits­plat­zes bei Y GmbH von zwei Brut­to­mo­nats­gehältern ... pro Beschäfti­gungs­jahr.“

An dem am glei­chen Tag durch­geführ­ten drei­vier­telstündi­gen Warn­streik be­tei­lig­ten sich et­wa 30 Ar­beit­neh­mer.

Der Kläger hat be­haup­tet, ein ähn­li­ches Ge­sche­hen ha­be sich in der Fol­ge­zeit in wei­te­ren Fällen ab­ge­spielt. Da­hin­ter ver­ber­ge sich ei­ne neue Stra­te­gie der Be­klag­ten. Die­se ver­su­che mit­tels völlig über­zo­ge­ner Ta­rif­for­de­run­gen - de­ren Erfüllung für die HDM-AG ei­ner Be­las­tung mit et­wa 200 Mio. Eu­ro gleich­ge­kom­men sei -, ge­plan­te Be­triebsände­run­gen als sol­che zu ver­hin­dern. Dies wer­de ne­ben an­de­ren In­di­zi­en aus Vorträgen, Veröffent­li­chun­gen und Schrift­ver­kehr des re­gio­nal zuständi­gen Rechts­se­kretärs der Be­klag­ten deut­lich.

Mit sei­ner Kla­ge hat der Kläger die Be­klag­te auf Un­ter­las­sung und Scha­dens­er­satz in An­spruch ge­nom­men. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, das Vor­ge­hen der Be­klag­ten sei rechts­wid­rig. Er ha­be An­spruch dar­auf, dass die Be­klag­te kei­ne Streiks durchführe, die auf den Ab­schluss ei­nes fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trags ge­rich­tet sei­en, wenn der Re­ge­lungs­ge­gen­stand ei­nes sol­chen Ta­rif­ver­trags zur glei­chen Zeit Ge­gen­stand von Ver­hand­lun­gen über ei­nen Flächen­ta­rif­ver­trag sei, der für sämt­li­che sei­ner Mit­glie­der gel­ten sol­le. Mit ih­ren bei der HDM-AG und der Y GmbH durch­geführ­ten Streiks ha­be die Be­klag­te sein aus Art. 9 Abs. 3 GG fol­gen­des Ko­ali­ti­ons­betäti­gungs­recht ver­letzt. Durch Streiks für Fir­men­ta­rif­verträge mit ein­zel­nen sei­ner Mit­glie­der ver­su­che die Be­klag­te, die­se aus dem Ver­band her­aus­zu­bre­chen und das von ihr er­streb­te Ziel der Ver­ein­ba­rung von Öff­nungs­klau­seln für Ta­rif­re­ge­lun­gen über verlänger­te Kündi­gungs­fris­ten bei be­triebs­be­ding­ten Kündi­gun­gen ge­genüber ein­zel­nen sei­ner Mit­glie­der be­reits vor­weg­zu­neh­men. Da­mit wer­de die­ses Ziel leich­ter durch­setz­bar, weil er mit ei­ner So­li­da­rität sei­ner durch ei­nen fir­men­be­zo­ge­nen Ta­rif­ver­trag schon ge­bun­de­nen Mit­glie­der nicht mehr rech­nen könne. Um­ge­kehrt sei die Kampf­be­reit­schaft der von ei­ner ge­plan­ten Be­triebsände­rung be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer in den ent­spre­chen­den Be­trie­ben we­sent­lich höher. Auf die­se Wei­se wer­de sein Recht auf freie


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Wil­lens­bil­dung sei­ner Or­ga­ne er­heb­lich be­ein­träch­tigt, die er­streb­te Re­ge­lung für die Ge­samt­heit sei­ner Mit­glie­der um ih­re Wir­kung ge­bracht und die Frie­dens­pflicht ver­letzt.

Der Kläger hat wei­ter ge­meint, die Be­klag­te ha­be Streiks zu un­ter­las­sen, die auf den Ab­schluss ei­nes fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trags ge­rich­tet sei­en, in dem der Aus­gleich von wirt­schaft­li­chen und sons­ti­gen Nach­tei­len ge­re­gelt wer­den sol­le, die den Beschäftig­ten des be­tref­fen­den Un­ter­neh­mens durch ei­ne ge­plan­te Be­triebsände­rung entstünden. Sol­che Streiks sei­en auf ein ta­rif­lich nicht re­gel­ba­res Ziel ge­rich­tet. Ei­ner ent­spre­chen­den Re­ge­lungs­be­fug­nis der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en stünden §§ 111 ff. Be­trVG ent­ge­gen. Der Ge­setz­ge­ber ha­be die Kom­pe­tenz zur Schaf­fung kol­lek­ti­ver Re­ge­lun­gen für ei­nen sol­chen Nach­teils­aus­gleich schon um der Er­fas­sung al­ler Be­leg­schafts­mit­glie­der - und nicht nur der ta­rif­ge­bun­de­nen - wil­len aus­sch­ließlich den Be­triebs­par­tei­en zu­ge­wie­sen. Das ge­setz­lich vor­ge­se­he­ne Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­ren und die Möglich­keit ei­nes Ar­beits­kampfs um gleich­ge­rich­te­te Ta­rif­for­de­run­gen schlössen sich ge­gen­sei­tig aus. An­dern­falls wer­de der Un­ter­neh­mer von zwei Sei­ten „in die Zan­ge ge­nom­men“ und in sei­ner un­ter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dungs­frei­heit un­zulässig ein­ge­schränkt. Streiks um den Ab­schluss von Ta­rif­so­zi­alplänen ver­stießen zu­dem ge­gen den ar­beits­kampf­recht­li­chen Verhält­nismäßig­keits­grund­satz. We­gen des Mit­be­stim­mungs­rechts des Be­triebs­rats nach §§ 111 ff. Be­trVG sei­en sie nicht er­for­der­lich. Sie ver­letz­ten man­gels fak­ti­scher Möglich­keit des Ar­beit­ge­bers zur Ge­gen­wehr über-dies den Grund­satz der Kampf­pa­rität.


Hilfs­wei­se hat der Kläger vor­ge­bracht, die Be­klag­te müsse we­gen des Vor­rangs der §§ 111 ff. Be­trVG mit ei­nem Streik­auf­ruf je­den­falls so lan­ge zu­war­ten, bis das be­trieb­li­che Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­ren über den Ab­schluss ei­nes In­ter­es­sen­aus­gleichs und ei­nes So­zi­al­plans ab­ge­schlos­sen sei. Zu­min­dest ha­be er An­spruch dar­auf, dass die Be­klag­te Streiks un­ter­las­se, die auf den Ab­schluss ei­nes fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trags ge­rich­tet sei­en, mit dem die Fris­ten für be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen auf Grund ei­ner Be­triebsände­rung auf Zei­ten von mehr als ei­nem Jahr verlängert wer­den sol­len. Ei­ne sol­che Ta­rif­for­de­rung ver­s­toße ge­gen das Grund­recht des Ar­beit­ge­bers aus Art. 12 Abs. 1 GG, weil sie des­sen verbürg­tes Recht auf pri­vat­au­to­no­me Be­en­di­gung von Ar­beits­verhält­nis­sen in wirt­schaft­lich un­zu­mut­ba­rer Wei­se be­gren­ze. Selbst wenn ei­ne Be­gren­zung ta­rif­li­cher Kündi­gungs­fris­ten auf höchs­tens ein Jahr ver­fas­sungs­recht­lich nicht ge­bo­ten sein soll­te, sei­en ta­rif­li­che For­de­run­gen nach der Verlänge­rung von Fris­ten für be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen aus An­lass ei­ner Be­triebsände­rung je­den­falls dann rechts­wid­rig, wenn sie nicht mit der An­ga­be der Länge ei­ner äußers­ten Frist ver­bun­den sei­en. Für die HDM-AG et­wa ha­be die Be­klag­te ei­ne


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Grundkündi­gungs­frist von drei Mo­na­ten zum Quar­tals­en­de und von wei­te­ren zwei Mo­na­ten für je­des vol­le Jahr des Be­ste­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses ver­langt. Bei ei­ner im Kie­ler Be­trieb der HDM-AG nicht sel­te­nen Beschäfti­gungs­dau­er von zwan­zig Jah­ren führe das zu Kündi­gungs­fris­ten von 43 Mo­na­ten; sol­che Fris­ten sei­en ver­fas­sungs­wid­rig.


Hilfs­wei­se hat der Kläger wei­ter vor­ge­bracht, ein Streik zur Her­beiführung ei­ner fir­men­be­zo­ge­nen Ta­rif­re­ge­lung, der­zu­fol­ge Ar­beit­neh­mer nach be­triebs­be­ding­ter Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­nen An­spruch auf Durchführung von Qua­li­fi­zie­rungs­maßnah­men un­ter Fort­zah­lung ih­rer Vergütung er­hiel­ten, sei auf ein ta­rif­lich nicht re­gel­ba­res Ziel ge­rich­tet. Ei­ne sol­che Re­ge­lung be­tref­fe we­der den In­halt noch den Ab­schluss oder die Be­en­di­gung von Ar­beits­verhält­nis­sen iSv. § 1 Abs. 1 TVG. Sie ha­be das Zu­stan­de­kom­men von Ver­trags­verhält­nis­sen ei­ge­ner Art zum In­halt.

Der Kläger hat ge­gen die Be­klag­te außer­dem Scha­dens­er­satz­ansprüche - aus ab­ge­tre­te­nem und aus ei­ge­nem Recht - er­ho­ben. Der Kläger hat be­haup­tet, der HDM-AG sei durch die Streiks in ih­rem Kie­ler Be­trieb ein Scha­den in Höhe von 63.025,20 Eu­ro ent­stan­den. Sie ha­be we­gen des streik­be­ding­ten Pro­duk­ti­ons­aus­falls im Um­fang von über 80.000 Ar­beits­stun­den vier Druck­ma­schi­nen für den ja­pa­ni­schen Markt nicht so recht­zei­tig fer­tig stel­len können, dass die­se auf dem kostengüns­ti­ge­ren Schiffs­weg noch pünkt­lich zum ver­ein­bar­ten Ter­min hätten aus­ge­lie­fert wer­den können. Der not­wen­dig ge­wor­de­ne Luft­weg ha­be zu Mehr­kos­ten von 15.756,30 Eu­ro pro Ma­schi­nen­fracht geführt. Die HDM-AG ha­be ih­ren An­spruch auf Scha­dens­er­satz ge­gen die Be­klag­te am 8. April 2004 an ihn - den Kläger - ab­ge­tre­ten. Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Rechts­wid­rig­keit des ge­gen die HDM-AG geführ­ten Streiks fol­ge nicht nur aus den Streik­for­de­run­gen, son­dern auch aus ei­ner Ver­let­zung der Frie­dens­pflicht. Die von der Be­klag­ten ge­for­der­te Verlänge­rung der Kündi­gungs­frist kol­li­die­re mit den ab­sch­ließen­den Re­ge­lun­gen in § 14 MTV. Die Vor­schrift gel­te trotz der Kündi­gung sei­tens der Be­klag­ten vom 18. De­zem­ber 2002 über den 31. Ja­nu­ar 2003 hin­aus wei­ter. Die Kündi­gung sei rechts­miss­bräuch­lich. Sie sei nicht um in­halt­lich an­de­rer Re­ge­lun­gen wil­len, son­dern al­lein zur Be­sei­ti­gung der Frie­dens­pflicht er­folgt. Zu­dem ha­be die Be­klag­te mit dem Streik bei der HDM-AG ein be­ste­hen­des Ar­beits-kampf­ver­bot um­gan­gen. Sie ha­be den Streik in Wirk­lich­keit mit dem Ziel ei­ner Ver­hin­de­rung der Be­triebsände­rung und da­mit für ein der un­ter­neh­me­ri­schen Frei­heit wi­der-spre­chen­des, rechts­wid­ri­ges und nicht er­streik­ba­res Ziel geführt.


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Aus ei­ge­nem Recht macht der Kläger ge­gen die Be­klag­te die Ein­buße an Mit­glieds­beiträgen gel­tend, die er we­gen des Streiks bei der HDM-AG er­lit­ten ha­be. Nach § 5 sei­ner Sat­zung be­mes­se sich der Bei­trag ei­nes Mit­glieds nach der be­rufs­ge­nos­sen­schaft­li­chen Jah­res­lohn- und Ge­halts­sum­me des je­weils vor­an­ge­gan­ge­nen Ka­len­der­jah­res. We­gen des streik­be­ding­ten Aus­falls von über 80.000 Ar­beits­stun­den, für die die HDM-AG kei­ne Vergütung ge­zahlt ha­be, ha­be sich die­se Be­zugs­größe zu sei­nen Las­ten ver­rin­gert. In wel­chem Um­fang sich dies aus­wir­ke, könne er noch nicht be­zif­fern.

Der Kläger hat zweit­in­stanz­lich be­an­tragt,


I. die Be­klag­te un­ter An­dro­hung ei­nes Ord­nungs­gelds bis zu 250.000,00 Eu­ro für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung, er­satz­wei­se Ord­nungs­haft ge­gen ih­re ge­setz­li­chen Ver­tre­ter zu ver­ur­tei­len,


1. es zu un­ter­las­sen, ih­re Mit­glie­der oder an­de­re Ar­beit­neh­mer, die in ei­nem sei­ner Mit­glieds­un­ter­neh­men beschäftigt sind, zu ei­nem Streik auf­zu­ru­fen, des­sen Ziel der Ab­schluss ei­nes Ver­bands­ta­rif­ver­trags ist, des­sen Gel­tungs­be­reich auf die­ses Mit­glieds­un­ter­neh­men be­schränkt sein soll, wenn ein Re­ge­lungs­ge­gen­stand die­ses er­streb­ten Ta­rif­ver­trags zur glei­chen Zeit Ge­gen­stand von Ver­hand­lun­gen zwi­schen den Par­tei­en über ei­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trag ist, des­sen Gel­tungs­be­reich al­le sei­ne Mit­glieds­un­ter­neh­men er­fas­sen soll;

2. es zu un­ter­las­sen, ih­re Mit­glie­der oder an­de­re Ar­beit­neh­mer, die in ei­nem sei­ner Mit­glieds­un­ter­neh­men beschäftigt sind, aus An­lass ei­ner kon­kre­ten Be­triebsände­rung in die­sem Mit­glieds­un­ter­neh­men zu ei­nem Streik auf­zu­ru­fen, der das Ziel hat, ei­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trag ab­zu­sch­ließen, des­sen Gel­tungs­be­reich auf die­ses Mit­glieds­un­ter­neh­men be­schränkt sein soll und mit dem wirt­schaft­li­che oder sons­ti­ge Nach­tei­le, die den Ar­beit­neh­mern die­ses Mit­glieds­un­ter­neh­mens in­fol­ge die­ser ge­plan­ten Be­triebsände­rung ent­ste­hen oder ent­ste­hen können, aus­ge­gli­chen oder ge­mil­dert wer­den sol­len;

hilfs­wei­se zu 2.,


a) es zu un­ter­las­sen, ih­re Mit­glie­der oder an­de­re Ar­beit­neh­mer, die in ei­nem sei­ner Mit­glieds­un­ter­neh­men beschäftigt sind, aus An­lass ei­ner kon­kre­ten Be­triebsände­rung in die­sem Mit­glieds­un­ter­neh­men zu ei­nem Streik auf­zu­ru­fen, der das Ziel hat, ei­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trag ab­zu­sch­ließen, des­sen Gel­tungs­be­reich auf die­ses Mit­glieds­un­ter­neh­men be­schränkt sein soll und mit dem wirt­schaft­li­che oder

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sons­ti­ge Nach­tei­le, die den Ar­beit­neh­mern die­ses Mit­glieds­un­ter­neh­mens in­fol­ge die­ser ge­plan­ten Be­triebsände­rung ent­ste­hen oder ent­ste­hen können, aus­ge­gli­chen oder ge­mil­dert wer­den sol­len, so­lan­ge in die­sen Mit­glieds­un­ter­neh­men das In­ter­es­sen­aus­gleichs- und So­zi­al­plan­ver­fah­ren gem. §§ 111 ff. Be­trVG mit dem in die­sem Un­ter­neh­men be­ste­hen­den Be­triebs­rat noch nicht ab­ge­schlos­sen ist;


hilfs­wei­se da­zu,

es zu un­ter­las­sen, ih­re Mit­glie­der oder an­de­re Ar­beit­neh­mer, die in ei­nem sei­ner Mit­glieds­un­ter­neh­men beschäftigt sind, aus An­lass ei­ner kon­kre­ten Be­triebsände­rung in die­sem Mit­glieds­un­ter­neh­men zu ei­nem Streik auf­zu­ru­fen, der das Ziel hat, ei­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trag ab­zu­sch­ließen, des­sen Gel­tungs­be­reich auf die­ses Mit­glieds­un­ter­neh­men be­schränkt sein soll und mit dem wirt­schaft­li­che oder sons­ti­ge Nach­tei­le, die den Ar­beit­neh­mern die­ses Mit­glieds­un­ter­neh­mens in­fol­ge die­ser ge­plan­ten Be­triebsände­rung ent­ste­hen oder ent­ste­hen können, aus­ge­gli­chen oder ge­mil­dert wer­den sol­len, so­lan­ge in die­sen Mit­glieds­un­ter­neh­men das In­ter-es­sen­aus­gleichs­ver­fah­ren gem. §§ 111 ff. Be­trVG mit dem in die­sem Un­ter­neh­men be­ste­hen­den Be­triebs­rat noch nicht ab­ge­schlos­sen ist;


b) es zu un­ter­las­sen, ih­re Mit­glie­der oder an­de­re Ar­beit­neh­mer, die in ei­nem sei­ner Mit­glieds­un­ter­neh­men beschäftigt sind, zu ei­nem Streik auf­zu­ru­fen, des­sen Ziel der Ab­schluss ei­nes mit ihm ab­zu­sch­ließen­den Ta­rif­ver­trags ist, mit dem die Kündi­gungs­fris­ten für ar­beit­ge­ber­sei­ti­ge, be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen auf Grund ei­ner Be­triebsände­rung iSv. § 111 Be­trVG verlängert wer­den sol­len und die Kündi­gungs­frist für die die­sem Ta­rif­ver­trag un­ter­fal­len­den Ar­beits­verhält­nis­se durch die ge­for­der­te Verlänge­rung mehr als ein Jahr be­tra­gen kann;


hilfs­wei­se da­zu,

es zu un­ter­las­sen, ih­re Mit­glie­der oder an­de­re Ar­beit­neh­mer, die in ei­nem sei­ner Mit­glieds­un­ter­neh­men beschäftigt sind, zu ei­nem Streik auf­zu­ru­fen, des­sen Ziel der Ab­schluss ei­nes mit ihm ab­zu­sch­ließen­den Ta­rif­ver­trags ist, in dem oh­ne Be­gren­zung auf ei­ne Höchst­dau­er die Kündi­gungs­fris­ten für ar­beit­ge­ber­sei­ti­ge, be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen we­gen ei­ner Be­triebsände­rung iSv. § 111 Be­trVG verlängert wer­den sol­len;


c) es zu un­ter­las­sen, ih­re Mit­glie­der oder an­de­re Ar­beit­neh­mer, die in ei­nem sei­ner Mit­glieds­un­ter­neh­men beschäftigt sind, zu ei­nem Streik auf­zu­ru­fen,


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des­sen Ziel der Ab­schluss ei­nes mit ihm ab­zu­sch­ließen­den Ta­rif­ver­trags ist, mit dem die in den Gel­tungs­be­reich die­ses Ta­rif­ver­trags fal­len­den Ar­beit­neh­mer, de­ren Ar­beits­verhält­nis­se auf Grund ei­ner durch ei­ne Be­triebsände­rung iSv. § 111 Be­trVG be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung be­en­det wer­den, nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­nen An­spruch auf die Durchführung von Qua­li­fi­zie­rungs­maßnah­men und auf Fort­zah­lung der Vergütung während der Dau­er der Qua­li­fi­zie­rungs­maßnah­men er­hal­ten sol­len;


II. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 63.025,20 Eu­ro nebst 8 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 10. Ja­nu­ar 2005 zu zah­len;

III. fest­zu­stel­len, dass ihm we­gen der von der Be­klag­ten am 3. März 2003 und vom 17. bis zum 19. März 2003, am 24. März 2003, vom 26. bis 28. März 2003, vom 31. März bis zum 23. April 2003 or­ga­ni­sier­ten und durch­geführ­ten Streiks bei der Fir­ma Hei­del­ber­ger Druck­ma­schi­nen AG, Be­trieb Kiel, Sie­mens­wall, 24107 Kiel, An­spruch auf Er­satz wei­ter­ge­hen­den Scha­dens zu­steht.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat be­haup­tet, ih­rem Ver­hal­ten ge­genüber dem Kläger und ein­zel­nen sei­ner Mit­glie­der lie­ge kei­ne neue Stra­te­gie mit dem Ziel ei­ner auf an­de­re Wei­se nicht durch­setz­ba­ren Ver­hin­de­rung von un­ter­neh­me­ri­schen Stand­ort­ent­schei­dun­gen zu­grun­de. Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, sie ha­be le­dig­lich von Möglich­kei­ten Ge­brauch ge­macht, die ihr durch Art. 9 Abs. 3 GG und das Ta­rif­ver­trags­ge­setz eröff­net sei­en. Der Streik um fir­men­be­zo­ge­ne Ver­bands­ta­rif­verträge sei we­der aus ko­ali­ti­ons­recht­li­chen noch im Fall ei­nes er­streb­ten Ta­rif­so­zi­al­plans aus be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Gründen aus­ge­schlos­sen. Dem-ent­spre­chend sei­en ih­re Ta­rif­for­de­run­gen und die zu ih­rer Durch­set­zung geführ­ten Streiks rechtmäßig ge­we­sen und we­der die Un­ter­las­sungs- noch die Scha­dens­er­satz­ansprüche des Klägers be­gründet.

Die Vor­in­stan­zen ha­ben die Kla­ge­anträge sämt­lich ab­ge­wie­sen. Mit der Re­vi­si­on ver­folgt der Kläger sein Be­geh­ren wei­ter. Erst­mals in der Re­vi­si­ons­in­stanz hat er hilfs­wei­se zum Un­ter­las­sungs­an­trag zu 1 zusätz­lich be­an­tragt,


die Be­klag­te un­ter An­dro­hung ei­nes Ord­nungs­gelds bis zu 250.000,00 Eu­ro für je­den Fall der Zu­wi­der­hand­lung, er­satz­wei­se Ord­nungs­haft ge­gen ih­re ge­setz­li­chen Ver­tre­ter, zu ver­ur­tei­len, es zu un­ter­las­sen, ih­re Mit­glie­der oder an­de­re Ar­beit­neh­mer, die in ei­nem sei­ner Mit­glieds­un­ter­neh­men beschäftigt sind, zu ei­nem Streik auf­zu­ru­fen, des­sen Ziel der Ab­schluss


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ei­nes Ver­bands­ta­rif­ver­trags ist, des­sen Gel­tungs­be­reich auf die­ses Mit­glieds­un­ter­neh­men be­schränkt sein und der Re­ge­lun­gen zu Kündi­gungs­fris­ten ent­hal­ten soll, so­lan­ge zwi­schen den Par­tei­en Ver­hand­lun­gen über die Re­ge­lung von Kündi­gungs­fris­ten in ei­nem für al­le sei­ne Mit­glieds­un­ter­neh­men gel­ten­den Ver­bands­ta­rif­ver­trag schwe­ben.


Der Kläger hat den An­trag zu 2b), den zu die­sem ge­stell­ten Hilfs­an­trag und den An­trag zu 2c) in der Re­vi­si­ons­in­stanz da­hin ergänzt, dass die­se Anträge sich nur ge­gen Auf­ru­fe zu Streiks rich­te­ten, die auf den Ab­schluss ei­nes ent­spre­chen­den, mit ihm ab­zu­sch­ließen­den un­ter­neh­mens­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trags ziel­ten.

Die Be­klag­te bit­tet um Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on ein­schl. des zusätz­li­chen Hilfs­an­trags. Die Ergänzung der Anträge hält die Be­klag­te für ei­ne in der Re­vi­si­ons­in­stanz un­zulässi­ge An­tragsände­rung.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on ist un­be­gründet. Die Vor­in­stan­zen ha­ben die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen. Die Anträge des Klägers sind zwar zulässig, aber un­be­gründet. Ein um den Ab­schluss ei­nes fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trags geführ­ter Streik ist nicht al­lein des­halb rechts­wid­rig, weil er auf ei­ne For­de­rung ge­rich­tet ist, die zur glei­chen Zeit den Ge­gen­stand von Ver­hand­lun­gen über ei­nen Flächen­ta­rif­ver­trag bil­det. Ein Streik mit dem Ziel, ei­nen fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trag über den Aus­gleich der mit ei­ner ge­plan­ten Be­triebsände­rung ver­bun­de­nen wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le her­bei­zuführen, ist nicht we­gen §§ 111 ff. Be­trVG aus­ge­schlos­sen. Mit ei­nem ent­spre­chen­den Streik­auf­ruf muss we­der bis zum Ab­schluss von In­ter­es­sen­aus­gleichs- und So­zi­al­plan­ver­hand­lun­gen noch bis zum Ab­schluss zu­min­dest der In­ter­es­sen­aus­gleichs­ver­hand­lun­gen auf be­trieb­li­cher Ebe­ne ge­war­tet wer­den. Das Streik­ziel ei­ner Verlänge­rung der Fris­ten für be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen auf Grund von Be­triebsände­run­gen auf Zei­ten von mehr als ei­nem Jahr ist nicht rechts­wid­rig; eben­so we­nig ist dies das Ziel ei­ner mit der Be­triebs­zu­gehörig­keit stei­gen­den Dau­er der Kündi­gungs­frist oh­ne Be­gren­zung auf ei­ne Höchstlänge. Ta­rif­lich re­gel­bar und er­streik­bar sind auch Ansprüche auf ei­ne zu vergüten­de Teil­nah­me an Qua­li­fi­zie­rungs­maßnah­men nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses. Scha­dens­er­satz­ansprüche des Klägers aus ab­ge­tre­te­nem und ei­ge­nem Recht be­ste­hen man­gels Rechts­wid­rig­keit des ge­gen die HDM-AG geführ­ten Streiks nicht.


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A. Die Anträge des Klägers sind zulässig. 

I. Zulässig ist zunächst der Un­ter­las­sungs­an­trag zu 1. Er ist ins­be­son­de­re hin­rei­chend be­stimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

1. Es han­delt sich um ei­nen Glo­balan­trag, der ei­ne Viel­zahl mögli­cher zukünf­ti­ger Fall­ge­stal­tun­gen er­fasst. Dies steht sei­ner Be­stimmt­heit nicht ent­ge­gen, weil er auf aus­nahms­los al­le denk­ba­ren Fälle ge­rich­tet ist (vgl. BAG 16. No­vem­ber 2004 - 1 ABR 53/03 - BA­GE 112, 341, zu B I 1 der Gründe mwN). Ob der An­trag für sämt­li­che Fälle be­rech­tigt ist, ist ei­ne Fra­ge sei­ner Be­gründet­heit.

2. Ein Un­ter­las­sungs­an­trag muss aus rechts­staat­li­chen Gründen ein­deu­tig er­ken­nen las­sen, was vom Schuld­ner ver­langt wird. Die­ser muss wis­sen, in wel­chen Fällen ge­gen ihn als Sank­ti­on ein Ord­nungs­geld verhängt wer­den kann (BAG 14. No­vem­ber 2006 - 1 ABR 5/06 - NZA 2007, 458, zu B I 1 a aa der Gründe). Die Prüfung, wel­che Ver­hal­tens­wei­sen der Schuld­ner un­ter­las­sen soll, darf nicht durch ei­ne un­ge­naue An­trags­for­mu­lie­rung und ei­nen dem ent­spre­chen­den ge­richt­li­chen Ti­tel aus dem Er­kennt­nis- in das Voll­stre­ckungs­ver­fah­ren ver­la­gert wer­den (BAG 14. No­vem­ber 2006 - 1 ABR 5/06 - aaO; 25. Au­gust 2004 - 1 AZB 41/03 - AP Be­trVG 1972 § 23 Nr. 41 = EzA ArbGG 1979 § 78 Nr. 7, zu B II 2 c bb der Gründe).

Die­sen An­for­de­run­gen wird der An­trag ge­recht. Die Be­klag­te kann mit aus­rei­chen­der Ge­wiss­heit er­ken­nen, wel­che Hand­lun­gen sie un­ter­las­sen soll. Der Kläger nimmt sie auf die Un­ter­las­sung von Auf­ru­fen zu Streiks mit dem Ziel des Ab­schlus­ses ei­nes fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trags in An­spruch, wenn ei­ner der für die­sen er­streb­ten Re­ge­lungs­ge­genstände zur glei­chen Zeit Ge­gen­stand von Ver­hand­lun­gen der Par­tei­en über ei­nen Flächen­ta­rif­ver­trag ist.

a) Der An­trag er­fasst, wie sich aus sei­ner Be­gründung er­gibt, le­dig­lich sol­che Ver­hand­lun­gen der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en über ei­nen Flächen­ta­rif­ver­trag, die we­gen des Ab­laufs der bis­he­ri­gen Ta­rif­re­ge­lun­gen auf­ge­nom­men wur­den. Für ei­ne ge­richt­li­che Un­ter­sa­gung ent­spre­chen­der Streik­auf­ru­fe zu ei­ner Zeit, in der die aus dem Flächen­ta­rif­ver­trag fol­gen­de Frie­dens­pflicht noch be­steht, hat die Be­klag­te kei­nen An­lass ge­ge­ben.


b) Die Aus­le­gung des An­trags er­gibt, dass ei­ne Re­ge­lung für den Flächen­ta­rif

b) Die Aus­le­gung des An­trags er­gibt, dass ei­ne Re­ge­lung für den Flächen­ta­rif­ver­trag ein „Ge­gen­stand von Ver­hand­lun­gen“ der Par­tei­en im Sin­ne des Un­ter­las­sungs­be­geh­rens be­reits dann ist, wenn ei­ne der Par­tei­en ge­genüber der an­de­ren ei-


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ge­ne For­de­run­gen ge­stellt hat. Da­ge­gen müssen die Ver­hand­lun­gen noch nicht tatsächlich auf­ge­nom­men wor­den sein.

c) Ein Re­ge­lungs­ge­gen­stand ei­nes er­streb­ten fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trags ist dann „zur glei­chen Zeit“ Ge­gen­stand von Ver­hand­lun­gen der Par­tei­en über ei­nen Flächen­ta­rif­ver­trag, wenn und in­so­weit wie ei­ne Iden­tität der Re­ge­lungs­be­rei­che be­steht. Das ist der Fall, wenn bei un­ter­stell­tem Ab­schluss des er­streb­ten Flächen­ta­rif­ver­trags oh­ne Rück­sicht auf mögli­che Öff­nungs­klau­seln die Auf­recht­er­hal­tung des Re­ge­lungs­be­geh­rens für den fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trag ge­gen die Frie­dens­pflicht ver­stieße.

Es darf dem Voll­stre­ckungs­ge­richt über­las­sen blei­ben, ei­nen sol­chen po­ten­ti­el­len Ver­s­toß fest­zu­stel­len. Auf­ga­be des Er­kennt­nis­ver­fah­rens ist es, für die Be-stimmt­heit des In­halts ei­nes Ti­tels zu sor­gen. Es ist da­ge­gen nicht in der La­ge, das Voll­stre­ckungs­ver­fah­ren von der un­ter Umständen schwie­ri­gen Prüfung zu ent­las­ten, ob die recht­li­chen und/oder tatsächli­chen Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Ver­s­toßes ge­gen die ti­tu­lier­te Un­ter­las­sungs­ver­pflich­tung vor­lie­gen (vgl. BAG 25. Au­gust 2004 - 1 AZB 41/03 - AP Be­trVG 1972 § 23 Nr. 41 = EzA ArbGG 1979 § 78 Nr. 7, zu B II 2 c bb der Gründe).

II. Der Un­ter­las­sungs­an­trag zu 2 ist eben­falls zulässig.

1. Der An­trag be­darf der Aus­le­gung. Mit ihm nimmt der Kläger die Be­klag­te auf Un­ter­las­sung ei­nes Streiks um ei­nen fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trag „aus An­lass ei­ner kon­kre­ten Be­triebsände­rung“ in sei­nen be­tref­fen­den Mit­glieds­un­ter­neh­men in An­spruch.

a) Mit der For­mu­lie­rung „aus An­lass“ ei­ner Be­triebsände­rung hat der Kläger nicht auf ein ent­spre­chen­des Mo­tiv der Be­klag­ten ab­stel­len wol­len. Dafür käme es auf das Vor­lie­gen ei­ner sog. in­ne­ren Tat­sa­che bei den für die Be­klag­te ver­ant­wort­lich han­deln­den Per­so­nen an. Die­ses wäre im Voll­stre­ckungs­ver­fah­ren nur schwer fest­stell­bar. Ein sol­ches An­trags­verständ­nis liegt nicht im ob­jek­ti­ven In­ter­es­se des Klägers. Dem ent­spricht es viel­mehr, das Vor­lie­gen des be­tref­fen­den An­las­ses an­hand von leicht fest­stell­ba­ren Umständen nach­wei­sen zu können. Der An­trag ist des­halb da­hin zu ver­ste­hen, dass mit ei­nem „durch die Be­triebsände­rung ver­an­lass­ten” Streik­auf­ruf ein sol­cher ge­meint ist, der er­geht, nach­dem das be­tref­fen­de Mit­glieds­un­ter­neh­men sei­ne Ab­sicht zu ei­ner Be­triebsände­rung nach außen - et­wa ge­genüber dem Be­triebs­rat, der Be­leg-


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schaft oder ei­ner wei­te­ren Öffent­lich­keit - be­kannt ge­ge­ben hat. Ei­ne sol­che zeit­li­che Ab­fol­ge ist ggf. oh­ne große Schwie­rig­kei­ten fest­stell­bar.

b) Der Streik­auf­ruf er­geht aus An­lass ei­ner „kon­kre­ten“ Be­triebsände­rung, wenn sich die Be­kannt­ga­be des Un­ter­neh­mens auf ei­ne für ei­nen be­stimm­ten Be­trieb zu ei­nem be­stimm­ten Zeit­punkt ge­plan­te Be­triebsände­rung be­zieht. Zwar spricht der An­trag von ei­ner Be­triebsände­rung im „Mit­glieds­un­ter­neh­men“. Ge­meint ist aber er­sicht­lich ei­ne Be­triebsände­rung in ei­nem Be­trieb des Mit­glied­un­ter­neh­mens.

c) Der An­trag ist wei­ter da­hin zu präzi­sie­ren, dass von ihm nur ein Streik­auf­ruf ge­genüber den Beschäftig­ten des von der ge­plan­ten Be­triebsände­rung be­trof­fe­nen Be­triebs er­fasst wird. Zwar heißt es im An­trag, der Be­klag­ten sol­le un­ter­sagt wer­den, ih­re Mit­glie­der oder an­de­re Ar­beit­neh­mer, die in den be­tref­fen­den „Mit­glieds­un­ter­neh­men” beschäftigt sind, zum Streik auf­zu­ru­fen. Für ei­ne Er­stre­ckung des Ver­bots auf Streik­auf­ru­fe in Be­trie­ben des Mit­glieds­un­ter­neh­mens, die nicht von der ge­plan­ten Be­triebsände­rung be­trof­fen sind, hat die Be­klag­te aber kei­nen An­lass ge­ge­ben. Trotz der in­so­weit un­ge­nau­en For­mu­lie­rung kann un­ter die­sen Umständen nicht an­ge­nom­men wer­den, der Kläger wol­le den An­trag auf die Ar­beit­neh­mer al­ler Be­trie­be des be­tref­fen­den Un­ter­neh­mens er­streckt wis­sen.

d) Die Aus­le­gung er­gibt, dass sich der An­trag nur auf Streik­auf­ru­fe in Be­trie­ben be­zieht, in de­nen ein Be­triebs­rat gewählt ist und die von ei­nem Un­ter­neh­men mit ins­ge­samt mehr als 20 wahl­be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mern geführt wer­den, Be­trie­ben al­so, in de­nen der Ab­schluss ei­nes In­ter­es­sen­aus­gleichs und So­zi­al­plans auf be­trieb­li­cher Ebe­ne über­haupt möglich ist. Ein sol­ches Verständ­nis ist im Hin­blick auf die An­trags­be­gründung ge­bo­ten. Der Kläger stützt sein Un­ter­las­sungs­be­geh­ren zu 2 ins­be­son­de­re dar­auf, dass den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en für Be­stim­mun­gen zum Aus­gleich von wirt­schaft­li­chen Nach­tei­len aus ei­ner Be­triebsände­rung we­gen der Exis­tenz der §§ 111 ff. Be­trVG be­reits die Re­ge­lungs­kom­pe­tenz feh­le. An­dern­falls könne der Ar­beit­ge­ber von zwei Sei­ten „in die Zan­ge ge­nom­men“ wer­den. Die­se Ar­gu­men­ta­ti­on ist nur schlüssig mit Blick auf Be­trie­be, in de­nen es zu der be­schrie­be­nen Zwei­spu­rig­keit tatsächlich kom­men kann. Wo ein Be­triebs­rat nicht be­steht oder er man­gels ei­ner aus­rei­chen­den An­zahl von Beschäftig­ten Mit­be­stim­mungs­rech­te nach §§ 111 ff. Be­trVG nicht be­sitzt, kann die vom Kläger an­geführ­te „Zan­gen­wir­kung“ nicht ent­ste­hen.
 

Für die­ses An­trags­verständ­nis spricht auch ein Ver­gleich mit den Hilfs­anträgen zu a). Mit ih­nen wird die Be­klag­te dar­auf in An­spruch ge­nom­men, mit Streik­auf­ru-


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fen bis zum Ab­schluss des „In­ter­es­sen­aus­gleichs- und So­zi­al­plan­ver­fah­rens nach §§ 111 ff. Be­trVG mit dem ... Be­triebs­rat“, zu­min­dest bis zum Ab­schluss des „In­ter­es­sen­aus­gleichs­ver­fah­rens gem. §§ 111 ff. Be­trVG mit dem ... Be­triebs­rat“ zu war­ten. Ge­gen­stand die­ser Anträge sind folg­lich nur Streik­auf­ru­fe in Be­trie­ben mit ei­nem nach §§ 111, 112 Be­trVG be­rech­tig­ten Be­triebs­rat. Es gibt kei­nen An­halts­punkt dafür, dass der Ge­gen­stand des Haupt­an­trags zu 2 in be­trieb­li­cher Hin­sicht wei­ter­rei­chen soll. Der Kläger hat die Rich­tig­keit die­ses Verständ­nis­ses in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat im Übri­gen aus­drück­lich bestätigt.


2. Mit die­sem In­halt ist der An­trag hin­rei­chend be­stimmt. Die Be­klag­te ver­mag mit aus­rei­chen­der Si­cher­heit zu er­ken­nen, Streik­auf­ru­fe wel­chen In­halts sie un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen in wel­chen Be­trie­ben un­ter­las­sen soll.

a) Da­bei ist unschädlich, dass der An­trag den Aus­druck „Be­triebsände­rung“ und die For­mu­lie­rung „Ver­bands­ta­rif­ver­trag ..., mit dem wirt­schaft­li­che oder sons­ti­ge Nach­tei­le ... in­fol­ge die­ser ... Be­triebsände­rung ... aus­ge­gli­chen oder ge­mil­dert wer­den sol­len“, ver­wen­det. Mit „Be­triebsände­rung“ ist je­de Maßnah­me ge­meint, die die Vor­aus­set­zun­gen des § 111 Satz 1 Be­trVG erfüllt, ins­be­son­de­re al­so jeg­li­che Maßnah­me iSv. § 111 Satz 3 Be­trVG. Zwar mag im Ein­zel­fall Streit darüber ent­ste­hen können, ob die­se Vor­aus­set­zun­gen vor­lie­gen. Das führt aber nicht zur Un­be­stimmt­heit des An­trags und ei­nes ent­spre­chen­den ge­richt­li­chen Ti­tels. Viel­mehr ist ggf. das Voll­stre­ckungs­ge­richt zur Aus­le­gung ei­nes Ti­tels be­ru­fen und ver­pflich­tet (BAG 25. Au­gust 2004 - 1 AZB 41/03 - AP Be­trVG 1972 § 23 Nr. 41 = EzA ArbGG 1979 § 78 Nr. 7, zu B II 2 c bb der Gründe mwN).

b) Auch der An­trag zu 2 ist ein Glo­balan­trag. Der Kläger be­gehrt die Un­ter­las­sung von Streik­auf­ru­fen zur Her­beiführung fir­men­be­zo­ge­ner Ver­bands­ta­rif­verträge im­mer schon dann, wenn dar­in über­haupt wirt­schaft­li­che oder sons­ti­ge Nach­tei­le aus ei­ner Be­triebsände­rung aus­ge­gli­chen oder ge­mil­dert wer­den sol­len, un­abhängig von In­halt und Um­fang der be­tref­fen­den Ta­rif­for­de­rung.

c) Vom Haupt­an­trag zu 2 sind kei­ne Ta­rif­for­de­run­gen zu Kündi­gungs­fris­ten er­fasst. Die­se die­nen nicht dem Aus­gleich von Nach­tei­len in­fol­ge der ge­plan­ten Be­triebsände­rung. Sie hin­dern viel­mehr schon den Ein­tritt ei­nes Nach­teils für die in ih­nen be­stimm­te Dau­er. Sie mögen von der Be­klag­ten in den bis­he­ri­gen Fällen zwar im Zu­sam­men­hang mit kon­kre­ten Be­triebsände­run­gen ge­for­dert wor­den sein. Sie die­nen gleich­wohl nicht dem Nach­teils­aus­gleich. Dem ent­spricht es, dass der Be­triebs­rat Re-

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ge­lun­gen über Kündi­gungs­fris­ten nicht über § 112 Abs. 4 Be­trVG oder über an­de­re Mit­be­stim­mungs­rech­te er­zwin­gen kann.

III. Der Hilfs­an­trag a) zum An­trag zu 2 und der zu ihm ge­stell­te wei­te­re Hilfs­an­trag sind hin­rei­chend be­stimmt und auch im Übri­gen zulässig. Die in den Anträgen ge­nann­ten Ver­fah­ren sind „ab­ge­schlos­sen“, wenn ggf. auch ein Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­ren be­en­det ist. Der wei­te­re Hilfs­an­trag ist nicht gem. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO we­gen Tei­li­den­tität mit dem vor­ran­gig ge­stell­ten Hilfs­an­trag un­zulässig. Der Kläger be­gehrt vor­ran­gig die Un­ter­sa­gung von Streik­auf­ru­fen bis zum Ab­schluss so­wohl des In­ter­es­sen­aus­gleichs- als auch des So­zi­al­plan­ver­fah­rens. Der ent­spre­chen­de An­trag ist nicht teil­bar. Er ist ins­ge­samt ab­zu­wei­sen, wenn die Be­klag­te zwar nicht das En­de des So­zi­al­plan-, wohl aber das des In­ter­es­sen­aus­gleichs­ver­fah­rens ab­zu­war­ten hat oder um­ge­kehrt. Mit dem wei­te­ren Hilfs­an­trag, der aus­sch­ließlich auf ein Ab­war­ten des In­ter­es­sen­aus­gleichs­ver­fah­rens zielt, hat der Kläger des­halb nicht ein Mi­nus, son­dern ein Ali­ud zur ge­richt­li­chen Ent­schei­dung ge­stellt.

IV. Der Hilfs­an­trag b) zum An­trag zu 2 und der da­zu ge­stell­te wei­te­re Hilfs­an­trag sind eben­falls zulässig.


1. Die Anträge bedürfen der Klar­stel­lung.

a) Sie be­zie­hen sich nach ih­rem Wort­laut nicht nur auf Streik­auf­ru­fe anläss­lich ei­ner kon­kre­ten Be­triebsände­rung. Sie er­fas­sen viel­mehr je­den Streik­auf­ruf der Be­klag­ten, der auf die Her­beiführung ei­nes Ta­rif­ver­trags ge­rich­tet ist, mit dem die Verlänge­rung von Kündi­gungs­fris­ten auf Zei­ten von mehr als ei­nem Jahr bzw. oh­ne Fest­set­zung ei­ner Höchst­dau­er für Kündi­gun­gen er­strebt wird, die durch ei­ne Be­triebsände­rung iSv. § 111 Be­trVG be­dingt sind.

b) Die Anträge sind - an­ders als der Haupt­an­trag zu 2 und die Hilfs­anträge zu 2 a) - nicht auf Streik­auf­ru­fe in Be­trie­ben mit ei­nem zur Mit­be­stim­mung nach §§ 111, 112 Be­trVG be­rech­tig­ten Be­triebs­rat be­schränkt. We­der Wort­laut noch An­trags­be­gründung ge­ben zu er­ken­nen, dass ei­ne sol­che Ein­schränkung ge­wollt wäre. Der Kläger hält die er­streb­ten Ta­rif­nor­men nicht we­gen der Dop­pel­glei­sig­keit von be­trieb­li­chen Mit­be­stim­mungs­ver­fah­ren und ge­werk­schaft­li­chen Kampf­mit­teln, son­dern aus in­halt­li­chen Gründen für rechts­wid­rig. Ei­ne Be­schränkung der Anträge auf Streik­auf­ru­fe in Be­trie­ben mit ei­nem zur Mit­be­stim­mung nach §§ 111, 112 Be­trVG be­rech­tig­ten Be­triebs­rat ist von ihm of­fen­sicht­lich nicht ge­wollt. So­weit die Anträge von ei­ner „Be­triebsände­rung iSv.

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§ 111 Be­trVG“ spre­chen, sol­len da­mit er­kenn­bar nur die Maßnah­men be­zeich­net wer­den, die den An­lass für die Aus­deh­nung der Kündi­gungs­fris­ten ge­bil­det ha­ben. Die da­mit ver­bun­de­ne par­ti­el­le Er­wei­te­rung des Ge­gen­stands­be­reichs ei­nes Hilfs­an­trags über den des Haupt­an­trags hin­aus ist pro­zes­su­al nicht aus­ge­schlos­sen; Haupt- und Hilfs­an­trag können ein­an­der so­gar gänz­lich wi­der­spre­chen (Tho­mas/Putzo ZPO 28. Aufl. § 260 Rn. 8).

2. Mit die­sem In­halt sind die Anträge hin­rei­chend be­stimmt und auch im Übri­gen zulässig.

Dem steht ih­re Ergänzung in der Re­vi­si­ons­in­stanz nicht ent­ge­gen. Zwar folgt aus § 559 Abs. 1 ZPO, dass Kla­geände­run­gen in der Re­vi­si­ons­in­stanz grundsätz­lich nicht möglich sind. Der Schluss der Be­ru­fungs­ver­hand­lung bil­det nicht nur bezüglich des tatsächli­chen Vor­brin­gens, son­dern auch bezüglich der Anträge der Par­tei­en die Ur­teils­grund­la­ge für das Re­vi­si­ons­ge­richt (BAG 27. Ja­nu­ar 2004 - 1 AZR 105/03 - AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 35 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 39, zu III der Gründe). An­tragsände­run­gen können aber aus pro­zessöko­no­mi­schen Gründen zu­ge­las­sen wer­den, wenn es sich da­bei um Fälle des § 264 Nr. 2 ZPO han­delt und sich der neue Sach­an­trag auf den in der Be­ru­fungs­in­stanz fest­ge­stell­ten Sach­ver­halt und auf den un­strei­ti­gen Par­tei­vor­trag stützt (BAG 27. Ja­nu­ar 2004 - 1 AZR 105/03 - aaO). Das ist hier der Fall. Die Anträge er­fass­ten ursprüng­lich nicht nur Streik­auf­ru­fe, die auf den Ab­schluss ei­nes fir­men­be­zo­ge­nen, son­dern auch sol­che, die auf den Ab­schluss ei­nes für al­le Mit­glie­der des Klägers gel­ten­den Flächen­ver­bands­ta­rif­ver­trags ge­rich­tet wa­ren. Mit der Be­schränkung auf Streik­auf­ru­fe zur Her­beiführung ei­nes un­ter­neh­mens­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trags geht ei­ne An­trags­re­du­zie­rung iSv. § 264 Nr. 2 ZPO ein­her, oh­ne dass sich da­durch das Bedürf­nis nach wei­te­rem Tat­sa­chen­vor­brin­gen er­ge­ben oder das Prüfpro­gramm für das Re­vi­si­ons­ge­richt geändert hätte.


V. Zulässig ist eben­so der in der Re­vi­si­ons­in­stanz glei­cher­maßen ergänz­te Hilfs­an­trag zu c) zum An­trag zu 2. Sein Ge­gen­stands­be­reich deckt sich mit dem der Hilfs­anträge zu b). Un­ter­sagt wer­den sol­len durch ihn jeg­li­che Streik­auf­ru­fe für ei­ne Ta­rif­for­de­rung nach Gewährung von Ansprüchen auf Qua­li­fi­zie­rungs­maßnah­men un­ter Fort­zah­lung der Vergütung aus dem Ar­beits­verhält­nis, un­abhängig von der er­streb­ten Dau­er der Maßnah­men.

VI. Ne­ben dem be­zif­fer­ten Zah­lungs­an­trag ist auch der wei­te­re, auf die bloße Fest­stel­lung ei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs ge­rich­te­te An­trag des Klägers zulässig.


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Der An­trag genügt den An­for­de­run­gen des § 256 Abs. 1 ZPO. Er ist auf die Fest­stel­lung ei­nes Rechts­verhält­nis­ses zwi­schen den Par­tei­en ge­rich­tet. Ein Rechts­verhält­nis im Sin­ne die­ser Vor­schrift ist auch ein ein­zel­ner, aus ei­nem Schuld­verhält­nis re­sul­tie­ren­der Leis­tungs­an­spruch (BAG 16. Sep­tem­ber 1998 - 5 AZR 183/97 - AP BAT-O § 24 Nr. 2 = EzA BGB § 315 Nr. 49, zu II der Gründe mwN). Dem er­for­der­li­chen In­ter­es­se an als­bal­di­ger Fest­stel­lung steht nicht der Grund­satz des Vor­rangs der Leis­tungs­kla­ge ent­ge­gen. Bei Kla­ge­er­he­bung war der Kläger nicht in der La­ge, sei­nen ei­ge­nen, nach dem Ver­lust an Mit­glieds­beiträgen zu be­mes­sen­den Scha­den zu be­zif­fern. Da­mit war ein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se ursprüng­lich ge­ge­ben. Ob dem Kläger ei­ne Scha­dens­be­zif­fe­rung noch im­mer ob­jek­tiv unmöglich ist, er­scheint zwar frag­lich. Den­noch ist ein Fest­stel­lungs­in­ter­es­se wei­ter­hin zu be­ja­hen. War es bei An­trag­stel­lung ge­ge­ben, muss der Kläger während des Laufs des Ver­fah­rens grundsätz­lich nicht zum Leis­tungs­an­trag über­ge­hen. Er kann oh­ne Rück­sicht auf die wei­te­re Ent­wick­lung am Fest­stel­lungs­be­geh­ren fest­hal­ten (BAG 9. De­zem­ber 2003 - 1 ABR 44/02 - BA­GE 109, 61, zu B I 2 b bb der Gründe mwN).

B. Die Anträge sind un­be­gründet.

I. Der mit dem An­trag zu 1 gel­tend ge­mach­te Un­ter­las­sungs­an­spruch steht dem Kläger nicht zu. Zwar ist der Kläger ak­tiv­le­gi­ti­miert. Auch ein Ar­beit­ge­ber­ver­band kann sich ge­gen rechts­wid­ri­ge Streiks ei­ner Ge­werk­schaft mit Un­ter­las­sungs­ansprüchen aus ei­ge­nem Recht zur Wehr set­zen. Auf­ru­fe der Be­klag­ten zu Streiks un­ter den Be­din­gun­gen des An­trags zu 1 sind aber nicht rechts­wid­rig.


1. Ein Ar­beit­ge­ber­ver­band hat ge­gen ei­ne Ge­werk­schaft nach § 1004 Abs. 1 BGB in Verb. mit § 823 Abs. 1 BGB, Art. 9 Abs. 3 GG ei­nen ei­ge­nen An­spruch auf Un­ter­las­sung rechts­wid­ri­ger Ar­beits­kampf­maßnah­men ge­gen ei­nes sei­ner Mit­glie­der (BAG 26. April 1988 - 1 AZR 399/86 - BA­GE 58, 138, zu B II 1 der Gründe; 27. Ju­ni 1989 - 1 AZR 404/88 - BA­GE 62, 171, zu II 1 der Gründe). Sei­ne ent­ge­gen­ste­hen­de frühe­re Recht­spre­chung (vgl. BAG 12. Sep­tem­ber 1984 - 1 AZR 342/83 - BA­GE 46, 322), die von der Be­klag­ten her­an­ge­zo­gen wird, hat der Se­nat aus­drück­lich auf­ge­ge­ben (BAG 26. April 1988 - 1 AZR 399/86 - aaO). Auf das Dop­pel­grund­recht der Ko­ali­ti­ons­frei­heit nach Art. 9 Abs. 3 GG können sich auch die Ko­ali­tio­nen selbst be­ru­fen. Es schützt die Frei­heit ei­ner Ko­ali­ti­on in ih­rem Be­stand, ih­rer or­ga­ni­sa­to­ri­schen Aus­ge­stal­tung und ih­rer ko­ali­ti­ons­spe­zi­fi­schen Betäti­gung (BVerfG 10. Sep­tem­ber 2004 - 1 BvR 1191/03 - AP GG Art. 9 Ar­beits­kampf Nr. 167 = EzA GG Art. 9 Ar­beits­kampf Nr. 136,


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zu B II 1 der Gründe; BAG 19. Sep­tem­ber 2006 - 1 ABR 53/05 - AP Be­trVG 1972 § 2 Nr. 5 = EzA GG Art. 9 Nr. 89, zu B IV 2 a der Gründe mwN). Zur ko­ali­ti­ons­spe­zi­fi­schen Betäti­gung gehört der Ab­schluss von Ta­rif­verträgen, durch die ta­riffähi­ge Ko­ali­tio­nen die Ar­beits­be­din­gun­gen ih­rer Mit­glie­der in ei­ge­ner Ver­ant­wor­tung ord­nen (BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - BVerfGE 44, 322, zu B II 1 b aa der Gründe mwN). Der Schutz des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG rich­tet sich nicht nur ge­gen Be­ein­träch­ti­gun­gen der Ko­ali­tio­nen durch den Staat, son­dern si­chert sie und ih­re Betäti­gun­gen, wie sich aus Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG er­gibt, auch ge­gen pri­va­te Macht, ins­be­son­de­re den so­zia­len Ge­gen­spie­ler. Dem­ent­spre­chend hat die durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG ver­fas­sungs­recht­lich pri­vi­le­gier­te Rechts­stel­lung der Ko­ali­tio­nen Rechts­gut­cha­rak­ter iSv. § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB (BAG 26. April 1988 - 1 AZR 399/86 - aaO mwN). Durch rechts­wid­ri­ge Ar­beits­kampf­maßnah­men wird das Recht der geg­ne­ri­schen Ko­ali­ti­on auf ko­ali­ti­onsmäßige Betäti­gung in un­zulässi­ger Wei­se ver­letzt (BAG 26. April 1988 - 1 AZR 399/86 - aaO).

2. Die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes sol­chen An­spruchs lie­gen nicht vor. Der Kläger kann von der Be­klag­ten nicht ver­lan­gen, Auf­ru­fe zu Streiks zu un­ter­las­sen, mit de­nen der Ab­schluss ei­nes fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trags zu Ge­genständen er­strebt wird, die zur glei­chen Zeit In­halt von Ver­hand­lun­gen der Par­tei­en über ei­nen Flächen­ta­rif­ver­trag sind.

a) Ein sol­cher Streik ist nicht des­halb rechts­wid­rig, weil ein Ar­beit­ge­ber­ver­band im Verhält­nis zur Ge­werk­schaft nicht die Be­fug­nis zum Ab­schluss von Ta­rif­verträgen besäße, de­ren Gel­tungs­be­reich auf nur ei­nes oder we­ni­ge sei­ner Mit­glieds­un­ter­neh­men be­schränkt ist.

aa) Der Ab­schluss ei­nes sol­chen Ta­rif­ver­trags ist von Art. 9 Abs. 3 GG ge­deckt. Den Ko­ali­tio­nen steht im Rah­men der ih­nen ver­fas­sungs­recht­lich verbürg­ten Ta­rif­au­to­no­mie bei der Fest­le­gung des Gel­tungs­be­reichs ei­nes Ta­rif­ver­trags ein wei­ter Ge­stal­tungs­spiel­raum zu. Dies gilt nicht nur im Hin­blick auf den er­fass­ten Ar­beit­neh­mer­kreis (vgl. da­zu BAG 30. Au­gust 2000 - 4 AZR 563/99 - BA­GE 95, 277, zu I 2 der Gründe mwN), son­dern auch für die Fest­le­gung der be­trof­fe­nen Un­ter­neh­men. Der Ausübung der Ta­rif­au­to­no­mie set­zen in­so­weit le­dig­lich der Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG und die Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bo­te des Art. 3 Abs. 2, 3 GG Gren­zen (BAG 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - BA­GE 111, 8, zu B II 3 der Gründe; 30. Au­gust 2000 - 4 AZR 563/99 - aaO). Die­se Be­schränkun­gen ste­hen der grundsätz­li­chen Zulässig­keit sol­cher Ta­rif­ver-

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träge nicht ent­ge­gen (Buch­ner DB 2001 Bei­la­ge 9 S. 1, 6; Ja­cobs ZTR 2001, 249, 256 mwN; Lo­bin­ger RdA 2006, 12, 20 mwN).


bb) Fir­men­be­zo­ge­ne Ver­bands­ta­rif­verträge sind nicht we­gen Ver­s­toßes ge­gen den ver­eins­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz un­wirk­sam (aA Stau­din­ger/ Ri­char­di BGB (1999) Vor­bem. zu §§ 611 ff. Rn. 621). An­dern­falls würden ver­eins­recht­li­che Bin­nen­schran­ken der Ko­ali­ti­ons­betäti­gung ei­nes Ar­beit­ge­ber­ver­bands in das Außen­verhält­nis zum Ta­rif­part­ner über­tra­gen. Für ei­ne sol­che Außen­wir­kung gibt es kei­ne tragfähi­ge Be­gründung. We­der die Ta­riffähig­keit noch die Ta­rif­zuständig­keit des Ar­beit­ge­ber­ver­bands wer­den durch ei­ne ver­eins­in­ter­ne Un­gleich­be­hand­lung be­ein­träch­tigt.

b) Ein auf den Ab­schluss ei­nes fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trags ge­rich­te­ter Streik ist nicht des­halb rechts­wid­rig, weil der Ar­beit­ge­ber­ver­band ei­nen sol­chen Ta­rif­ver­trag zwar frei­wil­lig schließen, die­ser aber von ei­ner Ge­werk­schaft nicht kampf-wei­se durch­ge­setzt wer­den könn­te.

aa) Die kol­lek­ti­ve Ko­ali­ti­ons­frei­heit des Ver­bands wird durch ei­nen Streik auf Ab­schluss ei­nes Ta­rif­ver­trags für ei­nes sei­ner Mit­glieds­un­ter­neh­men nicht ver­letzt. Die Ge­werk­schaft ver­langt von ihm ei­nen in­ner­halb sei­ner Ta­rif­zuständig­keit lie­gen­den Ta­rif­ab­schluss. Der Ver­band hat kei­nen An­spruch dar­auf, dass die Ausübung sol­chen Drucks auf ihn un­ter­bleibt. Aus Art. 9 Abs. 3 GG folgt nicht, dass die Ge­werk­schaft nur Ta­rif­verträge for­dern könn­te, die für al­le Ver­bands­mit­glie­der gel­ten sol­len (im Er­geb­nis auch ErfK/Die­te­rich 7. Aufl. Art. 9 GG Rn. 161; Ga­mill­scheg Kol­lek­ti­ves Ar­beits­recht Bd. I § 21 II 5 c (2); Ja­cobs ZTR 2001, 249, 256 mwN; Kis­sel Ar­beits­kampf­recht § 26 Rn. 135 mwN; Mat­thes FS Schaub S. 477, 484). Ein mit dem Streik um ei­nen fir­men-be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trag mögli­cher­wei­se ein­her­ge­hen­der Ver­lust an „An­zie­hungs­kraft“ des Ver­bands für das be­trof­fe­ne Mit­glieds­un­ter­neh­men schränkt die kol­lek­ti­ve Ko­ali­ti­ons­frei­heit des Ver­bands nicht in recht­lich er­heb­li­cher Wei­se ein (Lo­bin­ger RdA 2006, 12, 17). Ei­ne Ver­let­zung der kol­lek­ti­ven Betäti­gungs­frei­heit des Ar­beit­ge­ber­ver­bands käme erst dann in Be­tracht, wenn der Streik ge­ra­de dar­auf ge­rich­tet wäre, das be­tref­fen­de Un­ter­neh­men zur Auf­ga­be sei­ner Mit­glied­schaft im Ver­band zu ver­an­las­sen. Bei ei­nem al­lein auf die Ge­stal­tung von Ar­beits- und Wirt­schafts­be­din­gun­gen ge­rich­te­ten Streik ist dies aber re­gelmäßig nicht der Fall. Dies gilt beim Streik um ei­nen fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trag ty­pi­scher­wei­se eben­so wie beim Streik um ei­nen mit dem ver­bands­an­gehöri­gen Ar­beit­ge­ber ab­zu­sch­ließen­den Fir­men­ta­rif­ver­trag


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(vgl. BAG 10. De­zem­ber 2002 - 1 AZR 96/02 - BA­GE 104, 155, zu B I 1 b bb (2) der Gründe).

Eben­so we­nig ist die in­di­vi­du­el­le Ko­ali­ti­ons­frei­heit des ver­bands­an­gehöri­gen Ar­beit­ge­bers - und auf die­se Wei­se ein Recht des Ver­bands selbst - ver­letzt. Gilt dies schon für den Streik um ei­nen Fir­men­ta­rif­ver­trag (BAG 10. De­zem­ber 2002 - 1 AZR 96/02 - aaO), so erst recht im Fall ei­nes Streiks um den Ab­schluss ei­nes auf das Un­ter­neh­men be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trags. Die Ein­be­zie­hung des Ver­bands be­deu­tet ty­pi­scher­wei­se ei­ne Stärkung der Po­si­ti­on des ein­zel­nen Ar­beit­ge­bers.


bb) Das Ge­bot der Kampf­pa­rität ist nicht ver­letzt. Die­ses steht schon ei­nem Streik nicht ent­ge­gen, der auf den Ab­schluss ei­nes Fir­men­ta­rif­ver­trags mit ei­nem ein­zel­nen (ver­bands­an­gehöri­gen) Ar­beit­ge­ber ge­rich­tet ist (BAG 10. De­zem­ber 2002 - 1 AZR 96/02 - aaO, zu B I 1 b bb (1) der Gründe). Die Ver­tei­di­gungsfähig­keit des Ver­bands ist je­den­falls nicht ge­rin­ger als die sei­nes ein­zel­nen Mit­glieds. Zwar mag sie bei Streik­auf­ru­fen, die sich für den Ab­schluss ei­nes fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trags auch an die Beschäftig­ten an­de­rer Mit­glieds­un­ter­neh­men rich­ten soll­ten, we­gen der mögli­cher­wei­se nur be­grenz­ten So­li­da­ritäts­be­reit­schaft der vom Streik­ziel nicht be­trof­fe­nen Ver­bands­mit­glie­der we­ni­ger groß sein als bei ei­nem Streik um den Ab­schluss ei­nes Flächen­ta­rif­ver­trags. Es ist aber grundsätz­lich Sa­che der Ko­ali­ti­on selbst, für die nöti­ge So­li­da­rität ih­rer Mit­glie­der ge­genüber For­de­run­gen des so­zia­len Ge­gen­spie­lers zu sor­gen.

c) Ein auf den Ab­schluss ei­nes fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trags ge­rich­te­ter Streik ist auch dann nicht rechts­wid­rig, wenn die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zur glei­chen Zeit Ver­hand­lun­gen über ei­nen Flächen­ta­rif­ver­trag mit dem glei­chen Re­ge­lungs­ge­gen­stand führen.

aa) Mit Ab­lauf der ver­ein­bar­ten Dau­er oder der Kündi­gungs­frist für ei­ne ta­rif­li­che Be­stim­mung en­det die mit ihr ver­bun­de­ne re­la­ti­ve Frie­dens­pflicht für die be­tei­lig­ten Ta­rif­ver­trags­par­tei­en. Im Nach­wir­kungs­zeit­raum be­steht kei­ne Frie­dens­pflicht. Das Glei­che gilt, wenn ei­ne den Ge­gen­stand der er­streb­ten Re­ge­lung be­tref­fen­de Ta­rif­re­ge­lung bis­her noch nicht be­stan­den hat.

bb) Ver­hand­lun­gen der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en über ei­ne Nach­fol­ge­re­ge­lung für die ab­ge­lau­fe­ne Be­stim­mung ei­nes Flächen­ta­rif­ver­trags oder über de­ren erst­ma­li­ges Zu­stan­de­kom­men schließen gleich­zei­ti­ge Ar­beits­kampf­maßnah­men zur Her­beiführung


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ei­ner ab­wei­chen­den Re­ge­lung zum glei­chen Ge­gen­stand in ei­nem fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trag nicht aus.

(1) Ver­hand­lun­gen der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en über ei­ne be­stimm­te Ta­rif­for­de­rung be­gründen kei­ne auf ih­ren Ge­gen­stand be­zo­ge­ne Frie­dens­pflicht. Die­se ent­steht erst mit dem Ab­schluss des er­streb­ten Ta­rif­ver­trags (vgl. BAG 10. De­zem­ber 2002 - 1 AZR 96/02 - BA­GE 104, 155, zu B I 2 a der Gründe). Geht von bloßen Ver­hand­lun­gen über Ta­rif­for­de­run­gen in ei­nem Flächen­ta­rif­ver­trag kei­ne Frie­dens­pflicht aus, sind we­der Kampf­maßnah­men zur Her­beiführung ge­ra­de des er­streb­ten Ta­rif­ab­schlus­ses noch Kampf­maßnah­men zur Her­beiführung ab­wei­chen­der Re­ge­lun­gen in ei­nem fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trag ge­sperrt (Lo­bin­ger RdA 2006, 12, 20 Fn. 79). Mit der Er­he­bung von Ta­rif­for­de­run­gen für ei­nen Flächen­ta­rif­ver­trag und der Auf­nah­me ent­spre­chen­der Ver­hand­lun­gen geht auch nicht ei­ne vor­ver­trag­li­che Ver­pflich­tung und Selbst­bin­dung der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ein­her, den be­tref­fen­den Ge­gen­stand aus­sch­ließlich im Rah­men ei­nes Flächen­ta­rif­ver­trags zu re­geln. Für ei­ne der­ar­ti­ge Bin­dung gibt es - selbst wenn vom Vor­lie­gen ei­ner „Dau­er­rechts­be­zie­hung“ der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en (Kis­sel § 26 Rn. 103 ff.) aus­zu­ge­hen wäre (ab­leh­nend BAG 12. Sep­tem­ber 1984 - 1 AZR 342/83 - BA­GE 46, 322, zu I 2 der Gründe) - kei­ne recht­li­che Grund­la­ge.


Aus dem Ur­teil des Se­nats vom 10. De­zem­ber 2002 (- 1 AZR 96/02 - BA­GE 104, 155, zu B I 1 b bb (2) der Gründe) folgt nichts an­de­res. Dort heißt es, die kol­lek­ti­ve Betäti­gungs­frei­heit des Ar­beit­ge­ber­ver­bands recht­fer­ti­ge es zu­min­dest dann nicht, der Ge­werk­schaft die Durch­set­zung ei­nes Fir­men­ta­rif­ver­trags ge­genüber ei­nem ein­zel­nen Ar­beit­ge­ber mit Kampf­mit­teln zu un­ter­sa­gen, wenn be­stimm­te Ar­beits­be­din­gun­gen durch Ver­bands­ta­rif­verträge we­der ge­re­gelt sei­en noch demnächst ge­re­gelt wer­den soll­ten. Auf die­se Wei­se wur­de nicht ei­ne Aus­deh­nung und Vor­wir­kung der Frie­dens­pflicht auf das Sta­di­um bloßer Ver­hand­lun­gen über ei­ne Ta­rif­re­ge­lung an­ge­nom­men. Es geht um die Be­schrei­bung der äußerstmögli­chen Gren­ze des Schutz­be­reichs der kol­lek­ti­ven Ko­ali­ti­ons­frei­heit ei­nes Ar­beit­ge­ber­ver­bands, nicht um die Be­stim­mung der zeit­li­chen Gren­zen der Frie­dens­pflicht.


(2) Das Verhält­nismäßig­keits­prin­zip, dem der Ar­beits­kampf un­ter­liegt (BVerfG 26. Ju­ni 1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212, zu C I 3 b der Gründe; BAG 21. April 1971 - GS 1/68 - BA­GE 23, 292, zu III A 1 der Gründe), ist durch die Par­al­le­lität von Ver­hand­lun­gen über ei­nen Flächen­ta­rif­ver­trag und Streiks zur Er­zwin­gung ei­nes fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trags nicht ver­letzt. Zwar dürfen Ar­beits­kampf­maßnah­men erst er­grif­fen wer­den, wenn oh­ne sie ein Ta­rif­ab­schluss im We­ge von Ver-


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hand­lun­gen nicht zu er­wir­ken ist (BAG 18. Fe­bru­ar 2003 - 1 ABR 142/02 - BA­GE 105, 5, zu B I der Gründe mwN). Aus der Be­reit­schaft zu Ver­hand­lun­gen über die Re­ge­lung ei­ner Ma­te­rie im Flächen­ta­rif­ver­trag folgt aber nicht et­wa, dass der Ar­beit­ge­ber­ver­band be­reit wäre, auch über die nur für ein be­stimm­tes Mit­glieds­un­ter­neh­men ge­for­der­ten Son­der­re­ge­lun­gen mit Wir­kung für al­le sei­ne Mit­glie­der zu ver­han­deln, und des­halb der Streik für ei­nen fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trag nicht er­for­der­lich wäre.


(3) Durch die­se Gleich­zei­tig­keit wird auch das Ge­bot der Kampf­pa­rität nicht ver­letzt.

(a) Ein funk­tio­nie­ren­des Ta­rif­ver­trags­sys­tem setzt annähernd gleich­ge­wich­ti­ge Ver­hand­lungs­chan­cen der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en vor­aus. Die Aus­ge­stal­tung des Ar­beits­kampf­rechts hat des­halb zu gewähr­leis­ten, dass kei­ne Ta­rif­ver­trags­par­tei der an­de­ren von vorn­her­ein ih­ren Wil­len auf­zwin­gen kann (BAG 12. Sep­tem­ber 1984 - 1 AZR 342/83 - BA­GE 46, 322, zu B II 2 d der Gründe; 10. Ju­ni 1980 - 1 AZR 822/79 - BA­GE 33, 140, zu A IV der Gründe). Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts sind in­so­weit die rea­len Kräfte­verhält­nis­se maßge­bend, oh­ne dass al­le Be­son­der­hei­ten des Ar­beits­kampfs berück­sich­tigt wer­den müss­ten. Der Grund­satz der Pa­rität kann nur Kri­te­ri­en er­fas­sen, die ei­ner ty­pi­sie­ren­den Be­trach­tung zugäng­lich sind. Si­tua­ti­ons­be­ding­te Vor­tei­le blei­ben not­wen­di­ger­wei­se un­berück­sich­tigt (10. Ju­ni 1980 - 1 AZR 822/79 - aaO; BVerfG 26. Ju­ni 1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212, zu C I 3 b aa der Gründe). Die Pa­rität der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en im Ar­beits­kampf setzt ih­re Ab­wehrfähig­keit vor­aus. Die­se darf durch den Ar­beits­kampf nicht grund­le­gend be­ein­träch­tigt wer­den. Zu ihr gehört ua. die So­li­da­rität der Ko­ali­ti­ons­mit­glie­der. Je ge­schlos­se­ner die je­wei­li­ge Ko­ali­ti­on auf­tritt, des­to größer ist ih­re Durch­set­zungs­kraft und um­ge­kehrt. Es ist al­ler­dings grundsätz­lich we­der Sa­che des Kampf­geg­ners noch des Staa­tes, die So­li­da­rität der Ko­ali­ti­ons­mit­glie­der zu gewähr­leis­ten. Dies ist in ers­ter Li­nie Auf­ga­be der Ko­ali­ti­on selbst. Die Mo­bi­li­sie­rung von Mit­glie­dern liegt außer­halb der Ver­ant­wor­tung des Staa­tes. Die­ser ist nicht ver­pflich­tet, Dis­pa­ritäten aus­zu­glei­chen, die nicht struk­tu­rell be­dingt sind, son­dern auf in­ne­ren Schwächen ei­ner Ko­ali­ti­on be­ru­hen (BVerfG 4. Ju­li 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - BVerfGE 92, 365, zu C I 1 c der Gründe).


(b) Nach Maßga­be die­ser Grundsätze ist die Kampf­pa­rität zwi­schen den Par­tei­en nicht be­ein­träch­tigt. Der Kläger hat dem­ge­genüber vor­ge­bracht, durch die ge­gen ein­zel­ne sei­ner Mit­glie­der ge­rich­te­ten Streiks zur Her­beiführung ei­ner fir­men­spe­zi­fi­schen Ta­rif­re­ge­lung wer­de die So­li­da­rität der Mit­glie­der zur Ab­wehr der für ei­nen Flächen­ta-


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rif­ver­trag auf­ge­stell­ten For­de­run­gen mit dem­sel­ben Ge­gen­stands­be­reich ge­schwächt. Die durch fir­men­be­zo­ge­ne Ver­bands­ta­rif­verträge schon ge­bun­de­nen Mit­glie­der hätten an ei­ner Ab­wehr der Re­ge­lung im Flächen­ta­rif­ver­trag kein ei­ge­nes In­ter­es­se mehr. Da­mit fal­le der Be­klag­ten die Durch­set­zung ih­rer Re­ge­lungs­zie­le für den Flächen­ta­rif-ver­trag sehr viel leich­ter.


Dar­aus folgt kei­ne Ver­let­zung des Grund­sat­zes der Kampf­pa­rität. Zum ei­nen be­trifft die pro­gnos­ti­zier­te Ab­nah­me der So­li­da­rität nicht die Pa­rität im Kampf um die er­streb­te Re­ge­lung im fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trag. Sie wirkt sich al­len­falls auf ei­nen mögli­chen Kampf um die Re­ge­lun­gen im Flächen­ta­rif­ver­trag aus. Zum an­de­ren sind die be­haup­te­ten So­li­da­ritäts­de­fi­zi­te ty­pi­scher­wei­se nicht größer als bei ei­ner für ei­nen Flächen­ta­rif­ver­trag er­ho­be­nen ein­heit­li­chen Ta­rif­for­de­rung ge­genüber al­len Ver­bands­mit­glie­dern. Ein­heit­li­che For­de­run­gen der Ge­werk­schaft können stets von den wirt­schaft­lich star­ken Mit­glie­dern eher ver­kraf­tet wer­den als von schwäche­ren. Auch sie führen des­halb zur Be­las­tung der in­ner­ver­band­li­chen So­li­da­rität, oh­ne dass dies recht­lich von Be­deu­tung wäre (für den Teil­streik vgl. BAG 10. Ju­ni 1980 - 1 AZR 822/79 - BA­GE 33, 140, zu A V 3 c der Gründe). Es ist ei­ne An­ge­le­gen­heit des Ver­bands selbst, die erwünsch­te So­li­da­rität al­ler Mit­glie­der durch ge­eig­ne­te ver­bands­in­ter­ne Mit­tel oder ent­spre­chen­de Kampf­maßnah­men zu er­rei­chen (vgl. Lo­bin­ger RdA 2006, 12, 19).


II. Der Hilfs­an­trag zum Haupt­an­trag zu 1 ist nicht zur Ent­schei­dung an­ge­fal­len. Er ist nicht mehr rechtshängig. Der An­trag wur­de, wie sei­ne Be­gründung zeigt, nur für den Fall ge­stellt, dass der Haupt­an­trag zu 1 als Glo­balan­trag mit der Be­gründung ab­ge­wie­sen wird, er er­wei­se sich zu­min­dest in ei­nem Fall als un­be­gründet und könne des­halb ins­ge­samt kei­nen Er­folg ha­ben. Un­ter die­ser Vorraus­set­zung möch­te der Kläger er­rei­chen, dass der An­trag zu­min­dest in den dar­in auf­geführ­ten Fällen für be­gründet er­ach­tet wird. Er hat aber an ei­ner Ent­schei­dung er­sicht­lich kein In­ter­es­se, wenn der Haupt­an­trag nicht mit die­ser Be­gründung, son­dern des­halb ab­ge­wie­sen wird, weil er sich in sämt­li­chen von ihm er­fass­ten Fällen als un­be­gründet er­weist. Dann ist ei­ne Ent­schei­dung auch über die im Hilfs­an­trag be­schrie­be­ne Kon­stel­la­ti­on er­gan­gen.

Die auflösen­de Be­din­gung für die Rechtshängig­keit des Hilfs­an­trags ist ein­ge­tre­ten. Der Haupt­an­trag zu 1 ist in al­len von ihm er­fass­ten Fall­ge­stal­tun­gen un­be­gründet. Die Gleich­zei­tig­keit ei­nes Streiks zur Her­beiführung ei­nes fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trags und der Auf­nah­me von Ver­hand­lun­gen über ei­nen Flächen­ta­rif­ver-


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trag mit glei­chen Re­ge­lungs­ge­genständen führt un­abhängig von den kon­kre­ten For­de­rungs­in­hal­ten nicht zur Rechts­wid­rig­keit des Streiks.


III. Der Haupt­an­trag zu 2 ist un­be­gründet. Der Kläger hat kei­nen An­spruch aus § 1004 Abs. 1 BGB in Verb. mit § 823 Abs. 1 BGB, Art. 9 Abs. 3 GG dar­auf, dass die Be­klag­te in Be­trie­ben mit Be­triebsräten Auf­ru­fe zu Streiks aus An­lass ei­ner kon­kre­ten Be­triebsände­rung un­terlässt, wenn die­se das Ziel ha­ben, ei­nen fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trag her­bei­zuführen, in dem der Aus­gleich oder die Mil­de­rung wirt­schaft­li­cher oder sons­ti­ger Nach­tei­le der Ar­beit­neh­mer aus der Be­triebsände­rung ge­re­gelt wer­den sol­len. Der An­trag er­fasst auch Fall­ge­stal­tun­gen, in de­nen ein ent­spre­chen­der Streik rechtmäßig ist. Da er zu­min­dest in die­sen Fällen un­be­gründet ist, ist er ins­ge­samt ab­zu­wei­sen.


1. Der Un­ter­las­sungs­an­trag zu 2 ist ein Glo­balan­trag. Er er­fasst un­ter den in ihm ge­nann­ten Be­din­gun­gen al­le Streiks zur Her­beiführung ei­nes ta­rif­li­chen Nach­teils­aus­gleichs. Er ist nicht auf Fälle be­schränkt, in de­nen die Be­klag­te ku­mu­la­tiv al­le denk­ba­ren oder doch meh­re­re mögli­che Nach­teils­aus­gleichs­re­ge­lun­gen for­dert. Er er­fasst je­den Streik, der auch nur ei­ne For­de­rung zum Nach­teils­aus­gleich zum Ge­gen­stand hat.

2. Sol­che Streiks sind schon in­so­weit nicht rechts­wid­rig, wie sie auf die Her­beiführung ta­rif­li­cher Ab­fin­dungs­re­ge­lun­gen ge­rich­tet sind. Dann sol­len ta­rif­lich re­gel­ba­re For­de­run­gen durch­ge­setzt wer­den. Die ent­spre­chen­de Re­ge­lungs­kom­pe­tenz der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en folgt aus Art. 9 Abs. 3 GG. Sie wird durch §§ 111, 112 Be­trVG nicht be­schränkt.


a) Die Be­klag­te hat un­ter den Be­din­gun­gen des An­trags zu 2 ei­nen Auf­ruf zum Streik für fir­men­be­zo­ge­ne ver­bands­ta­rif­li­che Ab­fin­dungs­re­ge­lun­gen nicht des­halb zu un­ter­las­sen, weil ein sol­cher Streik um ein Ziel geführt würde, das die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en im Rah­men ih­rer ver­fas­sungs­recht­lich verbürg­ten Ta­rif­au­to­no­mie in­halt­lich nicht re­geln könn­ten.

aa) Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts können Ar­beitskämp­fe nur zur Durch­set­zung ta­rif­lich re­gel­ba­rer Zie­le geführt wer­den (zu­letzt 10. De­zem­ber 2002 - 1 AZR 96/02 - BA­GE 104, 155, zu B I 3 a der Gründe). Dies folgt aus der Hilfs­funk­ti­on des Ar­beits­kampfs zur Si­che­rung der Ta­rif­au­to­no­mie (BVerfG 26. Ju­ni 1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212, zu C I 1 a der Gründe). Im Streit­fall


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be­darf es kei­ner Erörte­rung der Fra­ge, ob die­se Be­schränkung mit den Ver­pflich­tun­gen der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land aus völker­recht­li­chen Verträgen, et­wa aus Teil II Art. 6 Nr. 4 der Eu­ropäischen So­zi­al­char­ta zu ver­ein­ba­ren ist (vgl. da­zu BAG 10. De­zem­ber 2002 - 1 AZR 96/02 - aaO, zu B I 2 a, 3 a der Gründe).


bb) Streiks um ta­rif­li­che Ab­fin­dungs­re­ge­lun­gen wer­den um ta­rif­lich re­gel­ba­re Zie­le geführt. Ta­rif­lich re­gel­bar sind je­den­falls sol­che Zie­le, die sich den in § 1 Abs. 1 TVG auf­geführ­ten mögli­chen Ge­genständen von Rechts­nor­men ei­nes Ta­rif­ver­trags zu­ord­nen las­sen. Ob ei­ne sol­che Zu­ord­nung für sämt­li­che denk­ba­ren Re­ge­lun­gen ei­nes fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trags, mit de­nen wirt­schaft­li­che oder sons­ti­ge Nach­tei­le in­fol­ge ei­ner Be­triebsände­rung aus­ge­gli­chen oder ge­mil­dert wer­den sol­len, möglich ist, be­darf kei­ner Ent­schei­dung. Zu­min­dest Ab­fin­dungs­re­ge­lun­gen sind Rechts­nor­men iSv. § 1 Abs. 1 TVG, die ei­ne Be­en­di­gung von Ar­beits­verhält­nis­sen ord­nen (Fi­schin­ger Ar­beitskämp­fe bei Stand­ort­ver­la­ge­rung und -schließung S. 109 mwN; Rolfs/Cle­mens DB 2003, 1678, 1681; Wie­de­mann/Thüsing TVG 7. Aufl. § 1 Rn. 705). Ihr Rechts­norm­cha­rak­ter steht nicht des­halb in­fra­ge, weil es sich bei ih­nen im Zu­sam­men­hang mit ei­ner kon­kre­ten Be­triebsände­rung nicht mehr um abs­trakt-ge­ne­rel­le Re­geln han­deln würde. Selbst wenn in Ta­rif­verträgen kei­ne Re­ge­lun­gen kon­kre­ter Ein­z­elfälle, son­dern nur abs­trakt-ge­ne­rel­le Fest­le­gun­gen zulässig sein soll­ten (vgl. - die Fra­ge of­fen­las­send - BAG 8. Ju­ni 1983 - 4 AZR 593/80 - mwN), sind ta­rif­li­che Ab­fin­dungs­re­ge­lun­gen kei­ne auf ei­nen Ein­zel­fall be­schränk­te Be­stim­mun­gen. Sie se­hen für ei­ne Viel­zahl von mögli­chen Be­trof­fe­nen nach abs­trak­ten Kri­te­ri­en die Ent­ste­hung von Ansprüchen vor; der Um­stand, dass der An­spruchs­geg­ner stets der­sel­be ist, nimmt den Re­ge­lun­gen nicht ih­ren ge­ne­rel­len Cha­rak­ter.


b) Den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en fehlt auch in Be­trie­ben mit Be­triebs­rat nicht des­halb die Kom­pe­tenz zur Schaf­fung von Ab­fin­dungs­re­ge­lun­gen, weil die kol­lek­ti­ve Re­ge­lung die­ser Ma­te­rie aus­sch­ließlich den Be­triebs­par­tei­en vor­be­hal­ten wäre. Ei­ne sol­che Sperr­wir­kung ord­nen die §§ 111 ff. Be­trVG schon nicht an. Die­se Vor­schrif­ten hin­dern nicht den ein­ver­nehm­li­chen Ab­schluss ei­nes fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trags zum Aus­gleich der mit ei­ner kon­kre­ten Be­triebsände­rung ver­bun­de­nen Nach­tei­le (so auch BAG 6. De­zem­ber 2006 - 4 AZR 798/05 - DB 2007, 1362, zu II 1 c bb der Gründe mwN; Bau­er/Krie­ger NZA 2004, 1019, 1022; Däubler/Zwan­zi­ger TVG 2. Aufl. § 4 Rn. 1018c; Fi­schin­ger S. 126 ff.; Fit­ting 23. Aufl. §§ 112, 112a Rn. 179a; Ho­hen-statt/Schramm DB 2004, 2214, 2217; Kühling/Ber­tels­mann NZA 2005, 1017, 1020; Löwisch DB 2005, 554, 557 f.; Ot­to Ar­beits­kampf und Sch­lich­tungs­recht § 3 Rn. 22;


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Pasch­ke/Rit­schel Ar­buR 2007, 110, 112; Reichold BB 2004, 2814, 2817; Thüsing/Ri­cken JbAr­bR Bd. 42 (2005) S. 113, 122). Ob die vom Kläger be­haup­te­te Sperr­wir­kung der §§ 111 ff. Be­trVG mit Art. 9 Abs. 3 GG über­haupt ver­ein­bar wäre, be­darf kei­ner Ent­schei­dung.

aa) Die ent­spre­chen­de Be­schränkung der grund­ge­setz­lich verbürg­ten Au­to­no­mie der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ist ein­fach­ge­setz­lich nicht ge­re­gelt. Die Exis­tenz der §§ 111 ff. Be­trVG be­sagt dafür nichts. Die Be­stim­mun­gen nor­mie­ren In­halt und Um­fang des Mit­be­stim­mungs­rechts des Be­triebs­rats. Sie ge­ben nicht zu er­ken­nen, dass da­mit Re­ge­lungs­kom­pe­ten­zen der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en aus Art. 9 Abs. 3 GG, § 1 TVG zurück­ge­drängt wer­den soll­ten.

Die Vor­schrif­ten des § 2 Abs. 3, § 112 Abs. 1 Satz 4 Be­trVG spre­chen für das Ge­gen­teil. Sie zei­gen, dass dem Ge­setz­ge­ber die mögli­che Kon­kur­renz ta­rif­li­cher und be­trieb­li­cher Re­ge­lun­gen, ins­be­son­de­re im Ge­gen­stands­be­reich ei­nes So­zi­al­plans durch­aus be­wusst war. Gleich­wohl wur­de das Kon­kur­renz­verhält­nis ge­setz­lich nicht zu­guns­ten ei­ner aus­sch­ließli­chen Zuständig­keit der Be­triebs­par­tei­en auf­gelöst. Zwar hat § 112 Abs. 1 Satz 4 Be­trVG die in § 77 Abs. 3 Be­trVG zu­guns­ten des Ta­rif­ver­trags er­rich­te­te Sperr­wir­kung für be­trieb­li­che So­zi­alpläne be­sei­tigt. Das Ge­setz geht aber er­kenn­bar von ei­nem mögli­chen Ne­ben­ein­an­der bei­der Re­ge­lungs­be­rei­che aus. Auch wenn der Ge­setz­ge­ber des Jah­res 1972 da­bei ins­be­son­de­re an ein Ne­ben­ein­an­der von sei­ner­zeit übli­chen ta­rif­li­chen Ra­tio­na­li­sie­rungs­schutz­ab­kom­men und be­trieb­li­chen Nach­teils­aus­gleichs­re­ge­lun­gen ge­dacht ha­ben dürf­te (vgl. BT-Drucks. VI/1786 S. 66, 67), lässt sich der Vor­schrift nicht ent­neh­men, dass mögli­chen be­triebsnähe­ren ta­rif­li­chen Nach­teils­aus­gleichs­re­ge­lun­gen nicht nur ih­re Vor­rang­stel­lung nach § 77 Abs. 3 Be­trVG ent­zo­gen wer­den, son­dern die Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats in­so­weit schon ei­ne Re­ge­lungs­kom­pe­tenz der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ent­fal­len las­sen soll­te.

bb) Die be­haup­te­te größere Sachnähe des Be­triebs­rats und sei­ne Zuständig­keit für sämt­li­che Ar­beit­neh­mer des Be­triebs vermögen ei­nen Aus­schluss der Re­ge­lungs­kom­pe­tenz der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en nicht zu recht­fer­ti­gen. Dies folgt schon dar­aus, dass es bei den Be­fug­nis­sen des Be­triebs­rats nach §§ 111, 112 Be­trVG und der Er­zwing­bar­keit be­trieb­li­cher So­zi­alpläne ver­bleibt. Für das Verhält­nis bei­der Re­ge­lungs­ebe­nen gilt wie auch sonst das Güns­tig­keits­prin­zip.


cc) Die Re­ge­lungs­be­fug­nis der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en schei­det nicht des­halb aus, weil die dem Un­ter­neh­men zum Zweck des Nach­teils­aus­gleichs ins­ge­samt zur Verfü-


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gung ste­hen­den Mit­tel durch ei­nen ta­rif­li­chen So­zi­al­plan zu Las­ten der nicht ta­rif­ge­bun­de­nen, auf ei­nen be­trieb­li­chen So­zi­al­plan an­ge­wie­se­nen Ar­beit­neh­mer auf­ge­zehrt würden. Ob es zu ei­ner sol­chen Ver­drängung kommt, lässt sich schon in tatsäch­li­cher Hin­sicht nicht ge­ne­rell be­ur­tei­len. Im Übri­gen könn­te die be­trieb­li­che Ei­ni­gungs­stel­le ge­hal­ten sein, das Vor­lie­gen ei­nes ta­rif­li­chen So­zi­al­plans bei ih­ren ei­ge­nen Fest­set­zun­gen der aus­gleichs­pflich­ti­gen Nach­tei­le zu berück­sich­ti­gen und dem­ent­spre­chend et­wa ei­ne An­rech­nung ta­rif­li­cher Ab­fin­dungs­ansprüche auf von ihr be­gründe­te Ab­fin­dungs­for­de­run­gen vor­zu­se­hen.

c) Streiks um den Ab­schluss fir­men­be­zo­ge­ner Ver­bands­ta­rif­verträge zur Re­ge­lung von Ab­fin­dungs­zah­lun­gen we­gen ei­ner kon­kre­ten Be­triebsände­rung sind nicht des­halb rechts­wid­rig, weil sol­che Ta­rif­verträge nicht mit Mit­teln des Ar­beits­kampfs er­zwun­gen wer­den könn­ten.

aa) Ein Streik um ta­rif­li­che Ab­fin­dungs­re­ge­lun­gen ist nicht ge­ne­rell we­gen Ver­let­zung des Verhält­nismäßig­keits­prin­zips rechts­wid­rig. Die Auf­fas­sung, es feh­le an des­sen Er­for­der­lich­keit, weil die Rechts­ord­nung mit den Re­ge­lun­gen der §§ 111 ff. Be­trVG ein fried­li­ches und we­ni­ger be­las­ten­des Ver­fah­ren be­reit­hal­te, um zu ei­nem Nach­teils­aus­gleich für die Ar­beit­neh­mer zu ge­lan­gen (so Thüsing/Ri­cken S. 113, 126 ff.), ist mit Art. 9 Abs. 3 GG nicht zu ver­ein­ba­ren. Sie hält die für die Be­ur­tei­lung der Er­for­der­lich­keit ei­nes Streiks maßgeb­li­che Prüfungs­ebe­ne nicht ein. Ihr liegt nicht die Fra­ge zu­grun­de, ob ein Streik im Hin­blick auf das mit ihm er­streb­te Ziel ei­nes be­stimm­ten Ta­rif­ab­schlus­ses nach Ausschöpfen al­ler an­de­ren Mit­tel not­wen­dig ist. Sie prüft statt­des­sen, ob es für das wirt­schaft­lich ins Au­ge ge­fass­te Ziel des Ab­schlus­ses ei­nes Ta­rif­ver­trags und da­mit der be­tref­fen­den Ta­rif­for­de­rung als sol­cher über­haupt be­darf. Auf die­se Wei­se über­geht sie die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewähr­leis­te­te Einschätzungs­präro­ga­ti­ve der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en und be­schränkt de­ren ko­ali­ti­ons­spe­zi­fi­sche Betäti­gung un­verhält­nismäßig.


bb) Ein Streik um ta­rif­li­che Ab­fin­dungs­re­ge­lun­gen ver­letzt nicht den Grund­satz der Kampf­pa­rität. Das Ver­hand­lungs­gleich­ge­wicht der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ist durch die Exis­tenz von §§ 111, 112 Be­trVG nicht struk­tu­rell zu Las­ten des Ar­beit­ge­ber­ver­bands ver­scho­ben, so dass Streiks um ta­rif­li­che So­zi­alpläne ge­ne­rell zu un­ter­blei­ben hätten. Die Chan­cen des in An­spruch ge­nom­me­nen Ver­bands zur Ab­wehr der ge­werk­schaft­li­chen For­de­rung nach ta­rif­li­chen Ab­fin­dungs­re­ge­lun­gen wer­den nicht da­durch ge­rin­ger, dass der Be­triebs­rat un­abhängig von ei­ner Ge­gen­wehr im Ar­beits­kampf ei­nen be­trieb-

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li­chen So­zi­al­plan er­zwin­gen kann (aA Bau­er/Krie­ger NZA 2004, 1019, 1020, 1023; Rolfs/Cle­mens NZA 2004, 410, 415). Zwar kann sich der be­trof­fe­ne Ar­beit­ge­ber den Kos­ten des be­trieb­lich er­zwing­ba­ren So­zi­al­plans nicht ent­zie­hen. Sei­ne Ver­tei­di­gungsmöglich­kei­ten ge­gen ta­rif­li­che (Mehr-)For­de­run­gen wer­den da­durch aber nicht ge­schmälert (Fi­schin­ger S. 148 f.; wohl auch Ga­mill­scheg § 7 III 5b S. 345). Da der Streik um ta­rif­li­che Ab­fin­dungs­ansprüche, wirt­schaft­lich be­trach­tet, mit dem Ziel ei­ner Auf­sto­ckung be­trieb­lich be­gründe­ter Ansprüche geführt wird und die Be­triebs­par­tei­en ei­ne Ku­mu­la­ti­on der Ansprüche ver­mei­den können, ver­mag sich die kampf­lo­se Er­zwing­bar­keit ei­nes be­trieb­li­chen So­zi­al­plans so­gar ne­ga­tiv auf die Streik­wil­lig­keit der Ar­beit­neh­mer aus­zu­wir­ken.


Im Übri­gen wird die Kampf­pa­rität nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Se­nats durch ar­beits­kampf­be­ding­te Ein­schränkun­gen der Be­tei­li­gungs­rech­te des Be­triebs­rats ge­wahrt und nicht um­ge­kehrt die ver­fas­sungs­recht­lich geschütz­te Ko­ali­ti­ons­betäti­gungs­frei­heit zu­guns­ten des Be­triebs­rats be­schränkt (10. De­zem­ber 2002 - 1 ABR 7/02 - BA­GE 104, 175, zu B III 3 der Gründe).

cc) Eben­so we­nig wird das Ar­beits­kampf­ver­bot des § 74 Abs. 2 Be­trVG berührt. Es rich­tet sich aus­sch­ließlich an die Be­triebs­par­tei­en. Ar­beitskämp­fe der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en wer­den von ihm nicht er­fasst; dies zeigt auch § 2 Abs. 3 Be­trVG.

IV. Der Hilfs­an­trag a) zum Haupt­an­trag zu 2 ist un­be­gründet. Die Be­klag­te muss mit Auf­ru­fen zu Streiks zur Her­beiführung ta­rif­li­cher Nach­teils­aus­gleichs­ansprüche im Zu­sam­men­hang mit ei­ner kon­kre­ten Be­triebsände­rung je­den­falls nicht zu­war­ten, bis das be­trieb­li­che So­zi­al­plan­ver­fah­ren ab­ge­schlos­sen ist. Ei­ne sol­che Pflicht folgt nicht aus ar­beits­kampf­recht­li­chen Grundsätzen. Da die Exis­tenz der §§ 111 ff. Be­trVG ei­nem Streik um ta­rif­li­che Ab­fin­dungs­re­ge­lun­gen nicht ent­ge­gen­steht, be­steht kei­ne Grund­la­ge für ein mit Art. 9 Abs. 3 GG zu ver­ein­ba­ren­des Ge­bot, ei­nen sol­chen Streik mit Rück­sicht auf die zwi­schen den Be­triebs­par­tei­en geführ­ten Ver­hand­lun­gen hint­an­zu­stel­len. Ei­ne da­mit ein­her­ge­hen­de „Zan­gen­wir­kung“ kann im Hin­blick auf die Ko­ali­ti­ons­betäti­gungs­ga­ran­tie je­den­falls nicht zu Las­ten der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en auf­gelöst wer­den (Löwisch DB 2005, 554, 559).

V. Un­be­gründet ist fer­ner der zum Hilfs­an­trag a) ge­stell­te wei­te­re Hilfs­an­trag. Die Be­klag­te hat für die frag­li­chen Streik­auf­ru­fe auch nicht das En­de der be­trieb­li­chen Ver­hand­lun­gen über ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich ab­zu­war­ten. Für ei­ne sol­che Be­schränkung der ko­ali­ti­ons­spe­zi­fi­schen Betäti­gungs­frei­heit aus Art. 9 Abs. 3 GG gibt das Be-

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triebs­ver­fas­sungs­ge­setz nichts her. Für die zeit­li­che Rei­hen­fol­ge von In­ter­es­sen­aus-gleich und So­zi­al­plan gibt es schon auf be­trieb­li­cher Ebe­ne kei­ne aus §§ 111, 112 Be­trVG fol­gen­de zwin­gen­de Vor­ga­be (vgl. Fit­ting §§ 112, 112a Rn. 45, 108). Für ei­nen Nach­teils­aus­gleich durch die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en gilt dies um­so mehr. Auch zei­gen frei­wil­li­ge, vor­sorg­lich ge­schlos­se­ne So­zi­alpläne, dass Re­ge­lun­gen zum Aus­gleich oder zur Mil­de­rung der mit ei­ner Be­triebsände­rung ver­bun­de­nen Nach­tei­le nicht erst bei ge­nau­er Kennt­nis des Ob und Wie der Ände­rung Sinn ma­chen.


VI. Der Hilfs­an­trag b) zum An­trag zu 2 ist eben­falls nicht be­gründet. Mit ihm nimmt der Kläger die Be­klag­te auf die Un­ter­las­sung von Auf­ru­fen zu Streiks in An­spruch, mit de­nen Re­ge­lun­gen in ei­nem fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trag über die Dau­er der Fris­ten für Kündi­gun­gen aus An­lass ei­ner Be­triebsände­rung durch­ge­setzt wer­den sol­len, die länger als ein Jahr be­tra­gen können. Streiks um die Her­beiführung sol­cher Ta­rif­re­ge­lun­gen sind nicht rechts­wid­rig.


1. Streiks um die ta­rif­li­che Re­ge­lung von Kündi­gungs­fris­ten wer­den um ein ta­rif­lich re­gel­ba­res Ziel geführt. Ta­rif­li­che Be­stim­mun­gen über die Dau­er von Kündi­gungs­fris­ten sind In­halts­nor­men iSv. § 1 Abs. 1 TVG (vgl. Wie­de­mann/Thüsing § 1 Rn. 693). Ih­re Verlänge­rung über die ge­setz­li­che Dau­er hin­aus ist gem. § 622 Abs. 4 BGB zulässig.

2. Streiks zur Her­beiführung ta­rif­li­cher Fris­ten für be­triebs(ände­rungs)be­ding­te Kündi­gun­gen von ggf. mehr als ei­nem Jahr Dau­er sind nicht we­gen des Um­fangs der Ta­rif­for­de­rung rechts­wid­rig. Streik­for­de­run­gen ei­ner Ge­werk­schaft, de­ren Ge­gen­stand grundsätz­lich ta­rif­lich re­gel­bar ist, un­ter­lie­gen kei­ner ge­richt­li­chen Über­maßkon­trol­le. Ei­ne sol­che Kon­trol­le verstößt ge­gen die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewähr­leis­te­te Ko­ali­ti­ons­betäti­gungs­frei­heit der Ge­werk­schaf­ten und stellt die Funk­ti­onsfähig­keit der Ta­rif­au­to­no­mie in Fra­ge.

a) Art. 9 Abs. 3 GG schützt ei­ne Ar­beit­neh­mer­ko­ali­ti­on in ih­rem Be­stand, ih­rer or­ga­ni­sa­to­ri­schen Aus­ge­stal­tung und ih­rer Betäti­gung, so­fern die­se der Förde­rung der Ar­beits- und Wirt­schafts­be­din­gun­gen die­nen (BVerfG 10. Sep­tem­ber 2004 - 1 BvR 1191/03 - AP GG Art. 9 Ar­beits­kampf Nr. 167 = EzA GG Art. 9 Ar­beits­kampf Nr. 136, zu B II 1 der Gründe mwN; BAG 19. Sep­tem­ber 2006 - 1 ABR 53/05 - AP Be­trVG 1972 § 2 Nr. 5 = EzA GG Art. 9 Nr. 89, zu B IV 2 a der Gründe mwN). Auf dem Ge­biet der Ar­beits- und Wirt­schafts­be­din­gun­gen hat der Staat dem­ent­spre­chend sei­ne Re­ge­lungs­zuständig­keit zu­guns­ten der ei­gen­ver­ant­wort­li­chen Schaf­fung von Rechts­re­geln


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durch die Ko­ali­tio­nen weit zurück­ge­nom­men (BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - BVerfGE 44, 322, zu B II 1 b aa der Gründe mwN). Dies gilt so­wohl hin­sicht­lich der Mit­tel zur Her­beiführung als auch und ins­be­son­de­re hin­sicht­lich des In­halts der ge­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen.


Zwar gilt die Norm­set­zungs­präro­ga­ti­ve der Ko­ali­tio­nen nicht schran­ken­los. Es ist viel­mehr Sa­che des für die Ord­nung des Ar­beits­le­bens sub­si­diär wei­ter­hin zuständig blei­ben­den Ge­setz­ge­bers, die Betäti­gungs­ga­ran­tie der Ko­ali­tio­nen in sach­ge­rech­ter Wei­se aus­zu­ge­stal­ten (BVerfG 24. Mai 1977 - 2 BvL 11/74 - BVerfGE 44, 322, zu B II 1 b bb der Gründe mwN). Auch ha­ben dort, wo ge­setz­li­che Vor­ga­ben - wie auf dem Ge­biet des Ar­beits­kampf­rechts - un­zu­rei­chend sind oder feh­len, an­stel­le des Ge­setz­ge­bers die Ge­rich­te für ei­ne sach­ge­rech­te Aus­ge­stal­tung der Betäti­gungs­frei­heit zu sor­gen (BVerfG 26. Ju­ni 1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212, zu C I 2 a der Gründe). Da­bei ist je­doch dar­auf zu ach­ten, dass Ein­schränkun­gen der ver­fas­sungs­recht­lich ga­ran­tier­ten Betäti­gungs­frei­heit der Ko­ali­tio­nen nur dann mit Art. 9 Abs. 3 GG ver­ein­bar sind, wenn sie ent­we­der dem Schutz des je­wei­li­gen Ko­ali­ti­ons­part­ners und da­mit ge­ra­de der Er­hal­tung der Funk­ti­onsfähig­keit der Ta­rif­au­to­no­mie oder dem Schutz der Grund­rech­te Drit­ter die­nen oder sie durch die Rück­sicht auf an­de­re Rech­te mit Ver­fas­sungs­rang ge­recht­fer­tigt sind (vgl. BVerfG 26. Ju­ni 1991 - 1 BvR 779/85 - aaO, zu C I 3 a der Gründe; 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - BVerfGE 94, 368, zu C II 1 der Gründe).


b) Grundsätz­lich überlässt Art. 9 Abs. 3 GG die Wahl der Mit­tel, mit de­nen die Ko­ali­tio­nen die Förde­rung der Ar­beits- und Wirt­schafts­be­din­gun­gen er­rei­chen wol­len, ih­nen selbst. Ei­ne ge­richt­li­che Kon­trol­le des Um­fangs von Streik­for­de­run­gen, die auf ta­rif­lich re­gel­ba­re Zie­le ge­rich­tet sind, be­schränkt die Ko­ali­ti­ons­betäti­gungs­frei­heit von Ge­werk­schaf­ten un­verhält­nismäßig.


aa) Die Höhe ei­ner Streik­for­de­rung hat auf die Kampf­pa­rität kei­nen Ein­fluss. Zu de­ren Gewähr­leis­tung be­darf es des­halb kei­ner ge­richt­li­chen Über­prüfung des For­de­rungs­um­fangs. Zwar mag die Streik­be­reit­schaft durch ho­he Ta­rif­for­de­run­gen be­ein­flusst wer­den können. Da­durch wer­den aber die Re­ak­ti­onsmöglich­kei­ten der Ar­beit­ge­ber­sei­te nicht in ei­ner Wei­se be­schränkt, dass staat­li­che Ein­grif­fe zur Her­stel­lung des nöti­gen Gleich­ge­wichts er­for­der­lich würden.


bb) Die Über­maßkon­trol­le von Streik­zie­len ist nicht zum Schutz von Grund­rech­ten des Ko­ali­ti­ons­part­ners ge­bo­ten. Die Höhe ei­ner Streik­for­de­rung greift nicht in grund-


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recht­lich geschütz­te Rechts­po­si­tio­nen der Ar­beit­ge­ber aus Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG ein. Von ei­ner für ein ta­rif­lich re­gel­ba­res Ziel er­ho­be­nen Streik­for­de­rung als sol­cher geht kei­ne Be­ein­träch­ti­gung aus. Ei­ne bloße Ta­rif­for­de­rung hat kei­ne rechts­ge­stal­ten­de, für den Geg­ner ver­bind­li­che Wir­kung (ErfK/Die­te­rich Art. 9 GG Rn. 112). Der Um­fang ei­ner Streik­for­de­rung ist kei­ne recht­lich be­deut­sa­me Größe. Die Aus­sicht auf ei­ne un­ein­ge­schränk­te Um­set­zung ei­nes Streik­ziels be­steht ty­pi­scher­wei­se nicht. Ei­ne Streik­for­de­rung rech­net mit dem Wi­der­stand der Ar­beit­ge­ber­sei­te. Sie geht aus den ver­schie­dens­ten Mo­ti­ven re­gelmäßig über das­je­ni­ge Maß hin­aus, bei des­sen Er­rei­chen die Ge­werk­schaft zum Ta­rif­ab­schluss be­reit ist. Sie hat die Funk­ti­on, die je­wei­li­gen Mit­glie­der zu mo­ti­vie­ren und Ta­rif­ver­hand­lun­gen zunächst ein­mal in Gang zu brin­gen (Kühling/Ber­tels­mann NZA 2005, 1017, 1020 f.). Mit der Rechts­kon­trol­le schon des Um­fangs der Streik­for­de­rung würde des­halb ei­ne nur po­ten­ti­el­le Norm in Un­kennt­nis ih­rer späte­ren Kon­kre­ti­sie­rung auf ei­ne mögli­che Grund­rechts­wid­rig­keit über­prüft. Das ist mit der Ko­ali­ti­ons­betäti­gungs­frei­heit der Ge­werk­schaf­ten aus Art. 9 Abs. 3 GG nicht zu ver­ein­ba­ren und wi­derspräche dem Grund­ge­dan­ken der Ta­rif­au­to­no­mie (BVerfG 26. Ju­ni 1991 - 1 BvR 779/85 - BVerfGE 84, 212, zu C I 3 b cc der Gründe; BAG 10. Ju­ni 1980 - 1 AZR 168/79 - BA­GE 33, 185, zu B I 2 b der Gründe; aA Fi­schin­ger S. 166 ff.; Löwisch DB 2005, 554, 559; Ot­to FS Kon­zen S. 663 ff.; Rieb­le ZfA 2004, 1, 23; Rolfs/Cle­mens DB 2003, 1678, 1681). Die­se be­steht auch dar­in, selbst über Ar­beits­kampf­mo­da­litäten und -stra­te­gi­en und da­mit ua. über das als er­for­der­lich an­ge­se­he­ne Maß ei­ner Streik­for­de­rung ent­schei­den zu können. Ih­re Gren­ze liegt dort, wo die Streik­for­de­rung ge­zielt auf die wirt­schaft­li­che Exis­tenz­ver­nich­tung des Geg­ners ge­rich­tet und da­mit vom Schutz­be­reich des Art. 9 Abs. 3 GG nicht mehr ge­deckt ist (BAG 21. April 1971 - GS 1/68 - BA­GE 23, 292, zu III A 2 b der Gründe).


cc) Der Ver­zicht auf ei­ne Über­maßkon­trol­le steht nicht im Wi­der­spruch zur Rechts­kon­trol­le von Streik­zie­len, wie sie der Se­nat et­wa in sei­ner Ent­schei­dung vom 10. De­zem­ber 2002 (- 1 AZR 96/02 - BA­GE 104, 155, zu B I 3 der Gründe) vor­ge­nom­men hat. In dem zu­grun­de lie­gen­den Fall wur­de der Streik ua. um Zie­le geführt, die un­be­scha­det ih­res Um­fangs rechts­wid­rig wa­ren und die Kom­pe­tenz­gren­ze des Art. 9 Abs. 3 GG über­schrit­ten. Ein sol­cher Streik ist ver­fas­sungs­recht­lich nicht geschützt.

VII. Der zum Hilfs­an­trag b) ge­stell­te wei­te­re Hilfs­an­trag hat aus den­sel­ben Gründen kei­nen Er­folg. Die vor­ste­hen­den Erwägun­gen tref­fen auf das mit ihm ver­folg­te Un­ter­las­sungs­be­geh­ren des Klägers glei­cher­maßen zu.


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VIII. Auch der Hilfs­an­trag c) zum An­trag zu 2 ist nicht be­gründet. Streiks zur Her­beiführung fir­men­be­zo­ge­ner Ver­bands­ta­rif­verträge, mit de­nen Ansprüche auf die Durchführung von Qua­li­fi­zie­rungs­maßnah­men nach Aus­spruch von Kündi­gun­gen aus An­lass ei­ner Be­triebsände­rung un­ter Gewährung ei­ner der Vergütung aus dem Ar­beits­verhält­nis ent­spre­chen­den fi­nan­zi­el­len Leis­tung be­gründet wer­den sol­len, sind nicht ge­ne­rell rechts­wid­rig.

1. Sol­che Streiks sind auf ein nach § 1 Abs. 1 TVG ta­rif­lich re­gel­ba­res Ziel ge­rich­tet. Ta­rif­li­che Be­stim­mun­gen über Qua­li­fi­zie­rungs­maßnah­men sind Rechts­nor­men, die die Be­en­di­gung von Ar­beits­verhält­nis­sen re­geln (LAG Schles­wig-Hol­stein 27. März 2003 - 5 Sa 137/03 - AP GG Art. 9 Ar­beits­kampf Nr. 165, zu B II 1.4 der Gründe; Fi­schin­ger S. 116 ff.; Kühling/Ber­tels­mann NZA 2005, 1017, 1026; Lo­bin­ger in Rieb­le Zu­kunft des Ar­beits­kamp­fes S. 56). Dies folgt aus Sys­te­ma­tik und Sinn und Zweck von § 1 Abs. 1 TVG; der Wort­laut der Vor­schrift steht dem nicht ent­ge­gen.

Qua­li­fi­zie­rungs­maßnah­men im An­schluss an die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses sind wirt­schaft­lich und funk­tio­nal mit Ab­fin­dungs­leis­tun­gen ver­gleich­bar. Wie die­se er­le­gen sie dem Ar­beit­ge­ber Leis­tun­gen zur Über­brückung von Zei­ten der Ar­beits­lo­sig­keit auf. Von Ab­fin­dun­gen als zu die­sem Zweck zu leis­ten­den Ein­mal­zah­lun­gen un­ter­schei­den sie sich durch die zeit­li­che Stre­ckung der Be­las­tung. Für die funk­tio­na­le Ver­gleich­bar­keit bei­der Leis­tungs­for­men spricht § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2a Be­trVG. Da­nach soll die Ei­ni­gungs­stel­le die Förde­rungsmöglich­kei­ten nach §§ 216a ff. SGB III zur Ver­mei­dung von Ar­beits­lo­sig­keit berück­sich­ti­gen. Es wäre wi­dersprüchlich, den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en die Kom­pe­tenz zur Schaf­fung sol­cher Re­ge­lun­gen ab­zu­er­ken­nen.

2. Im Übri­gen gel­ten die vor­ste­hen­den Ausführun­gen zu VI er­neut in glei­cher Wei­se.


IX. Der Zah­lungs­an­spruch ist un­be­gründet. Der Kläger macht aus ab­ge­tre­te­nem Recht Scha­dens­er­satz­ansprüche we­gen des Streiks im Kie­ler Be­trieb der HDM-AG in den Mo­na­ten März und April 2003 gel­tend. Der auf § 823 Abs. 1 BGB gestütz­te An­spruch we­gen ei­ner Ver­let­zung des Rechts am ein­ge­rich­te­ten und aus­geübten Ge­wer­be­be­trieb be­steht nicht. Die Streik­maßnah­men der Be­klag­ten wa­ren nicht rechts­wid­rig.

1. Der Streik wur­de um ta­rif­lich re­gel­ba­re Zie­le geführt. 


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a) Maßgeb­lich für den In­halt der mit ei­nem Streik ver­folg­ten Zie­le sind die dem Geg­ner in Form des kon­kre­ten von den da­zu le­gi­ti­mier­ten Gre­mi­en der Ge­werk­schaft ge­trof­fe­nen Streik­be­schlus­ses über­mit­tel­ten Ta­rif­for­de­run­gen (Kis­sel § 42 Rn. 2; Ot­to § 5 Rn. 2). Sons­ti­ge Ver­laut­ba­run­gen nicht ver­tre­tungs­be­rech­tig­ter Mit­glie­der der Ge­werk­schaft sind zur Be­stim­mung des Streik­ziels schon aus Gründen der Rechts­si­cher­heit und um der Un­be­fan­gen­heit der Mei­nungs­bil­dung in­ner­halb der Ge­werk­schaft wil­len un­maßgeb­lich (BVerfG 4. Ju­li 1995 - 1 BvF 2/86 ua. - BVerfGE 92, 365, zu C II 2 a der Gründe).


b) Da­nach wa­ren die von der Be­klag­ten mit dem Streik ver­folg­ten Zie­le ta­rif­lich re­gel­bar. Nach den ge­sam­ten Umständen ist da­von aus­zu­ge­hen, dass der Streik­be­schluss der Be­klag­ten in­halt­lich den Ta­rif­for­de­run­gen ent­sprach, die sie dem Kläger mit Schrei­ben vom 18. De­zem­ber 2002 über­mit­telt hat­te, und dass für den Kläger hin­rei­chend deut­lich er­kenn­bar war, es wer­de um die­se Zie­le gekämpft. Nähe­re Fest­stel­lun­gen hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt zwar nicht ge­trof­fen. Die Par­tei­en ha­ben die­sen Punkt je­doch an kei­ner Stel­le pro­ble­ma­ti­siert, der Kläger hat die Rechtmäßig­keit des Streiks un­ter die­sem Ge­sichts­punkt zu kei­ner Zeit in Fra­ge ge­stellt. Der Streik­be­schluss hat­te da­nach das Ver­lan­gen nach ei­ner Re­ge­lung von Fris­ten für be­triebs­be­ding­te Kündi­gun­gen, von Ansprüchen auf Qua­li­fi­zie­rungs­maßnah­men und von Ab­fin­dungs­zah­lun­gen zum In­halt. Die­se For­de­run­gen ent­hal­ten, wie dar­ge­legt, sämt­lich ta­rif­lich re­gel­ba­re Zie­le iSv. § 1 Abs. 1 TVG.

c) Ei­ne For­de­rung nach dem Ver­zicht auf die ge­plan­te Be­triebsände­rung ist nicht In­halt des Streik­be­schlus­ses. Dar­auf, ob sie an­dern­falls zulässig wäre, kommt es nicht an. Al­ler­dings ist in dem Schrei­ben der Be­klag­ten vom 18. De­zem­ber 2002 die Re­de da­von, dass „es un­se­re ge­mein­sa­me Ver­ant­wor­tung als Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ist, da­zu bei­zu­tra­gen, dass der Kie­ler Stand­ort ge­si­chert und nach­tei­li­ge Fol­gen für die Beschäftig­ten des Un­ter­neh­mens und die Re­gi­on ver­mie­den oder ge­min­dert wer­den“. Zu­gleich heißt es je­doch, zu die­sem Zweck schla­ge die Be­klag­te vor, mit ihr in Ver­hand­lun­gen „über ei­nen auf den Kie­ler Be­trieb (der HDM-AG) be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trag ein­zu­tre­ten“. Der Ta­rif­ver­trag sol­le „für den Fall gel­ten, dass es trotz der Bemühun­gen des Be­triebs­ra­tes zu Pro­duk­ti­ons­ver­la­ge­rung und be­triebs­be­ding­ten Kündi­gun­gen kommt“. Dar­aus wird deut­lich, dass der Streik um For­de­run­gen für den Fall der Stand­ort­ver­la­ge­rung geführt wur­de und nicht um For­de­run­gen, die die ge­plan­te Maßnah­me selbst be­tra­fen (eben­so LAG Schles­wig-Hol­stein 27. März 2003 - 5 Sa 137/03 - AP GG Art. 9 Ar­beits­kampf Nr. 165, zu B II 1.1 der Gründe in dem dem vor­lie­gen­den Ver­fah­ren vo-


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raus­ge­gan­ge­nen Ver­fah­ren auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung). Auch blie­be an­sons­ten gänz­lich un­klar, um wel­che kon­kre­ten Ta­rif­for­de­run­gen, in die der Kläger hätte ein­wil­li­gen sol­len, der Streik geführt wur­de.


2. Die Rechts­wid­rig­keit des Streiks folgt nicht dar­aus, dass die For­de­run­gen der Be­klag­ten je­den­falls in ih­rer Sum­me ge­eig­net ge­we­sen wären, die von der HDM-AG ge­plan­te Ver­la­ge­rung von Tei­len ih­rer Pro­duk­ti­on an an­de­re Stand­or­te fak­tisch zu ver­hin­dern oder wirt­schaft­lich un­sin­nig zu ma­chen. Wie aus­geführt, fin­det ei­ne ge­richt­li­che Über­maßkon­trol­le von bloßen Streik­for­de­run­gen nicht statt.


3. Der Streik ver­stieß nicht ge­gen die ta­rif­li­che Frie­dens­pflicht.

a) Ein Ar­beit­ge­ber­ver­band und die ihm an­gehören­den Ar­beit­ge­ber sind durch die sich aus den Ver­bands­ta­rif­verträgen er­ge­ben­de Frie­dens­pflicht ge­gen ei­nen Streik geschützt, der auf den Ab­schluss von Fir­men- oder fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­verträgen über die­sel­be Re­ge­lungs­ma­te­rie ge­rich­tet ist. Die Frie­dens­pflicht muss nicht ge­son­dert ver­ein­bart wer­den. Sie ist dem Ta­rif­ver­trag als ei­ner Frie­dens­ord­nung im­ma­nent (BAG 10. De­zem­ber 2002 - 1 AZR 96/02 - BA­GE 104, 155, zu B I 2 a der Gründe mwN). Der Ta­rif­ver­trag ist in sei­nem schuld­recht­li­chen Teil, zu dem die Frie­dens­pflicht gehört, zu­gleich ein Ver­trag zu­guns­ten Drit­ter. Er schützt die Mit­glie­der der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en da­vor, hin­sicht­lich der ta­rif­lich ge­re­gel­ten Ma­te­rie mit Ar­beits­kampf­maßnah­men über­zo­gen zu wer­den (BAG 10. De­zem­ber 2002 - 1 AZR 96/02 - aaO mwN). Die Frie­dens­pflicht en­det mit Ab­lauf der be­tref­fen­den ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen, so­weit sie für die­sen Fall nicht durch zusätz­li­che Ab­re­den der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en verlängert wird.


b) Da­nach war die Be­klag­te nicht ge­hin­dert, für ih­re Ta­rif­for­de­run­gen ab An­fang März 2003 zu strei­ken. Dem stan­den we­der gel­ten­de Ta­rif­be­stim­mun­gen noch § 3 Abs. 1 der für die Par­tei­en gel­ten­den Sch­lich­tungs- und Schieds­ver­ein­ba­rung für die Me­tall­in­dus­trie vom 1. Ja­nu­ar 1980 ent­ge­gen.

aa) Al­ler­dings enthält § 14 MTV Re­ge­lun­gen über die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses von ge­werb­li­chen Ar­beit­neh­mern - § 14 Nr. 2.1 MTV - und An­ge­stell­ten - § 14 Nr. 2.2 MTV -. Sie se­hen un­ter­schied­lich lan­ge Kündi­gungs­fris­ten vor und er­fas­sen je­de vom Ar­beit­ge­ber aus­zu­spre­chen­de Kündi­gung. Da­mit war zu­min­dest ei­ne der Ta­rif­for­de­run­gen der Be­klag­ten ta­rif­lich ge­re­gelt. Die Be­klag­te hat § 14 Nr. 1, 2 und 5


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MTV je­doch mit Schrei­ben vom 18. De­zem­ber 2002 zum 31. Ja­nu­ar 2003 ge­genüber dem Kläger gekündigt. Die­se Kündi­gung war wirk­sam.

(1) Zwar hat die Be­klag­te aus­sch­ließlich die ge­nann­ten Ta­rif­be­stim­mun­gen gekündigt und ist die Kündi­gung nur von Tei­len ei­nes Ta­rif­werks grundsätz­lich aus­ge­schlos­sen (BAG 3. Mai 2006 - 4 AZR 795/05 - AP TVG § 1 Kündi­gung Nr. 8 = EzA TVG § 1 Nr. 47, zu II 1 b bb (1) mwN). Die Teilkündi­gung ei­nes Ta­rif­ver­trags ist aber dann zulässig, wenn dies aus­drück­lich ver­ein­bart wur­de (BAG 3. Mai 2006 - 4 AZR 795/05 - aaO). Das ist hier der Fall. Nach § 17 Nr. 3.4 MTV können - ne­ben zu­vor be­son­ders ge­nann­ten Re­ge­lun­gen - „die übri­gen Be­stim­mun­gen die­ses Ta­rif­ver­trags ... ins­ge­samt oder ge­trennt mit ei­ner Frist von ei­nem Mo­nat zum Mo­nats­en­de gekündigt wer­den“. Nach § 17 Nr. 3.5 MTV hat die Kündi­gung schrift­lich zu er­fol­gen.

Da­nach konn­te die Be­klag­te die Vor­schrift des § 14 MTV nicht nur als gan­ze iso­liert kündi­gen, son­dern zu­min­dest auch die dort un­ter se­pa­ra­ten ein­ziff­ri­gen Num­mern zu­sam­men­ge­fass­ten Ein­zel­re­ge­lun­gen, wie et­wa § 14 Nr. 2 MTV. Das er­gibt die Aus­le­gung. Ge­samt­zu­sam­men­hang und Sinn und Zweck von § 17 Nr. 3.4 MTV spre­chen dafür, dass als „Be­stim­mung“ im Sin­ne die­ser Vor­schrift nicht nur die zu ei­nem Pa­ra­gra­fen zu­sam­men­ge­fass­ten Re­ge­lun­gen in ih­rer je­wei­li­gen Ge­samt­heit zu ver­ste­hen sind, son­dern auch ein­zel­ne Re­ge­lun­gen in­ner­halb die­ser Pa­ra­gra­fen. In § 17 Nr. 3.1 und Nr. 3.3 MTV wird für § 3 und § 6 MTV bei der Be­fug­nis zur iso­lier­ten Kündi­gung zwi­schen den ein­zel­nen Zif­fern in­ner­halb die­ser Pa­ra­gra­fen aus­drück­lich un­ter­schie­den. Es ist nicht an­zu­neh­men, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en die­se Möglich­keit für „die übri­gen Be­stim­mun­gen die­ses Ta­rif­ver­trags“ nicht zu­las­sen woll­ten, oh­ne dass sie dies klar aus­ge­drückt hätten. § 17 Nr. 3 MTV gibt außer­dem zu er­ken­nen, dass es im Be­stre­ben der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en lag, ei­ne möglichst punk­tu­el­le Re­ak­ti­on auf Ände­rungs­bedürf­nis­se zu ermögli­chen, die sich im kom­ple­xen Re­ge­lungs­werk des MTV an be­stimm­ten Stel­len ergäben. Sie ha­ben da­bei zwar Dif­fe­ren­zie­run­gen nach der Länge der je­weils ein­zu­hal­ten­den Kündi­gungs­frist für ei­ne Teilkündi­gung vor­ge­nom­men, die­se aber als sol­che er­sicht­lich in wei­test­ge­hen­dem Um­fang ermögli­chen wol­len.


Die iso­lier­te Kündi­gung von § 14 Nr. 1, 2 und 5 MTV führt - un­be­scha­det ei­ner Nach­wir­kung der Re­ge­lun­gen - auch nicht zu Sinn­wi­dersprüchen in­ner­halb der un­gekündig­ten Re­ge­lun­gen. Der in § 14 Nr. 3.1 MTV vor­ge­se­he­ne Aus­schluss der or­dent­li­chen Kündi­gung von Ar­beit­neh­mern, die das 55. Le­bens­jahr er­reicht und ei­ne Be­triebs­zu­gehörig­keit von min­des­tens fünf Jah­ren ha­ben, ist ei­ne Re­ge­lung, die nicht


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da­durch be­deu­tungs­los wird, dass die Kündi­gungs­fris­ten außer­halb ih­res An­wen­dungs­be­reichs an­ders als bis­her ge­re­gelt wer­den sol­len.

(2) Die Kündi­gung sei­tens der Be­klag­ten ist nicht rechts­miss­bräuch­lich. Auch wenn sie, wie vom Kläger un­ter­stellt, nur den Zweck ge­habt ha­ben soll­te, die Frie­dens­pflicht aus § 14 Nr. 2 MTV zu­guns­ten der Möglich­keit der Her­beiführung ei­nes fir­men­be­zo­ge­nen Ver­bands­ta­rif­ver­trags zu be­sei­ti­gen, oh­ne die gekündig­ten Re­ge­lun­gen des Flächen­ta­rif­ver­trags wirk­lich er­set­zen zu wol­len, verstößt dies nicht ge­gen Treu und Glau­ben iSv. § 242 BGB. Ein sol­ches Ver­hal­ten ist von Art. 9 Abs. 3 GG ge­deckt. Die Be­klag­te hat von ih­rem Ko­ali­ti­ons­betäti­gungs­recht Ge­brauch ge­macht.

(3) Bei Streik­be­ginn war das für vier Wo­chen nach Ab­lauf ei­nes Ta­rif­ver­trags gel­ten­de Streik­ver­bot des § 3 Abs. 1 der Sch­lich­tungs- und Schieds­ver­ein­ba­rung vom 1. Ja­nu­ar 1980 ab­ge­lau­fen.

4. Die Be­klag­te hat mit dem Streik nicht, wie der Kläger meint, in un­zulässi­ger Wei­se ein Ar­beits­kampf­ver­bot um­gan­gen. Ein rechtmäßiger Streik um­geht kein Ar­beits­kampf­ver­bot. Ein sol­ches be­steht dann nicht.

X. Der Fest­stel­lungs­an­trag des Klägers ist un­be­gründet. Die Be­klag­te hat Rechts­po­si­tio­nen des Klägers nicht ver­letzt. Ver­trag­li­che Ansprüche sind nicht berührt. Die Be­klag­te hat nicht ge­gen die schuld­recht­li­che Frie­dens­pflicht aus dem MTV ver­s­toßen. De­lik­ti­sche Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB in Verb. mit Art. 9 Abs. 3 GG be­ste­hen nicht. Da der ge­genüber der HDM-AG als ei­nem Mit­glieds­un­ter­neh­men des Klägers geführ­te Streik nicht rechts­wid­rig war, ist auch der Kläger in sei­nem Ko­ali­ti­ons­betäti­gungs­recht nicht ver­letzt. Auf die Fra­ge, ob der Ver­lust von Mit­glieds­beiträgen über­haupt ein nach § 823 Abs. 1 BGB zu er­set­zen­der Scha­den sein kann, kommt es nicht an.


Schmidt 

Lin­sen­mai­er 

Kreft

Für den am 30.4.07 aus­ge­schie­de­nen eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Metz Schmidt 

Pla­tow

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