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Gebot fairen Verhandelns
Lesen Sie hier, was das Gebot fairen Verhandelns vom Arbeitgeber verlangt, insbesondere beim Aushandeln eines Aufhebungsvertrags.
Im Einzelnen finden Sie Informationen dazu, in welchen Situationen und für welche Verträge das Fairnessgebot gilt, wer es beachten muss und welche Folgen es hat, wenn ein Vertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf der Grundlage unfairer Verhandlungen abgeschlossen wurde.
von Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin
- Was besagt das Gebot fairen Verhandelns?
- Woraus ergibt sich das Gebot fairen Verhandelns?
- Ist das Gebot fairen Verhandelns nicht überflüssig, weil es schon das Recht zur Anfechtung oder vielleicht ein Widerrufsrecht gibt?
- Welche Folgen hat ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns?
- Welche Folgen hat ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns für Aufhebungsverträge?
- Was ist mit Aufhebungsverträgen, die zwar das Ergebnis unfairer Verhandlungen sind, aber einen für den Arbeitnehmer günstigen Inhalt haben?
- Gilt das Gebot fairen Verhandelns nur für Aufhebungsverträge?
- Gilt das Gebot fairen Verhandelns nur für Arbeitgeber?
- Woran kann man erkennen, wo eine Verhandlungssituation unfair ist?
- In welchen Fällen wird das Gebot fairen Verhandelns verletzt?
- Wann liegt kein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns vor?
- Was müssen Arbeitgeber beachten, damit Aufhebungsverträge nicht am Gebot fairen Verhandelns scheitern?
- Wo finden Sie mehr zum Gebot fairen Verhandelns?
Was besagt das Gebot fairen Verhandelns?
In einer Grundsatzentscheidung vom Februar 2019 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) erstmals das Gebot fairen Verhandelns als Voraussetzung der Wirksamkeit arbeitsrechtlicher Verträge bzw. Aufhebungsverträge anerkannt (BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 19/037 Fairnessgebot bei Verhandlungen über Aufhebungsverträge).
Verstößt der Arbeitgeber bei Vertragsverhandlungen, z.B. über einen Aufhebungsvertrag, gegen das Gebot des fairen Verhandelns, verhält er sich laut BAG rechtswidrig.
Eine unfaire Verhandlungssituation umschreibt das BAG so (BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18, Rn.34):
„Eine Verhandlungssituation ist (…) als unfair zu bewerten, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen oder ausgenutzt wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht (…). Dies kann durch die Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen, die erheblich ablenken oder sogar den Fluchtinstinkt wecken, geschehen (vgl. die Konstellation bei Thüringer LAG 10. September 1998 - 5 Sa 104/97 -). Denkbar ist auch die Ausnutzung einer objektiv erkennbaren körperlichen oder psychischen Schwäche oder unzureichender Sprachkenntnisse. Die Nutzung eines Überraschungsmoments kann ebenfalls die Entscheidungsfreiheit des Vertragspartners beeinträchtigen (Überrumpelung). Letztlich ist die konkrete Situation im jeweiligen Einzelfall am Maßstab des § 241 Abs. 2 BGB zu bewerten und von einer bloßen Vertragsreue abzugrenzen.“
Kurz zusammengefasst ist eine Verhandlungssituation demnach unfair, wenn
- eine psychische Drucksituation
- geschaffen oder ausgenutzt wird,
- die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners
- erheblich erschwert oder unmöglich macht.
Woraus ergibt sich das Gebot fairen Verhandelns?
Mit der Aufnahme von Vertragsverhandlungen ist man zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Verhandlungsgegners verpflichtet. Das folgt aus § 311 Abs.2 Nr.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verb. mit § 241 Abs.2 BGB.
Mit diesen Vorschriften und der (vorvertraglichen) Pflicht zur Rücksicht auf die Interessen und Rechte des Verhandlungsgegners begründet das BAG das Gebot fairen Verhandelns (BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18, Rn.31).
§ 241 Abs.2 BGB lautet:
„Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.“
Und in § 311 Abs.2 Nr.1 BGB heißt es:
„(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs.2 entsteht auch durch
1. die Aufnahme von Vertragsverhandlungen“
Im Ergebnis folgt aus diesen Vorschriften:
Bereits durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen (und nicht erst durch den Abschluss eines Vertrags) entsteht ein vorvertragliches (Vertrauens-)Schuldverhältnis, das die Verhandlungsgegner dazu verpflichtet, in einem gewissen (Mindest-)Umfang (neben den eigenen Interessen auch) die Interessen, Rechte und Rechtsgüter des anderen zu respektieren.
Ist das Gebot fairen Verhandelns nicht überflüssig, weil es schon das Recht zur Anfechtung oder vielleicht ein Widerrufsrecht gibt?
Manchmal werden Aufhebungsverträge im Nachhinein vom Arbeitnehmer angefochten. Wer sich zu einem solchen Schritt entschließt, beruft sich oft darauf, dass der Arbeitgeber während der Verhandlungen über den Aufhebungsvertrag angeblich in widerrechtlicher Weise mit Sanktionen gedroht haben soll, z.B. mit einer Strafanzeige und/oder einer fristlosen Kündigung.
Solche Anfechtungserklärungen führen in den meisten Fällen nicht zum Erfolg, da die gesetzlichen Voraussetzungen eines Anfechtungsrechts gemäß § 123 Abs.1 BGB nicht vorliegen oder vor Gericht nicht beweisbar sind. Und ein Recht zum Widerruf von Aufhebungsverträgen auf der Grundlage des gesetzlichen Verbraucher-Widerrufsrechts wird von der Rechtsprechung generell nicht anerkannt. Nähere Informationen dazu finden Sie unter Handbuch Arbeitsrecht: Aufhebungsvertrag und Anfechtung, Widerruf.
Vor diesem Hintergrund schließt das vom BAG aufgestellte Gebot fairen Verhandelns eine rechtliche Lücke. Denn laut BAG kann dieses Gebot bereits dann verletzt sein (mit der Folge der Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrags), wenn die gesetzlichen Voraussetzungen einer Anfechtung wegen Drohung, Täuschung oder Irrtums (noch) nicht vorliegen. Dazu das BAG:
"Das Gebot fairen Verhandelns schützt unterhalb der Schwelle der von §§ 105, 119 ff. BGB erfassten Willensmängel die Entscheidungsfreiheit bei Vertragsverhandlungen." (BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18, Rn.32)
Welche Folgen hat ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns?
Verletzt der Arbeitgeber das Gebot fairen Verhandelns, hat der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch, der zur Folge hat, dass der ausgehandelte Vertrag unwirksam ist (BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18, Rn.35-37).
Der vorherige rechtliche Zustand besteht dann ohne Unterbrechung weiter fort.
Welche Folgen hat ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns für Aufhebungsverträge?
Wurde als Ergebnis unfairen Verhandelns ein Aufhebungsvertrag vereinbart, besteht das Arbeitsverhältnis weiter fort.
Der Arbeitnehmer hat nicht etwa einen Anspruch auf erneuten Abschluss eines Arbeitsvertrags. Vielmehr gilt der (ursprüngliche, alte) Arbeitsvertrag ohne Unterbrechung nach wie vor, da der Aufhebungsvertrag unwirksam ist.
Was ist mit Aufhebungsverträgen, die zwar das Ergebnis unfairer Verhandlungen sind, aber einen für den Arbeitnehmer günstigen Inhalt haben?
Es sind Fälle denkbar, in denen ein Aufhebungsvertrag zwar unter Einsatz unfairer Verhandlungsmethoden zustande gekommen ist, aber inhaltlich gesehen für den Arbeitnehmer günstig ist, z.B. weil er eine hohe Abfindung enthält. Hier fragt sich, ob der Aufhebungsvertrag auch dann unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis weiter fortbesteht.
Das BAG hält sich an dieser Stelle ein Schlupfloch offen. Denn unfaire Verhandlungen führen nur "im Regelfall" zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags. Enthält der Aufhebungsvertrag einen hohen Abfindungsanspruch und/oder andere günstige Bedingungen für den Arbeitnehmer, kann er - als Ausnahme von der Regel - wirksam sein. Denn dann besteht kein wirtschaftlicher Schaden für den Arbeitnehmer:
"Der Aufhebungsvertrag lässt den Arbeitsplatz und die damit verbundenen Verdienstmöglichkeiten entfallen. Im Regelfall bewirkt ein unfair ausgehandelter Aufhebungsvertrag für den Arbeitnehmer einen wirtschaftlichen Schaden." (BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18, Rn.38)
Gilt das Gebot fairen Verhandelns nur für Aufhebungsverträge?
Nein, das Gebot fairen Verhandelns gilt auch für andere Verträge bzw. Vertragsverhandlungen.
So müssen Arbeitgeber z.B. das Fairnessgebot auch beachten bei Verhandlungen über
- ein Schuldanerkenntnis, d.h. über eine Vereinbarung, mit der der Arbeitnehmer sich z.B. zur Rückerstattung einer Gehaltsüberzahlung oder zum Schadensersatz verpflichtet,
- eine Verzichtsvereinbarung, d.h. über eine Vereinbarung, mit der der Arbeitnehmer auf (mögliche) Gehaltsansprüche oder Urlaubsabgeltungsansprüche verzichtet,
- eine Änderung des Arbeitsvertrages, die aus Arbeitnehmersicht ungünstigere Vertragsbedingungen zur Folge hat.
Gilt das Gebot fairen Verhandelns nur für Arbeitgeber?
Nein, an das Gebot fairen Verhandelns müssen sich beide Parteien des Arbeitsvertrags halten, also auch der Arbeitnehmer.
In aller Regel ist aber der Arbeitgeber, der die Umstände von Vertragsverhandlungen entscheidend beeinflusst und daher faktisch in der Lage ist, das Fairnessgebot zu beachten oder zu missachten.
Woran kann man erkennen, wo eine Verhandlungssituation unfair ist?
Das Problem der oben wiedergegebenen, vom BAG aufgestellten Definition einer „unfairen Verhandlungssituation“ liegt darin, dass sie aus unbestimmten Rechtsbegriffen besteht, die alle mehr oder weniger vage bzw. unklar sind.
Denn in einer irgendeiner Drucksituation befindet man sich bei Verhandlungen über wirtschaftlich bedeutsame Verträge letztlich immer. Und weil der Verhandlungsgegner diese Drucksituation natürlich kennt, nutzt er sie zumindest aus.
Dieses Problem sieht auch das BAG. Denn bei der Umsetzung seiner Vorgaben kommt es darauf an,
„die konkrete Situation im jeweiligen Einzelfall (…) zu bewerten und von einer bloßen Vertragsreue abzugrenzen.“ (BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18, Rn.34)
Was bei einer solchen richterlichen Einzelfallbewertung herauskommt, lässt sich nur schwer vorhersagen. Es besteht daher die Gefahr, dass einmal geschlossene Verträge nicht mehr akzeptiert werden, weil sich einer der Vertragspartner im Nachhinein über den Tisch gezogen fühlt, so dass er seine Entscheidung bereut.
Vor diesem Hintergrund kommt es auf konkrete Beispielsfälle an. Sie machen deutlich, wie gravierend die Beeinflussung des Arbeitnehmers während der Vertragsverhandlungen sein muss, damit das Gebot fairen Verhandelns verletzt ist - oder eben auch nicht.
In welchen Fällen wird das Gebot fairen Verhandelns verletzt?
Dem BAG-Urteil lassen sich drei mögliche Situationen entnehmen, in denen eine unfaire Verhandlungssituation gegeben sein kann:
1.) Schaffung besonders unangenehmer Rahmenbedingungen, die erheblich ablenken oder sogar den Fluchtinstinkt wecken
Ein erstes Beispiel ergibt sich aus einem Streitfall, über den vor gut 20 Jahren einmal das Thüringer Landesarbeitsgericht (LAG) entschieden hatte (Thüringer LAG, Urteil vom 10.09.1908 90,5 Sa 104/97). Auf diesen Fall verweist das BAG ausdrücklich (BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18, Rn.34).
In diesem Fall waren einige Verkäuferinnen bei einem (eher geringfügigen) Diebstahl ertappt worden und vom Arbeitgeber nach mehrstündigen verhörähnlichen Gesprächen dazu gebracht worden, Schuldanerkenntnisse über extrem hohe Geldbeträge zu unterzeichnen, die in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zu den beweisbaren (viel geringeren) Schadenssummen standen. Während dieser Marathongespräche war es den Verkäuferinnen nicht erlaubt, den Raum zu verlassen. Auch zur Toilette durften sie nicht gehen oder eine Vertrauensperson anrufen.
2.) Unangekündigter Besuch in der Wohnung des Arbeitnehmers während einer Erkrankung und/oder Ausnutzung einer krankheitsbedingten Schwächung
Ein weiteres Beispiel ergibt sich aus dem Streitfall, der dem Grundsatzurteil des BAG zugrunde lag. Denn in diesem Fall kamen (möglicherweise) folgende drei Umstände zusammen (BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18, Rn.44-46):
- Ein unangekündigter Besuch des Arbeitgebers bzw. eines Bevollmächtigten des Arbeitgebers in der Privatwohnung der Arbeitnehmerin (Überrumpelung)
- Aufhebungsvertragsverhandlungen während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit (in der Regel müssen Arbeitgeber das Ende einer Arbeitsunfähigkeit abwarten, um den Genesungsprozess nicht zu gefährden)
- Ausnutzung einer krankheitsbedingten körperlichen Schwächung des Arbeitnehmers
3.) Ausnutzung unzureichender Sprachkenntnisse
Schließlich erwähnt das BAG als einen möglichen Beispielsfall unfairen Verhandelns die Ausnutzung unzureichender Sprachkenntnisse des Arbeitnehmers (BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18, Rn.34).
Wann liegt kein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns vor?
Ebenso wichtig wie die Positiv-Beispiele, in denen nach Ansicht der Erfurter Richter gegen das Gebot fairen Verhandelns verstoßen wird, sind beispielhafte Aussagen dazu, wann das Fairnessgebot nicht verletzt wird.
Auch dazu enthält das BAG-Urteil einige Aussagen:
1.) Keine Pflicht zur Verleugnung der eigenen Interessen
Das Gebot des fairen Verhandelns zwingt nicht zu einer Verleugnung der eigenen Interessen (BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18, Rn.33).
2.) Keine Pflicht zur Schaffung einer für den Vertragspartner besonders angenehmen Verhandlungssituation
Arbeitgeber sind bei Aufhebungsvertragsverhandlungen nicht dazu verpflichtet, eine möglichst angenehme Verhandlungssituation für den Arbeitnehmer zu schaffen (BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18, Rn.34).
3.) Keine Pflicht zur Einräumung einer Bedenkzeit oder eines Rechts zum Rücktritt oder Widerruf
Arbeitgeber sind bei Aufhebungsvertragsverhandlungen nicht dazu verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine Bedenkzeit einzuräumen oder gar das Recht, vom Aufhebungsvertrag zurückzutreten oder diesen zu widerrufen (BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18, Rn.34).
An dieser Stelle ändert das BAG seine bisherige Rechtsprechung also nicht.
4.) Keine Pflicht zur Ankündigung, über einen Aufhebungsvertrag verhandeln zu wollen
Schließlich sind Arbeitgeber auch nicht dazu verpflichtet, den Arbeitnehmer vor Beginn eines Personalgesprächs darauf hinzuweisen, dass es hierbei um den Abschluss eines Aufhebungsvertrags gehen soll (BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18, Rn.34).
Auch in dieser Frage bleibt es also bei der bisherigen Rechtsprechung des BAG.
Was müssen Arbeitgeber beachten, damit Aufhebungsverträge nicht am Gebot fairen Verhandelns scheitern?
Im Ergebnis sind Aufhebungsverträge nur in Ausnahmefällen wegen einer Verletzung des Gebots fairen Verhandelns unwirksam.
Aus dem Grundsatzurteil des BAG (BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18) ergibt sich, dass verschiedene negative Begleitumständen zusammentreffen müssen, die in ihrer Summe eine für den Arbeitnehmer unzumutbare Verhandlungssituation ergeben.
Umgekehrt heißt das: Aufhebungsverträge können wie bisher
- kurzfristig im Betrieb im Rahmen eines unangekündigten Personalgesprächs rechtsverbindlich abgeschlossen werden,
- und zwar auch ohne Einräumung einer Bedenkzeit oder eines Rechts zum Rücktritt oder Widerruf, vorausgesetzt
- der Arbeitnehmer versteht den Aufhebungsvertrag sprachlich in ausreichendem Umfang,
- er wurde nicht rechtswidrig bedroht oder arglistig getäuscht, und
- der Vertrag wird schriftlich festgehalten.
Wo finden Sie mehr zum Gebot fairen Verhandelns?
Weitere Informationen, die Sie im Zusammenhang mit dem Thema Fairnessgebot interessieren könnten, finden Sie in unserem Handbuch Arbeitsrecht hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18
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- Handbuch Arbeitsrecht: Wiedereinstellung
- Handbuch Arbeitsrecht: Zeugnis
- Übersicht Handbuch Arbeitsrecht
Checklisten und Musterschreiben zum Thema Aufhebungsvertrag finden Sie hier:
- Musterschreiben: Mustervertrag "Aufhebungsvertrag"
- Musterschreiben: Mustervertrag „Aufhebungsvertrag nach Kündigung (Abwicklungsvertrag)“
- Tipps und Tricks: Aufhebungsvertrag - Checkliste
Kommentare unseres Anwaltsteams zu aktuellen Fragen rund um das Thema Fairnessgebot finden Sie hier:
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- Update Arbeitsrecht 05|2022 BAG: Verdacht der Fälschung von Verkaufszahlen rechtfertigt Drohung mit fristloser Kündigung
Arbeitsrecht 2021
Arbeitsrecht 2020
- Update Arbeitsrecht 13|2020 LAG Mecklenburg-Vorpommern: Verstoß gegen das Gebot des fairen Verhandelns bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags
- Arbeitsrecht aktuell: 20/052 Anspruch auf eine verkehrsübliche Schlussformel im qualifizierten Arbeitszeugnis
Arbeitsrecht 2019
- Arbeitsrecht aktuell: 19/160 Kündigung wegen Verdachts der Geldunterschlagung
- Arbeitsrecht aktuell: 19/037 Fairnessgebot bei Verhandlungen über Aufhebungsverträge
- Arbeitsrecht aktuell: 19/004 Aufhebungsvertrag und Auslegung
Arbeitsrecht 2018
- Arbeitsrecht aktuell: 18/099 LAG Hannover: Kein Widerrufsrecht für Arbeitnehmer aus § 312g BGB
- Arbeitsrecht aktuell: 18/086 Aufhebungsvertrag mit Abfindung für Betriebsrat
Arbeitsrecht 2017
- Arbeitsrecht aktuell: 17/149 Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung gemäß § 1a KSchG
- Arbeitsrecht aktuell: 17/100 Herausgabe von Firmenunterlagen nach Aufhebungsvertrag und Freistellung
Arbeitsrecht 2016
Arbeitsrecht 2015
- Arbeitsrecht aktuell: 15/070 Aufhebungsvertrag mit Klageverzicht nach Drohung mit Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 15/020 Klageverzicht in AGB-Klausel des Arbeitgebers
Letzte Überarbeitung: 11. März 2022
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