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LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19.12.2013, 5 Sa 149/13
Schlagworte: | Aufhebungsvertrag | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein | |
Aktenzeichen: | 5 Sa 149/13 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 19.12.2013 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Kiel - 5 Ca 1901 d/12 | |
Ablichtung
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Aktenzeichen: 5 Sa 149/13
ö. D. 5 Ca 1901 d/12 ArbG Kiel
(Bitte bei allen Schreiben angeben!)
Verkündet am 19.12.2013
gez. ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
pp.
hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 31.10.2013 am 19.12.2013 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und den ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und die ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin
für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgericht Kiel vom 21.03.2013, Az.: ö.D. 5 Ca 1901 d/12, im Tenor zu Ziff. 2. und 3. teilweise wie folgt abgeändert:
„2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den Bedingungen des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses vom 01.09.1970 mit Tätigkeiten gemäß der Entgeltgruppe T 5 des Entgeltrahmentarifvertrages der D. T. AG (ERTV) zu beschäftigen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 15.720,03 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf € 1.746,67 brutto seit dem 17.09.2012 und auf jeweils weitere € 3.493,34 brutto jeweils seit dem 17. des Folgemonats, zuletzt seit 17.01.2013 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“
2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
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3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz.
4. Die Revision wird nur für die Beklagte zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann die Beklagte durch Einreichung einer Revisionsschrift bei dem Bundesarbeitsgericht in 99084 Erfurt, Hugo-Preuß-Platz 1, Telefax: 0361 2636 2000 Revision einlegen.
Die Revisionsschrift muss
binnen einer Notfrist von einem Monat
beim Bundesarbeitsgericht eingegangen sein.
Die Revisionsklägerin muss die Revision begründen. Die Revisionsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Revisionsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Bundesarbeitsgericht einzureichen. Die Frist für die Revisionsbegründung beträgt
zwei Monate.
Die Fristen für die Einlegung und die Begründung der Revision beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Revisionsschrift muss das Urteil bezeichnen, gegen das die Revision gerichtet wird, und die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt werde.
Die Revision und Revisionsbegründung müssen von einem bei einem D. Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
An seine Stelle kann auch ein Vertreter eines Verbandes (Gewerkschaften, Arbeitgebervereinigungen) oder eines Spitzenverbandes (Zusammenschlüsse solcher Verbände) treten, sofern er kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt und die Partei Mitglied des Verbandes oder Spitzenverbandes ist. An die Stelle der vorgenannten Vertreter können auch Angestellte einer juristischen Person, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer dieser Organisationen stehen, treten, sofern die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung der Verbandsmitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und der Verband für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet. Ist die Partei Mitglied eines Verbandes oder Spitzenverbandes, kann sie sich auch durch einen Vertreter eines anderen Verbandes oder Angestellten einer der oben genannten juristischen Personen mit vergleichbarer Ausrich-
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tung vertreten lassen. Die Personen, die für diese Organisationen handeln, müssen über die Befähigung zum Richteramt verfügen.
Der Revisionsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils beigefügt werden.
Der Schriftform wird auch durch Einreichung eines elektronischen Dokuments genügt, wenn es für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist. Schriftsätze können dazu über eine gesicherte Verbindung in den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesarbeitsgerichts eingelegt werden. Die erforderliche Zugangs- und Übertragungssoftware kann lizenzkostenfrei über die Internetseite des Bundesarbeitsgerichts (www.bundesarbeitsgericht.de) heruntergeladen werden. Das Dokument ist mit einer qualifizierten Signatur nach dem Signaturgesetz zu versehen. Nähere Informationen finden sich auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts (s.o.) sowie unter www.egvp.de.
(Rechtsmittelschriften, Rechtsmittelbegründungsschriften und wechselseitige Schriftsätze im Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht sind in siebenfacher - für jeden weiteren Beteiligten eine weitere - Ausfertigung einzureichen.)
Tatbestand
Die Parteien streiten um das Bestehen eines zunächst ruhend gestellten Arbeitsverhältnisses, den Beschäftigungsanspruch und Verzugslohnansprüche des Klägers.
Der 61-jährige Kläger absolvierte bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin von September 1967 bis August 1970 eine Ausbildung zum Fernmeldehandwerker. Nach erfolgreichem Abschluss dieser Ausbildung wurde der Kläger von der Beklagten mit Wirkung ab dem 01.09.1970 als tariflicher Arbeitnehmer beim Fernmeldeamt Kiel eingestellt (Arbeitsvertrag vom 01.09.1970, Bl. 5 d. A.). Er war zuletzt bei der Beklagten in der Entgeltgruppe (EntgGr.) T 5 Stufe 4 des Entgeltrahmentarifvertrages der D. T. AG (ERTV) eingruppiert. Dies entspricht einem monatlichen Tarifentgelt von € 3.412,73 brutto. Der Kläger genießt seit dem 04.07.1992 tariflichen Kündigungsschutz gemäß § 26 a Abs. 1 des Tarifvertrages für die Arbeiter der D. B. (TVArb).
Nach vorübergehender Beurlaubung und Wechsel zur K. D. Vertrieb und Service GmbH & Co. KG kehrte der Kläger zum 01.07.2004 in das wieder aktivierte Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zurück und wurde mit Wirkung ab diesem Tage in den
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Vermittlungs- und Qualifizierungsbetrieb der Beklagten, „V.“, Region Nord, versetzt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden u. a. der Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio) Anwendung. Gemäß dessen § 7 i. V. m. mit der Anlage 8 zum TV Ratio vermittelte die Beklagte dem Kläger einen sogenannten Dauerarbeitsplatz in ihrem Geschäftsmodell „V. Technical Services GmbH & Co. KG“ (nachfolgend: VTS). In diesem Zusammenhang unterbreitete die Beklagte dem Kläger einen von ihr und der VTS am 17.11.2004 unterschriebenen „Dreiseitigen Vertrag zur Auflösung und Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses“, mit dem sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger zum 31.12.2004 vereinbaren wollte (Bl. 7 – 9 d. A.). Der Kläger unterzeichnete diesen Vertrag nicht.
Am 03.12.2004 unterzeichnete der Kläger einen ihm von der VTS angebotenen Arbeitsvertrag mit Wirkung zum 01.01.2005 mit von ihm handschriftlich angefügten Änderungen und Vorbehalten (Bl. 10 – 14 d. A.). Zu diesen Änderungen und Vorbehalten erklärte sich die VTS nicht. Mit Wirkung ab dem 01.01.2005 nahm der Kläger sei-ne Tätigkeit im Geschäftsmodell VTS am Arbeitsort Kiel auf. Die Beklagte teilte dem Kläger sodann mit Schreiben vom 06.05.2005 Folgendes mit (Bl. 216 d. A.):
„gemäß den tarifvertraglichen Bestimmungen der Anlage 8 des TV Ratio sind Sie insoweit Ihrer Verpflichtung nachgekommen, ein Arbeitsverhältnis bei der V. Technical Services GmbH & Co. KG (VTS) aufzunehmen. Wir bedanken uns an dieser Stelle für Ihre bisherige Tätigkeit für die D. T. AG, die mit Annahme des Vertragsangebotes im Geschäftsmodell zum 01.01.2005 ihr Ende gefunden hat.“
Die Betriebe der Technischen Infrastruktur Niederlassungen der Beklagten wurden mit Wirkung ab dem 25.06.2007 gemäß § 613a BGB auf die konzernangehörigen 100 %igen Tochtergesellschaften (D. T. N. GmbH und D. T. Technischer Service) übertragen. Von diesem Betriebsteilübergang informierte die Beklagte den Kläger nicht.
Mit Wirkung ab dem 01.01.2008 ging das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der VTS auf die N. S. Networks Services Deutschland GmbH Co. KG (NSN) über.
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Am 30.09.2009 erhob der Kläger beim Arbeitsgericht Kiel Feststellungsklage mit dem Antrag festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht (ö.D. 1 Ca 1968 c/09). Das Verfahren ruhte bis der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2012 jene Klage wegen doppelter Rechtshängigkeit mit dem vorliegenden Verfahren zurücknahm. Mit Schreiben vom 05.02.2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er an dem mit ihr fortbestehenden Arbeitsverhältnis festhalte (Bl. 15 d. A.). Mit Schreiben vom 09.03.2011 erwiderte die Beklagte, dass sich die Frage nach dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses aktuell nicht zu stellen sei, da sich der Kläger bereits seit 2005 unverändert auf einem Dauerarbeitsplatz bei der VTS GmbH & Co. KG in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis befinde (Bl. 16 d. A.). Mit Anwaltsschreiben vom 10.08.2012 forderte der Kläger die Beklagte auf, den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses schriftlich zu bestätigen. Eine Reaktion der Beklagten auf dieses Schreiben erfolgte nicht (Bl. 17 – 18 d. A.).
Nach einem bestehenden Sanierungstarifvertrag bei der Firma NSN waren betriebs-bedingte Beendigungskündigungen bis zum 31.12.2012 ausgeschlossen. Die NSN drängte ihre Arbeitnehmer zum Abschluss von Aufhebungsverträgen. Um ihr Ziel zu erreichen, in nennenswertem Umfang Personal abzubauen, stattete die NSN diese Aufhebungsverträge mit relativ hohen Abfindungen in der Größenordnung von 100.000 bis 115.000 Euro aus. Der Kläger schloss mit der NSN einen Aufhebungsvertrag zum 31.08.2012 gegen Zahlung einer Abfindung in unbekannter Höhe.
Der Kläger bot der Beklagten am 14.09.2012 seine Arbeitskraft persönlich gegenüber dem V. Vermittlungsteam Schleswig-Holstein in Kiel – letztlich erfolglos – an.
Zugleich hat der Kläger am 17.09.2012 vor dem Arbeitsgericht Kiel Klage erhoben und die Beklagte aufgefordert, mitzuteilen, an welchem Ort (Beschäftigungsstelle) zu welcher Zeit er sich zur Arbeitsaufnahme einfinden solle.
Der Kläger hat gemeint,
dass das am 01.09.1970 mit der Beklagten begründete Arbeitsverhältnis ruhe und parallel zum aktiven Arbeitsverhältnis bei der VTS bzw. NSN fortbestehe. Entsprechend seiner Aufforderung sei die Beklagte nunmehr verpflichtet, ihn in Kiel mit Mon-
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teurtätigkeiten nach der Entgeltgruppe T 5 des ERTV zu beschäftigen. Sein Beschäftigungsanspruch hänge nicht davon ab, aus welchen Gründen und zu welchen Konditionen das Arbeitsverhältnis mit der NSN geendet habe. Die Parteien hätten zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Bedingungen vereinbart, von deren Eintritt eine Aktivierung ihres Arbeitsverhältnisses abhängig sein sollte. Er, der Kläger, habe daher jederzeit das ruhende Arbeitsverhältnis wieder aufrufen und vertragsgerechte Beschäftigung geltend machen können. Seine Rechte aufgrund des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses seien auch nicht verwirkt. Er habe mehrfach und dauerhaft deutlich gemacht, dass er am Bestand des Arbeitsverhältnisses festhalten wolle. Er habe gerade keine Umstände gesetzt, die ein Vertrauen der Beklagten hätten rechtfertigen können, dass er, der Kläger, nicht mehr vom Fortbestand des ruhenden Arbeitsverhältnisses ausgehe. Der Beklagten sei es auch möglich, ihn tatsächlich als Fernmeldehandwerker bzw. Arbeitnehmer zu beschäftigen. Der Arbeitsort Kiel sei arbeitsvertraglich vereinbart worden. Im Übrigen habe die Beklagte als alleinige Gesellschafterin der konzernzugehörigen und mit ihr durch Beherrschungsverträge verbundenen Tochtergesellschaften und auch als Konzernmutter fortdauernd die Möglichkeit, ihn mit Tätigkeiten, die die Ausbildung zum Fernmeldehandwerker bzw. Betriebstechniker T. erforderten, zu den Bedingungen des zwischen des Parteien bestehenden Arbeitsvertrages zu beschäftigen; sei es durch direkten Einsatz an dem in ihrem Eigentum stehenden verbliebenen Netz, sei es im Wege der Personalgestellung, auch in Form der Konzernleihe. Aus der Beschäftigungspflicht und seinem Arbeitsangebot ergeben sich auch die geltend gemachten Verzugslohnansprüche.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das am 01.09.1967 begründete Arbeitsverhältnis der Parteien fortbesteht;
2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den Bedingungen des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrages vom 01.09.1970 mit Tätigkeiten gemäß Entgeltgruppe T 5 des Entgeltrahmentarifvertrages der D. T. AG (ETRV), die die Ausbildung zum Fernmeldehandwerker erfordern, am Arbeitsort Kiel zu beschäftigen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 17.466,70 brutto nebst Zinsen
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brutto seit 17.09.2012 und auf jeweils weitere 3.493,34 Euro brutto jeweils seit dem 17. des Folgemonats, zuletzt seit dem 17.01.2013 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat gemeint,
das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis habe nur bis zum 03.12.2004 bestanden. Mit der Erfüllung der Vermittlungspflicht auf einen Dauerarbeitsplatz im Geschäftsmodell (hier: Vermittlung eines Arbeitsplatzes bei der VTS) habe zugleich das Arbeitsverhältnis der Parteien geendet. Dies ergebe sich aus der Gesamtsystematik des TV Ratio. Hiernach erhielten rationalisierungsbetroffene Arbeitnehmer der Beklagten im Vermittlungsbetrieb V. zur Vermeidung einer betriebs-bedingten Kündigung einen Anspruch auf Vermittlung eines Dauerarbeitsplatzes, der u. a. durch Vermittlung eines externen Arbeitsplatzes in einer Beteiligungsgesellschaft (sogenanntes Geschäftsmodell) erfüllt werden könne. Dies führe zu einem Vertragswechsel, mithin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit ihr, der Beklagten, und zum Abschluss eines neuen Arbeitsverhältnisses mit der Beteiligungsgesellschaft (hier: VTS). Bei der Vermittlung auf einen Arbeitsplatz im Geschäftsmodell sei der Arbeitgeberwechsel mithin tarifkonstitutiv. Dies ergebe sich auch aus der Protokollnotiz zu § 3 Abs. 1 der Anlage 8 TV-Ratio. Ungeachtet dessen könne sich der Kläger nach den Grundsätzen der Verwirkung auch nicht mehr auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit ihr, der Beklagten, berufen. Erstmals mit Schreiben vom 05.12.2011 und damit sechs Jahre nach dem Wechsel zur VTS bzw. NSN habe er sich auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ihr gegenüber berufen. Zudem bleibe seine Entscheidung, das Arbeitsverhältnis mit der NSN zu beenden, im Verhältnis zu ihr, der Beklagten, nicht ohne Rechtsfolgen. Es sei treuwidrig, dass der Kläger sein Arbeitsverhältnis trotz eines bestehenden Ausschlusses von betriebsbedingten Beendigungskündigungen selbst zum 31.08.2012 aufgelöst habe. Die Beklagte könne vor dem Hintergrund der bestehenden Sachlage nicht verpflichtet sein, den Kläger zu beschäftigen. Im Übrigen sei zu vermuten, dass die NSN bei der an den Kläger gezahlten Abfindung auch die bei der D. T. AG erworbenen langen Betriebszugehörigkeitszeiten berücksichtigt habe. Auch sei ihr eine vertragsgemäße
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Beschäftigung des Klägers am Standort Kiel tatsächlich nicht mehr möglich. Die Tätigkeiten eines Fernmeldehandwerkers seien im Unternehmen D. T. AG nicht mehr vorhanden, sondern existierten nur noch im Konzern T.. Einen Rechtsanspruch auf einen Einsatz im Konzern existiere nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedoch nicht.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 21.03.2013 der Klage in vollem Umfang statt-gegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestehe fort. Weder der Abschluss eines Arbeitsvertrages mit der VTS noch die Arbeitsaufnahme bei der VTS hätten das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten beendet. Gleiches gelte für den Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der VTS auf die NSN. Eine einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses der Parteien scheitere am Schriftformerfordernis des § 623 BGB. Der Kläger habe den ihm von der Beklagten unterbreiteten dreiseitigen Vertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten und Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses mit der VTS nicht unterzeichnet. Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht nach dem TV Ratio, sozusagen tarifkonstitutiv, beendet worden. Für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses könne sich die Beklagte auch nicht auf das Schreiben vom 09.03.2011 berufen. Eine Kündigung sei hiermit nicht ausgesprochen worden. Es sei auch nicht treuwidrig, dass der Kläger sich auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten berufe. Die hieraus abgeleiteten Rechte seien nicht verwirkt. Zwar sei das Zeitmoment erfüllt, indessen nicht das Umstandsmoment. Die Beklagte habe nicht darauf vertrauen können, dass der Kläger sich nicht mehr auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses berufen werde. Dies belege bereits der Umstand, dass der Kläger sich geweigert habe, den dreiseitigen Vertrag und damit den Aufhebungsvertrag mit der Beklagten zu unterzeichnen. Zudem habe der Kläger bereits im Jahr 2009 die entsprechende Feststellungsklage vor dem Arbeitsgericht Kiel (ö.D. 1 Ca 1968 c/09) gegen die Beklagte erhoben. Auch die widerspruchslose Hinnahme des Betriebsübergangs von der VTS auf die NSN ändere hieran nichts. Die Beklagte sei auch verpflichtet, den Kläger mit Tätigkeiten der Entgeltgruppe T 5 am Arbeitsort Kiel zu beschäftigen. Aufgrund des Fortbestands seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten habe der Kläger auch einen entsprechenden Rechtsanspruch auf vertragsgerechte Beschäftigung. Die Parteien hätten keine Regelungen getroffen, unter welchen Voraussetzungen das ruhende Arbeits-
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verhältnis reaktiviert werden könne. Das Arbeitsverhältnis könne nicht als leere Hülle fortgesetzt werden, ohne dass der Kläger seinen grundgesetzlich verankerten Anspruch auf Beschäftigung verwirklichen könne. Das parallele Arbeitsverhältnis mit der NSN sei beendet. Der Abschluss des entsprechenden Aufhebungsvertrages sei angesichts der bevorstehenden Betriebsschließung auch nicht treuwidrig gegenüber der Beklagten gewesen. Durch sein Beschäftigungsverlangen habe der Kläger das ruhende Arbeitsverhältnis mit der Beklagten wieder aktiviert. Es sei der Beklagten auch möglich den Kläger im Wege der Personalgestellung in Form der Konzernleihe in Kiel zu beschäftigen. Da der Kläger seine Arbeitsleistung sei September 2012 angeboten habe, stünde ihm nach § 615 BGB der bis Januar 2013 geltend gemachte Verzugslohn in unstreitiger Höhe auch zu.
Gegen das ihr am 16.04.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30.04.2013, beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung bis zum 16.07.2013 am 15.07.2013 begründet.
Die Beklagte trägt vor,
der Feststellungsantrag sei wegen Vorrangs der Leistungsklage unzulässig und dar-über hinaus auch unbegründet. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 31.12.2004 sei konstitutiv Regelungsbestandteil und Rechtsfolge des § 7 Abs. 3 TV Ratio i. V. m. der Anlage 8. In diesem Zusammenhang habe das Arbeitsgericht den Bedeutungsgehalt ihres Schreibens vom 06.05.2005 verkannt. Zudem stelle dieses Schreiben einen selbstständigen Beendigungstatbestand dar und erfülle das Schriftformerfordernis. Das Feststellungsbegehren des Klägers sei auch verwirkt. Neben dem unzweifelhaft erfüllten Zeitmoment sei auch das Umstandsmoment verwirkt. Durch sein widersprüchliches Verhalten habe der Kläger das Umstandsmoment für die Verwirkung erfüllt. Die Widersprüchlichkeit seines Verhaltens ergebe sich aus dem Umstand, dass er seit dem 01.01.2005 für die VTS bzw. NSN gearbeitet habe, ihm die Rechtsfolgen des § 7 Abs. 3 TV Ratio mit seiner Anlage 8 als auch ihr Schreiben vom 06.05.2005 bekannt seien und er sich gleichwohl nach 7 1/2 Jahren auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien berufe. Vor diesem Hintergrund sei das Weiterbeschäftigungsverlangen treuwidrig. Insbesondere begründe der vermutlich mit einer hohen Abfindungszahlung versehene Aufhebungsvertrag mit
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der NSN ein Umstandsmoment gegenüber der Beklagten. Anderenfalls könnte das Umstandsmoment trotz des beachtlichen Zeitmoments von 7 1/2 Jahren nach Abschluss des Arbeitsvertrages mit der VTS nie erfüllt werden. Schließlich sei es ihr auch nicht mehr zumutbar, den Kläger weiter zu beschäftigen. Sie habe sich darauf eingestellt, dass der Kläger keine Rechte aus dem möglicherweise fortbestehenden Arbeitsverhältnis mehr geltend mache. Sie biete auch keine Beschäftigungsmöglichkeiten für Mitarbeiter mit einer technischen Ausbildung an. Ungeachtet dessen habe der Kläger ihr gegenüber auch keinen Beschäftigungsanspruch. Die beiderseitigen Hauptleistungspflichten seien suspendiert, solange der Kläger seine Arbeitsleistung einem Dritten gegenüber erbringe. Der Kläger habe ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bei der NSN gehabt. Bis zum 31.12.2012 seien bei der NSN betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen gewesen. Hierauf habe der Kläger unter Verzicht auf die Kündigungsfrist durch Abschluss des Aufhebungsvertrages verzichtet. Zudem sei es ihr, der Beklagten, unmöglich, den Kläger am Arbeitsort Kiel zu beschäftigen. Insbesondere sei sie nicht verpflichtet, den Kläger im Wege der Konzernleihe bei einer ihrer Tochtergesellschaften zu beschäftigen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts seien vorliegend aber auch die Rückkehrvoraussetzungen nach dem TV Ratio nicht erfüllt. Infolgedessen stehe dem Kläger auch kein Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs zu.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 21.03.2013, Az. ö.D. 5 Ca 1901 d/12, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
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Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. § 519 ZPO.
In der Sache selbst ist die Berufung indessen nur marginal und im Wesentlichen unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat der Klage im Wesentlichen zu Recht stattgegeben. Die hier-gegen von der Beklagten erhobenen Einwände rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet (A.). Der Kläger hat gegenüber der Beklagten auch Anspruch auf Weiterbeschäftigung im geänderten Umfang (B.). Der Zahlungsantrag ist sowohl dem Grunde als in der Höhe - im geänderten Umfang - nach § 615 BGB begründet (C.).
A. Der Feststellungsantrag ist zulässig (I.) und begründet (II.).
I. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Feststellungsantrag zulässig. Da die Beklagte den (Fort-)Bestand des Arbeitsverhältnisses insgesamt leugnet und nicht nur einzelne arbeitsvertragliche Ansprüche streitig sind, liegt auch das erforderliche Feststellungsinteresse vor (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 13.11.2012 – 5 Sa 17/12 -, Rn. 27, juris). Zudem steht der Zulässigkeit des Feststellungsantrages auch nicht der Grundsatz der Subsidiarität gegenüber der Leistungsklage entgegen. Da der Kläger zugleich neben dem Feststellungsantrag noch Leistungsklage im Hinblick auf die aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden Beschäftigungs- und Vergütungsansprüche erhoben hat, erweist sich die begehrte Feststellung als Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO. Für den Zwischenfeststellungsantrag bedarf es keines besonderen Feststellungsinteresses. Die beantragte Feststellung ist auch vorgreiflich für die Leistungsanträge.
II. Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Das mit Wirkung ab dem 01.09.1970
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das Arbeitsverhältnis weder einvernehmlich noch durch Kündigung beendet (1.). Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde auch nicht tarifkonstitutiv aufgelöst (2.). Der Kläger beruft sich auch nicht rechtsmissbräuchlich auf den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses (3.).
1. Die Parteien haben ihr Arbeitsverhältnis nicht einvernehmlich beendet. Die Beklagte hat nicht zu beweisen vermocht, dass der Kläger den ihm am 17.11.2004 an-gebotenen dreiseitigen Vertrag, der u. a. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zum 31.12.2004 vorsah, unterschrieben hat. Einer konkludenten Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten durch Abschluss des Arbeitsvertrages mit der VTS mit Wirkung ab dem 01.01.2005 steht das gesetzliche Schriftformerfordernis gemäß § 623 BGB entgegen. Auch ein dreiseitiger Vertrag, mit dem ein anderer Arbeitgeber in das Arbeitsverhältnis eintritt, unterliegt im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem bisherigen Arbeitgeber dem Schriftformerfordernis gemäß § 623 BGB (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 16.05.2012 – 5 Sa 99/11 -, Rn. 33, juris; LAG Hamm, Urt. v. 25.08.2011 – 17 Sa 498/11 -, Rn. 101, juris; ErfK/Müller-Glöge, 14. Aufl., Rn. 4 zu § 623 BGB).
Entgegen der Auffassung der Beklagten endete das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht etwa durch Kündigung der Beklagten. Die Beklagte kann sich insoweit nicht auf ihr Schreiben vom 06.05.2005 berufen. Mit diesem Schreiben hat sie lediglich gegenüber dem Kläger ihre Rechtsauffassung kund getan, dass „mit der Annahme des Vertragsangebots im Geschäftsmodell zum 01.01.2005 (die bisherige Tätigkeit für die Beklagte) zum 01.01.2005 ihr Ende gefunden“ habe. Eine eigenständige Kündigungserklärung enthält dieses Schreiben nicht.
2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete auch nicht automatisch durch Erfüllung eines tariflich normierten Tatbestands, sozusagen tarifkonstitutiv. § 7 Abs. 3 TV Ratio i. V. m. dessen Anlage 8 sieht eine derartige Rechtsfolge nicht vor. Die Berufungskammer schließt sich insoweit in jeder Hinsicht den Ausführungen der 3. Kammer des hiesigen Landesarbeitsgerichts im Urteil vom 05.10.2010 an (LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 05.10.2010 - 3 Ca 110/10 -, Rn. 53 – 56, juris; LAG Köln, Urt. v. 19.07.2012 – 7 Sa 79/12 -, Rn. 24 ff., juris; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v.
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13.11.2012 – 5 Sa 17/12 -, Rn. 37 ff., juris; LAG Hamburg, Urt. v. 16.05.2012 – 5 Sa 99/11 -, Rn. 39 ff., juris).
a) Es kann hier dahingestellt bleiben, ob in Anwendung des § 1 TVG Tarifnormen das Arbeitsverhältnis unter die auflösende Bedingung stellen können, dass bei Ein-gehen eines Arbeitsverhältnisses zu einem neuen Arbeitgeber unter Vermittlung durch den bisherigen Arbeitgeber das bisherige Arbeitsverhältnis als aufgelöst gilt. Der Klägerseite ist durchaus dahingehend zu folgen, dass eine derartige tarifliche Beendigungsnorm einen massiven Eingriff in die Vertragsautonomie und die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes darstellen würde. Ferner würde auch formell insoweit das gesetzlich normierte Schriftformerfordernis des § 623 BGB und dessen Warn-, Klarstellungs- und Beweisfunktion (vgl. hierzu BAG, Urt. v. 17.12.2009 – 6 AZR 242/09 -, Rn. 25, m. w. N., juris) nicht zum Zuge kommen. Einer weitergehenden Auseinandersetzung bedarf es insoweit jedoch vorliegend nicht; denn der TV Ratio enthält keine derartige konstitutive Beendigungsregel.
b) In Anwendung der allgemeinen Auslegungsregeln ist vom Wortlaut auszugehen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner Sinn und Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat.
c) Der TV Ratio regelt nicht, dass ein Arbeitsverhältnis mit erfolgreicher Vermittlung in ein Geschäftsmodell oder sonstiger externer Vermittlung durch Arbeitsantritt beim neuen Arbeitgeber automatisch endet. § 7, insbesondere § 7 Abs. 3 TV Ratio i. V. m. seiner Anlage 8 enthält zwar detaillierte Regelungen, wie bei interner und externer Vermittlung des betroffenen Arbeitnehmers in Geschäftsmodelle vorzugehen ist. Es ist u. a. festgelegt, auf welchen Formblättern und mit welchen Inhalten ein Angebot eines Dauerarbeitsplatzes zu unterbreiten ist (Protokollnotizen zu § 7 Abs. 1 - 3) und was wann im Falle der Ablehnung zumutbarer Angebote geschieht (§ 7 Ziff. 8 TV Ratio). Eine automatische, nicht schriftlich wechselseitig dokumentierte Auflösung, findet sich dort nicht. Zwar ist neben dem Verlust der Ansprüche aus dem Tarifvertrag von der Möglichkeit einer Kündigung die Rede (§ 7 Ziff. 8 TV Ratio). Auch
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enthält z. B. § 10 TV Ratio detaillierte Regelungen bei bestimmten Fallkonstellationen zum Zustandekommen einvernehmlicher Auflösungsverträge. Diese müssen aber nach dem Tarifwortlaut schriftlich erfolgen, unterliegen sogar einer Widerrufsfrist von sieben Kalendertagen. Gerade hieraus wird aber deutlich, dass die Tarifvertragsparteien § 623 BGB Rechnung tragen wollten und Rechnung getragen haben und selbst von der Notwendigkeit des Abschlusses von schriftlichen Auflösungsverträgen ausgegangen sind.
Aus § 11 TV Ratio ergibt sich nichts anderes. Er schreibt fest, unter welchen Voraussetzungen eine betriebsbedingte Beendigungskündigung bei Ablehnung eines zumutbaren Arbeitsplatzangebotes ausgesprochen werden kann und wann diese nicht vom generellen Ausschluss des Ausspruchs von betriebsbedingten Beendigungskündigungen ausgenommen ist. Auch hier haben die Tarifvertragsparteien das Erfordernis klarer beendender Willenserklärungen festgeschrieben, keinen Beendigungsautomatismus eingebaut. Angesichts dessen kann unter Beachtung der allgemeinen Auslegungsregeln nicht in den TV Ratio hineininterpretiert werden, dass die Tarifvertragsparteien ohne ausdrückliche Normierung, vielmehr konkludent, eine tarifkonstitutive Beendigung von Arbeitsverhältnissen in Form einer Auflösungsnorm bei Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem neuen Arbeitgeber geregelt haben und regeln wollten.
3. Das Recht des Klägers, sich auf den (Fort-)Bestand des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten zu berufen, ist auch nicht verwirkt.
a) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie beruht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes (§ 242 BGB) und dient dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Mit der Verwirkung soll das Auseinanderfallen zwischen rechtlicher und sozialer Wirklichkeit beseitigt werden; die Rechtslage wird der sozialen Wirklichkeit angeglichen (vgl. BAG 12.12.2006 - 9 AZR 747/06 - Rn. 17, juris). Die Verwirkung verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr in
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einer Art und Weise untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht auch zukünftig nicht mehr geltend machen wolle, sodass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, sodass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist. Angesichts der gesetzlichen Regelung ist hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine bestimmte Monatsfrist abzustellen. Entscheidend sind vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalles. Auch ist die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Zeitmoment und Umstandsmoment beeinflussen sich wechselseitig, d. h. beide Elemente sind bildhaft im Sinne „kommunizierender Röhren“ miteinander verbunden (vgl. BAG, Urt. v. 22.06.2011 - 8 AZR 752/09 -, Rn. 30, juris). Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken (BAG, Urt. v. 24.07.2008 - 8 AZR 175/07 -, Rn. 27, juris). Umgekehrt gilt, je mehr Zeit seit dem Angebot eines dreiseitigen Vertrages zum Zwecke des Arbeitgeberwechsels verstrichen ist und je länger der Arbeitnehmer bereits für den neuen Arbeitgeber gearbeitet hat, desto geringer sind die Anforderungen an das Umstandsmoment (vgl. BAG, Urt. v. 15.03.2012 – 8 AZR 700/10 -, Rn. 31, juris; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 05.12.2013 – 5 Sa 266/13 -). Es müssen letztlich besondere Verhaltensweisen, sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten, vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (vgl. BAG, Urt. v. 22.04. 2010 - 8 AZR 871/07 - Rn. 29; juris).
b) Ob das Zeitmoment der Verwirkung vorliegend erfüllt ist, kann letztlich dahingestellt bleiben, weil der Kläger durch sein Verhalten vorliegend das Umstandsmoment nicht verwirklicht hat.
aa) Entgegen der Behauptung der Beklagten hat der sich Kläger nicht erst mehr als 7 1/2 Jahre nach der Arbeitsaufnahme bei der VTS erstmals durch diese vorliegende Klagerhebung (17.09.2012) auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten berufen. Vielmehr hatte der Kläger bereits drei Jahre zuvor eine entspre-
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chende Feststellungsklage am 30.09.2009 vor dem Arbeitsgericht Kiel erhoben (Az.: ö.D. 1 Ca 1968c/09). Zwischen der Arbeitsaufnahme bei der VTS und der Geltendmachung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten lagen mithin nur 4 3/4 Jahre.
Bei der Beurteilung des Zeitmoments darf indessen nicht außer Acht gelassen wer-den, dass die Parteien ihr Arbeitsverhältnis unstreitig zumindest faktisch mit der Arbeitsaufnahme des Klägers bei der VTS ruhend gestellt haben (LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 26.07.2012 – 14 Sa 1867/11 – u. a., Rn. 141, juris). Da die Beklagte unstreitig von der Arbeitsaufnahme des Klägers bei der VTS wusste und hier-gegen im weiteren Verlauf trotz ihrer Kenntnis, dass der Kläger ihr Angebot auf Abschluss eines (dreiseitigen) Aufhebungsvertrages vom 17.11.2004 gerade nicht an-genommen hatte, keine Einwände erhoben oder den Kläger auch nicht zur Arbeitsaufnahme bei ihr aufgefordert hat, haben die Parteien ihr Arbeitsverhältnis zumindest konkludent mit Wirkung ab dem 01.01.2005 ruhend gestellt. Die wechselseitigen Hauptleistungspflichten waren im gegenseitigen Einvernehmen suspendiert. Die Beklagte wusste, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch Aufhebungsvereinbarung noch durch Kündigung beendet war und hat gleichwohl der Arbeitsaufnahme des Klägers bei der VTS nicht widersprochen, sondern diese ausdrücklich befürwortet, wie dem Schreiben vom 05.06.2005 zu entnehmen ist. Damit haben beide Parteien zumindest durch schlüssiges Verhalten das Ruhen ihres Arbeitsverhältnisses vereinbart. Dafür, dass die Beklagte selbst ebenfalls zumindest vom Ruhen des Arbeitsverhältnisses ausgegangen ist, spricht auch der Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 09.03.2011. Dort heißt es, dass sich „die Frage nach dem Fortbestand dieses Arbeitsverhältnisses aktuell nicht (stelle), da (der Kläger) sich bereits seit 2005 und bis heute unverändert aufgrund (seiner) erfolgreichen Vermittlung aus dem Betrieb V. auf einen Dauerarbeitsplatz bei der VTS GmbH & Co. KG dort in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis“ befände. Zumindest solange sich der Kläger in einem aktiven Arbeitsverhältnis mit der VTS bzw. deren Rechtsnachfolgerin, der NSN, befand, hatte der Kläger keine Veranlassung, sich auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu berufen und dieses ruhende Arbeitsverhältnis zu reaktivieren. Dies musste auch der Beklagten bewusst sein. Schließlich hatte sich der Kläger geweigert, den ihm angebotenen dreiseitigen Vertrag vom
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17.11.2004 zu unterzeichnen. Wenn sie jetzt Gegenteiliges behauptet, ist sie hierfür den Beweis schuldig geblieben. Auch dem Schreiben vom 06.05.2005 lässt sich gerade nicht entnehmen, dass der Kläger den dreiseitigen Vertrag und damit die Auflösungsvereinbarung betreffend sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten unterzeichnet hat. Darin heißt es lediglich, dass der Kläger seiner tariflichen Verpflichtung, ein Arbeitsverhältnis bei der VTS aufzunehmen, nachgekommen sei und das Arbeitsverhältnis der Parteien „durch die Annahme des Vertragsangebots im Geschäftsmodell zum 01.01.2005 ihr Ende gefunden“ habe. Die Annahme des Vertragsangebots bezieht sich auf den mit der VTS mit Wirkung ab dem 01.01.2005 geschlossenen Arbeitsvertrag, nicht aber auf den (dreiseitigen) Aufhebungsvertrag zwischen der Beklagten und dem Kläger vom 17.11.2004. Die Beklagte musste mithin nach wie vor vom (Fort-)Bestand des Arbeitsverhältnisses ausgehen. In einem ruhend gestellten Arbeitsverhältnis (z. B. auch für die Dauer der Übernahme der Geschäftsführung einer GmbH) ist es durchaus üblich, dass die Rechte aus dem ursprünglichen oder (Erst-)Arbeitsverhältnis jahrelang nicht geltend gemacht werden. Dies gilt zumindest solange der Ruhensgrund (hier: Fortbestand des neuen bzw. Zweit-Arbeitsverhältnisses) noch fortbesteht. Aufgrund der Ruhensvereinbarung hat der Arbeitnehmer keine Veranlassung, seinen (Erst-)Arbeitgeber regelmäßig an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu erinnern, sodass auch durch einen Zeitablauf von 4 3/4 Jahren nicht automatisch das Zeitmoment erfüllt ist.
bb) Letztlich bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob das Zeitmoment der Verwirkung erfüllt ist, weil es am Umstandsmoment mangelt.
(1) Insbesondere kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Kläger durch den Abschluss des Arbeitsvertrages mit der VTS ihr gegenüber zu er-kennen gegeben habe, dass er auf seine Rechte aus dem Arbeitsverhältnis mit ihr dauerhaft verzichten werde. Das Gegenteil ist der Fall. Der Kläger hatte sich ausdrücklich geweigert, den dreiseitigen Vertrag bezüglich des von der Beklagten an-gestrebten Arbeitgeberwechsels zu unterschreiben. Das Gegenteil konnte die Beklagte nicht beweisen.
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(2) Auch der Umstand, dass der Kläger auf das ihm zugesandte Schreiben vom 06.05.2005 nicht mit einer gegenteiligen Rechtsauffassung zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses reagiert hat, verwirklicht nicht das Umstandsmoment. In aller Regel kann Schweigen keine Willensbekundung beigemessen werden. Zudem ist die in diesem Schreiben enthaltene Aussage der Beklagten, dass die bisherige „Tätigkeit“ für die Beklagte mit der Annahme des Vertragsangebots zum 01.01.2005 ihr Ende gefunden habe auch dann richtig, wenn das Arbeitsverhältnis der Parteien lediglich ruhend gestellt und nicht aufgelöst wurde (LAG Köln, Urt. v. 19.07.2012 – 7 Sa 79/12 -, Rn. 45, juris). Ein ruhendes Arbeitsverhältnis ist gerade dadurch kennzeichnet, dass weder eine Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer erbracht noch Vergütung vom Arbeitgeber gezahlt wird. Der Kläger hatte so gesehen mithin keine Veranlassung, den Inhalt des Schreibens vom 06.05.2005 gegenüber der Beklagten in seinem Sinne richtig zu stellen.
(3) Der Kläger selbst hat durch seine eigenen Verhaltensweisen gerade nicht zum Ausdruck gebracht, dass er an seinem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten künftig nicht mehr festhalten bzw. aus diesem keine Rechte mehr herleiten wolle. Allein die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses mit und Arbeitsaufnahme bei der VTS rechtfertigen nicht den Schluss, dass er sich künftig nicht mehr auf das parallel bestehende und für die Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der VTS (jetzt: NSN) ruhend gestellte Arbeitsverhältnis der Parteien mehr berufen werde. Allein aufgrund seiner Weigerung, den dreiseitigen Vertrag zu unterzeichnen, hat er unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er ungeachtet der auf Initiative der Beklagten unternommenen Vermittlungsbemühungen nicht gewillt war, das Arbeitsverhältnis zur Beklagten freiwillig aufzugeben. Dies bedeutet, dass die Beklagte jederzeit damit rechnen musste, dass der Kläger zumindest nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit der VTS bzw. NSN bestrebt sein würde, das mit ihr, der Beklagten, gerade nicht formgültig beendete Arbeitsverhältnis wieder aktiv aufzunehmen (LAG Köln, Urt. v. 19.07.2012 – 7 Sa 79/12 -, Rn. 41, juris).
(4) Auch der Umstand, dass das Zweit-Arbeitsverhältnis des Klägers widerspruchslos von der VTS gemäß § 613a BGB zum 01.01.2008 auf die NSN übergegangen ist, hat keinen Einfluss auf das parallel bestehende und ruhend gestellte Arbeitsverhält-
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nis der Parteien. Die widerspruchslose Akzeptanz des Arbeitgeberwechsels in seinem Zweit-Arbeitsverhältnis lässt den Bestand des Erst-Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten unberührt. Die Beklagte verkennt, dass es hier nicht um die Verwirkung eines Widerspruchsrechts nach § 613a Abs. 6 BGB geht, sondern um die Aktivierung eines ruhend gestellten Arbeitsverhältnisses nach Beendigung des Zweit-Arbeitsverhältnisses.
(5) Etwas anderes gilt auch nicht vor dem Hintergrund, dass der Kläger das Zweit-Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag selbst beendet hat. Es ist unstreitig, dass der Kläger den Aufhebungsvertrag mit der NSN auf deren Veranlassung aus dringenden betriebsbedingten Gründen wegen der beschlossenen und bevorstehenden Betriebsstilllegung zum 31.12.2012 vereinbart hat. Vor diesem Hintergrund hat sich der Kläger auch nicht gegenüber der Beklagten treuwidrig (§ 242 BGB) verhalten. Es war dem Kläger nicht zuzumuten, die als sehr wahrscheinlich zu erwartende betriebsbedingte Kündigung seines Zeit-Arbeitsverhältnisses abzuwarten und erst dann das Erst-Arbeitsverhältnis mit der Beklagten wieder zu aktivieren. Vielmehr musste die Beklagte damit rechnen, dass der Kläger das ruhende Arbeitsverhältnis der Parteien im Falle der betriebsbedingten Beendigung des ihm nach den Vorschriften des TV Ratio vermittelten Zweit-Arbeitsverhältnisses wieder aktiv aufnehmen wird.
cc) Dementsprechend hat der Kläger sein Recht, sich auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien zu berufen, zumindest wegen fehlender Verwirklichung des Umstandsmoments nicht verwirkt. Der Feststellungsantrag ist mithin begründet.
B. Der geltend gemachte Beschäftigungsantrag ist nur im zuerkannten Umfang begründet. Der Beschäftigungsanspruch resultiert aus dem nach wie vor bestehenden Arbeitsverhältnis der Parteien (I.). Weder die Arbeitsaufnahme bei der VTS bzw. NSN noch die konkludente Ruhensvereinbarung für die Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der VTS bzw. der NSN stehen dem Beschäftigungsanspruch entgegen (II.). Die Geltendmachung des Beschäftigungsanspruchs ist nicht treuwidrig (III.). Dem Beschäftigungsanspruch stehen nicht die Regelungen des TV Ratio entgegen (IV.).
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Der Beklagten ist es auch zumutbar, den Kläger mit Tätigkeiten der EntgGr. T 5 zu beschäftigen (V.).
I. Dem Kläger steht gegen die Beklagte der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung im zuerkannten Umfang zu. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht – wie dargelegt – fort. Der Beschäftigungsanspruch folgt aus §§ 611 Abs. 1, 613, 242 BGB. Im bestehenden Arbeitsverhältnis steht dem Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber ein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung zu. Zwar ist die Rechtsgrundlage eines Beschäftigungsanspruchs der Arbeitsvertrag (§ 611 BGB), der den Arbeitnehmer gemäß § 613 BGB zur persönlichen Dienstleistung für den Arbeitgeber verpflichtet. Damit handelt es sich aber nicht lediglich um einen arbeitsvertraglichen Anspruch, sondern er beruht unmittelbar auf der sich für den Arbeitgeber aus § 242 BGB unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung der Art. 1 und 2 GG über den Persönlichkeitsschutz ergebenden arbeitsvertraglichen Förderungspflicht der Beschäftigungsinteressen des Arbeitnehmers. Wenn sich damit auch der Beschäftigungsanspruch nicht unmittelbar aus dem durch Art. 1 und 2 GG garantierten Persönlichkeitsschutz herleiten lässt, so bestimmt sich doch der Inhalt eines solchen Anspruches aus der in den Grundrechten des Grundgesetzes zum Ausdruck gekommenen Wertentscheidung der Verfassung. Damit gewinnt der verfassungsrechtliche Persönlichkeitsschutz für das Arbeitsverhältnis und für den sich daraus ergebenden Beschäftigungsanspruch Bedeutung (BAG, Urt. v. 15.05.1991 – 5 AZR 271/90 –, Rn. 12, juris).
II. Diesen Grundsätzen steht auch nicht entgegen, dass der Kläger mit Wirkung ab dem 01.01.2005 ein (weiteres) Arbeitsverhältnis mit der VTS bzw. NSN eingegangen ist. Das Arbeitsverhältnis mit der NSN endete unstreitig zum 31.08.2012. Mithin war der Kläger sowohl rechtlich als auch tatsächlich in der Lage, für die Beklagte zu arbeiten. Eine vertragliche Arbeitspflicht gegenüber der NSN, die der Arbeitsaufnahme bei der Beklagten entgegengestanden hätte, bestand seit dem 01.09.2012 nicht mehr.
Der Kläger hat die Beklagte auch unstreitig zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
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gleich die Ruhensvereinbarung beendet. Die Parteien haben unstreitig keine gesonderten Vereinbarungen über die Dauer bzw. die Beendigung der Ruhensvereinbarung getroffen. Da die Parteien ihr Arbeitsverhältnis mit Abschluss des durch die Beklagte vermittelten Zweit-Arbeitsvertrages zwischen dem Kläger und der VTS und der dortigen Arbeitsaufnahme bewusst ruhend gestellt haben, kann davon ausgegangen werden, dass die Ruhensvereinbarung zumindest während des Zweit-Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der VTS bzw. NSN andauern sollte. Es kann der konkludent zwischen den Parteien getroffenen Ruhensvereinbarung indessen nicht entnommen werden, dass diese dauerhaft Gültigkeit besitzen und damit „unkündbar“ sein sollte. Dies käme einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses gleich. Letzteres wollte der Kläger erkennbar aber nicht. Vielmehr hat er sich ausdrücklich geweigert, mit der Beklagten zum 31.12.2004 eine Aufhebungsvereinbarung abzuschließen.
III. Das Beschäftigungsverlangen des Klägers ist auch nicht rechtsmissbräuchlich gemäß § 242 BGB.
1. Die Beklagte musste angesichts des Umstands, dass der Kläger die Aufhebungsvereinbarung vom 17.11.2005 gerade nicht unterzeichnet hat, damit rechnen, dass der Kläger das ruhend gestellte Arbeitsverhältnis der Parteien reaktivieren würde, sobald das ihm vermittelte Zweit-Arbeitsverhältnis mit der VTS bzw. NSN aus betriebsbedingten Gründen endet.
2. Indem es die Beklagte nicht nur zuließ, sondern durch ihre eigenen Vermittlungsbemühungen ausdrücklich befürwortete, dass der Kläger ohne förmliche Beendigung des mit ihr bestehenden Arbeitsverhältnisses ein Zweit-Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber einging, und sie gleichwohl keine Rückkehrmodalitäten mit dem Kläger vereinbarte, ist ihr Vertrauen in den Fortbestand der Ruhensvereinbarung auch nicht schutzwürdig. Obgleich der Kläger sich Ende 2004 ausdrücklich geweigert hatte, den Auflösungsvertrag betreffend das Arbeitsverhältnisses der Parteien zu unterzeichnen, hat die Beklagte leichtfertig darauf vertraut, dass der Kläger auf Dauer keine Rechte aus dem formell bestehenden Arbeitsverhältnis der Parteien geltend machen werde. Diese Leichtfertigkeit ist nicht schutzwürdig. Zumindest seit der Klagerhebung im Vorprozess (1 Ca 1968 c/09) im September 2009 war der Be-
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klagten auch bewusst, dass der Kläger am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses festhält und somit im Falle der Beendigung seines Zweit-Arbeitsverhältnisses mit der VTS bzw. NSN auch die aktive Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses der Parteien und damit die Weiterbeschäftigung von der Beklagten fordern wird. Dies hat die Beklagte erkannt, wie der Inhalt ihres Schreibens vom 09.03.2011 auch zeigt. Anderen-falls hätte sie in diesem Schreiben nicht vorsorglich darauf hinweisen müssen, dass bei ihr im Tätigkeitsfeld des Klägers entsprechende Beschäftigungsmöglichkeiten nicht mehr vorhanden seien.
3. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls unerheblich, dass das Zweit-Arbeitsverhältnis des Klägers mit der NSN nicht aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung der NSN, sondern aufgrund eines von der NSN angebotenen Aufhebungsvertrags gegen Zahlung einer Abfindung endete. Unstreitig erfolgte diese Kündigung in Umsetzung der bereits beschlossenen Betriebsstilllegung zum 31.12.2012 und damit aus dringenden betriebsbedingten Gründen. Der Kläger hat mithin nicht leichtfertig und damit treuwidrig zu Lasten der Beklagten seinen Arbeitsplatz bei der NSN aufgegeben, sondern die Aufhebungsvereinbarung abgeschlossen, um einer als sicher anzusehenden betriebsbedingten Kündigung vorzugreifen.
Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger im Zuge der Auflösung des Zweit-Arbeitsverhältnisses von der NSN eine hohe Abfindungszahlung erhalten hat, bei der möglicherweise auch die Betriebszugehörigkeit bei der Beklagten Berücksichtigung gefunden hat. Die Entgegennahme einer hohen Abfindung von der NSN macht sein Beschäftigungsverlangen gegenüber der Beklagten nicht treuwidrig. Die Beklagte wird durch die Abfindungszahlung und die Berücksichtigung der bei ihr zu¬rückgelegten Betriebszugehörigkeit des Klägers in keiner Weise belastet (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 11.09.2013 – 13 Sa 31/13 -, Rn. 42, juris). Insbesondere handelt es sich nicht um einen dreiseitigen Aufhebungsvertrag zwischen der Beklagten, der NSN und dem Kläger, mit welchem zugleich auch das Arbeitsverhältnis der Parteien seine Beendigung gefunden hat. Mit der Abfindungszahlung sollte letztlich nur der Verlust des Arbeitsplatzes des Klägers bei der NSN abgegolten werden. Allein der Umstand, dass sich der Kläger mit Glück und Geschick außerhalb des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten bei der Beendigung seines Zweit-Arbeitsver-
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hältnisses Vorteile hat sichern können, führt nicht zur Treuwidrigkeit des nunmehr gegenüber der Beklagten geltend gemachten Beschäftigungsanspruchs (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 11.09.2013 – 13 Sa 31/13 -, Rn. 42, juris). Durch die hohe Abfindungszahlung hat die Beklagte keine Nachteile erlitten.
IV. Zur Abwehr des Beschäftigungsanspruchs kann sich die Beklagte auch nicht auf die sogenannten Rückkehrvorschriften des § 8 der Anlage 4 TV Ratio berufen. Zwar hat die Beklagte dem Kläger gemäß § 7 Abs. 3 TV Ratio einen Arbeitsplatz im Geschäftsmodell nach Anlage 8 TV Ratio, d. h. bei dem Beteiligungsunternehmen der VTS, vermittelt; indessen hat sie verabsäumt, das Arbeitsverhältnis der Parteien zugleich durch Aufhebungsvertrag oder auch Kündigung zu beenden. Die Beklagte verkennt, dass es vorliegend nicht um die Rückkehr von einem durch Arbeitgeberwechsel vermittelten Dauerarbeitsplatz bei einem externen Arbeitgeber geht, sondern um die Geltendmachung des Beschäftigungsanspruchs eines parallel nach wie vor bestehenden Arbeitsverhältnisses der Parteien. Aus den Protokollnotizen zu § 8 der Anlage 4 TV Ratio und zu § 3 Abs. 1 der Anlage 8 TV Ratio folgt, dass das dort geregelte Rückkehrrecht die vorherige Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraussetzt. Dort ist die Rede von „Wiederbegründung des Arbeitsverhältnisses“ mit der Beklagten.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde im Zuge der Begründung des klägerischen Zweit-Arbeitsverhältnisses mit der VTS bzw. NSN gerade nicht durch einen dreiseitigen Vertrag aufgelöst. Vielmehr bestand es nach wie vor ruhend fort.
V. Der Beklagten ist es auch zumutbar, den Kläger tatsächlich arbeitsvertrags- und tarifgerecht zu beschäftigen. Indessen hat der Kläger keinen Anspruch auf Beschäftigung am Arbeitsort Kiel (1.). Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, den Kläger im Wege der Konzernleihe am Arbeitsort Kiel zu beschäftigen (2.). Die Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, dass es ihr bundesweit nicht möglich ist, den Kläger mit Tätigkeiten der EntgGr. T 5 ERTV zu beschäftigen (3.).
1. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Kläger am Arbeitsort Kiel zu beschäftigen,
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kann der Arbeitgeber den Inhalt der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingung nicht durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist. Zu den Arbeitsbedingungen zählt auch der Arbeitsort.
Der Arbeitsvertrag vom 01.09.1970 sieht eine derartige Einschränkung des arbeits-vertraglichen Direktionsrechts in Bezug auf den Arbeitsort nicht vor. Bei dem Arbeits-vertrag vom 01.09.1970 handelt es sich um einen im öffentlichen Dienst seinerzeit üblichen Formulararbeitsvertrag. Mit der Angabe, dass der Kläger mit Wirkung ab dem 01.09.1970 „beim F. Kiel in Kiel“ als vollbeschäftigter Arbeiter eingestellt wird, hat die Beklagte nur den ersten Arbeitseinsatz angegeben, ohne hierdurch zugleich dauerhaft auf ihr Direktionsrecht bezogen auf den Arbeitsort zu verzichten. Das Di-rektionsrecht des Arbeitgebers im öffentlichen Dienst erstreckt sich bei einer Vertragsgestaltung, die den vertraglichen Aufgabenbereich allein durch eine allgemeine Tätigkeitsbezeichnung und die Nennung der Vergütungsgruppe beschreibt, auf solche Tätigkeiten des allgemein umschriebenen Aufgabenbereichs, welche die Merkmale der Vergütungsgruppe erfüllen, in die der Arbeitnehmer eingestuft ist. Dem Arbeitnehmer können andere, dem allgemein umschriebenen Aufgabenbereich zuzuordnende Tätigkeiten nur zugewiesen werden, soweit sie den Merkmalen dieser Vergütungsgruppe entsprechen (st. Rspr., vergl. nur: BAG, Urt. v. 17.08.2011 – 10 AZR 322/10 –, Rn. 15, juris). Dies gilt auch in Bezug auf den Arbeitsort. Haben mithin die Parteien in einem im öffentlichen Dienst üblichen Mustervertrag zunächst den Beginn und die Art der Beschäftigung vereinbart und die Dienststelle bezeichnet, bei der der Angestellte eingestellt wird, und nachfolgend die Geltung eines Tarifvertrags verabredet, der die Versetzung des Angestellten an eine andere Dienststelle regelt, ist die tarifliche Versetzungsbefugnis des Arbeitgebers in der Regel nicht ausgeschlossen. Einen eingeschränkten Umfang hat das tarifliche Direktionsrecht des öffentlichen Arbeitgebers nur dann, wenn die Parteien dazu eindeutige Absprachen treffen (BAG, Beschl. v. 21.01.2004 – 6 AZR 583/02 –, Rn. 24, juris).
Auch der Umstand, dass der Kläger jahrzehntelang am Arbeitsort Kiel eingesetzt gewesen ist, begründet keine Beschränkung des diesbezüglichen Direktionsrechts der Beklagten.
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2. Die Beklagte ist entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch nicht verpflichtet, den Kläger ggf. dauerhaft im Wege der Konzernleihe am Arbeitsort Kiel zu beschäftigen. Der allgemeine Beschäftigungsanspruch im bestehenden Arbeitsverhältnis ist auf das Unternehmen des Arbeitsgebers beschränkt. Eine konzernweite Beschäftigungspflicht trifft den Arbeitgeber nur dann, wenn dies ausdrücklich vereinbart worden ist (vgl. BAG, Urt. v. 23.03.2006 – 2 AZR 162/05 -, Rn. 20, juris; LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 10.11.2010 – 6 Sa 195/10 -, Rn. 108, juris). Eine derartige konzernweite Versetzungsklausel haben die Parteien gerade nicht vereinbart.
3. Indessen ist es der Beklagten nicht objektiv unmöglich, den Kläger mit Tätigkeiten der EntgGr. T 5 ERTV zu beschäftigen. Hierzu hat die Beklagte lediglich pau-schal behauptet, dass sie den Kläger infolge des Mitte 2007 vollzogenen Betriebsteilübergangs der Betriebe der Technischen Infrastruktur Niederlassungen auf die D. T. N. GmbH und die D. T. Technischer Service nicht mehr als F. in Kiel beschäftigen könne. Sie hat indessen weder dargelegt noch unter Beweis gestellt, dass in ihren Betrieben im gesamten Bundesgebiet kein freier Arbeitsplatz existiert, der den Vergütungsmerkmalen der EntgGr. T 5 ERTV entspricht. Es muss an dieser Stelle bezweifelt werden, dass sie etwaige aufs gesamte Bundesgebiet bezogene Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger überhaupt geprüft hat.
C. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts steht dem Kläger nur Verzugslohn für die Zeit vom 14.09.2013 bis zum 31.01.2013 zu. Der Kläger hat nach der Beendigung seines Zweit-Arbeitsverhältnisses mit der NSN seine Arbeitskraft der Beklagten erst am 14.09.2012 angeboten, sodass er unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Verzugslohn für die erste Hälfte des Monats September 2012 beanspruchen kann. Die vom Arbeitsgericht zuerkannte Zahlung über € 17.466,70 brutto war mithin um ein halbes Gehalt (€ 1.746,67) auf € 15.720,03 brutto abzuändern bzw. zu reduzieren.
Die übrigen mit der Berufungsbegründung erhobenen Einwände rechtfertigen indessen keine weitergehende Abänderung des Zahlungstitels. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen kann insoweit auf Ziff. III der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen werden. Mit der Berufungserwiderung hat der Kläger ausdrück-
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lich klargestellt, dass er während des Verzugszeitraums kein Arbeitslosengeld bezogen habe. Diese Behauptung hat die Beklagte nicht substantiiert widerlegt. Ein For-erungsübergang auf die Bundesagentur für Arbeit hat mithin nicht stattgefunden. Die Beklagte hat auch nicht substantiiert dargelegt, dass der Kläger während des Verzugszeitraums anrechenbaren Zwischenverdienst i. S. d. § 615 Satz 2 BGB er-zielt habe.
Auch die vorzeitige Beendigung seines Zweit-Arbeitsverhältnisses mit der NSN unter Verzicht auf die Wahrung einer Kündigungsfrist und auf den tariflichen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis zum 31.12.2012 (Sanierungstarifvertrag für die NSN) führt nicht zum Ausschluss aller Verzugslohnansprüche bis zum 31.12.2012. Es widerspricht nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn der Kläger im Vorgriff einer als sicher zu erwartenden betriebsbedingten Kündigung einen Aufhebungsvertrag abschließt. Der Kläger hat nicht rechtsmissbräuchlich zulasten der Beklagten sein Arbeitsverhältnis mit der NSN aufgegeben. Vielmehr war er aufgrund des vorzeitigen Endes des Arbeitsverhältnisses wieder willens und in der Lage, für die Beklagte zu arbeiten. Wenn die Beklagte angesichts dessen die Arbeitskraft des Klägers ablehnt und ihm auch keinen tarifgerechten Arbeitsplatz zuweist, erfüllt sie ihrerseits die Voraussetzungen des Annahmeverzugs nach § 615 BGB
D. Nach alledem war das angefochtene Urteil nur geringfügig abzuändern und die Berufung der Beklagten im Wesentlichen zurückzuweisen.
Da die Beklagte ganz überwiegend unterlegen ist, waren ihr die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO insgesamt aufzuerlegen. Die Zuvielforderung des Klägers betrug gemessen am erstinstanzlich zutreffend festgesetzten Streitwert rund 5,5 %.
Die Revision ist für die Beklagte wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Für den Kläger liegen indessen die gesetzlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG für die Zulassung der Revision nicht vor.
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