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Fehlerhafte Information zum Betriebsübergang und Widerspruchsrecht
12.12.2016. Um Arbeitnehmer vor den Folgen einer Betriebsveräußerung zu schützen, schreibt § 613a Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vor, dass die Arbeitsverhältnisse der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer mit allen Rechten und Pflichten automatisch auf den Erwerber übergehen.
Dieser Schutz soll den Arbeitnehmer nicht gegen ihren Willen aufgedrängt werden. Daher können sie dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse widersprechen, und zwar innerhalb eines Monats ab Unterrichtung über den geplanten Betriebsübergang.
Die Monatsfrist beginnt erst dann zu laufen, wenn die Information über den bevorstehenden Betriebsübergang durch die Arbeitgeberseite korrekt ist. Daher können Arbeitnehmer bei fehlerhafter Unterrichtung oft noch Jahre nach einem Betriebsübergang ihren Widerspruch erklären.
Dieses Widerspruchsrecht kann allerdings verwirken, wenn man sich damit allzu lange Zeit lässt. Das bestätigt eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamburg: LAG Hamburg, Urteil vom 07.10.2016, 6 Sa 21/16.
- Wann verwirkt das Recht zum Widerspruch gegen eine Überleitung des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber, wenn die Information unvollständig ist?
- Der Hamburger Streitfall: Arbeitnehmer beruft sich nach acht Jahren und sieben Monaten Tätigkeit beim Erwerber auf die Unvollständigkeit des Informationsschreibens
- LAG Hamburg: Das Widerspruchsrecht gegen einen Betriebsübergang verwirkt nach neun Jahren Tätigkeit beim Erwerber und Befolgung einer Versetzung
Wann verwirkt das Recht zum Widerspruch gegen eine Überleitung des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber, wenn die Information unvollständig ist?
Gemäß § 613a Abs.5 BGB müssen der Betriebsveräußerer und/oder der Betriebserwerber die vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer vorab über folgende vier Punkte informieren:
- den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
- den Grund für den Übergang,
- die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
- die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.
Wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinen Urteilen über die Widersprüche von Siemensmitarbeitern gegen ihre Überleitung auf den taiwanesischen Handyproduzenten BenQ (bzw. auf dessen deutsche Tochtergesellschaft) entschieden hat, müssen die betroffenen Arbeitnehmer unter anderem über den Sitz des Betriebserwerbers und das zuständige Registergericht informiert werden (BAG 23.07.2009, 8 AZR 558/08).
Ist ein Informationsschreiben in diesem oder in einem anderen Punkt unrichtig oder unvollständig, beginnt die Monatsfrist für den Widerspruch (§ 613a ABs.6 BGB) nicht zu laufen. Kommt es dann später zu Problemen beim Erwerber, z.B. zu einer Massenentlassung oder gar zu einer Betriebsschließung, können die betroffenen Arbeitnehmer dem schon lange zurückliegenden Betriebsübergang nachträglich widersprechen. Dann fällt ihr Arbeitsverhältnis wieder zurück zu ihrem alten Arbeitgeber, d.h. genauer gesagt: Es ist infolge des Widerspruchs nie auf den Erwerber übergegangen.
Allerdings kann das Recht zum Widerspruch irgendwann einmal verwirken, so dass es gegen das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen würde, wenn sich der Arbeitnehmer darauf berufen würde. Das ist nach der Rechtsprechung der Fall,
- wenn der Betriebsübergang schon "lange" zurückliegt (man spricht hier vom "Zeitmoment"), und
- wenn der Arbeitnehmer dem Erwerber und/oder dem alten Arbeitgeber signalisiert hat, dass er nicht mehr zum alten Arbeitgeber zurückkehren möchte (hier spricht man vom "Umstandsmoment").
Das Umstandsmoment kann vorliegen und damit für eine Verwirkung des Widerspruchsrechts sprechen, wenn der Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag mit dem Erwerber abgeschlossen und damit über sein Arbeitsverhältnis verfügt bzw. "disponiert" hat (BAG, Urteil vom 23.07.2009, 8 AZR 357/08, wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 09/150: Betriebsübergang: Widerspruch bei Aufhebungsvertrag?). Das Umstandsmoment ist auch gegeben, wenn der Arbeitnehmer den Erwerber auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verklagt, sich dann aber mit ihm auf einen Beendigungsvergleich mit Abfindung einigt (BAG, Urteil vom 17.10.2013, 8 AZR 974/12, wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 13/298 Betriebsübergang - Verwirkung des Rechts zum Widerspruch).
Aber kann das Widerspruchsrecht auch verwirken, wenn der Arbeitnehmer keine so klaren Dispositionen über sein Arbeitsverhältnis getroffen hat, dafür aber über acht Jahre und damit "sehr lange" beim Erwerber gearbeitet hat? Dann wäre jedenfalls das Zeitmoment extrem stark ausgeprägt.
Der Hamburger Streitfall: Arbeitnehmer beruft sich nach acht Jahren und sieben Monaten Tätigkeit beim Erwerber auf die Unvollständigkeit des Informationsschreibens
Im Streitfall war der klagende Arbeitnehmer seit 1979 bei einem Unternehmen der Immobilienwirtschaft beschäftigt. Zum 1. Januar 2006 kam es zu einem Betriebsübergang, über den die damals beteiligten Arbeitgeber nicht korrekt informierten.
Denn das Informationsschreiben enthielt keine Angaben zum Sitz des Betriebserwerbers und zu seiner Anschrift, zum zuständigen Registergericht und zu der Registernummer. Außerdem wurde nicht mitgeteilt, dass der alte Arbeitgeber nach dem Gesetz nur eingeschränkt für Forderungen haftet, die nach dem Betriebsübergang fällig werden, d.h. § 613a Abs.2 Satz 2 BGB wurde nicht erwähnt bzw. erläutert.
Trotzdem leistete der Arbeitnehmer acht Jahre und sieben Monate beim Betriebserwerber seine Arbeit und akzeptierte auch eine räumliche Versetzung an einen anderen Dienstort. Erst am 01. August 2014 erklärte er seinen Widerspruch gegen den über achteinhalb Jahre zurückliegenden Betriebsübergang.
Im November 2014 verklagte er dann seinen alten Arbeitgeber auf die gerichtliche Feststellung, dass zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht. Das Arbeitsgericht Hamburg gab ihm recht, denn es hielt die Mitteilung über den Betriebsübergang für unvollständig und war der Meinung, dass das Widerspruchsrecht nicht verwirkt wäre (Urteil vom 16.03.2016, 28 Ca 387/15). Denn obwohl seit dem Betriebsübergang viel Zeit vergangen war, hatte der Kläger über sein Arbeitsverhältnis in der Zwischenzeit nicht verfügt. Daher lag das Umstandsmoment hier nicht vor, so jedenfalls das Arbeitsgericht.
LAG Hamburg: Das Widerspruchsrecht gegen einen Betriebsübergang verwirkt nach neun Jahren Tätigkeit beim Erwerber und Befolgung einer Versetzung
Das LAG Hamburg entschied andersherum und wies die Klage ab. Seiner Ansicht nach war das Umstandsmoment erfüllt.
Denn wenn ein Arbeitnehmer nach einem Betriebsübergang mehr als achteinhalb Jahre lang für den neuen Betriebsinhaber arbeitet, ist das Zeitmoment sehr deutlich ausgeprägt. Damit sinken die Anforderungen, die an das Umstandsmoment zu stellen sind. Daher ließ das LAG im Streitfall die Tatsache genügen, dass der Arbeitnehmer im Jahre 2011 eine räumliche Versetzung durch den neuen Arbeitgeber akzeptiert hatte. Damit hatte er sich, so die Hamburger Richter, "in nach außen sichtbarer Weise zu diesem Arbeitsverhältnis bekannt".
Fazit: Bei der Verwirkung hängen Zeitmoment und Umstandsmoment zusammen. Ist das Zeitmoment so deutlich ausgeprägt wie hier im Hamburger Fall, braucht es keinen Aufhebungsvertrag mit dem neuen Arbeitgeber oder eine ähnliche eindeutige "Verfügung" über das Arbeitsverhältnis, damit das Widerspruchsrecht verwirkt.
Letztlich wird das BAG über den Fall zu entscheiden haben, denn das LAG hat die Revision zugelassen, die der Arbeitnehmer mittlerweile eingelegt hat (Aktenzeichen des BAG: 8 AZR 762/16). Voraussichtlich werden die Erfurter Richter das Urteil ihrer Hamburger Kollegen absegnen, denn das BAG hat in einer Entscheidung vom November 2015 deutlich gemacht, dass es das Widerspruchsrecht begrenzen will (BAG, Urteil vom 19.11.2015, 8 AZR 773/14, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 16/213 Informationspflicht und Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang).
Nähere Informationen zu diesem Vorgang finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 07.10.2016, 6 Sa 21/16
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.11.2015, 8 AZR 773/14
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2013, 8 AZR 974/12
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.07.2009, 8 AZR 357/08
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsstilllegung, Betriebsschließung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsübergang
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Betriebsbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Massenentlassung
- Handbuch Arbeitsrecht: Sozialplan
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Versetzung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/025 Betriebsübergang als Täuschungsmanöver
- Arbeitsrecht aktuell: 16/277 Betriebsübergang und materielle Betriebsmittel
- Arbeitsrecht aktuell: 16/245 Betriebsübergang und Betriebsführungsvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 16/213 Informationspflicht und Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang
- Arbeitsrecht aktuell: 14/172 Unterrichtung über Betriebsübergang und Sozialplanprivilegierung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/119 Aufhebungsvertrag mit Abfindung beim Zweitarbeitgeber und dann zurück zum alten?
- Arbeitsrecht aktuell: 13/298 Betriebsübergang - Verwirkung des Rechts zum Widerspruch
- Arbeitsrecht aktuell: 11/117 Betriebsübergang: Fortsetzungsverlangen nach Betriebsübergang bei Verstoß gegen Unterrichtungspflicht
- Arbeitsrecht aktuell: 11/018 Widerspruch nach Betriebsübergang - Verwirkung durch Abtretung von Lohn
- Arbeitsrecht aktuell: 10/172 Nichterhebung der Kündigungsschutzklage führt zur Verwirkung des Widerspruchsrechts
- Arbeitsrecht aktuell: 09/195 Kündigung durch Betriebsübernehmer - Erhalt des Widerspruchsrechts auch ohne Klage
- Arbeitsrecht aktuell: 09/150: Betriebsübergang: Widerspruch bei Aufhebungsvertrag?
- Arbeitsrecht aktuell: 08/103 Verwirkung des Rechts zum Widerspruch gegen die Folgen eines Betriebsübergangs
- Arbeitsrecht aktuell: 08/101 Informationspflichten beim Betriebsübergang: Bezeichnung des Erwerbers als „neue GmbH“ genügt nicht
Letzte Überarbeitung: 30. Januar 2018
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