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Wiedereinstellung
Auf dieser Seite finden Sie Informationen zu der Frage, was man unter Wiedereinstellung versteht, unter welchen Umständen Arbeitnehmer Anspruch auf Wiedereinstellung haben und worin der Unterschied zwischen einer Wiedereinstellung und der vorläufigen Weiterbeschäftigung während eines Kündigungsschutzverfahrens besteht.
Außerdem finden Sie Hinweise zu der Frage, worin die wirtschaftlichen Vorteile und die rechtlichen Risiken einer freiwillig vereinbarten Prozessbeschäftigung für den Arbeitgeber liegen und worauf Sie als Arbeitnehmer achten sollten, wenn Ihnen der Arbeitgeber eine befristete Beschäftigung für die Dauer eines Kündigungsschutzverfahrens oder einer Befristungskontrollklage anbietet.
von Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin
- Was versteht man unter Wiedereinstellung?
- Worauf ist ein Anspruch auf Wiedereinstellung gerichtet?
- Besteht das Ziel einer Kündigungsschutzklage in der Wiedereinstellung des Arbeitnehmers?
- Können Arbeitnehmer trotz wirksamer Kündigung Wiedereinstellung verlangen?
- Wann besteht ein Anspruch auf Wiedereinstellung nach einer betriebsbedingten Kündigung?
- Wann besteht ein Anspruch auf Wiedereinstellung nach einer Verdachtskündigung?
- Können Arbeitnehmer auch nach einer personenbedingten Kündigung Wiedereinstellung verlangen?
- Können Arbeitnehmer nach einer verhaltensbedingten Kündigung Wiedereinstellung verlangen?
- Woraus folgt der Anspruch auf Wiedereinstellung nach vorausgegangener Kündigung?
- Setzt der Anspruch auf Wiedereinstellung nach vorausgegangener Kündigung voraus, dass der Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießt?
- Gibt es einen Anspruch auf Wiedereinstellung auch ohne vorausgegangen Kündigung des Arbeitgebers?
- Wiedereinstellung und Weiterbeschäftigung - worin besteht der Unterschied?
- Wo finden Sie mehr zum Thema Wiedereinstellung?
- Was können wir für Sie tun?
Was versteht man unter Wiedereinstellung?
Unter Wiedereinstellung versteht man, dass ein Arbeitsverhältnis, das in der Vergangenheit bereits einmal bestanden hat, erneut in Kraft gesetzt wird. Erforderlich für eine Wiedereinstellung ist ein Arbeitsvertrag, d.h. eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitnehmer, der wiedereingestellt werden soll, und dem Arbeitgeber, der die Wiedereinstellung durchführen soll.
Ohne eine vorübergehende rechtliche Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses kann man daher nicht von Wiedereinstellung sprechen.
Worauf ist ein Anspruch auf Wiedereinstellung gerichtet?
Macht der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Wiedereinstellung geltend, verlangt er vom Arbeitgeber das rechtliche Einverständnis zum Abschluss eines Arbeitsvertrags, d.h. eine "rechtsgeschäftliche Willenserklärung".
Diese vertragsbegründende Willenserklärung kann entweder darin bestehen,
- dass der Arbeitgeber dem Vertragsangebot des Arbeitnehmers zustimmt, oder
- dass er dem Arbeitnehmer seinerseits ein Vertragsangebot unterbreitet, dem der Arbeitnehmer zustimmen muss, um den Arbeitsvertrag in Kraft zu setzen.
Geht der Arbeitnehmer entsprechend der zweiten Variante vor, kann er noch einen Rückzieher machen, nachdem der Arbeitgeber ein rechtsverbindliches Angebot gemacht hat.
Besteht das Ziel einer Kündigungsschutzklage in der Wiedereinstellung des Arbeitnehmers?
Nein. Obwohl gekündigte Arbeitnehmer oft davon sprechen, dass sie „auf Wiedereinstellung klagen“, besteht das Ziel einer Kündigungsschutzklage in der gerichtlichen Feststellung, dass eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung unwirksam war.
Hat die Kündigungsschutzklage Erfolg, steht dementsprechend aufgrund eines arbeitsgerichtlichen Urteils fest, dass das Arbeitsverhältnis niemals unterbrochen war. Auch wenn der Arbeitnehmer eine mehr oder weniger lange Zeit nicht gearbeitet und keinen Lohn erhalten hat, war das Arbeitsverhältnis rein rechtlich gesehen nie außer Kraft gesetzt.
Daher kann der unwirksam gekündigte Arbeitnehmer, wenn seine Kündigungsschutzklage Erfolg hat, Annahmeverzugslohn für die Zeit seiner rechtswidrigen Freistellung verlangen. Und was die Zukunft angeht, so hat er - wie jeder andere Arbeitnehmer - Anspruch auf Beschäftigung und Lohnzahlung.
Können Arbeitnehmer trotz wirksamer Kündigung Wiedereinstellung verlangen?
Manchmal fallen die Gründe, auf die der Arbeitgeber eine Kündigung rechtlich stützen kann, nach Ausspruch der Kündigung weg, z.B. während des Laufs der Kündigungsfrist und/oder während einer Kündigungsschutzklage.
Dann ist die Kündigung wirksam. Denn für die Wirksamkeit einer Kündigung kommt es immer nur auf die Umstände an, die bei Ausspruch der Kündigung gegeben waren. Ändern sich diese Umstände später, bleibt die Kündigung rechtens. Sie hat daher zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses geführt.
In solchen Fällen hat der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung manchmal einen Anspruch auf Wiedereinstellung, d.h. auf den erneuten Abschluss eines Arbeitsvertrags. Dabei kommt es allerdings darauf an,
- aus welchen Gründen die Kündigung ausgesprochen wurde und
- wann der Grund für die Kündigung wegfällt.
Wann besteht ein Anspruch auf Wiedereinstellung nach einer betriebsbedingten Kündigung?
Arbeitnehmer, die länger als sechs Monate in einem Betrieb mit mehr als zehn Arbeitnehmern beschäftigt sind und daher Kündigungsschutz in Anspruch nehmen können, sind vor ordentlichen betriebsbedingten Kündigungen nicht absolut sicher. Denn auch ihnen kann der Arbeitgeber betriebsbedingt kündigen - vorausgesetzt, die Voraussetzungen des § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) liegen vor, so dass die Kündigung „sozial gerechtfertigt“ ist.
Das ist bei einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung der Fall, wenn der Arbeitgeber
- zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung
- eine Unternehmerentscheidung getroffen hat, die nach Ablauf der Kündigungsfrist zum dauerhaften Wegfall von Arbeitsbedarf führt, und zwar
- in dem Aufgabenbereich, in dem der gekündigte Arbeitnehmer zuletzt beschäftigt war, und wenn der Arbeitgeber
- keine sozial weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmer von der Kündigung ausgenommen hat, d.h. eine korrekte Sozialauswahl durchgeführt hat.
Nähere Informationen dazu finden Sie unter den Stichworten „Kündigung - betriebsbedingte Kündigung“ und „Sozialauswahl“.
Fällt während des Laufs der Kündigungsfrist die Unternehmerentscheidung als Grundlage für die Kündigung weg, hat der betriebsbedingt gekündigte Arbeitnehmer einen Anspruch auf Wiedereinstellung.
BEISPIEL: Der Arbeitgeber beschließt aufgrund eines Auftragsrückgangs, einen seiner drei in Deutschland bestehenden Betriebe zum Jahreswechsel zu schließen, nämlich den Betrieb in Köln. Die Betriebe in Hamburg und Stuttgart sollen bestehen bleiben. Daher flattern in die Briefkästen der Kölner Arbeitnehmer in der Zeit von Mai bis November ordentliche betriebsbedingte Kündigungen zum Jahresende. Anfang Dezember kommt überraschend ein Großauftrag herein, der einen erheblichen zusätzlichen Arbeitskräftebedarf für mindestens zwei Jahre zur Folge hat. Daher wird der Kölner Betrieb bis auf weiteres aufrecht erhalten, allerdings mit verkleinerter Belegschaft.
In diesem Beispiel ist die Unternehmerentscheidung, die Grundlage der Kündigungswelle war, nach Ausspruch der Kündigungen weggefallen. Die Kündigungen selbst waren allerdings rechtens bzw. wirksam, da die Betriebsschließung zu dem Zeitpunkt, in dem die Kündigungen ausgesprochen wurden, eine ernsthaft beschlossene Sache war. Daher können die (wirksam) gekündigten Arbeitnehmer Wiedereinstellung verlangen, d.h. den erneuten Abschluss eines Arbeitsvertrags zu den bisherigen Bedingungen.
Arbeitnehmer, die nach einer wirksamen betriebsbedingten Kündigung ihre Wiedereinstellung durchsetzen wollen, haben nach der Rechtsprechung allerdings nur unter den folgenden beiden Voraussetzungen gute Chancen:
- Das Arbeitverhältnis fällt unter das KSchG, d.h. der Arbeitnehmer ist zum Zeitpunkt der Kündigung länger als sechs Monate in einem Betrieb beschäftigt, in dem mehr als zehn Arbeitnehmern tätig sind.
- Der Kündigungsgrund, der die Kündigung gemäß § 1 KSchG sozial gerechtfertigt hat, ist noch während des Laufs der Kündigungsfrist weggefallen.
Wann besteht ein Anspruch auf Wiedereinstellung nach einer Verdachtskündigung?
Oft kann der Arbeitgeber schwere Pflichtverstöße wie z.B. einen Diebstahl oder einen Betrug vor Gericht nicht hieb- und stichfest beweisen. Dann ist eine fristlose verhaltensbedingte Kündigung ebenso wie eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung unwirksam. Hat sich der Arbeitnehmer gegen seine Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage gewehrt, wird er daher den Prozess gewinnen.
Auf der anderen Seite kann man es dem Arbeitgeber nicht zumuten, weiter mit einem Arbeitnehmer zusammenzuarbeiten, auf dem der dringende Verdacht lastet, dass er einen schweren Pflichtverstoß begangen hat, z.B. einen Diebstahl oder Betrug. Daher kann der Arbeitgeber nicht nur wegen des Pflichtverstoßes kündigen („Tatkündigung“), sondern auch wegen des dringenden Verdachts. Eine solche Verdachtskündigung kann fristlos oder fristgemäß erklärt werden.
Voraussetzung ist dabei allerdings
- dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung zu den bestehenden Verdachtsmomenten angehört hat, und
- dass trotz der Anhörung des Arbeitnehmers der dringende Verdacht eines gravierenden Pflichtverstoßes bestehen bleibt.
Nähere Informationen dazu finden Sie unter dem Stichwort „Kündigung - Verdachtskündigung“.
Aufgrund einer Verdachtskündigung den Job zu verlieren, ist für den betroffenen Arbeitnehmer schwer zu verdauen - schließlich konnte man ihm „nichts beweisen“. Überhaupt nicht mehr angemessen wäre es aber, den Arbeitsplatz infolge einer wirksamen (!) Verdachtskündigung zu verlieren, obwohl der Verdacht später wegfällt, weil der Arbeitnehmer seine Unschuld beweisen kann.
BEISPIEL: Eine im Außendienst arbeitende Vertriebsmitarbeiterin ist je nach Arbeitsanfall ein bis zwei Mal pro Woche im Betrieb und arbeitet dort an ihrem Schreibtisch ihre Kundengespräche nach. Nachdem es zu einem handfesten Streit mit ihrem Vorgesetzten gekommen ist und man ihr ein Aufhebungsvertrag angeboten hat, stellt der Arbeitgeber fest, dass von ihrem PC aus umfangreiche Kundenlisten heruntergeladen und auf einen Stick übertragen wurden. An diesem Tag war die Vertriebsmitarbeiterin angeblich im Betrieb, jedenfalls behauptet das ihr Vorgesetzter. Nach einer Anhörung zu diesem Vorfall wird sie fristlos wegen des Verdachts gekündigt, sich unberechtigt Kundenlisten ihres Arbeitgebers verschafft zu haben.
Hier ist die Verdachtskündigung je nach den Umständen wirksam, insbesondere wenn der PC der gekündigten Vertriebsmitarbeiterin nur ihr zur Verfügung steht und passwortgeschützt ist. Kann sie nach Ausspruch der Kündigung allerdings beweisen, dass sie den fraglichen Tag über gar nicht im Betrieb war und daher unschuldig ist, hat sie einen Anspruch auf Wiedereinstellung.
Auch bei einer Verdachtskündigung besteht ein Wiedereinstellungsanspruch nur, wenn der Arbeitnehmer unter das KSchG fällt, d.h. wenn er ist zum Zeitpunkt der Kündigung länger als sechs Monate in einem Betrieb mit mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt ist. Denn ohne Kündigungsschutz könnte der Arbeitgeber ja so oder so (ordentlich) kündigen, d.h. gegen den unfreiwilligen Verlust des Arbeitsplatzes wäre von vornherein kein Kraut gewachsen.
Anders als bei einer betriebsbedingten Kündigung verlangen die Arbeitsgerichte für den Wiedereinstellungsanspruch nach einer Verdachtskündigung nicht, dass der Kündigungsgrund bzw. der Verdacht noch während der Kündigungsfrist wegfällt. Der gekündigte Arbeitnehmer kann daher auch später noch Wiedereinstellung verlangen, je nachdem, wann es ihm gelingt, seine Unschuld zu beweisen. Ein solcher Beweis wird oft im Laufe eines Kündigungsschutzverfahrens geführt, d.h. je nach Dauer des Verfahrens ein oder mehrere Jahre nach Ausspruch der Kündigung.
Können Arbeitnehmer auch nach einer personenbedingten Kündigung Wiedereinstellung verlangen?
Der Arbeitgeber kann Arbeitnehmern, die länger als sechs Monate in einem Betrieb mit mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind und daher Kündigungsschutz genießen, ordentlich aus personenbedingten Gründen kündigen, wenn die Voraussetzungen von § 1 KSchG gegeben sind.
Das ist grob gesagt der Fall, wenn der gekündigte Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen, dauerhaft nicht (mehr) dazu in Lage ist, künftig seine arbeitsvertraglichen zu erfüllen. Ein solcher Kündigungsgrund besteht oft in chronischen Erkrankungen des Arbeitnehmers, manchmal aber auch darin, dass der Arbeitnehmer ohne eine behördliche Erlaubnis nicht arbeiten darf und diese Erlaubnis verloren hat (z.B. die Approbation oder die Fahrerlaubnis).
Nähere Informationen dazu finden Sie unter dem Stichwort „Kündigung - personenbedingte Kündigung“.
Ob ein Arbeitnehmer nach einer wirksamen personenbedingten Kündigung einen Anspruch auf Wiedereinstellung hat, wenn der personenbedingte Kündigungsgrund später wegfällt, ist rechtlich umstritten und von den Arbeitsgerichten noch nicht verbindlich geklärt. Vor Gericht lässt sich ein Wiedereinstellungsanspruch aber jedenfalls gut vertreten, wenn der personenbedingte Kündigungsgrund noch während der Kündigungsfrist wegfällt.
BEISPIEL: Die Straßenverkehrsbehörde entzieht einem lange beschäftigten Kraftfahrer die Fahrerlaubnis, woraufhin sein Arbeitgeber ordentlich aus personenbedingten Gründen kündigt. Der Arbeitnehmer erhebt Kündigungsschutzklage. Noch vor Ablauf der Kündigungsfrist wird ihm die Fahrerlaubnis wieder erteilt. Hier besteht ein Anspruch auf Wiedereinstellung.
Können Arbeitnehmer nach einer verhaltensbedingten Kündigung Wiedereinstellung verlangen?
Nein, so etwas ist schwer vorstellbar. Denn notwendige Voraussetzung für einen Anspruch auf Wiedereinstellung nach einer vorausgegangenen verhaltensbedingten Kündigung des Arbeitgebers ist ja immer, dass die Kündigung wirksam war (und wirksam bleibt), und dass der Kündigungsgrund nach Ausspruch der Kündigung wegfällt.
Wie aber sollte ein nachweisbarer (!) erheblicher (!) Pflichtverstoß des Arbeitnehmers, der zu einer wirksamen verhaltensbedingten Kündigung geführt hat, nach Ausspruch der Kündigung wieder entfallen?
Woraus folgt der Anspruch auf Wiedereinstellung nach vorausgegangener Kündigung?
Der Anspruch auf Wiedereinstellung ergibt sich als Nebenpflicht aus dem (wirksam) gekündigten Arbeitsverhältnis, d.h. aus dem Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB).
Denn der Arbeitgeber würde sich treuwidrig verhalten, wenn er sich gegenüber dem Arbeitnehmer auf die formaljuristische Wirksamkeit seiner Kündigung berufen würde, die sich letztlich nur daraus ergibt, dass "zufällig" zum Zeitpunkt der Kündigung die rechtlich erforderlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen gegeben waren.
Setzt der Anspruch auf Wiedereinstellung nach vorausgegangener Kündigung voraus, dass der Arbeitnehmer Kündigungsschutz genießt?
Im Allgemeinen ist Voraussetzung für den Anspruch auf Wiedereinstellung nach vorausgegangener Kündigung, dass der Arbeitnehmer Kündigungsschutz nach dem KSchG in Anspruch nehmen können. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Jahre 2017 entschieden (BAG, Urteil vom 19.10.2017, 8 AZR 845/15, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 17/268 Wiedereinstellung im Kleinbetrieb).
Denn da der Arbeitgeber außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG gar keine sachliche Begründung für eine fristgemäße Kündigung braucht, kann auch nicht der Fall eintreten, dass eine solche Begründung nach Ausspruch der Kündigung infolge geänderter Umstände wegfällt.
Der Kündigungsschutz nach dem KSchG setzt voraus, dass man als Arbeitnehmer länger als sechs Monate in einem Betrieb mit mehr als zehn Arbeitnehmern beschäftigt war, § 1 Abs.1 KSchG, § 23 KSchG.
Gibt es einen Anspruch auf Wiedereinstellung auch ohne vorausgegangen Kündigung des Arbeitgebers?
Ja, und ein solcher Anspruch auf Wiedereinstellung ist sogar der Normalfall.
Grundlage für einen solchen Wiedereinstellungsanspruch kann ein Aufhebungsvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag sein.
BEISPIEL: Ein Arbeitnehmer möchte gerne ein bis zwei Jahre lang unbezahlt Pause machen, um ein Studium abzuschließen. Der Arbeitgeber lässt sich darauf ein. Daher schließen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag ab, der einen Anspruch auf Wiedereinstellung beinhaltet und regelt, bis wann der Arbeitnehmer spätestens Wiedereinstellung verlangen kann.
In diesem Beispiel hätte man statt eines Aufhebungsvertrags auch ein Sabbatjahr vereinbaren können. Dann wäre das Arbeitsverhältnis nicht beendet, sondern nur unterbrochen worden. Das ist aber manchmal nicht sinnvoll, wenn die Parteien nicht genau wissen, wie lange die unbezahlte Auszeit dauern soll. Dann ist eine Vertragsbeendigung mit einem Anspruch auf Wiedereinstellung besser.
Wiedereinstellung und Weiterbeschäftigung - worin besteht der Unterschied?
Mit Weiterbeschäftigung ist die vorübergehende bzw. vorläufige Tätigkeit des Arbeitnehmers in der Zeit gemeint, während der unklar ist, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung des Arbeitgebers (oder aufgrund einer umstrittenen Befristung des Arbeitsverhältnisses) noch besteht oder nicht. Daher ist der Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung typischer Bestandteil einer Kündigungsschutzklage und (in Ausnahmefällen) einer Befristungskontrollklage.
Der Weiterbeschäftigungsanspruch soll verhindern, dass der vor Gericht um sein Arbeitsverhältnis streitende Arbeitnehmer auch dann, wenn er am Ende Recht bekommt, faktisch erst einmal „draußen“ ist. Denn bis über die Kündigung rechtskräftig entschieden ist, können Jahre vergehen, und während dieser Jahre sucht man sich normalerweise einen neuen Job.
Nähere Informationen dazu finden Sie unter dem Stichwort „Weiterbeschäftigung“.
Der Anspruch auf Weiterbeschäftigung besteht daher nur vorübergehend bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutz- bzw. des Befristungskontrollprozesses. Außerdem verpflichtet der Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung den Arbeitgeber nur zur Zuweisung von Arbeit, d.h. zur Beschäftigung, und zur Lohnzahlung, nicht aber zum Abschluss eines neuen Arbeitsverhältnisses.
Im Unterschied dazu sind Ansprüche auf Wiedereinstellung auf eine zeitlich unbegrenzte Beschäftigung und Lohnzahlung gerichtet. Außerdem ist der Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Wiedereinstellung hat, zum Abschluss eines Arbeitsvertrags verpflichtet, d.h. mit der bloß faktischen Beschäftigung und Lohnzahlung ist es dann nicht getan.
Wo finden Sie mehr zum Thema Wiedereinstellung?
Weitere Informationen, die Sie im Zusammenhang mit dem Thema Wiedereinstellung interessieren könnten, finden Sie hier:
- Handbuch Arbeitsrecht: Annahmeverzug des Arbeitgebers
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Befristung des Arbeitsvertrags (befristeter Arbeitsvertrag, Zeitvertrag)
- Handbuch Arbeitsrecht: Beschäftigung, Beschäftigungsanspruch
- Handbuch Arbeitsrecht: Gebot fairen Verhandelns
- Handbuch Arbeitsrecht: Klage gegen Befristung (Befristungskontrollklage, Entfristungsklage)
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Betriebsbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Personenbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Rücknahme der Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verdachtskündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verhaltensbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Vergütung bei Arbeitsausfall
- Handbuch Arbeitsrecht: Weiterbeschäftigung
- Übersicht Handbuch Arbeitsrecht
- Tipps und Tricks: Arbeitsvertrag - Checkliste
Kommentare unseres Anwaltsteams zu aktuellen Fragen rund um das Thema Wiedereinstellung finden Sie hier:
- Update Arbeitsrecht 05|2022 BAG: Verdacht der Fälschung von Verkaufszahlen rechtfertigt Drohung mit fristloser Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 20/109 Klage gegen Versetzung und Ausschlussfristen
- Arbeitsrecht aktuell: 18/267 Einstweiliger Rechtsschutz gegen Freistellung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/102 LAG Hamburg stärkt Beschäftigungsanspruch
- Arbeitsrecht aktuell: 17/300 Kündigungsrücknahme und Annahmeverzug
- Arbeitsrecht aktuell: 17/268 Wiedereinstellung im Kleinbetrieb
- Arbeitsrecht aktuell: 17/061 Weiterbeschäftigung im Kündigungsschutzverfahren und Freistellung
- Arbeitsrecht aktuell: 16/362 Beendigungsdatum beim Zeugnis
- Arbeitsrecht aktuell: 16/045 Kein Anspruch auf Wiedereinstellung unmittelbar aus der Menschenrechtskonvention
- Arbeitsrecht aktuell: 16/003 Verlängerte Klagefrist bei Streit um Befristung
- Arbeitsrecht aktuell: 15/231 Anspruch auf Lohn auch rückwirkend?
- Arbeitsrecht aktuell: 14/119 Aufhebungsvertrag mit Abfindung beim Zweitarbeitgeber und dann zurück zum alten?
- Arbeitsrecht aktuell: 13/361 Weiterbeschäftigung oder Zwangsgeld
- Arbeitsrecht aktuell: 13/351 Kündigung wegen Betriebsschließung - Schließung einer Krankenkasse
- Arbeitsrecht aktuell: 13/296 Anspruch auf Wiedereinstellung für Arbeitnehmer der City BKK
- Arbeitsrecht aktuell: 13/120 SPD macht sich für Teilzeitbeschäftigte stark
- Arbeitsrecht aktuell: 13/032 Weiterbeschäftigung per einstweiliger Verfügung
- Arbeitsrecht aktuell: 12/214 Gehaltsrückzahlung nach Kündigung und Kündigungsschutzprozess
- Arbeitsrecht aktuell: 12/210 Wiedereinstellung aufgrund Wiedereinstellungszusage
- Arbeitsrecht aktuell: 12/183 LAG München zu Kündigungsschutzklage und Rücknahme der Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 12/174 Betriebsrat - Fristlose Kündigung und trotzdem im Amt?
- Arbeitsrecht aktuell: 11/223 Kein Rücktritt vom Aufhebungsvertrag bei Insolvenz des Arbeitgebers
- Arbeitsrecht aktuell: 11/092 Aufhebungsvertrag - Anfechtung oder Rücktritt bei Insolvenz?
- Arbeitsrecht aktuell: 10/192 Wiedereinstellungszusage als sachlicher Grund
- Arbeitsrecht aktuell: 10/130 Durchsetzung eines betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruchs im Eilverfahren
- Arbeitsrecht aktuell: 10/129 Wiedereinstellungsanspruch beim Rücktritt vom Aufhebungsvertrag?
- Arbeitsrecht aktuell: 10/048 Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers
- Arbeitsrecht aktuell: 10/008 Allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch: Auch bei Änderungskündigung möglich
- Arbeitsrecht aktuell: 09/168 Anforderung an einen Antrag auf Weiterbeschäftigung
Letzte Überarbeitung: 11. März 2022
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