HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Hamm, Ur­teil vom 06.03.2006, 16 Sa 76/05

   
Schlagworte: Mobbing, Kündigung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 16 Sa 76/05
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 06.03.2006
   
Leitsätze:

 

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Dortmund
   

16 Sa 76/05

8 (4) Ca 5534/04
Ar­beits­ge­richt Dort­mund 8 AZR 593/06
Ur­teil auf­ge­ho­ben, zurück­ver­wie­sen
25.10.2007  

 

Verkündet am 06.03.2006:

Brügge­mann
Reg.-Ang.,
als Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In Sa­chen

Dr. P1xxx B1xxxx, C1xxxxxxxxxx S1x. 11x a1, 41xxx L1xxx

- Kläger und Be­ru­fungskläger -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­ter:
Rechts­an­walt M1xxxxx H1xxxxx, B2xxxxxxxx. 31, 42xxx H2xxxxxxx

ge­gen

S2xxxxxx S3. M2xxxx H3xxxxxx L1xxx als T1xxxxxx des S3. M2xxxx H3xxxxxx L1xxx, ver­tre­ten durch das K1xxxxxxxx, die­ses ver­tre­ten durch den Ku­ra­to­ri­ums­vor­sit­zen­den H4xx K2xxxx, A2xxxxxxxxx. 21, 41xxx L1xxx

- Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:
Rechts­anwälte P2xxx, E1xxxx, T2xxxxxx, P3xxxxxxxx 32 a1, 43xxx L1xxx

hat die 16. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 06.03.2006
durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt Hack­mann
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter G1xxxxxxxx und Eßmann

für Recht er­kannt:

 

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Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Dort­mund vom 22.12.2004 – 8 (4) Ca 5534/04 – wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

T a t b e s t a n d

Der Kläger macht Ansprüche we­gen Mob­bings gel­tend.

Der am 11.04.1950 ge­bo­re­ne Kläger ist seit dem 15.08.1987 als Arzt in dem Kran­ken­haus der Be­klag­ten beschäftigt. Er ist ver­hei­ra­tet und hat zwei un­ter­halts­be­rech­tig­te Kin­der. Dem Ar­beits­verhält­nis liegt der schrift­li­che Ar­beits­ver­trag vom 28.07.1987 (Bl. 34 – 35 d.A.) zu­grun­de. Da­nach fin­den die Richt­li­ni­en für Ar­beits­verträge in den Ein­rich­tun­gen des Deut­schen Ca­ri­tas­ver­ban­des (AVR) An­wen­dung. Ei­ne Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung ist ge­bil­det. Der Kläger, der als As­sis­tenz­arzt für die Neu­ro­chir­ur­gi­sche Ab­tei­lung ein­ge­stellt wor­den war, wur­de am 01.12.1990 zum Ober­arzt befördert und ist seit dem 01.07.1992 ers­ter Ober­arzt. Als sol­cher nahm er die kom­mis­sa­ri­sche Lei­tung der Neu­ro­chir­ur­gi­schen Kli­nik wahr, nach­dem An­fang 2001 der da­ma­li­ge Chef­arzt Dr. T3xx aus­ge­schie­den war. Die Be­wer­bung des Klägers um des­sen Nach­fol­ge blieb er­folg­los. Am 01.10.2001 über­nahm der ex­ter­ne Be­wer­ber Dr. H6xxx die Po­si­ti­on des Chef­arz­tes der Neu­ro­chir­ur­gi­schen Kli­nik. Von die­sem fühlt sich der Kläger seit Mai 2002 ge­mobbt. Ab dem 13.11.2003 war der Kläger we­gen ei­ner psy­chi­schen Er­kran­kung ar­beits­unfähig und be­fand sich bis zum 11.02.2004 in sta­ti­onärer, da­nach in am­bu­lan­ter Be­hand­lung. In der Zeit vom 07.05. bis 19.05.2004 un­ter­nahm er ei­nen Wie­der­ein­glie­de­rungs­ver­such, der er­folg­los ab­ge­bro­chen wur­de. Nach wei­te­rer Ar­beits­unfähig­keit und Ur­laub nahm der Kläger am 19.07.2004 sei­ne Ar­beit wie­der auf. Seit Ok­to­ber 2004 ist er durch­ge­hend ar­beits­unfähig.

Nach­dem der Kläger im März 2003 ers­te Vorwürfe ge­gen Dr. H6xxx er­ho­ben hat­te, führ­te der Ver­wal­tungs­di­rek­tor W2xxxxx der Be­klag­ten ei­ne Rei­he von Gesprächen mit den bei­den be­trof­fe­nen Ärz­ten so­wie mit Ärz­ten und Mit­ar­bei­tern der Neu­ro­chir­ur­gi­schen Ab­tei­lung. Im Som­mer 2003 schal­te­te der Kläger ei­nen Rechts­an­walt ein. Der Ver­such, im Ju­ni 2003 im Rah­men ei­nes Kon­fliktlösungs­ver­fah­rens un­ter Lei­tung ei­nes ex­ter­nen Ver­mitt­lers, des Zeu­gen S4xxxxxxxx, die Aus­ein­an­der­set­zung zu schlich­ten, schlug fehl, da Dr. H6xxx ein sol­ches Ver­fah­ren nicht für zielführend hielt. Am 01.04. und 23.04.2004 fan­den so­ge­nann­te

 

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Kon­flikt­ver­mitt­lungs­kon­fe­ren­zen un­ter Lei­tung des Zeu­gen S4xxxxxxxx statt, an de­nen ne­ben dem Kläger und Dr. H6xxx der ärzt­li­che Di­rek­tor Dr. D2xxxxxxx teil­nah­men. Die Be­klag­te hat­te Dr. H6xxx an­ge­wie­sen, an die­sem Kon­flikt­ver­mitt­lungs­ver­fah­ren mit­zu­wir­ken. Auch die­ses Ver­fah­ren wur­de ab­ge­bro­chen, da Dr. H6xxx zu ei­ner Ko­ope­ra­ti­on nicht be­reit war.

Der Kläger stützt sei­ne Mob­bing­vorwürfe im We­sent­li­chen auf fol­gen­de, im Ein­zel­nen strei­ti­ge Vorfälle:

Der Kläger hat be­haup­tet, er ha­be kurz­fris­tig sei­nen für die Zeit vom 09.08. bis 30.08.2002 an­ge­mel­de­ten Ur­laub ändern, dem­ent­spre­chend die ge­buch­te Pau­schal­rei­se um­bu­chen müssen, da Dr. H6xxx dies ver­langt hätte, weil er selbst bis zum 10.08.2002 in Ur­laub sei. Das glei­che sei in den Herbst­fe­ri­en ge­sche­hen, in de­nen er für die Zeit vom 11. bis 27.10.2002 sei­nen im Ein­verständ­nis mit Dr. H6xxx an­ge­mel­de­ten Ur­laub zum 18.10.2002 ha­be ab­bre­chen müssen, weil Dr .H6xxx dies mit der Erklärung ver­langt ha­be, dass ihm als Chef­arzt der Vor­rang gebühre und er ab dem 19.10.2002 in Ur­laub sei. Tatsächlich ha­be sich Dr. H6xxx seit dem 20.10.2002 wie­der im Dienst be­fun­den.

Zum Jah­res­en­de 2001/2002 ha­be es ei­ne um­fang­rei­che Dis­kus­si­on über die Ver­wen­dung ver­schie­de­ner Im­plan­ta­te bei Wir­belsäulen­ope­ra­tio­nen ge­ge­ben. Da­bei sei sein gut vor­be­rei­te­ter und sorgfältig dar­ge­leg­ter Vor­schlag durch den Chef­arzt in Ge­gen­wart Drit­ter oh­ne das ge­rings­te In­ter­es­se zur Kennt­nis ge­nom­men und „ab­gebügelt" wor­den.

Mit Schrei­ben vom 27.02.2003 (Bl. 41 d.A.) ha­be ihm der Chef­arzt ei­ne in­halt­lich un­zu­tref­fen­de Ab­mah­nung er­teilt. Zu­tref­fen sei al­ler­dings, dass er von der in Fra­ge ste­hen­den Pa­ti­en­tin ge­sagt ha­be, dass die­se „zu pan­ne" sei.

Am 04.06.2003 sei er, der Kläger, von dem Chef­arzt auf dem Flur vor den Aufzügen in Ge­gen­wart von vier Kol­le­gen her­ab­las­send und ag­gres­siv an­ge­spro­chen wor­den, dass bei ei­ner von ihm über­wach­ten Hirn­tu­mo­ro­pe­ra­ti­on vier Bohrlöcher an­stel­le von ma­xi­mal zwei ge­setzt wor­den sei­en. Da­bei ha­be Dr. H6xxx geäußert, dass, falls der Kläger dies nicht könne, er es ihm demnächst bei ei­ner Ope­ra­ti­on zei­gen wer­de.

Eben­falls am 04.06.2003 sei, als der Chef­arzt Dr. H6xxx nicht mehr an­we­send ge­we­sen sei, ein an­gekündig­ter Pa­ti­ent von der Oberärz­tin Dr. S5xxxxx auf aus­drück­li­che An­wei­sung des Dr. H6xxx emp­fan­gen wor­den. Hier­von sei er nicht un­ter­rich­tet wor­den, ob­wohl beim Mit­tag­es­sen von die­sem Vor­gang die Re­de ge­we­sen sei.

 

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In Vier­au­gen­gesprächen ha­be Dr. H6xxx wie­der­holt und ernst­haft ihm ge­genüber den Vor­wurf er­ho­ben, dass er den vor­ma­li­gen Chef­arzt Dr. T3xx hin­ter­gan­gen und des­sen Raus­wurf ver­an­lasst ha­be.

Im Rah­men ei­ner Dis­kus­si­on um fachüberg­rei­fen­de Be­reit­schafts­diens­te sei­en ihm vor ver­sam­mel­ter Mann­schaft von Dr. H6xxx un­lau­te­re Mo­ti­ve un­ter­stellt wor­den. Dr. H6xxx ha­be geäußert, er, der Kläger, würde nur so ar­gu­men­tie­ren, „um sei­nen Arsch im Bett las­sen zu können", des wei­te­ren, „um sei­ne Pfründe zu si­chern".

In ei­nem Kon­flikt­gespräch am 24.06.2003 ha­be Dr. H6xxx erklärt, er ha­be sich nach sei­ner Be­ru­fung zum Chef­arzt bei den nie­der­ge­las­se­nen Fach­kol­le­gen vor­ge­stellt. Die­se hätten sich ne­ga­tiv über ihn, den Kläger, geäußert und sei­ne ärzt­li­chen Fähig­kei­ten in Zwei­fel ge­zo­gen.

Mit Schrei­ben vom 26.09.2003 ha­be Dr. H6xxx ihm vor­ge­wor­fen, sich selbst Ur­laub gewährt und hier­durch ei­nen per­so­nel­len Eng­pass ver­ur­sacht zu ha­ben, was je­doch nicht zu­tref­fe.

Am 29.09.2003 ha­be Dr. H6xxx ihn außer­dem zu Un­recht be­schul­digt, die Be­hand­lung ei­ner Pa­ti­en­tin während sei­ner Ur­laubs­ab­we­sen­heit ei­genmäch­tig und ent­ge­gen sei­nen Wei­sun­gen vor­ge­nom­men zu ha­ben. Sein, des Klägers Ver­hal­ten, sei ei­ne Un­verschämt­heit. Tatsächlich ha­be die Rück­spra­che mit der Se­kretärin je­doch er­ge­ben, dass die Pa­ti­en­ten­be­hand­lung in je­der Wei­se den ab­ge­spro­che­nen The­ra­pie­maßnah­men ent­spro­chen ha­be.

Im Ok­to­ber 2003 sei er, der Kläger, so­wie der wei­te­re Ober­arzt Dr. K4xxxx von Dr. H6xxx ge­fragt wor­den, ob sie be­reit sei­en, in ei­nem Zim­mer zu­sam­men­zu­ar­bei­ten. Im Hin­blick auf die Not­wen­dig­keit, am­bu­lan­te Pa­ti­en­ten in ih­ren Zim­mern zu un­ter­su­chen, hätten sie bei­de je­doch erklärt, dass dies nicht möglich sei. Trotz­dem sei ei­ni­ge Ta­ge später ein Schreib­tisch für Dr. K4xxxx in sei­nem Zim­mer auf­ge­stellt wor­den.

Am 04./05.11.2003 ha­be er, der Kläger, ei­ne von dem As­sis­tenz­arzt E4xxx durch­geführ­te Ope­ra­ti­on fortführen müssen. Ent­ge­gen der bis­her prak­ti­zier­ten sit­zen­den La­ge­rung sei in Bauch­la­ge­rung ope­riert wor­den. Als er, der Kläger, in der Frühbe­spre­chung am Fol­ge­tag auf die me­di­zi­nisch-recht­li­che Pro­ble­ma­tik ei­ner Ope­ra­ti­on in ei­ner La­ge­rung, über die zu­vor nicht auf­geklärt wor­den sei, hin­ge­wie­sen ha­be, sei er von Dr. H6xxx an­ge­schrien wor­den mit den Wor­ten: „Ich bin hier der Ope­ra­teur und Sie sind mein Hand­lan­ger. Sie ha­ben zu tun, was ich Ih­nen sa­ge".

 

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Während sei­ner Ar­beits­unfähig­keit bis zum 07.05.2004 sei das Schrei­ben ei­nes Rechts­an­walts ein­ge­gan­gen, der nach dem Tod ei­nes durch ihn, den Kläger, ope­rier­ten Pa­ti­en­ten Scha­dens­er­satz­ansprüche er­ho­ben ha­be. Hierüber sei er, der Kläger, we­der durch das Kran­ken­haus noch durch Herrn Dr. H6xxx in­for­miert wor­den, der viel­mehr in ei­nem Schrei­ben an den Rechts­an­walt mit­ge­teilt ha­be, dass die an­ge­for­der­ten Ope­ra­ti­ons­be­rich­te nicht exis­tier­ten und der Ober­arzt Dr. B1xxxx die­se Be­rich­te nicht um­ge­hend nach dem Ein­griff, wie meis­tens üblich, ver­fasst ha­be, sie wohl zu ei­nem späte­ren Ter­min ha­be ab­fas­sen wol­len, er je­doch seit dem 07.11.2003 ar­beits­unfähig er­krankt sei. Er selbst, der Kläger, ha­be erst am 27.04.2004 über ein Er­mitt­lungs­ver­fah­ren der Staats­an­walt­schaft er­fah­ren, dass der Pa­ti­ent ver­stor­ben sei und ihm die Schuld dar­an an­ge­las­tet wer­de.

Während sei­nes Wie­der­ein­glie­de­rungs­ver­suchs ha­be er am 07.05.2004 ge­fragt, ob sein Dienst vom 20.05.2004 auf ei­nen an­de­ren Ter­min ver­legt wer­den könne, da er an die­sem Tag an ei­ner ge­plan­ten Fa­mi­li­en­fei­er teil­neh­me. Ob­wohl er den Tausch für zwei an­de­re Diens­te an­ge­bo­ten ha­be, ha­be Herr Dr. H6xxx geäußert, dass das nicht ge­he, da es ein Fei­er­tag sei.

Am Vor­mit­tag des 10.05.2004 ha­be die Se­kretärin des Chef­arz­tes ver­sucht, ihn, den Kläger, im Auf­trag des Chef­arz­tes aus sei­nem Ar­beits­zim­mer zu ver­wei­sen, da ei­ne Teil­zeit­kraft für drei St­un­den ein Ar­beits­zim­mer mit ei­ge­nem Com­pu­ter ge­braucht ha­be, um ih­re Ar­beit zu er­le­di­gen.

Als er am 10.05.2004 die Kol­le­gen E4xxx und E5xxx auf ei­ner Vi­si­te ha­be be­glei­ten wol­len, sei er in der Mit­te der Sta­ti­on von Dr. H6xxx an­ge­fah­ren wor­den, was er auf der Vi­si­te zu tun ha­be. Er ha­be kla­re An­wei­sung ge­ge­ben, dass OP-Be­rich­te zu dik­tie­ren sei­en.

Am 10.05.2004 ha­be um 15.00 Uhr ei­ne Dienst­be­spre­chung statt­ge­fun­den, die ursprüng­lich für 15.45 Uhr an­ge­setzt wor­den sei. Wohl auf Wei­sung des Chef­arz­tes sei er, der Kläger, zu­vor von der Ter­minsände­rung nicht in­for­miert wor­den.

Nach­dem er am 19.07.2004 nach Ur­laub im An­schluss an sei­ne wei­te­re Ar­beits­unfähig­keit den Dienst auf­ge­nom­men ha­be und ihm der Dienst­plan aus­gehändigt wor­den sei, ha­be er Dr. H6xxx ge­fragt, ob er am Fol­ge­tag zwi­schen 17.00 Uhr und 19.00 Uhr ei­nen seit länge­rem ge­plan­ten pri­va­ten Ter­min wahr­neh­men könne. Die As­sis­tenzärz­tin Frau L2xxxx sei be­reit ge­we­sen, sei­nen Dienst bis 19.00 Uhr zu über­neh­men. Dr. H6xxx ha­be erklärt, er, der Kläger, hätte die­sen Dienst zu ma­chen.

 

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In ei­nem Gespräch am 06.08.2004 ha­be ihn Dr. H6xxx un­ter vier Au­gen auf­ge­for­dert dar­zu­le­gen, wie er sich die wei­te­re Zu­kunft in der Ab­tei­lung vor­stel­le, da er nicht mehr das Ver­trau­en der übri­gen Kol­le­gen und Kol­le­gin­nen besäße. Dr. H6xxx ha­be erklärt, er würde sei­ner Fürsor­ge­pflicht nach­kom­men und ihm je­der­zeit be­hilf­lich sein, ei­nen an­de­ren adäqua­ten Ar­beits­platz zu fin­den.

Bei ei­ner Ope­ra­ti­on am 09.09.2004, bei der er zu­sam­men mit ei­nem Kol­le­gen nach ei­nem bei ei­ner Ope­ra­ti­on im Schädel ver­blie­be­nen Glas­split­ter ge­sucht ha­be, ha­be er ver­se­hent­lich mit dem Mi­kro­sau­ger den Glas­split­ter ab­ge­saugt. Dr. H6xxx, der nach Auf­fin­den des Glas­split­ters hin­zu­ge­ru­fen wor­den sei, ha­be ihn vor ver­sam­mel­ter Mann­schaft an­ge­fah­ren, wes­halb er den Split­ter nicht ent­spre­chend ei­ner zu­vor er­teil­ten An­wei­sung be­las­sen ha­be.

Am 20.09.2004 ha­be Dr. H6xxx ihn, den Kläger an­ge­wie­sen, ei­ner Kol­le­gin bei ei­ner Ope­ra­ti­on zu as­sis­tie­ren und da­bei ge­sagt: „Sie wis­sen ja schon, ge­ra­der Haut­schnitt, Bohr­loch über der Cho­ro­nal­naht".

Am 22.09.2004 ha­be Dr. H6xxx in Wi­der­spruch zu ei­ner zu­vor ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­rung zur Be­hand­lung von Pri­vat­pa­ti­en­ten ihm, dem Kläger, mit­ge­teilt, dass er nur auf persönli­che, di­rek­te An­wei­sung des Dr. H6xxx et­was an Pri­vat­pa­ti­en­ten zu tun ha­be, sonst nichts.

Bei ei­nem Ein­griff an ei­ner Pa­ti­en­tin am 27.09.2004 sei von dem Anästhe­sis­ten mit­ge­teilt wor­den, dass die An­zahl der Throm­bo­zy­ten so nied­rig sei, dass bei Fort­set­zung des Ein­griffs die Ein­griff die Ge­fahr ei­ner schwer­wie­gen­den Ge­rin­nungsstörung be­stan­den hätte. Er, der Kläger, ha­be dies Dr. H6xxx te­le­fo­nisch mit­ge­teilt, der oh­ne wei­te­re Erklärung mit dem Anästhe­sis­ten ha­be spre­chen wol­len, sich von die­sem den Wert ha­be bestäti­gen las­sen und so­dann über den Anästhe­sis­ten emp­foh­len ha­be, die Ope­ra­ti­on ab­zu­bre­chen.

We­gen des fort­ge­setz­ten Mob­bing­ver­hal­tens des Chef­arz­tes Dr. H6xxx sei er er­neut seit Ok­to­ber 2004 ar­beits­unfähig krank. Die Be­klag­te sei nicht be­reit, ge­eig­ne­te Maßnah­men ge­gen Dr. H6xxx zu er­grei­fen. Im Rah­men der Kon­flikt­ver­mitt­lungs­kon­fe­ren­zen am 01. und 23.04.2004 ha­be Dr. H6xxx je­de Mit­wir­kung ver­wei­gert, den Coach be­droht und schließlich geäußert, dass er nicht an ei­ner Lösung in­ter­es­siert sei. In ei­nem wei­te­ren Gespräch mit Dr. D2xxxxxxx ha­be Dr. H6xxx erklärt, dass für ihn die Kon­flikt­ver­mitt­lung über­haupt kei­nen Sinn ma­che. Er ha­be von vorn­her­ein nicht mit ihm, dem Kläger, zu­sam­men­ar­bei­ten wol­len.

 

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Mit sei­ner am 01.10.2004 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen, der Be­klag­ten am 25.10.2004 zu­ge­stell­ten Kla­ge ver­langt der Kläger von der Be­klag­ten Maßnah­men zum Schutz ge­gen Mob­bing­hand­lun­gen des Dr. H6xx. Außer­dem macht er Schmer­zens­geld­ansprüche gel­tend.

Der Kläger hat die An­sicht ver­tre­ten, Dr. H6xxx ha­be ihn in sei­nem Persönlich­keits­recht ver­letzt. Er sei durch die Mob­bing­hand­lun­gen des Dr. H6xxx an ei­ner schwe­ren De­pres­si­on er­krankt. Es sei der Be­klag­ten je­den­falls möglich, ihn in Tätig­keits­be­rei­chen ein­zu­set­zen, bei de­nen er nicht den per­ma­nen­ten Schi­ka­nen des Dr. H6xxx aus­ge­setzt sei. Hierfür käme in der Neu­ro­lo­gi­schen Kli­nik die Po­si­ti­on des Lei­ters der Elek­tro­phy­sio­lo­gie in Be­tracht, außer­dem ei­ne Po­si­ti­on im me­di­zi­ni­schen Con­tro­ling so­wie ei­ne neu­ro­chir­ur­gi­sche Tätig­keit in der Un­fall­chir­ur­gie. Hier­bei han­de­le es sich um Tätig­keits­be­rei­che, die nicht an­der­wei­tig be­setzt sei­en. We­gen sei­ner Ge­sund­heitsschädi­gung sei die Be­klag­te im Übri­gen zur Zah­lung von Schmer­zens­geld ver­pflich­tet. Sie haf­te für die Hand­lun­gen ih­rer Mit­ar­bei­ter.

Der Kläger hat be­an­tragt,

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, das An­stel­lungs­verhält­nis mit dem Chef­arzt der Neu­ro­chir­ur­gi­schen Kli­nik, Herrn Dr. m3x. R2xxxx H6xxx, zu be­en­den,
hilfs­wei­se zu 1.,
die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihm ei­nen sei­ner Leis­tungsfähig­keit und Stel­lung ent­spre­chen­den Ar­beits­platz, der im Hin­blick auf Tätig­keit und Vergütung mit sei­nem in­ne­ge­hal­te­nen Ar­beits­platz zu­min­dest gleich­wer­tig ist, an­zu­bie­ten, an dem ei­ne be­ruf­li­che Wei­sungs­ge­bun­den­heit ge­genüber Herrn Dr. med. R2xxxx H6xxx nicht be­steht,

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn ein Schmer­zens­geld, des­sen Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, nebst 5 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz der Eu­ropäischen Zen­tral­bank seit Kla­ge­zu­stel­lung zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, der Kläger wäre nicht ge­mobbt wor­den. Des wei­te­ren ha­be sie al­les in ih­rer Macht Ste­hen­de ge­tan, um das Verhält­nis zwi­schen Herrn Dr. H6xxx und

 

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dem Kläger zu ent­span­nen, hier­zu sei sie auch wei­ter­hin be­reit. We­sent­li­che Ur­sa­che für die Dif­fe­ren­zen zwi­schen dem Kläger und Herrn Dr. H6xxx lägen of­fen­sicht­lich dar­in, dass die Be­wer­bung des Klägers für die Chef­arzt­po­si­ti­on nicht berück­sich­tigt wor­den sei. Mob­bing­hand­lun­gen des Chef­arz­tes Dr. H6xxx ha­be es nicht ge­ge­ben. Er­kenn­bar wer­de, dass der Kläger ein grundsätz­li­ches Pro­blem da­mit zu ha­ben schei­ne, An­wei­sun­gen des vor­ge­setz­ten Chef­arz­tes zu ak­zep­tie­ren. Dies mach­ten die ver­schie­de­nen vom Kläger ge­schil­der­ten Fälle, bei de­nen es um un­ter­schied­li­che Auf­fas­sun­gen in der Sa­che ge­he, deut­lich. Von ei­ner Her­abwürdi­gung der Per­son des Klägers oder des­sen fach­li­cher Leis­tung könne da­bei über­haupt nicht die Re­de sein. Hin­sicht­lich des Ur­laubs im Herbst 2002 be­haup­tet sie, Dr. H6xxx ha­be we­gen ei­nes fa­mi­liären Trau­er­falls sei­nen Ur­laub nicht wie ge­plant durchführen können und sei des­halb vor­zei­tig zur Ar­beit im Kran­ken­haus er­schie­nen. Zu­tref­fend sei al­ler­dings, dass der Chef­arzt Dr. H6xxx in der Dis­kus­si­on um Be­reit­schafts­diens­te sich zu der un­sach­li­chen For­mu­lie­rung „Nur weil Sie zu bräsig sind, nachts auf­zu­ste­hen, wol­len Sie mit den Neu­ro­lo­gen kei­ne Diens­te ma­chen" ha­be hin­reißen las­sen, er ha­be sich je­doch für die­se Äußerung zu­gleich wie­der, im Bei­sein sämt­li­cher an­de­rer Ärz­te, ent­schul­digt. Tatsächlich hätten sich ei­ni­ge nie­der­ge­las­se­ne Ärz­te ge­genüber dem Chef­arzt Dr. H6xxx über den teil­wei­se „rüden Um­gangs­ton" des Klägers ge­genüber Pa­ti­en­ten be­schwert. Rich­tig sei es, dass Dr. H6xxx we­gen ei­nes vorüber­ge­hen­den räum­li­chen Eng­pas­ses die An­wei­sung ge­ge­ben hätte, dass der Kläger und Dr. K4xxxx zu­sam­men in ei­nem Zim­mer ar­bei­ten soll­ten, nach­dem sich der Kläger und Dr. K4xxxx hier­mit ein­ver­stan­den erklärt hat­ten. Zum Vor­wurf, Dr. H6xxx sei nicht be­reit ge­we­sen, auf sei­ne Wünsche zur Dienst­planände­rung ein­zu­ge­hen, vergäße der Kläger zu erwähnen, dass es zwar zunächst pro­ble­ma­tisch ge­we­sen sei, den kurz­fris­ti­gen Wunsch des Klägers auf Ver­le­gung sei­nes Diens­tes am 20.05.2004 zu be­frie­di­gen. Tatsächlich ha­be Dr. H6xxx dem Kläger schließlich den Dienst am 20.05.2004 ab­ge­nom­men. Die Dienst­plan­ein­tei­lung des Klägers nach sei­ner Rück­kehr aus dem Ur­laub am 19.07.2004 hätte oh­ne Rück­spra­che mit ihm vor­ge­nom­men wer­den müssen, da sich der Kläger zur Ab­stim­mung der Diens­te nicht vor Ar­beits­an­tritt ge­mel­det hätte und auch nicht er­reich­bar ge­we­sen sei. An­lass für das Gespräch am 06.08.2004, in dem es um die Zu­kunft des Klägers ge­gan­gen sei, sei­en die durch An­walts­schrei­ben schrift­lich for­mu­lier­ten An­schul­di­gun­gen, die lan­ge Ar­beits­unfähig­keit und die vom Kläger of­fen dar­ge­stell­te Be­wer­bung bei an­de­ren Kli­ni­ken ge­we­sen. Vor die­sem Hin­ter­grund ha­be Dr. H6xxx in Er­fah­rung brin­gen wol­len, wie sich der Kläger sei­ne Zu­kunft vor­stel­le und ihm sach­lich und höflich mit­ge­teilt, dass er ihm ge­ge­be­nen­falls bei der Su­che nach ei­nem an­de­ren Ar­beits­platz be­hilf­lich sein könne. Im Übri­gen ha­be sich Dr. H6xxx ge­genüber dem Kläger ru­hig, zu­vor­kom­mend und höflich ver­hal­ten. Die vom Kläger ge­nann­ten Tätig­keits­be­rei­che für ei­ne an­der­wei­ti­ge Beschäfti­gung kämen nicht in Be­tracht. Er sei Fach­arzt für Neu­ro­chir­ur­gie und in an­de­ren ärzt­li­chen Dis­zi­pli­nen nicht aus­ge­bil­det. Zu

 

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dem vom Kläger ge­nann­ten Be­rei­chen sei zu sa­gen, dass die Elek­tro­phy­sio­lo­gie kein ei­genständi­ger Ab­tei­lungs­be­reich im Haus der Be­klag­ten sei, ei­ne Lei­tungs­funk­ti­on für die­sen Be­reich des­halb nicht er­for­der­lich. Der Ar­beits­um­fang, der in der Elek­tro­phy­sio­lo­gie an­fie­le, sei zu­dem zu ge­ring, um ei­ne kom­plet­te Arzt­stel­le zu recht­fer­ti­gen und ab­rech­nen zu können. Außer­dem hätte der Kläger im Rah­men ei­ner sol­chen Tätig­keit eben­falls mit Dr. H6xxx zu­sam­men­zu­ar­bei­ten. Der Be­reich Me­di­zin-Con­tro­ling sei vollständig be­setzt. Es sei­en für die­se Tätig­keit er­heb­li­che be­triebs­wirt­schaft­li­che Kennt­nis­se er­for­der­lich, von de­nen der Kläger nicht ein­mal be­haup­te, dass er sich besäße. Ei­ne neu­ro­chir­ur­gi­sche Tätig­keit in der Un­fall­chir­ur­gie käme nicht in Be­tracht, da es sich um zwei ge­trenn­te Dis­zi­pli­nen han­de­le, die nicht ver­mischt wer­den könn­ten. Dies sei im Sin­ne ei­ner ge­ord­ne­ten Pa­ti­en­ten­ver­sor­gung nicht möglich. Außer­dem wäre auch hier ein en­ge und ver­trau­ens­vol­le Zu­sam­men­ar­beit mit dem Chef­arzt der Neu­ro­chir­ur­gie er­for­der­lich.

Durch Ur­teil vom 22.12.2004 hat das Ar­beits­ge­richt die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es aus­geführt, die Ent­las­sung des Chef­arz­tes Dr. H6xxx könne der Kläger nicht ver­lan­gen. Ei­ne Kündi­gung wäre schon we­gen des Feh­lens von Ab­mah­nun­gen ge­genüber Dr. H6xxx un­wirk­sam. Ein An­spruch auf An­bie­ten ei­nes sei­ner Leis­tungsfähig­keit und Stel­lung ent­spre­chen­den Ar­beits­plat­zes be­sit­ze der Kläger eben­falls nicht. Auf­grund sei­ner fach­li­chen Spe­zia­li­sie­rung ge­be es ei­nen sol­chen Ar­beits­platz bei der Be­klag­ten nicht. Ein Schmer­zens­geld­an­spruch be­ste­he des­halb nicht, weil der Vor­trag des Klägers zu den Mob­bing­hand­lun­gen des Dr. H6xxx teil­wei­se kein Mob­bing dar­stell­ten, teil­wei­se nicht un­ter Be­weis ge­stellt wor­den sei­en und es teil­wei­se an ei­ner den Vor­wurf des Mob­bing be­gründen­den In­ten­sität feh­le.

Ge­gen die­ses, ihm am 11.01.2005 zu­ge­stell­te Ur­teil, auf das zur nähe­ren Dar­stel­lung des erst­in­stanz­li­chen Sach- und Streit­stands Be­zug ge­nom­men wird, hat der Kläger am 13.01.2005 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se am 07.02.2005 be­gründet.

Der Kläger rügt, das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil wer­de der Kom­ple­xität des Phäno­mens Mob­bing nicht ge­recht. Im­mer­hin ord­ne das Ge­richt bei 30 im Ur­teil auf­geführ­ten Vorfällen drei als mit­tel­schwe­re, acht als min­der­schwe­re und zwei als ge­ringfügi­ge Verstöße des Dr. H6xxx ein. Dem Phäno­men des Mob­bing könne nicht durch ei­ne iso­lier­te Be­trach­tung, son­dern nur ei­ne Ge­samt­schau Rech­nung ge­tra­gen wer­den. Im Übri­gen wie­der­holt und ver­tieft er sei­nen erst­in­stanz­li­chen Vor­trag.

 

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Der Kläger be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Dort­mund vom 22.12.2004 – 8 (4) Ca 5534/04 – ab­zuändern und

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, das An­stel­lungs­verhält­nis mit dem Chef­arzt der Neu­ro­chir­ur­gi­schen Kli­nik, Herrn Dr. med. R2xxxx H6xxx, zu be­en­den,

hilfs­wei­se

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, ihm ei­nen sei­ner Leis­tung, Fähig­keit und Stel­lung ent­spre­chen­den Ar­beits­platz, der im Hin­blick auf Tätig­keit und Vergütung mit dem in­ne­ge­hal­te­nen Ar­beits­platz zu­min­dest gleich­wer­tig ist, an­zu­bie­ten, an dem ei­ne be­ruf­li­che Wei­sungs­ge­bun­den­heit ge­genüber Herrn Dr. med. R2xxxx H6xxx nicht be­steht;

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn ein Schmer­zens­geld, des­sen Höhe in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt wird, nebst 5 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz der Eu­ropäischen Zen­tral­bank seit Kla­ge­zu­stel­lung zu zah­len.

Die Be­klag­te bit­tet um die Zurück­wei­sung der Be­ru­fung.

Sie ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil und be­strei­tet, dass der Kläger über­haupt psy­chisch er­krankt sei, so­wie für den Fall, dass ei­ne sol­che Er­kran­kung vor­lie­ge, hierfür ein Ver­hal­ten des Herrn Dr. H6xxx kau­sal sei. Sie ha­be um­fang­rei­che Gespräche geführt, aus de­nen sich ein an­de­res Bild als das vom Kläger ge­zeich­ne­te er­ge­be. Auch Dr. H6xxx for­de­re von ihr, dass er vor At­ta­cken und il­loya­len Ver­hal­tens­wei­sen des Klägers geschützt wer­de. Sie ste­he al­so in­mit­ten ei­nes Kon­flikts und müsse den In­ter­es­sen bei­der An­ge­stell­ter Rech­nung tra­gen. Un­abhängig von der Be­rech­ti­gung der Vorwürfe sei­en die Ansprüche des Klägers auch des­halb un­be­gründet, weil er die Aus­schluss­frist nach § 23 AVR nicht ein­ge­hal­ten ha­be.

Das Ge­richt hat Be­weis er­ho­ben durch die un­eid­li­che Ver­neh­mung der Zeu­gen Dr. K4xxxx, Dr. E4xxx, E5xxx, Dr. H6xxx, Dr. S5xxxxx, Dr. D2xxxxxxx, L3xxxxxxxxx, W1xxx-G2xxxxxxxxx, K6xxxx, S4xxxxxxxx, B3xxxxxx, N1xxxxxx, Dr. M4xxxxxx, S6xxxxxx, F1xxx,

 

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K5xxxxxx, U1xxx und F2xxxx. Zum Er­geb­nis der Be­weis­auf­nah­me wird auf die Ter­mins­pro­to­kol­le vom 28.11.2005, 16.01., 13.02. und 06.03.2006 ver­wie­sen. Hin­sicht­lich des wei­te­ren Sach­vor­trags der Par­tei­en im Be­ru­fungs­ver­fah­ren wird auf die zwi­schen ih­nen ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässi­ge Be­ru­fung des Klägers ist un­be­gründet.

Der Kläger kann auf der Grund­la­ge der ge­gen sei­nen Vor­ge­setz­ten, den Chef­arzt Dr. H6xxx, er­ho­be­nen Mob­bing-Vorwürfe nicht ver­lan­gen, dass des­sen Ar­beits­verhält­nis durch die Be­klag­te be­en­det wird (I). Sei­nem Hilfs­an­trag, ihm selbst ei­ne an­de­re Tätig­keit an­zu­bie­ten, bei der kei­ne Wei­sungs­ge­bun­den­heit ge­genüber Dr. H6xxx be­steht, ist eben­falls nicht zu ent­spre­chen (II). In bei­den Fällen fehlt es an ei­nem schlüssi­gen Sach­vor­trag des Klägers. Die­ser liegt hin­sicht­lich des gel­tend ge­mach­ten Schmer­zens­geld­an­spruchs zwar vor, den Be­weis für al­le an­spruchs­be­gründen­den Tat­sa­chen hat der be­weis­pflich­ti­ge Kläger je­doch im Er­geb­nis nicht geführt (III).

I

Die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit Dr. H6xxx könn­te der Kläger selbst dann nicht von der Be­klag­ten ver­lan­gen, wenn sei­ne Vorwürfe, er sei von Dr. H6xxx ge­mobbt wor­den und aus die­sem Grun­de er­krankt, in vol­lem Um­fang zu­träfen. Über den gel­tend ge­mach­ten An­spruch kann ent­schie­den wer­den, oh­ne dass es in die­sem Zu­sam­men­hang ei­ner Klärung des Be­griffs „Mob­bing" be­darf. Der Kläger hat zwar nicht dar­ge­legt, wel­che Hand­lung er von der Be­klag­ten ver­langt, die ei­ne Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses be­wir­ken soll. In­so­weit ist der von ihm im Kla­ge­an­trag ver­wand­te Be­griff der Be­en­di­gung un­be­stimmt. Bei verständi­ger Würdi­gung ist in sein An­trag je­doch da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen, dass er von der Be­klag­ten die ein­sei­ti­ge, nicht von der Mit­wir­kung des Be­trof­fe­nen abhängi­ge Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses durch Kündi­gung ver­langt.

Als Ne­ben­pflicht aus dem Ar­beits­ver­trag ob­liegt dem Ar­beit­ge­ber al­ler­dings der Schutz der Rechtsgüter des Ar­beit­neh­mers. Von so­ge­nann­ten Mob­bing­hand­lun­gen be­trof­fe­ne

 

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Rechtsgüter können, wie hier, die Ge­sund­heit und das Persönlich­keits­recht des Ar­beit­neh­mers sein. In­so­weit stellt die Ent­fer­nung ei­nes mob­ben­den Ar­beit­neh­mers aus dem Be­trieb ei­ne ge­eig­ne­te Maßnah­me zum Schutz des Mob­bing­op­fers dar. Der Ar­beit­neh­mer ver­letzt sei­ne ar­beits­ver­trag­li­chen Pflich­ten, wenn er Hand­lun­gen fort­setzt, die als Mob­bing ein­ge­ord­net wer­den können. Es kann ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung in Be­tracht kom­men, wenn de­ren Vor­aus­set­zun­gen vor­lie­gen. Hier­aus folgt je­doch nicht, dass ein An­spruch des ge­mobb­ten Ar­beit­neh­mers auf Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses be­steht. In wel­cher Wei­se der Ar­beit­ge­ber auf Pflicht­ver­let­zun­gen ei­nes Ar­beit­neh­mers re­agiert, bleibt grundsätz­lich ihm über­las­sen. Es ist Sa­che des Ar­beit­ge­bers, wie er mit ge­eig­ne­ten Maßnah­men auf be­trieb­li­che Kon­flikt­la­gen ein­ge­hen will (vgl. BAG vom 24.04.1996 – 5 AZR 1031/94 – EzA BGB § 611 Nr. 18 Di­rek­ti­ons­recht). Hier­von ist auch für Mob­bingsach­ver­hal­te kei­ne Aus­nah­me zu ma­chen. Ob die Be­en­di­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses durch ei­ne ar­beit­ge­ber­sei­ti­ge Kündi­gung ge­recht­fer­tigt ist, ist zu­dem von den Umständen des Ein­zel­fal­les abhängig. Ei­ner ver­hal­tens­be­ding­ten Kündi­gung hat in der Re­gel ei­ne Ab­mah­nung vor­aus­zu­ge­hen. Hier­auf kann auch bei mob­bing­ty­pi­schen Pflicht­ver­let­zun­gen nicht ver­zich­tet wer­den. Et­was an­de­res ist auch nicht der Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts Thürin­gen, auf die sich der Kläger be­zieht, zu ent­neh­men (Ur­teil vom 05.02.2001 – 5 Sa 102/00 – NZA RR 2001, 577). Dort war über die Rechts­wirk­sam­keit ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung zu be­fin­den und ist ei­ne Ab­mah­nung we­gen der Schwe­re der Mob­bing­hand­lun­gen für ent­behr­lich ge­hal­ten wor­den. Je­doch kann der Ar­beit­ge­ber nicht durch ar­beits­ge­richt­li­ches Ur­teil da­zu ver­pflich­tet wer­den, ei­ne Kündi­gung aus­zu­spre­chen, de­ren Rechts­wirk­sam­keit we­gen Feh­lens ei­ner Ab­mah­nung zwei­fel­haft ist. So stellt sich aber der vor­lie­gen­de Fall dar.

II

Auch der Hilfs­an­trag des Klägers ist un­be­gründet, oh­ne dass es der Fest­stel­lung ei­nes mob­bing­ty­pi­schen Sach­ver­halts bedürf­te.

Zwar mag die Um­set­zung oder Ver­set­zung ei­nes von Mob­bing be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mers ei­ne ge­eig­ne­te Maßnah­me zu sei­nem Schutz sein. Es mag dem Ar­beit­ge­ber auch zu­mut­bar sein, ei­nen ge­eig­ne­ten frei­en Ar­beits­platz un­ter Ausübung sei­nes Di­rek­ti­ons­rechts ge­genüber an­de­ren Ar­beit­neh­mern zu schaf­fen (vgl. zu den An­for­de­run­gen an den Ar­beit­ge­ber bei krank­heits­be­ding­ten Fehl­zei­ten BAG vom 29.01.1997- 2 AZR 9/96 – NZA 1997, 709). Der An­trag des Klägers geht je­doch da­hin, ihm ei­nen sei­nen bis­he­ri­gen

 

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Tätig­kei­ten zu­min­dest gleich­wer­ti­gen Ar­beits­platz an­zu­bie­ten, auf dem sei­ne bis­he­ri­ge Vergütung bei­zu­be­hal­ten wäre. Es ist nicht er­sicht­lich, dass der Be­klag­ten dies möglich ist. Der Kläger hat als ers­ter Ober­arzt ei­ne her­aus­ra­gen­de Stel­lung im Kran­ken­haus der Be­klag­ten in­ne. Als sol­cher ist er Ver­tre­ter des Chef­arz­tes. Als Fach­arzt für Neu­ro­chir­ur­gie ist er grundsätz­lich auf die­ses Ge­biet be­schränkt. Mit ei­nem Ge­halt von 5.324,30 € brut­to mo­nat­lich oh­ne „un­ste­te" Zu­la­gen und ei­nem Jah­res­ein­kom­men von 114.972,41 € brut­to un­ter Berück­sich­ti­gung wei­te­rer Leis­tun­gen der Be­klag­ten er­zielt er ein weit über­durch­schnitt­li­ches Ein­kom­men. Dem Ar­beits­ge­richt ist dar­in zu fol­gen, dass die fach­li­che Spe­zia­li­sie­rung des Klägers ei­nen Ein­satz als Ober­arzt in ei­ner an­de­ren Ab­tei­lung, selbst wenn ei­ne freie Stel­le zur Verfügung stünde, ent­ge­gen­steht. Auch bei vor­han­de­nen Er­fah­run­gen und Kennt­nis­sen in der Neu­ro­chir­ur­gie na­he­ste­hen­den Be­rei­chen, auf die sich der Kläger un­ter Hin­weis auf das ihm er­teil­te Zeug­nis be­ruft, schei­tert ei­ne sol­che Tätig­keit an der man­geln­den Fach­arzt­aus­bil­dung. Auf den von ihm im Ein­zel­nen auf­ge­zeig­ten Po­si­tio­nen ist der Be­klag­ten ei­ne Beschäfti­gung des Klägers zu den von ihm ver­lang­ten Ar­beits­be­din­gun­gen da­ge­gen nicht zu­mut­bar. Der Kläger hat sich im Be­ru­fungs­ver­fah­ren im We­sent­li­chen dar­auf be­schränkt, un­ter Be­zug­nah­me auf ihm im Zwi­schen­zeug­nis vom 12.07.2000 be­schei­nig­ten Kennt­nis­sen und Er­fah­run­gen sei­nen erst­in­stanz­li­chen Vor­trag zu wie­der­ho­len, dass er auf den vor­ge­schla­ge­nen Po­si­tio­nen ein­setz­bar sei. Da­ge­gen hat das Ar­beits­ge­richt im Ein­zel­nen die Gründe dafür an­ge­ge­ben, die ei­ner Ver­pflich­tung der Be­klag­ten, ihm die­se Stel­len an­zu­bie­ten, ent­ge­gen­ste­hen. Dem schließt sich das Be­ru­fungs­ge­richt an. Die Be­klag­te ist we­der ver­pflich­tet, in der Elek­tro­psy­cho­lo­gie, in der bis­her nur Arzt­hel­fe­rin­nen beschäftigt sind, ei­ne Stel­le zu schaf­fen, noch die Stel­le ei­nes Neu­ro­chir­ur­gen in der Un­fall­chir­ur­gie ein­zu­rich­ten. Bei den im me­di­zi­ni­schen Con­trol­ling vor­han­de­nen Arzt­stel­len han­delt es sich nicht um der bis­he­ri­gen Po­si­ti­on des Klägers gleich­wer­ti­ge Stel­len.

III

Der gel­tend ge­mach­te Schmer­zens­geld­an­spruch steht dem Kläger im Er­geb­nis nicht zu.

1. Al­ler­dings hat er die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen sol­chen Scha­dens­er­satz­an­spruch schlüssig vor­ge­tra­gen. Nach § 253 Abs. 2 BGB – neu in das BGB ein­gefügt und seit dem 01.08.2002 in Kraft – be­steht bei Ge­sund­heits­ver­let­zun­gen ein An­spruch auf Er­satz des im­ma­te­ri­el­len Scha­dens, der nicht mehr vor­aus­setzt, dass de­lik­ti­sches Han­deln vor­liegt. Viel­mehr reicht nun­mehr ei­ne schlich­te Ver­trags­ver­let­zung aus (§ 280 Abs. 1 BGB). Die Haf­tung er­streckt sich auf das Fehl­ver­hal­ten ei­nes Erfüllungs­ge­hil­fen (§ 278 BGB), das

 

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die­ser nicht nur bei Ge­le­gen­heit, son­dern in Ausübung der über­tra­ge­nen Auf­ga­be be­gan­gen hat. Bei Vor­ge­setz­ten kann dies re­gelmäßig an­ge­nom­men wer­den. Durch die­se Neu­re­ge­lung des Scha­dens­er­satz­rechts sind die recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für Schmer­zens­geld­ansprüche so­mit er­heb­lich aus­ge­wei­tet wor­den (vgl. Dil­ler/Gro­te, MDR 2004, 984). Im Ent­schei­dungs­fall hat dies zur Fol­ge, dass die Be­klag­te für Überg­rif­fe des Dr. H6xxx in den Rechts­kreis des Klägers un­abhängig da­von, wel­che An­stren­gun­gen sie selbst un­ter­nom­men hat, um den Kon­flikt zwi­schen den bei­den Ärz­ten bei­zu­le­gen, zu haf­ten hätte.

2. Mit dem Be­griff „Mob­bing" al­lein lässt sich al­ler­dings ein Scha­dens­er­satz­an­spruch nicht be­gründen. Es han­delt sich nicht um ei­nen ju­ris­ti­schen Fach­be­griff, son­dern um ein so­zia­les Phäno­men, das durch Kon­flik­te am Ar­beits­platz ge­prägt ist. Im An­schluss an die Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 15.01.1997 (- 7 ABR 14/96 – NZA 1997, 781), die Mob­bing de­fi­niert als sys­te­ma­ti­sches An­fein­den, Schi­ka­nie­ren oder Dis­kri­mi­nie­ren von Ar­beit­neh­mern un­ter­ein­an­der oder durch Vor­ge­setz­te, hat sich in der in­stanz­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung die De­fi­ni­ti­on des Mob­bing als „fort­ge­setz­te, auf­ein­an­der auf­bau­en­de oder in­ein­an­der überg­rei­fen­de, der An­fein­dung, Schi­ka­ne oder Dis­kri­mi­nie­rung die­nen­de Ver­hal­tens­wei­sen am Ar­beits­platz ge­genüber ein­zel­nen Mit­ar­bei­tern zur Er­rei­chung von Zie­len, die von der Rechts­ord­nung nicht ge­deckt sind und die je­den­falls in ih­rer Ge­samt­heit das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht, die Eh­re oder die Ge­sund­heit des Mob­bing­op­fers ver­let­zen" durch­ge­setzt (vgl. bei­spiels­wei­se LAG Thürin­gen vom 15.02.2001, aaO.; LAG Bre­men vom 17.10.2002 – 3 Sa 232/02 – NZA RR 2003, 234; LAG Rhein­land-Pfalz vom 16.08.2001 – 6 Sa 415/01 – NZA-RR 2002, 121; LAG Sach­sen vom 17.02.2005 – 2 Sa 751/03 – JURIS, LS: BB 2005, 1576; zur Ent­wick­lung des Be­griffs s. Wol­merath, Mob­bing im Be­trieb, 2. Aufl., S. 24 f.). Es geht des­halb nicht um ein­zel­ne iso­lier­te Vorgänge, de­nen für sich al­lein ge­nom­men kein be­son­de­rer Un­rechts­ge­halt zu­kommt, son­dern um Vorfälle über ei­nen länge­ren Zeit­raum hin­weg, die erst in ih­rer Ge­samt­heit das Maß über­schrei­ten, das am Ar­beits­platz hin­ge­nom­men wer­den kann. Dem so­zia­len Phäno­men des Mob­bings wird nicht ge­recht, wer es recht­lich auf zahl­rei­che Ein­zel­hand­lun­gen re­du­zie­ren will. Mob­bing ist die Po­li­tik der klei­nen Na­del­sti­che. Ein­zel­hand­lun­gen las­sen den Un­rechts­ge­halt viel­fach nicht er­ken­nen, dies ist oft erst bei ei­ner Ge­samt­schau möglich. Er­for­der­lich ist al­so ein Fort­set­zungs­zu­sam­men­hang, nicht im straf­recht­li­chen Sin­ne, son­dern im Sin­ne von „ro­ter Fa­den" (vgl. LAG Ber­lin vom 06.03.2000 – 3 (18) Sa 2299/02 – MDR 2003, 881; Dil­ler/Gro­te, MDR 2004, 984). Das sys­te­ma­ti­sche Han­deln setzt nicht den Nach­weis be­stimm­ter Mo­ti­ve vor­aus, es genügt die Dar­stel­lung ei­nes ty­pi­schen Ge­sche­hens­ab­laufs, der bei ei­ner Ge­samt­be­trach­tung al­ler Umstände zu dem Er­geb­nis führt, dass das Ver­hal­ten von der Rechts­ord­nung nicht ge­bil­ligt wird (s. Wol­merath, PersR 2004, 327). Dies gilt je­den­falls, so­weit Ansprüche auf Ver­trags­ver­let­zun­gen gestützt wer­den. In­so­weit ist der Be­ru­fung zu

 

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fol­gen, die die Not­wen­dig­keit ei­ner Ge­samt­schau her­aus­stellt und die Re­du­zie­rung des Mob­bing­vor­wurfs auf ein­zel­ne Vor­komm­nis­se rügt.

3. Zur Be­gründung ei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs, der auf „Mob­bing" gestützt wird, müssen des­halb ei­ner­seits Hand­lun­gen kon­kret dar­ge­legt wer­den, durch die an­de­rer­seits in ei­ner Ge­samt­schau Ver­let­zun­gen von Rechtsgütern des Ar­beit­neh­mers kau­sal ver­ur­sacht wor­den sind. Es muss ein zu­re­chen­ba­rer Scha­den und ein Ver­schul­den des Ar­beit­ge­bers bzw. ein ihm über § 278 BGB zu­re­chen­ba­res Ver­schul­den sei­nes Mit­ar­bei­ters vor­lie­gen, wo­bei ins­be­son­de­re die psy­chi­schen Schäden vor­aus­seh­bar ge­we­sen sein müssen (vgl. LAG Ber­lin vom 15.07.2004 – 16 Sa 2280/03 – NZA RR 2005, 13; Wol­merath, PersR 2004, 334 m.w.N.).

Das Vor­brin­gen des Klägers erfüllt die­se Vor­aus­set­zun­gen. Er hat für die Zeit ab dem 01.08.2002 bis zu sei­ner er­neu­ten Er­kran­kung ei­ne Viel­zahl von Vorfällen vor­ge­tra­gen, bei de­nen we­der sei­ne Stel­lung als Ers­ter Ober­arzt der Neu­ro­chir­ur­gi­schen Ab­tei­lung, noch sei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Po­si­ti­on, noch sein An­spruch auf ei­nen an­ge­mes­se­nen Um­gang durch den Chef­arzt Dr. H6xxx hin­rei­chend re­spek­tiert wor­den wären. Hier­aus folgt zu­gleich ei­ne Miss­ach­tung der Persönlich­keit des Klägers. Spätes­tens nach­dem der Kläger ab dem 13.11.2003 we­gen ei­ner psy­chi­schen Er­kran­kung ar­beits­unfähig war –es war so­wohl der Be­klag­ten als auch dem Chef­arzt Dr. H6xxx be­kannt, dass der Kläger we­gen ei­ner psy­chi­schen Er­kran­kung be­han­delt wur­de – läge bei der vom Kläger vor­ge­tra­ge­nen Fort­set­zung des ihn her­abwürdi­gen­den Ver­hal­tens des Dr. H6xxx auch ei­ne schuld­haf­te, auf die Er­kran­kung des Klägers be­zo­ge­ne Pflicht­ver­let­zung vor.

4. Ein hier­auf gestütz­ter Scha­dens­er­satz­an­spruch ist – ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten – nicht nach § 23 AVR ver­fal­len. Die Aus­schluss­frist für ei­ne schrift­li­che Gel­tend­ma­chung beträgt sechs Mo­na­te ab Fällig­keit, ei­ne ein­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung ist für den­sel­ben Sach­ver­halt für später fällig wer­den­de Leis­tun­gen aus­rei­chend. Spätes­tens mit sei­ner der Be­klag­ten am 24.10.2004 zu­ge­stell­ten Kla­ge ist der Schmer­zens­geld­an­spruch vom Kläger schrift­lich gel­tend ge­macht wor­den. Da die­ser von ei­ner Ge­samt­be­trach­tung ei­ner Viel­zahl von Vorfällen abhängig ist, der Kläger ge­eig­ne­te Vorgänge zur Be­gründung sei­nes Mob­bing­vor­wurfs vor­ge­tra­gen hat, die sich in der Zeit­span­ne von sechs Mo­na­ten vor Zu­stel­lung der Kla­ge zu­ge­tra­gen ha­ben, ist ein et­wai­ger Scha­dens­er­satz­an­spruch nicht von vorn­her­ein ver­fal­len. Die für den Lauf der Ver­fall­frist maßgeb­li­che Fällig­keit des An­spruchs tritt erst bei Ab­schluss der Ver­let­zungs­hand­lung ein. So­lan­ge die schädi­gen­de Hand­lung an­dau­ert, sind die Fol­gen der Ver­let­zungs­hand­lung in der Re­gel nicht zu über­bli­cken.

 

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5. Es lie­gen Vorfälle vor, die Teil mob­bing­ty­pi­scher Ver­hal­tens­wei­sen sein können. Sie be­tref­fen so­wohl den zwi­schen­mensch­li­chen Um­gang als auch die ar­beits­ver­trag­li­che Stel­lung des Klägers so­wie die Re­spek­tie­rung sei­ner Po­si­ti­on als ers­ter Ober­arzt.

a) Nicht zu be­an­stan­den ist frei­lich das Schrei­ben des Dr. H6xxx vom 27.02.2003, in dem die­ser die Be­zeich­nung ei­ner Pa­ti­en­tin „als zu pan­ne" rügt und das der Kläger als Ab­mah­nung auf­fasst, zu der Dr. H6xxx nicht be­rech­tigt sei. Nicht er­kenn­bar ist je­doch, dass es sich um ei­ne Ab­mah­nung ge­han­delt hätte, de­ren Er­tei­lung sich Dr. H6xxx an­ge­maßt hätte und die zur Per­so­nal­ak­te des Klägers ge­nom­men wor­den wäre. Viel­mehr hat Dr. H6xxx als Chef­arzt der Neu­ro­chir­ur­gi­schen Kli­nik dem Kläger schrift­lich mit­ge­teilt, dass er des­sen un­an­ge­mes­se­nes Ver­hal­ten im Um­gang mit ei­ner Pa­ti­en­tin nicht hin­neh­men möch­te. Es stand Dr. H6xxx grundsätz­lich zu, sei­ne Hal­tung zu der vom Kläger be­nutz­ten Aus­drucks­wei­se, die als sol­che un­strei­tig und auch aus Sicht des Ge­richts un­an­ge­mes­sen ist, schrift­lich zu äußern.

b) Die fol­gen­den Vorfälle spre­chen je­doch für die Be­rech­ti­gung der vom Kläger er­ho­be­nen Vorwürfe.

aa) Ein Überg­riff in die ar­beits­ver­trag­li­che Stel­lung des Klägers liegt im Zu­sam­men­hang mit des­sen Ur­laub im Jah­re 2002 vor. Hin­sicht­lich der Som­mer­fe­ri­en ist al­ler­dings strei­tig, dass Dr. H6xxx vom Kläger die Ände­rung des be­reits be­wil­lig­ten Ur­laubs ver­langt hätte, Be­weis hat der Kläger zu sei­ner Be­haup­tung nicht an­ge­tre­ten. An­ders verhält es sich je­doch mit dem Ur­laub in den Herbst­fe­ri­en. Nach Aus­sa­ge der Zeu­gin W1xxx-G2xxxxxxxxx hat­te der Kläger sei­nen Ur­laub an­ge­mel­det und hat die­sen ver­scho­ben, weil Dr. H6xxx eben­falls Ur­laub ma­chen woll­te. Zwar war der Ur­laub des Klägers nur an­ge­mel­det, gleich­wohl hat die Zeu­gin die Si­tua­ti­on so be­ur­teilt, dass der Kläger für den an­ge­mel­de­ten Zeit­raum Ur­laub „hat­te". Dies ent­spricht der Erläute­rung des Klägers in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Be­ru­fungs­ge­richt, wo­nach der zu Be­ginn des Jah­res an­ge­mel­de­te Ur­laub als er­teilt gilt. Die Be­klag­te hat im Nach­gang zur Ver­neh­mung der Zeu­gin ei­nen am 16.09.2002 vom Kläger und Dr. H6xxx un­ter­zeich­ne­ten Ur­laubs­schein über­reicht, des­sen Funk­ti­on aber nicht deut­lich ge­wor­den ist. Er ist ihr von Dr. H6xxx über­las­sen wor­den, be­fand sich al­so nicht in der Per­so­nal­ab­tei­lung, ob­wohl im For­mu­lar ein Prüfver­merk der Per­so­nal­ab­tei­lung vor­ge­se­hen ist, die­se zu­dem für die Ausfüllung hin­sicht­lich der Ur­laubs­ta­ge zuständig sein dürf­te, bei­des ist aber nicht ge­sche­hen. Die von der Zeu­gin wie­der­ge­ge­be­ne Äußerung des Dr. H6xxx, er sei der Chef, er könne sich mit sei­nem Ur­laub nicht nach sei­nen Ärz­ten rich­ten, lässt man­geln­den Re­spekt für die Rechts­po­si­tio­nen An­de­rer er­ken­nen. Sei­ne man­geln­de Be­reit­schaft, die Gründe für den Nicht­an­tritt des Ur­laubs, um den es ei­nen Kon­flikt mit dem

 

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Kläger ge­ge­ben hat­te, die­sem zu­min­dest kurz zu erläutern bzw. durch die Se­kretärin, wie die­se vor­ge­schla­gen hat­te, erläutern zu las­sen, verstärkt den Ein­druck man­geln­der Rück­sicht­nah­me auf die Gefühle des ihm un­ter­stell­ten Klägers.

bb) Er­heb­li­che Mängel im zwi­schen­mensch­li­chen Um­gang des Vor­ge­setz­ten Dr. H6xxx mit dem Kläger weist die un­strei­ti­ge Be­lei­di­gung des Klägers in der Dis­kus­si­on um die Be­reit­schafts­diens­te am 04.05.2003 auf. Al­ler­dings ist die Be­haup­tung des Klägers, Dr. H6xxx ha­be die be­son­ders her­abwürdi­gen­de Äußerung, er, der Kläger würde nur so ar­gu­men­tie­ren, um sei­nen Arsch im Bett las­sen zu können, des wei­te­ren, um sei­ne Pfründe zu si­chern, nicht be­wie­sen wor­den. Da­zu sind die An­ga­ben der ver­nom­me­nen Zeu­gen zum ei­nen zu wi­dersprüchlich. Zum an­de­ren hat kei­ner der Zeu­gen mit hin­rei­chen­der Si­cher­heit bestätigt, dass ein sol­cher Satz ge­fal­len ist. So­weit Zeu­gen an­ge­ge­ben ha­ben, das Wort „Arsch" sei ge­fal­len, ist dies außer­dem in kei­nem Fall spon­tan, son­dern erst auf Vor­halt ge­sche­hen. Dies gilt für den Zeu­gen E4xxx, der zunächst nur aus­ge­sagt hat, dass Dr. H6xxx sich da­hin­ge­hend geäußert hätte, dass Dr. B1xxxx den dis­ku­tier­ten Vor­schlag nicht befürwor­te, weil er dann öfters „raus müss­te". Nach­dem er auf Vor­halt bestätigt hat­te, dass das Wort „Arsch" ge­fal­len sei, hat er hier­an fest­ge­hal­ten, oh­ne je­doch die ge­naue For­mu­lie­rung wie­der­ge­ben zu können. Die Zeu­gin E5xxx hielt es auf Vor­halt für möglich, dass so­wohl das Wort „Arsch" als auch das Wort „bräsig" ge­fal­len sein könn­te. Glei­ches gilt für die Zeu­gin Dr. S5xxxxx, die we­der die ei­ne noch die an­de­re For­mu­lie­rung gänz­lich aus­sch­ließen woll­te. Je­doch hat­ten al­le Zeu­gen nur ei­ne va­ge Er­in­ne­rung an die ver­wand­ten For­mu­lie­run­gen. Der ge­gen­be­weis­lich ver­nom­me­ne Zeu­ge Dr. H6xxx schloss aus, das Wort „Arsch" be­nutzt zu ha­ben. Un­ter die­sen Umständen kann die da­hin­ge­hen­de Be­haup­tung des Klägers nicht als be­wie­sen an­ge­se­hen wer­den.

Auch wenn der Be­deu­tungs­ge­halt des Wor­tes „bräsig" un­klar ist – in gängi­gen Wörterbüchern der Deut­sche Spra­che fin­det sich das Wort nicht, nach ei­nem Le­xi­kon der Ruhr­ge­biets­spra­che kommt ihm die Be­deu­tung „leicht be­trun­ken", aber auch „un­ge­hal­ten, verärgert" zu – so ist den Aus­sa­gen al­ler Zeu­gen al­ler­dings zu ent­neh­men, dass sie das Ver­hal­ten des Dr. H6xxx ge­genüber dem Kläger als sehr ver­let­zend emp­fun­den ha­ben. Dar­an, dass Dr. H6xxx sich ent­schul­digt hätte, konn­te sich – ne­ben dem Zeu­gen Dr. H6xxx selbst - nur die Zeu­gin Dr. S5xxxxx er­in­nern, die je­doch aus­ge­sagt hat, dass dies die Si­tua­ti­on auch nicht mehr ha­be ret­ten können. Hier­an wird ei­ne er­heb­li­che Schwe­re des Fehl­ver­hal­tens des Dr. H6xxx deut­lich, das al­ler­dings nicht das her­abwürdi­gen­de Maß er­reicht, das bei Ver­wen­dung des Wor­tes „Arsch" an­zu­neh­men wäre. Durch die von Dr. S5xxxxx bestätig­te Ent­schul­di­gung des Dr. H6xxx, die von den an­de­ren Zeu­gen womöglich nicht wahr­ge­nom­men wor­den ist, wird das Ge­wicht des Fehl­ver­hal­tens außer­dem re­la­ti­viert.

 

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cc) Man­geln­der Re­spekt vor der Per­son des Klägers und die Miss­ach­tung sei­ner Po­si­ti­on als Ers­ter Ober­arzt der Neu­ro­chir­ur­gi­schen Kli­nik ist auch in der Aus­ein­an­der­set­zung um die An­zahl der Bohrlöcher bei ei­ner un­ter der Lei­tung des Klägers durch­geführ­ten Ope­ra­ti­on zum Aus­druck ge­kom­men. Das Ver­hal­ten des Dr. H6xxx ge­genüber dem Kläger ist von den als Zeu­gen ver­nom­me­nen, bei die­ser Dis­kus­si­on an­we­sen­den Ärz­ten je­den­falls als un­an­ge­mes­sen emp­fun­den wor­den. Der Zeu­ge Dr. K4xxxx, wei­te­rer Ober­arzt der Neu­ro­chir­ur­gi­schen Ab­tei­lung, hat erklärt, dass es hart ge­gen den Kläger ge­we­sen sei, der Zeu­ge E4xxx, aus­ge­bil­de­ter Fach­arzt, ge­sagt, dass er ge­schluckt hätte, wenn ihm das ge­sagt wor­den wäre, die Zeu­gin E5xxx, dass sie die Äußerung des Dr. H6xxx als un­kol­le­gi­al, als her­abwürdi­gend, demüti­gend emp­fun­den hätte. Ob­jek­tiv fest­zu­stel­len ist, dass so­wohl der Ort der Dis­kus­si­on – auf dem Flur, vor dem Fahr­stuhl – als auch die Führung der Aus­ein­an­der­set­zung in Ge­gen­wart der wei­te­ren Ärz­te, als auch der In­halt der Äußerung, dass dann, wenn der Kläger ei­ne Ope­ra­ti­on mit we­ni­ger Bohrlöchern nicht könne, Dr. H6xxx ihm dies zei­gen wer­de, nicht hin­nehm­bar sind.

dd) Nicht verständ­lich ist, aus wel­chem Grund der Chef­arzt Dr. H6xxx ge­ra­de an den Kläger her­an­ge­tra­gen hat, sein Zim­mer mit dem Ober­arzt Dr. K4xxxx zu tei­len. Wie der Zeu­ge B3xxxxxx aus­ge­sagt hat, ist es zwar nicht ganz unüblich, dass Oberärz­te in ei­nem Zim­mer zu­sam­men­sit­zen, je­doch ha­ben ers­te Oberärz­te in der Re­gel ein ei­ge­nes Zim­mer. Dass dies bei dem vor­han­de­nen räum­li­chen Eng­pass nicht re­spek­tiert wer­den konn­te, ist sei­tens der Be­klag­ten nicht vor­ge­tra­gen wor­den. Da in der Neu­ro­chir­ur­gi­schen Ab­tei­lung drei Oberärz­te tätig wa­ren, hätte es zu­dem na­he­ge­le­gen, die­ses An­lie­gen zunächst an Dr. K4xxxx und Dr. S5xxxxx her­an­zu­tra­gen. Un­ter die­sen Ge­sichts­punk­ten muss­te dem strei­ti­gen Vor­trag, der Kläger und Dr. K4xxxx hätten sich ein­ver­stan­den erklärt, nicht wei­ter nach­ge­gan­gen wer­den.

ee) Auch in fach­li­cher Hin­sicht hat Dr. H6xxx dem Kläger ge­genüber den nöti­gen Re­spekt ver­mis­sen las­sen.

Nach § 1 Abs. 2 der Bun­desärz­te­ord­nung übt der Arzt ei­nen sei­ner Na­tur nach frei­en Be­ruf aus. Auf die wirt­schaft­li­che Selbstständig­keit kommt es da­bei nicht an. Auch nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs (Ur­teil vom 30.11.1977 – IV ZR 69/76 – NJW 1978, 589) soll durch die For­mu­lie­rung „frei­er Be­ruf" zum Aus­druck ge­bracht wer­den, dass der Arzt bei sei­ner ei­gent­li­chen Heil­be­hand­lungstätig­keit un­abhängig und wei­sungs­frei ist. Da­bei kommt es nicht dar­auf an, in wel­chem Rechts­verhält­nis und in wel­cher wirt­schaft­li­cher Form er sei­nen Be­ruf ausübt. In § 1 der Be­rufs­ord­nung für Ärz­tin­nen und Ärz­te ist dies eben­falls nie­der­ge­legt, sie gilt, wie § 23 aus­drück­lich be­stimmt, auch für Ärz­tin­nen und Ärz­te, die ih­re

 

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ärzt­li­che Tätig­keit im Rah­men ei­nes pri­vat­recht­li­chen Ar­beits­verhält­nis­ses ausüben (vgl. hier­zu auch Laufs/Uh­len­brock, Hand­buch des Arzt­rechts, 3. Aufl., § 90 Rd­Nr. 2).

Al­ler­dings kommt lei­ten­den Kran­ken­hausärz­ten in­ner­halb der Or­ga­ni­sta­ti­on des Ärzt­li­chen Diens­tes im Kran­ken­haus ei­ne her­aus­ra­gen­de Stel­lung zu. Sie ver­tre­ten in ih­ren Ab­tei­lun­gen oder ih­ren Funk­ti­ons­be­rei­chen ihr Fach­ge­biet selbstständig, ei­gen- und letzt­ver­ant­wort­lich. Sie sind fach­lich wei­sungs­be­rech­tig­te Vor­ge­setz­te des ärzt­li­chen Per­so­nals, ha­ben in­ner­halb der Kran­ken­haus­or­ga­ni­sa­ti­on Lei­tungs- und Führungs­funk­ti­on und sind in ärzt­li­cher Hin­sicht letzt­ver­ant­wort­lich (Lauf/Uh­len­brock, aaO., § 90 Rd­Nr. 26). An­de­rer­seits be­sit­zen auch Oberärz­te ei­ne her­vor­ge­ho­be­ne Po­si­ti­on im ärzt­li­chen Dienst. Sie ha­ben be­schränkt ärzt­li­che Führungs­ver­ant­wor­tung und weit­ge­hend selbstständi­ge Hand­lungs­ver­ant­wor­tung (Lauf/Uh­len­brock, aaO., § 90 Rd­Nr. 32).

Die Ausübung des fach­li­chen Wei­sungs­rechts durch den Chef­arzt ge­genüber dem Ober­arzt be­steht nicht schran­ken­los. Es ist ein ihm auf­grund ar­beits­ver­trag­li­cher Ver­ein­ba­rung über­tra­ge­nes ab­ge­lei­te­tes Recht (vgl. An­dre­as, ArztR 2000, 4 ff.). Wie das Di­rek­ti­ons­recht des Ar­beit­ge­bers un­ter­liegt die Ausübung des fach­li­chen Wei­sungs­rechts den Gren­zen bil­li­gen Er­mes­sens nach § 315 BGB (s. auch Hes­si­sches LAG – 9 Sa 1555/93 – ZTR 1995, 29). In der Sa­che sind Ein­schränkun­gen schon des­halb er­for­der­lich, weil der ei­ne Be­hand­lung durchführen­de Arzt im In­ter­es­se der Pa­ti­en­ten ge­ge­be­nen­falls selbst ent­schei­den muss, mit wel­cher an­er­kann­ten Be­hand­lungs­me­tho­de er am bes­ten zu Recht kommt, so­dass die­se die si­chers­te für den Pa­ti­en­ten ist. Ei­ne an­de­re Fra­ge ist es, ob ei­nem Arzt des­halb die Be­hand­lung ei­nes Pa­ti­en­ten nicht über­tra­gen wer­den kann, weil er die für die­sen Pa­ti­en­ten bes­te Me­tho­de nach Einschätzung des Chef­arz­tes nicht hin­rei­chend si­cher be­herrscht. Für den vor­lie­gen­den Fall ha­ben die­se Grundsätze zur Fol­ge, dass Dr. H6xxx sich bei sei­nen fach­li­chen Wei­sun­gen nicht oh­ne wei­te­res über die Qua­li­fi­ka­tio­nen und Kom­pe­ten­zen des Klägers hin­weg­set­zen darf.

Die fach­li­che Stel­lung des Klägers ist in der Aus­ein­an­der­set­zung im Zu­sam­men­hang mit dem Ein­satz von so­ge­nann­ten Ca­ges al­ler­dings nicht berührt wor­den. Hier­bei ging es um wirt­schaft­li­che Fra­gen, die der Chef­arzt Dr. H6xxx als Lei­ter der Ab­tei­lung in Ab­stim­mung mit dem Kran­ken­haus­träger zu ent­schei­den hat­te. Nicht nach­ge­wie­sen ist, dass Dr. H6xxx sich ge­genüber dem Kläger in der Form un­an­ge­mes­sen ver­hal­ten und des­sen Vor­schläge „ab­gebügelt" hätte. Le­dig­lich der Zeu­ge Dr. K4xxxx hat hier­zu über­haupt An­ga­ben ma­chen können, je­doch nicht erklärt, dass er die Re­ak­ti­on des Chef­arz­tes als „abbügeln" emp­fun­den ha­be, son­dern als Ab­bruch der Dis­kus­si­on um sei­ne Vor­stel­lun­gen durch­zu­set­zen. Dies war nach den dar­ge­stell­ten Grundsätzen ge­recht­fer­tigt.

 

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An­ders sind je­doch die Aus­ein­an­der­set­zun­gen um die An­zahl der Bohrlöcher und um die La­ge­rung bei be­stimm­ten Ope­ra­tio­nen zu be­ur­tei­len. Hier geht es um emi­nent me­di­zi­ni­sche Fra­gen, die un­ter­schied­lich be­ur­teilt wer­den können. Für die­sen Be­reich ist die dar­ge­stell­te selbstständi­ge Hand­lungs­ver­ant­wor­tung des ers­ten Ober­arz­tes auch durch den Chef­arzt zu re­spek­tie­ren. Dies schließt kei­nes­wegs aus, dass der Chef­arzt im Ein­zel­fall die Letz­tent­schei­dung trifft. Die ge­ne­rel­le An­wei­sung je­doch, nach ei­ner be­stimm­ten Me­tho­de zu ver­fah­ren, oh­ne die Er­fah­rung und Pra­xis des Klägers als ers­ten Ober­arz­tes zu berück­sich­ti­gen, ist nicht sach­ge­recht. Hin­sicht­lich der Ope­ra­tio­nen in Bauch­la­ge­rung ist ei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung nicht des­halb ge­recht­fer­tigt, weil die­se Me­tho­de von dem Chef­arzt der Anästhe­sie an den Chef­arzt Dr. H6xxx her­an­ge­tra­gen wor­den ist. In­so­weit hätte es ei­ner Abwägung der maßgeb­li­chen Ge­sichts­punk­te be­durft.

Nicht be­wie­sen hat der Kläger da­ge­gen, dass er ent­ge­gen ei­ner Ab­spra­che mit der Ver­wal­tung von der Be­hand­lung von Pri­vat­pa­ti­en­ten aus­ge­schlos­sen wor­den ist. Der Zeu­ge B3xxxxxx hat die vom Kläger be­haup­te­te Ver­ein­ba­rung nicht bestätigt. Im Übri­gen ist es je­doch Sa­che des Chef­arz­tes, wel­chem der ihm un­ter­stell­ten Ärz­te er die Be­hand­lung von Pri­vat­pa­ti­en­ten überträgt.

ff) Zu­sam­men­fas­send lässt sich da­mit fest­hal­ten, dass für die Zeit vor Be­ginn der erst­ma­li­gen Ar­beits­unfähig­keit des Klägers am 13.11.2003 ei­ne Rei­he von Vorfällen fest­zu­stel­len sind, die ge­eig­net wa­ren, die Per­son des Klägers und sei­ne fach­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on her­ab­zuwürdi­gen. Sei­ner her­aus­ra­gen­den Stel­lung als Ers­ter Ober­arzt der Neu­ro­chir­ur­gi­schen Ab­tei­lung hat Dr. H6xxx bei die­sen Vorfällen nicht den not­wen­di­gen Re­spekt ent­ge­gen­ge­bracht. Zur Schärfe der Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen dem Kläger und Dr. H6xxx mag al­ler­dings bei­ge­tra­gen ha­ben, dass der Kläger selbst da­zu neigt, sich in Ton­fall und Wort­wahl zu ver­grei­fen. Dies wird deut­lich an der un­strei­ti­gen von Dr. H6xxx gerügten Be­zeich­nung ei­ner Pa­ti­en­tin als „zu pan­ne", ist aber auch in den von der Be­klag­ten vor­ge­leg­ten Un­ter­la­gen zu ent­spre­chen­den Rügen des frühe­ren Chef­arz­tes Dr. T3xx do­ku­men­tiert. In den kon­kre­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen ist das Ver­hal­ten des Klägers von den an­we­sen­den Ärz­ten je­doch weit­ge­hend nicht als un­an­ge­mes­sen emp­fun­den wor­den. Zum Teil wur­de an­ge­ge­ben, der Kläger ha­be mit nor­ma­ler, al­ler­dings ihm ei­ge­ner lau­ter Stim­me ge­spro­chen (Zeu­ge Dr. K4xxxx, Zeu­gin Dr. S5xxxxx) bzw. man hätte sich selbst wie der Kläger ver­hal­ten (Zeu­ge E4xxx) bzw. im We­sent­li­chen sei Dr. H6xxx laut ge­we­sen (Zeu­gin E5xxx). Im Er­geb­nis nicht be­wie­sen ist da­ge­gen, dass der Kläger sich be­reits bei der ers­ten Vi­si­te des Dr. H6xxx als Chef­arzt der­art un­gebühr­lich be­nom­men hätte, dass das Ver­hal­ten des Dr. H6xxx als Re­ak­ti­on hier­auf verständ­lich ge­we­sen wäre. Zwar hat die Zeu­gin N1xxxxxx, die Sta­ti­ons­lei­te­rin der Neu­ro­chir­ur­gi­schen Sta­ti­on, ein solch

 

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un­gebühr­li­ches Ver­hal­ten des Klägers ge­schil­dert. Dem Fach­arzt Dr. F2xxxx wa­ren un­an­ge­mes­se­ne Ver­hal­tens­wei­sen je­doch nicht auf­ge­fal­len, ob­wohl das von der Zeu­gin ge­schil­der­te Ver­hal­ten auch aus sei­ner Sicht so un­gewöhn­lich war, dass es dem Zeu­gen hätte auf­fal­len müssen. Der Zeu­ge hat­te zwar kei­ne ge­si­cher­te Er­in­ne­rung an die ers­te Vi­si­te. Bei dem von der Zeu­gin dar­ge­stell­ten Ver­hal­ten hätte er sich je­doch nach sei­ner Mei­nung dar­an er­in­nern müssen, weil sie so un­gewöhn­lich wa­ren. Un­ter die­sen Umständen ver­moch­te die Kam­mer sich je­den­falls nicht die nach § 286 ZPO er­for­der­li­che Ge­wiss­heit zu ver­schaf­fen.

c) Nach­dem der Kläger ab dem 13.11. ar­beits­unfähig er­krankt war und er, un­ter­bro­chen von ei­nem Ar­beits­ver­such in der Zeit vom 07. bis 19.05.2004 sei­ne Ar­beit erst am 19.07.2004 wie­der auf­ge­nom­men hat, hat Dr. H6xxx sein Ver­hal­ten ge­genüber dem Kläger je­doch nicht in der frühe­ren Art und Wei­se fort­ge­setzt. Der Kläger hat sich zwar dar­auf be­ru­fen, dass Dr. H6xxx in der Fol­ge­zeit sein die In­ter­es­sen und die Per­son des Klägers miss­ach­ten­des Ver­hal­ten fort­ge­setzt hätte, den Be­weis hierfür hat er je­doch nicht geführt.

aa) Al­ler­dings ist in der Zeit der Er­kran­kung ge­gen den Kläger der Vor­wurf ei­nes Be­hand­lungs­feh­lers er­ho­ben wor­den, über den ihn we­der die Be­klag­te noch Dr. H6xxx in­for­miert ha­ben. Dr. H6xxx hat hier­von, wie die Zeu­gin W1xxx-G2xxxxxxxxx aus­ge­sagt hat, be­wusst Ab­stand ge­nom­men, auch nicht ge­wollt, dass der Kläger von der Zeu­gin er­fah­re, dass ein von ihm ope­rier­ter Pa­ti­ent in der Fol­ge­zeit ver­stor­ben und des­halb Vorwürfe ge­gen ihn er­ho­ben würden. Tatsächlich hat der Kläger dann am 27.04.2004 durch ein Schrei­ben der Staats­an­walt­schaft hier­von Kennt­nis er­hal­ten. Aus Sicht des Klägers konn­te sich dies als er­neu­te Rück­sichts­lo­sig­keit ihm ge­genüber dar­stel­len. Nach der Aus­sa­ge der Zeu­gin W1xxx-G2xxxxxxxxx ist je­doch nicht da­von aus­zu­ge­hen, dass das Ver­hal­ten des Dr. H6xxx auf Rück­sichts­lo­sig­keit be­ruh­te. Viel­mehr hat Dr. H6xxx ei­ne In­for­ma­ti­on des Klägers des­halb ab­ge­lehnt, weil die­ser krank war, was für Rück­sicht­nah­me auf das Be­fin­den des Klägers spricht. Dr. H6xxx hat nach der Aus­sa­ge W1xxx-G2xxxxxxxxx auch nicht ge­genüber dem Rechts­an­walt Stel­lung ge­nom­men, son­dern ge­genüber der Be­klag­ten. In­so­weit konn­te er an­neh­men, dass es sich um ei­nen in­ter­nen Be­richt han­de­le. Soll­te die­ser dem Rechts­an­walt des Pa­ti­en­ten zur Kennt­nis ge­ge­ben wor­den sein, so trägt nicht Dr. H6xxx, son­dern die Be­klag­te hierfür die Ver­ant­wor­tung. Die An­ga­be, dass ein Ope­ra­ti­ons­be­richt nicht vorläge, weil sich der Ope­ra­teur im Kran­ken­stand befände, ist zu­dem zu­tref­fend und nicht zu be­an­stan­den. Wenn die von Dr. H6xxx we­gen der Er­kran­kung des Klägers womöglich be­ab­sich­tig­te Rück­sicht­nah­me tatsächlich des­halb ins Lee­re ge­gan­gen ist, weil der Kläger von der Staats­an­walt­schaft über die ge­gen ihn er­ho­be­nen Vorwürfe ei­nes

 

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Be­hand­lungs­feh­lers un­ter­rich­tet wor­den ist, muss­te dies für Dr. H6xxx nicht vor­her­seh­bar sein.

bb) Nicht bestätigt wor­den ist außer­dem der Vor­wurf des Klägers, Dr. H6xxx ha­be sei­ne Miss­ach­tung ihm ge­genüber da­durch zum Aus­druck ge­bracht, dass er an­ge­wie­sen ha­be, dass der Kläger sein Zim­mer für ei­ne Schreib­kraft räum­en sol­le. Die Zeu­gin W1xxx-G2xxxxxxxxx hat hier­zu aus­ge­sagt, dass dies nicht auf An­wei­sung von Dr. H6xxx ge­sche­hen sei, son­dern sie selbst die­se Idee ge­habt hätte und le­dig­lich mit Zu­stim­mung von Dr. H6xxx den Kläger hier­um ge­be­ten hat, weil ihm der PC zur Verfügung stand, den die Schreib­kraft als ein­zi­gen be­nut­zen konn­te.

cc) Auch der Vor­trag des Klägers, Dr. H6xxx hätte ihn bei der Wie­der­auf­nah­me sei­ner Tätig­keit am 10.05.2004 an­ge­fah­ren, dass er kla­re An­wei­sung ge­ge­ben hätte, dass der Kläger OP-Be­rich­te dik­tie­ren soll­te, ist durch die Be­weis­auf­nah­me nicht bestätigt wor­den. Kei­ner der hier­zu ver­nom­me­nen Zeu­gen konn­te sich an ei­nen sol­chen Vor­fall er­in­nern.

dd) Als ty­pi­scher Mob­bingsach­ver­halt ist es an­zu­se­hen, wenn Be­spre­chun­gen so an­ge­setzt wer­den, dass der Be­trof­fe­ne von ih­nen fern­ge­hal­ten wird. Der Kläger hat ei­nen sol­chen Sach­ver­halt zwar be­haup­tet, in­dem er vor­ge­tra­gen hat, ei­ne am 10.05.2004 ursprüng­lich auf 15.45 Uhr an­ge­setz­te Be­spre­chung sei auf 15.00 Uhr vor­ge­zo­gen wor­den, oh­ne dass er hier­von verständigt wor­den wäre. Die hier­zu als Zeu­gin ver­nom­me­ne Oberärz­tin Dr. S5xxxxx konn­te zwar nicht grundsätz­lich aus­sch­ließen, dass der Kläger nicht darüber in­for­miert wor­den war, dass ein nach­mittägli­cher Be­spre­chungs­ter­min früher als dies zu­vor der Fall ge­we­sen war, an­ge­setzt wor­den ist. Ei­ne kon­kre­te Er­in­ne­rung hier­an hat­te sie je­doch nicht. Die Dar­stel­lung der Zeu­gin ließ im Übri­gen er­ken­nen, dass es sich um ei­ne all­ge­mei­ne Re­ge­lung han­del­te, von der der Kläger ge­ge­be­nen­falls aus Nachlässig­keit, je­doch nicht ge­zielt in Un­kennt­nis ge­blie­ben war.

ee) Nicht be­wie­sen ist des wei­te­ren, dass Dr. H6xxx den Kläger bei ei­ner Ope­ra­ti­on am 09.09.2004, bei der es um ei­nen Glas­split­ter ging, vor ver­sam­mel­ter Mann­schaft an­ge­fah­ren ha­be, wes­halb der Kläger den Split­ter nicht ent­spre­chend ei­ner zu­vor er­teil­ten An­wei­sung im Ver­let­zungs­be­reich be­las­sen ha­be. Hier­an konn­te sich kei­ner der ver­nom­me­nen Zeu­gen er­in­nern.

Es kann des wei­te­ren nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass der Kläger bei ei­ner Ope­ra­ti­on am 27.09.2004 von dem Chef­arzt Dr. H6xxx in ei­ner Wei­se über­g­an­gen wor­den ist, die sei­ner Po­si­ti­on als Ers­ter Ober­arzt und Ope­ra­teur nicht ge­recht ge­wor­den wäre. Der zu

 

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die­sem Vor­gang ver­nom­me­ne Zeu­ge F1xxx konn­te sich an die­se Ope­ra­ti­on nicht er­in­nern, den vom Kläger ge­genüber Dr. H6xxx er­ho­be­nen Vor­wurf so­mit nicht bestäti­gen.

ff) Der Kläger be­ruft sich als Hin­weis für ein sei­ne In­ter­es­sen und sei­ne Persönlich­keit miss­ach­ten­des Ver­hal­ten des Dr. H6xxx auch dar­auf, dass die­ser so­wohl im Som­mer 2003 als auch, trotz ei­ner ent­spre­chen­den An­wei­sung der Be­klag­ten, im April 2004 die Mit­wir­kung an Kon­fliktlösungs­ver­fah­ren ver­wei­gert ha­be. Nach den Aus­sa­gen des Zeu­gen S4xxxxxxxx kann das Ver­hal­ten des Dr. H6xxx je­doch nicht so ge­wer­tet wer­den. Zwar hat der Zeu­ge aus­ge­sagt, dass Dr. H6xxx erklärt ha­be, dass er an ei­ner Lösung in die­sem Rah­men nicht wei­ter in­ter­es­siert sei, was je­doch nicht so auf­ge­fasst wer­den kann, dass er an ei­ner Lösung über­haupt nicht in­ter­es­siert ge­we­sen sei. Der Zeu­ge S4xxxxxxxx hat viel­mehr erklärt, dass auf bei­den Sei­ten auf der persönli­chen Ebe­ne so viel vor­han­den ge­we­sen sei, dass je­der zu­tiefst be­trof­fen ge­we­sen sei. Ei­ne ein­sei­ti­ge Schuld­zu­wei­sung moch­te der Zeu­ge nicht vor­neh­men, er hat viel­mehr je­den der Bei­den in sei­ner Be­trof­fen­heit ge­se­hen und in sei­ner un­ter­schied­li­chen Wahr­neh­mung. Da ei­ne er­folg­rei­che Kon­flikt­ver­mitt­lung nur möglich ist, wenn bei al­len Be­tei­lig­ten die Be­reit­schaft da­zu da ist, ei­ne sol­che Ko­ope­ra­ti­on je­dem persönlich aber auch möglich sein muss, kann die Ab­sa­ge des Dr. H6xxx nicht als er­neu­ter Af­front ge­genüber dem Kläger ge­wer­tet wer­den.

gg) Zu den wei­te­ren vom Kläger zur Be­gründung sei­nes Mob­bing­vor­wurfs ge­schil­der­ten Vorfällen brauch­ten kei­ne ab­sch­ließen­den Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen zu wer­den. Ih­nen kommt kein ei­genständi­ges Ge­wicht zu. Sie vermöch­ten ein sich ab­zeich­nen­des Bild le­dig­lich ab­zu­run­den, die Mob­bing­vorwürfe aber nicht selbstständig zu be­gründen.

6. Die den Rechts­kreis des Klägers ver­let­zen­den Hand­lun­gen des Dr. H6xxx ha­ben sei­ne Er­kran­kung aus­gelöst. Dies steht nach Ver­neh­mung des Zeu­gen K6xxxx zur Über­zeu­gung des Ge­richts fest (§ 286 ZPO). Sie, und nicht das Schei­tern sei­ner Be­wer­bung um die Chef­arzt­po­si­ti­on der Neu­ro­chir­ur­gi­schen Ab­tei­lung stel­len die maßgeb­li­che Ur­sa­che für das Auf­tre­ten der agi­tier­ten De­pres­si­on, de­rent­we­gen der Kläger seit dem 13.11.2003 ar­beits­unfähig war, dar.

Nach der Aus­sa­ge des Zeu­gen K6xxxx war das be­ruf­li­che Um­feld des Klägers not­wen­di­ge Be­din­gung für den Aus­bruch der Er­kran­kung. Es han­del­te sich in­so­weit um ein „Life-Event", das der Auslöser für die Er­kran­kung war. Die Fest­stel­lun­gen zum Vor­lie­gen die­ses „Life-Events" wur­den durch Fremd­ana­mne­sen, wie auch durch Be­fra­gung des Herrn S4xxxxxxxx ge­trof­fen. Auf­grund der sta­ti­onären Be­hand­lung des Klägers konn­te die Dia­gno­se auch mit größerer Si­cher­heit ge­trof­fen wer­den, weil auch an­de­re Ärz­te an ihr be­tei­ligt wa­ren, die das

 

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Krank­heits­bild des Klägers ge­nau­so ge­se­hen ha­ben. Nach An­ga­ben des Zeu­gen K6xxxx war für die Krank­heit die Dau­er der Kon­flikt­si­tua­ti­on so­wie die Schwe­re des zu ver­mu­ten­den Trau­mas wich­tig. Zwar re­agie­ren die Men­schen un­ter­schied­lich auf die­se Art Kon­flik­te, die Er­kran­kung an ei­ner De­pres­si­on ist je­doch nicht un­gewöhn­lich. Der Zeu­ge hat al­ler­dings auch erklärt, dass er nicht aus­sch­ließen könne, dass die nicht er­folg­rei­che Chef­arzt­be­wer­bung Ur­sa­che für die Er­kran­kung ge­we­sen sei, dies al­ler­dings da­durch re­la­ti­viert, dass er aus­geführt hat, dass die­se im Vor­feld ge­le­gen hätte, die De­pres­si­on in die­sem Fall schnel­ler ge­kom­men wäre. Zum Zeit­punkt sei­ner Be­hand­lung sei die er­folg­lo­se Be­wer­bung nicht das ge­we­sen, was den Kläger be­wegt ha­be, son­dern die Dau­er­aus­ein­an­der­set­zung. Die in­ne­ren Rei­bungs­ver­lus­te hätten we­gen der Ge­wis­sens­bis­se be­stan­den, die der Kläger des­halb ge­habt ha­be, weil er Din­ge hätte ma­chen müssen, die er so nicht ha­be ver­ant­wor­ten können. Da­ge­gen hat der Zeu­ge den man­geln­den Er­folg bei der Be­wer­bung um die Chef­arzt­po­si­ti­on dem nor­ma­len psy­cho­lo­gi­schen Be­reich zu­ge­ord­net und die Fol­gen in der Wei­se be­schrie­ben, dass es be­ruf­li­che Wech­sel­wir­kun­gen z.B. in dem Sin­ne ge­ge­ben ha­ben könn­te, dass sich bei­de Be­trof­fe­ne mehr hätten pro­fi­lie­ren wol­len.

Selbst wenn die er­folg­lo­se Chef­arzt­be­wer­bung be­reits ei­ne psy­chi­sche Schädi­gung aus­gelöst ha­ben soll­te, so schlösse dies die Kau­sa­lität der Ver­let­zungs­hand­lung des Dr. H6xxx für den ein­ge­tre­te­nen Ge­sund­heits­scha­den nicht aus. Nach der Aus­sa­ge des Zeu­gen K6xxxx kann je­den­falls nicht an­ge­nom­men wer­den, dass das Schei­tern der Be­wer­bung al­lei­ni­ge Ur­sa­che für die Er­kran­kung war, sie wur­de auch durch die Kon­flikt­si­tua­ti­on am Ar­beits­platz aus­gelöst.

Nach ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs ist die be­son­de­re Scha­den­s­anfällig­keit des Ver­letz­ten dem Schädi­ger haf­tungs­recht­lich zu­zu­rech­nen. Die­ser Grund­satz gilt re­gelmäßig auch für psy­chi­sche Schäden, die aus der be­son­de­ren see­li­schen La­bi­lität des Be­trof­fe­nen er­wach­sen. Für see­lisch be­ding­te Fol­geschäden hat der Schädi­ger haf­tungs­recht­lich auch dann grundsätz­lich ein­zu­ste­hen, wenn sie auf ei­ner psy­chi­schen Prädis­po­si­ti­on oder sonst wie auf ei­ner neu­ro­ti­schen Fehl­ver­ar­bei­tung be­ru­hen, wo­bei ei­ner sol­chen Haf­tung auch Gren­zen ge­setzt sind (vgl. BGH vom 30.04.1996 – VI ZR 55/95 – NJW 1996, 2425; vom 11.11.1997 – VI ZR 146/96 – VersR 1998, 200; s. auch BGH vom 05.02.1985 – VI ZR 198/83 – NJW 1985, 1390; zur Kau­sa­lität bei so­ge­nann­ten Mob­bingfällen Säch­si­schen LAG vom 17.02.2005, aaO.; LAG Köln vom 13.01.2005 – 6 Sa 1154/04 – NZA RR 2005, 575; zu den bei­den letzt­ge­nann­ten Ent­schei­dun­gen kri­tisch Fe­der­hoff-Rink, FA 2005, 330).

 

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7. Wei­te­re Vor­aus­set­zun­gen für ei­ne Haf­tung des Schädi­gers ist je­doch, dass ihn an der Ge­sund­heitsschädi­gung ein Ver­schul­den trifft. Im Rah­men der haf­tungs­be­gründen­den Kau­sa­lität muss der Ein­tritt der Ge­sund­heitsschädi­gung für den Schäder vor­her­seh­bar ge­we­sen sein. Es ist er­for­der­lich, dass der Schädi­ger hätte er­ken­nen können, dass durch sein rechts­wid­ri­ges Ver­hal­ten ei­ne Krank­heit beim Ar­beit­neh­mer aus­gelöst wird. Das Ver­schul­den muss sich al­so nicht auf die ein­zel­ne „Tat­hand­lung", son­dern auf die Er­kran­kung be­zie­hen (BGH vom 30.04.1996, aaO.; BAG vom 18.04.2002 – 8 AZR 348/01 – NZA 2003, 37; LAG Ber­lin vom 15.07.2004 – 16 Sa 2250/03 – NZA-RR 2005, 13).

a) Ein Ver­schul­den des Dr. H6xxx selbst im Sin­ne ei­ner fahrlässi­gen Her­beiführung der Ge­sund­heitsschäden des Klägers kann für die Ers­ter­kran­kung ab dem 13.11.2004 je­doch nicht an­ge­nom­men wer­den. Der Kläger hat die Aus­ein­an­der­set­zung mit Dr. H6xxx nicht ge­scheut. Er wirkt als Persönlich­keit eher ro­bust. Nach Aus­sa­ge des Zeu­gen K6xxxx sind die Re­ak­tio­nen auf so­ge­nann­te Life-Events durch­aus un­ter­schied­lich. Ei­ne psy­chi­sche Er­kran­kung kann, muss aber nicht die Fol­ge ei­nes sol­chen Er­eig­nis­ses sein. Dafür, dass Dr. H6xxx da­mit rech­nen muss­te, dass der Kläger auf­grund der mit ihm geführ­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen „in die Kniee ge­hen würde", er­ge­ben sich kei­ne Hin­wei­se.

b) Das Bild ändert sich al­ler­dings ab dem Zeit­punkt, ab dem Dr. H6xxx und der Be­klag­ten be­kannt wa­ren, dass der Kläger we­gen ei­ner psy­chi­schen Er­kran­kung ar­beits­unfähig war. Ab die­sem Zeit­punkt war ei­ne be­son­de­re Rück­sicht­nah­me ihm ge­genüber ge­bo­ten. Ab die­sem Zeit­punkt las­sen sich je­doch Hand­lun­gen des Dr. H6xxx, durch die der Rechts­kreis des Klägers ver­letzt wor­den wäre, nicht mehr fest­stel­len. Auf die obi­ge Dar­stel­lung wird ver­wie­sen. Auch wenn die er­neu­te Ar­beits­unfähig­keit des Klägers ab Ok­to­ber 2004 auf sein be­ruf­li­ches Um­feld zurück­zuführen sein soll­te, wofür nach Aus­sa­ge des Zeu­gen K6xxxx An­halts­punk­te be­ste­hen, so liegt die Ur­sa­che je­doch nicht in ei­nem be­wie­se­nen Fehl­ver­hal­ten des Dr. H6xxx, son­dern kann ih­ren Grund in der Si­tua­ti­on als sol­che ha­ben, mit der der Kläger nicht mehr zu­recht kommt. Auch hier­auf deu­tet die Aus­sa­ge des Zeu­gen K6xxxx hin. Die er­neu­te Er­kran­kung hat der Zeu­ge K6xxxx als An­pas­sungsstörung dia­gnos­ti­ziert, ei­ne Er­kran­kung leich­te­rer Na­tur. Für ar­beits­unfähig hat er den Kläger des­halb ge­hal­ten, weil er da­von aus­ge­gan­gen ist, dass der Kläger in sei­nem be­ruf­li­chen Um­feld nicht mehr auf die Bei­ne kommt. Ist dies aber der Fall, so ist die Si­tua­ti­on als sol­che, oh­ne dass sie von kon­kre­ten Hand­lun­gen des Vor­ge­setz­ten des Klägers Dr. H6xxx abhängig ist, für die er­neu­te Er­kran­kung ursächlich.

 

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IV

Auch un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts steht dem Kläger der gel­tend ge­mach­te Schmer­zens­geld­an­spruch nicht zu (§§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB).

Nach ständi­ger Recht­spre­chung be­steht bei Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts ein An­spruch auf Er­satz des im­ma­te­ri­el­len Scha­dens, wenn ei­ne ob­jek­tiv er­heb­lich ins Ge­wicht fal­len­de Persönlich­keits­rechts­ver­let­zung vor­liegt, sub­jek­tiv ei­ne be­son­ders schwe­re Schuld des Schädi­gers ge­ge­ben ist und die Persönlich­keits­sphäre bei Ver­sa­gen ei­ner Entschädi­gung oh­ne Schutz blie­be (vgl. aus jünge­rer Zeit BVerfG – 1 BVR 2098/01 – NJW 2004, 2371 m.w.N.). Zum Schutz der In­di­vi­du­al­sphäre, bei der ein Ein­griff in das Persönlich­keits­recht vor­lie­gen kann, gehört auch das be­ruf­li­che Wir­ken des Be­trof­fe­nen. Ob das Persönlich­keits­recht im Ein­zel­fall ver­letzt ist, lässt sich nur auf­grund ei­ner Güter- und In­ter­es­sen­abwägung un­ter sorg­sa­mer Würdi­gung der Umstände be­ur­tei­len (vgl. BAG vom 18.12.1984 – 3 AZR 389/83 – EzA § 611 BGB Persönlich­keits­recht Nr. 2 m.w.N.).

Im Ent­schei­dungs­fall lie­gen zwar Ver­let­zungs­hand­lun­gen des Dr. H6xxx, die das all­ge­mei­ne Persönlich­keits­recht des Klägers berühren könn­ten, für die Zeit vor des­sen Ers­ter­kran­kung ab No­vem­ber 2003 vor. Ob ein hier­auf gestütz­ter Schmer­zens­geld­an­spruch auf­grund der Aus­schluss­frist des § 23 AVR ver­fal­len sein könn­te oder ob bei Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts an­de­re Maßstäbe gel­ten, braucht vor­lie­gend nicht ent­schie­den zu wer­den. Die Vor­aus­set­zun­gen für ei­nen Schmer­zens­geld­an­spruch auf­grund ei­ner Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts sind nach dem fest­ge­stell­ten Sach­ver­halt nicht erfüllt.

Die un­strei­ti­ge Be­lei­di­gung des Klägers durch Dr. H6xxx wiegt nicht so schwer, dass ein rechts­wid­ri­ger Ein­griff in das Persönlich­keits­recht des Klägers be­gründet wäre. Der Ge­brauch des be­son­ders her­abwürdi­gen­den Wor­tes „Arsch" ist nicht nach­ge­wie­sen. Zu­dem hat sich Dr. H6xxx hierfür ent­schul­digt. Auf die obi­gen Ausführun­gen wird in­so­weit ver­wie­sen.

Auch ei­ne be­son­ders schwe­re Schuld des Schädi­gers kann nicht fest­ge­stellt wer­den. Auch wenn bei den an­zu­neh­men­den Überg­rif­fen des Dr. H6xxx hier­bei der Be­reich des Ak­zep­ta­blen ver­las­sen wor­den ist, so liegt we­der ein er­heb­lich ins Ge­wicht fal­len­der Ein­griff vor, noch kann von ei­ner be­son­ders schwe­ren Schuld aus­ge­gan­gen wer­den.

 

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V

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Da Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu Ansprüchen auf­grund ei­nes so­ge­nann­ten Mob­bings bis­lang nicht vor­lie­gen, außer­dem sich die recht­li­chen Grund­la­ge durch die Einfügung des § 253 Abs. 2 in das Bürger­li­che Ge­setz­buch auch für so­ge­nann­te Mob­bing-Sach­ver­hal­te verändert ha­ben, hat die Kam­mer die Re­vi­si­on nach § 72 Abs. 2 ArbGG zu­ge­las­sen.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der kla­gen­den Par­tei Re­vi­si­on ein­ge­legt wer­den.

Für die be­klag­te Par­tei ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Not­frist* von ei­nem Mo­nat beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt,

Hu­go-Preuß-Platz 1,

99084 Er­furt,

Fax-Nr.: (03 61) 26 36 - 2 00 0

ein­ge­legt wer­den.

Die Not­frist be­ginnt mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

• Ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den.

 

Hack­mann 

Gott­schalk 

Eßmann

Bg.

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