HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

HANDBUCH ARBEITSRECHT

Haf­tung des Ar­beit­neh­mers

In­for­ma­tio­nen zum The­ma Ar­beit­neh­mer­haf­tung: Hen­sche Rechts­an­wäl­te, Kanz­lei für Ar­beits­recht
Verkehrsunfall mit verletzter Frau und Sanitätern im Vordergrund

Auf die­ser Sei­te fin­den Sie In­for­ma­tio­nen zu der Fra­ge, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen Ar­beit­neh­mer auf Er­satz ei­nes von ih­nen ver­ur­sach­ten Scha­dens haf­ten und wie die Recht­spre­chung der Ar­beits­ge­rich­te den Um­fang der Ar­beit­neh­mer­haf­tung be­grenzt.

Au­ßer­dem fin­den Sie Hin­wei­se da­zu, wann Ar­beit­neh­mer für die Schä­di­gung ei­nes Kol­le­gen haf­ten und un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen sie vom Ar­beit­ge­ber Frei­stel­lung von ih­rer Haf­tung ge­gen­über Drit­ten ver­lan­gen kön­nen.

von Rechts­an­walt Dr. Mar­tin Hen­sche, Fach­an­walt für Ar­beits­recht, Ber­lin

Was kann Ih­nen bei ei­nem Scha­dens­fall pas­sie­ren?

Wenn Sie bei der Ar­beit ei­nen Scha­den ver­ur­sa­chen, d.h. Ih­ren Ar­beit­ge­ber, ei­nen Kol­le­gen oder ei­ne be­triebs­frem­de Per­son schädi­gen, wird sich Ihr Ar­beit­ge­ber viel­leicht fra­gen, ob er Ih­nen ei­ne Ab­mah­nung er­tei­len oder Sie so­gar - or­dent­lich oder außer­or­dent­lich - kündi­gen kann.

Außer­dem ste­hen Scha­dens­er­satz­ansprüche im Raum, d.h. es fragt sich, ob Sie viel­leicht zum Er­satz des Scha­dens ver­pflich­tet sind. Im fol­gen­den geht es nur um die Haf­tung des Ar­beit­neh­mers auf Scha­dens­er­satz.

Wann sind Sie als Ar­beit­neh­mer zum Scha­dens­er­satz ver­pflich­tet?

Ar­beit­neh­mer haf­ten ih­rem Ar­beit­ge­ber im Prin­zip un­ter den glei­chen Vor­aus­set­zun­gen auf Scha­dens­er­satz, un­ter de­nen um­ge­kehrt auch der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer scha­dens­er­satz­pflich­tig ist.

Kon­kret müssen Sie als Ar­beit­neh­mer

  • ers­tens ge­gen Ih­re recht­li­chen Pflich­ten ver­s­toßen ha­ben,
  • zwei­tens durch den Pflicht­ver­s­toß ei­nen Scha­den ver­ur­sacht ha­ben, und
  • drit­tens den Pflicht­ver­s­toß und den Scha­den­s­ein­tritt ver­schul­det ha­ben, d.h. vorsätz­lich oder fahrlässig ge­han­delt ha­ben. Ab­wei­chend vom all­ge­mei­nen Scha­dens­recht ver­langt das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers, dass sich sein Ver­schul­den nicht nur auf den Pflicht­ver­s­toß, son­dern auch auf die Scha­dens­fol­ge be­zieht.

Die ers­te Haf­tungs­vor­aus­set­zung ist in den meis­ten Fällen klar ge­ge­ben, da die ar­beits­ver­trag­li­chen Haupt- und Ne­ben­pflich­ten, die Sie als Ar­beit­neh­mer tref­fen, weit ge­spannt sind. Auch Übermüdung, plötz­li­che Ar­beitsüber­las­tung oder an­de­re Umstände die­ser Art ändern in al­ler Re­gel erst ein­mal nichts dar­an, dass prak­tisch je­der zum Scha­den führen­de Feh­ler, den man als Ar­beit­neh­mer ma­chen kann, zu­gleich ei­ne Ver­let­zung recht­li­cher Pflich­ten ist.

Auch die zwei­te Vor­aus­set­zung, der Ur­sa­chen­zu­sam­men­hang zwi­schen Pflicht­ver­let­zung und Scha­den, ist meis­tens ge­ge­ben, denn auf ho­he oder ge­rin­ge Wahr­schein­lich­kei­ten oder auf an­de­re "Schul­di­ge" kommt es hier nicht an.

BEISPIEL: Ein Ar­beit­neh­mer schließt abends wei­sungs­wid­rig die Fir­men­ein­gangstür nicht or­dent­lich ab, doch ist ein Ein­bruch in die­ser Ge­gend ex­trem un­wahr­schein­lich, da die Fir­ma ge­genüber ei­ner Po­li­zei­wa­che liegt. Trotz­dem kommt es zum Ein­bruch durch un­be­kann­te Täter und zu ei­nem Scha­den. In die­sem Fall ändert we­der die ge­rin­ge Wahr­schein­lich­keit ei­nes Ein­bruchs noch die Tat­sa­che, dass der Ar­beit­neh­mer ja nicht der "wah­re Schul­di­ge" ist, et­was an der Kau­sa­lität zwi­schen Pflicht­ver­s­toß (un­zu­rei­chen­des Ab­sch­ließen) und Scha­den (Dieb­stahl von Fir­men­ei­gen­tum).

Auch die drit­te Vor­aus­set­zung für die Scha­dens­er­satz­pflicht des Ar­beit­neh­mers - dass er nämlich vorsätz­lich oder fahrlässig ge­han­delt hat - ist vie­len Fällen ge­ge­ben. Denn nach dem Bürger­li­chen Ge­setz­buch (BGB), das auch im Ar­beits­recht gilt, genügt schon der kleins­te Ver­s­toß ge­gen die "im Ver­kehr er­for­der­li­che Sorg­falt" dafür, dass man "fahrlässig" und so­mit schuld­haft ge­han­delt hat (§ 276 Abs.2 BGB).

BEISPIEL: Ein an­ge­stell­ter Kraft­fah­rer parkt den Fir­men­trans­por­ter bei Dun­kel­heit und star­kem Re­gen in ei­ne en­ge Parklücke ein. In­fol­ge der schlech­ten Sicht fährt er fahrlässig ge­gen ei­ne Maue­r­ecke und ver­ur­sacht da­durch ei­nen Lack­scha­den am Fir­men­trans­por­ter.

Wer muss das Ver­schul­den des Ar­beit­neh­mers im Scha­dens­fall be­wei­sen?

An die­ser Stel­le, d.h. bei der Be­weis­last, steht der Ar­beit­neh­mer bes­ser als ein "nor­ma­ler" Schädi­ger da.

Denn im Nor­mal­fall ist zu ver­mu­ten, dass ein ob­jek­ti­ver Pflicht­ver­s­toß auch schuld­haft, d.h. vorsätz­lich oder fahrlässig, be­gan­gen wur­de. Das folgt aus § 278 Abs.1 Satz 2 BGB, wo­nach der Schuld­ner (in dem vom ihm zu be­wei­sen­den Aus­nah­men­fall) nicht er­satz­pflich­tig ist, wenn er "die Pflicht­ver­let­zung nicht zu ver­tre­ten hat". Der Schädi­ger hat da­her im Nor­mal­fall vor Ge­richt im Scha­dens­er­satz­pro­zess sein Nicht-Ver­schul­den zu be­wei­sen.

Dem­ge­genüber muss der Ar­beit­ge­ber als Geschädig­ter An­spruch­stel­ler im Haf­tungs­pro­zess be­wei­sen, dass der Ar­beit­neh­mer vorsätz­lich oder fahrlässig ge­han­delt hat. Das folgt aus § 619a BGB. Die­se Vor­schrift lau­tet:

"Ab­wei­chend von § 280 Abs.1 hat der Ar­beit­neh­mer dem Ar­beit­ge­ber Er­satz für den aus der Ver­let­zung ei­ner Pflicht aus dem Ar­beits­verhält­nis ent­ste­hen­den Scha­den nur zu leis­ten, wenn er die Pflicht­ver­let­zung zu ver­tre­ten hat."

Aber auch § 619a BGB ändert nichts dar­an, dass die o.g. BGB-Vor­schrif­ten zum Scha­dens­er­satz­recht in (zu) vie­len Fällen zur Fol­ge hätten, dass Ar­beit­neh­mer zum Aus­gleich (zu) ho­her Schäden ver­pflich­tet wären. Da­vor müssen sie recht­lich geschützt wer­den, soll das Ar­beits­verhält­nis nicht zur Haf­tungs­fal­le wer­den.

Wie be­schränkt das BGB Ih­re Haf­tung als Ar­beit­neh­mer?

Ei­ne wich­ti­ge Vor­schrift zu­guns­ten des­je­ni­gen, der zum Scha­dens­er­satz ver­pflich­tet ist, ist in § 254 BGB ent­hal­ten. Da­nach ist der Um­fang der Scha­dens­er­satz­pflicht ge­min­dert, wenn den Geschädig­ten ein Mit­ver­schul­den trifft. Das Mit­ver­schul­den kann so­wohl bei der Ent­ste­hung des Scha­dens ei­ne Rol­le ge­spielt ha­ben (§ 254 Abs.1 BGB) als auch dar­in, dass es der Geschädig­te un­ter­las­sen hat, die Höhe des Scha­dens zu min­dern (§ 254 Abs.2 BGB).

BEISPIEL: Ein Ar­beit­neh­mer fährt ei­nen LKW auf dem Fir­men­gelände rückwärts an ei­ne La­de­ram­pe, um ihn dort zu ent­la­den. Es ist kurz vor Fei­er­abend und er hat für das Ent­la­den nur noch ei­ne hal­be St­un­de Zeit. Das ist zu knapp, und außer­dem müss­te nach ein Kol­le­ge an­we­send sein, um den fah­ren­den Ar­beit­neh­mer beim Rück­set­zen des LKW durch Ein­wei­sen zu un­terstützen. Trotz­dem er­teilt der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer die Wei­sung, den LKW al­lein an die Ram­pe her­an­zu­fah­ren und zu ent­la­den. Der Ar­beit­neh­mer be­eilt sich und stößt beim Zurück­set­zen fahrlässig so hef­tig ge­gen die La­de­ram­pe, dass ein Teil der La­dung umstürzt und beschädigt wird.

Hier im Bei­spiel hat ein über­wie­gen­des Mit­ver­schul­den des Ar­beit­ge­bers an der Ent­ste­hung des Scha­dens mit­ge­wirkt, so dass die Haf­tung des Ar­beit­neh­mers gemäß § 254 Abs.1 BGB auf we­ni­ger als die Hälf­te ge­min­dert ist.

Wie be­schränkt die Recht­spre­chung Ih­re Haf­tung als Ar­beit­neh­mer?

Da man als Ar­beit­neh­mer

  • im­mer auf An­wei­sung sei­nes Ar­beit­ge­bers und in des­sen Be­trieb tätig wird, und
  • meist kei­nen Ein­fluß auf die be­trieb­li­chen Abläufe und Ge­fah­ren hat, und
  • meist nicht in der La­ge ist, mit sei­nem Ar­beits­ver­dienst ho­he Ver­lus­te bei be­trieb­li­chen Scha­densfällen aus­zu­glei­chen,

be­grenzt die Recht­spre­chung die Pflicht des Ar­beit­neh­mers zum Scha­dens­er­satz ge­genüber dem all­ge­mei­nen Zi­vil­recht­ganz er­heb­lich.

Kon­kret gel­ten für al­le Schäden des Ar­beit­ge­bers, die ein Ar­beit­neh­mer durch ei­ne be­trieb­lich ver­an­laßte Tätig­keit rechts­wid­rig ver­ur­sacht, die fol­gen­den Haf­tungs­re­geln:

  1. Bei Vor­satz haf­tet der Ar­beit­neh­mer voll, d.h. er haf­tet auf Er­satz des ge­sam­ten Scha­dens.
  2. Bei gro­ber Fahrlässig­keit haf­tet der Ar­beit­neh­mer "in der Re­gel" voll, d.h. er haf­tet in den meis­ten Fällen auf Er­satz des ge­sam­ten Scha­dens, doch gibt es auch Aus­nah­mefälle, in de­nen die Er­satz­pflicht ge­min­dert ist.
  3. Bei mitt­le­rer Fahrlässig­keit wird der Scha­den un­ter Berück­sich­ti­gung sämt­li­cher Umstände des Ein­zel­falls zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer auf­ge­teilt.
  4. Bei leich­tes­ter Fahrlässig­keit haf­tet der Ar­beit­neh­mer gar nicht.

Ach­tung: Die­se von der Recht­spre­chung zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers auf­ge­stell­ten Re­geln gel­ten nur bei be­trieb­lich ver­an­lass­ten Tätig­kei­ten, d.h. bei Scha­densfällen "auf der Ar­beit".

BEISPIEL: Der Ar­beit­neh­mer be­sucht den Ar­beit­ge­ber in der Frei­zeit pri­vat zu Hau­se, wo­bei er mit dem Fahr­rad fährt. Da er zu schnell in der Ga­ra­gen­ein­fahrt des Ar­beit­ge­bers ein­biegt, ver­letzt er fahrlässig den dort lie­gen­den Hund des Ar­beit­ge­bers.

Hier im Bei­spiel muss der Ar­beit­neh­mer nach den all­ge­mei­nen Vor­schrif­ten des Scha­dens­er­satz­rechts für die Tier­arzt­kos­ten auf­kom­men. Denn der Un­fall hat­te mit der Ar­beit nichts zu tun. Der Be­such des Ar­beit­ge­bers und das Ein­fah­ren in des­sen Ga­ra­gen­ein­fahrt war nicht be­trieb­lich ver­an­lasst.

Wann liegt Vor­satz vor und wie wird der Scha­den dann ge­re­gelt?

Vor­satz liegt vor, wenn der Ar­beit­neh­mer wis­sent­lich und wil­lent­lich nicht nur ei­nen Pflicht­ver­s­toß be­gan­gen hat, son­dern da­durch auch wis­sent­lich und wil­lent­lich ei­nen Scha­den her­bei­geführt hat.

BEISPIEL: Der Ar­beit­neh­mer hat ei­ne be­triebs­be­ding­te Kündi­gung er­hal­ten und muss noch ei­ni­ge Wo­chen lang Rest­ar­bei­ten er­le­di­gen. Da er sich durch die Kündi­gung un­ge­recht be­han­delt fühlt, löscht er die ge­sam­te Fest­plat­te sei­ne Fir­men-PC und den ge­sam­ten E-Mail-Ver­kehr, um es dem Ar­beit­ge­ber "heim­zu­zah­len". Die Da­tens­a­bo­ta­ge fliegt auf und die ver­lo­re­nen Da­ten können durch ei­ne EDV-Fir­ma wie­der her­ge­stellt wer­den, was den Ar­beit­ge­ber 10.000,00 EUR kos­tet.

Hier im Bei­spiels­fall muss der Ar­beit­neh­mer die 10.000,00 EUR er­stat­ten, da er wis­sent­lich und wil­lent­lich (= vorsätz­lich) durch ei­nen Pflicht­ver­s­toß ei­nen Scha­den her­bei­geführt hat.

Wann liegt gro­be Fahrlässig­keit vor und wie wird der Scha­den dann ge­re­gelt?

Gro­be Fahrlässig­keit liegt dann vor, wenn man ganz na­he­lie­gen­de Sorg­falts­re­geln, die in der ge­ge­be­nen Si­tua­ti­on "je­der" be­folgt hätte, außer acht läßt. Der Ver­s­toß ge­gen die "im Ver­kehr er­for­der­li­che Sorg­falt" muß al­so sehr krass sein. Man muß förm­lich die Hände über dem Kopf zu­sam­men­schla­gen, wenn man von dem Scha­dens­er­eig­nis erfährt.

Von der Recht­spre­chung ent­schie­de­ne Fälle für die­se Art von Fahrlässig­keit sind zum Bei­spiel

  • das Ein­fah­ren in ei­ne Kreu­zung bei ro­ter Am­pel,
  • Al­ko­hol am Steu­er,
  • das Te­le­fo­nie­ren mit dem Mo­bil­te­le­fon im Au­to oh­ne Frei­sprech­an­la­ge.

Auch wenn der Ar­beit­neh­mer bei gro­ber Fahrlässig­keit "in der Re­gel" den ge­sam­ten Scha­den er­set­zen muss, so heißt das noch nicht, daß die­se Er­satz­pflicht starr, d.h. oh­ne je­de Aus­nah­me ein­tritt.

Die Ar­beits­ge­rich­te ma­chen nämlich auch bei gro­ber Fahrlässig­keit zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers Aus­nah­men von der vol­len Haf­tung, so zum Bei­spiel dann, wenn das Miss­verhält­nis zwi­schen Ar­beits­ver­dienst und Scha­denshöhe zu ex­trem wäre, oder auch dann, wenn der Ar­beit­ge­ber eben­falls da­zu bei­ge­tra­gen hat, daß der Scha­den so hoch aus­ge­fal­len ist (zum Bei­spiel da­durch, daß er nicht durch ei­ne Ver­si­che­rung vor­ge­beugt hat).

Auch bei ei­ner grob fahrlässi­gen Ver­ur­sa­chung des Scha­dens ist es al­so durch­aus möglich, daß der Ar­beit­neh­mer nur ei­nen Teil des Scha­dens tra­gen muß.

Wann liegt "mitt­le­re" Fahrlässig­keit vor und wie wird der Scha­den dann ge­re­gelt?

Mitt­le­re Fahrlässig­keit ist das "schlich­te" Außer­acht­las­sen der "im Ver­kehr er­for­der­li­chen Sorg­falt". Wenn es kei­ne An­halts­punk­te für "leich­tes­te" oder für "gro­be" Fahrlässig­keit gibt, dann ist von mitt­le­rer oder "nor­ma­ler" Fahrlässig­keit aus­zu­ge­hen.

Die in sol­chen Fällen ge­bo­te­ne "Auf­tei­lung" des Scha­dens zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer heißt aber nicht, dass die Ar­beits­ge­rich­te sche­ma­tisch "Hal­be-Hal­be" macht. Viel­mehr sind sämt­li­che Umstände des Ein­zel­fal­les in die Be­trach­tung ein­zu­be­zie­hen. Vie­le die­ser Umstände spre­chen im Er­geb­nis für ei­ne weit­ge­hen­de Ent­las­tung des Ar­beit­neh­mers, d.h. für ei­ne Scha­dens­tei­lung, die den ganz über­wie­gen­den An­teil des Scha­dens dem Ar­beit­ge­ber zu­weist. So­gar die hun­dert­pro­zen­ti­ge Ent­las­tung des Ar­beit­neh­mers ist nach der Recht­spre­chung ei­ne mögli­che Va­ri­an­te der "Scha­dens­tei­lung".

Be­son­de­re Umstände des Ein­zel­falls, die zu ei­ner Ent­las­tung des Ar­beit­neh­mers führen können, sind zum Bei­spiel

  • die ob­jek­ti­ve Gefähr­lich­keit der Ar­beit (ih­re "Ge­fahr­ge­neigt­heit"),
  • die Höhe des Scha­dens,
  • die Vergütung des Ar­beit­neh­mers (die ei­ne Ri­si­ko­prämie ent­hal­ten kann),
  • die Stel­lung des Ar­beit­neh­mers in der Be­triebs­hier­ar­chie,
  • die Möglich­keit des Ar­beit­ge­bers, dem Scha­den durch ei­ne Ver­si­che­rung vor­zu­beu­gen,
  • der bis­he­ri­ge Ver­lauf des Ar­beits­verhält­nis­ses (wie hat der Ar­beit­neh­mer bis­her ge­ar­bei­tet?).

Al­le die­se Umstände können im Ein­zel­fall ei­ne Her­ab­set­zung des vom Ar­beit­neh­mer zu tra­gen­den An­teils am Scha­den zur Fol­ge ha­ben.

Wann liegt "leich­tes­te" Fahrlässig­keit vor und wie wird der Scha­den dann ge­re­gelt?

Die leich­tes­te Fahrlässig­keit ist gleich­sam das Ge­genstück zur gro­ben Fahrlässig­keit, d.h. sie ist ein Aus­nah­me­fall, in dem man dem Ar­beit­neh­mer von vorn­her­ein nur ein ganz ge­rin­ges Ver­schul­den vor­wer­fen kann.

Leich­tes­te Fahrlässig­keit kommt zum Bei­spiel bei ex­tre­mer Über­for­de­rung in Be­tracht, al­so et­wa dann, wenn der Ar­beit­neh­mer durch ei­ne An­wei­sung des Ar­beit­ge­bers in ei­ne Si­tua­ti­on ge­bracht wur­de, der er nach sei­ner bis­he­ri­gen Ar­beits­er­fah­rung von vorn­her­ein nicht ge­wach­sen war.

In sol­chen Fällen ist ei­ne Haf­tung des Ar­beit­neh­mers vollständig aus­ge­schlos­sen. Sol­che Fälle kom­men al­ler­dings eher sel­ten vor.

Wann haf­ten Sie für die Schädi­gung ei­nes Kol­le­gen?

Wenn Sie bei der Ar­beit bzw. "durch ei­ne be­trieb­li­che Tätig­keit" ei­nen Kol­le­gen schädi­gen, ist Ih­re Haf­tung - eben­so wie die Haf­tung Ih­res Ar­beit­ge­bers in sol­chen Fällen - aus­ge­schlos­sen, wenn der Scha­den

  1. in ei­nem Per­so­nen­scha­den be­steht und
  2. auf ei­nen "Ver­si­che­rungs­fall" im Sin­ne des Un­fall­ver­si­che­rungs­rechts zurück­zuführen ist, und wenn
  3. der Ar­beit­ge­ber die­sen Ver­si­che­rungs­fall bzw. Per­so­nen­scha­den nicht vorsätz­lich her­bei­geführt hat.

Die­ser Haf­tungs­aus­schluß er­gibt sich aus § 105 Abs.1 Satz 1 SGB VII (So­zi­al­ge­setz­buch VII). Die­se Vor­schrift lau­tet:

"§ 105 Be­schränkung der Haf­tung an­de­rer im Be­trieb täti­ger Per­so­nen

(1) Per­so­nen, die durch ei­ne be­trieb­li­che Tätig­keit ei­nen Ver­si­che­rungs­fall von Ver­si­cher­ten des­sel­ben Be­triebs ver­ur­sa­chen, sind die­sen so­wie de­ren An­gehöri­gen und Hin­ter­blie­be­nen nach an­de­ren ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten zum Er­satz des Per­so­nen­scha­dens nur dann ver­pflich­tet, wenn sie den Ver­si­che­rungs­fall vorsätz­lich oder auf ei­nem nach § 8 Abs.2 Nr.1 bis 4 ver­si­cher­ten Weg her­bei­geführt ha­ben"

Der Grund für die­sen Haf­tungs­aus­schluss liegt dar­in, daß in die­sen Fällen die Un­fall­ver­si­che­rung für den Scha­den des Ar­beits­kol­le­gen (des "Ver­si­cher­ten") auf­kommt. Der Aus­schluß der Haf­tung um­fasst auch den An­spruch auf Schmer­zens­geld.

Für Sachschäden ei­nes zu Scha­den ge­kom­me­nen Kol­le­gen, d.h. zum Bei­spiel für beschädig­te Klei­dung, Uhr, Bril­le etc. ist da­ge­gen Er­satz zu leis­ten, da die Un­fall­ver­si­che­rung hier kei­ne Leis­tun­gen er­bringt und der ge­setz­li­che Haf­tungs­aus­schluss dem­ent­spre­chend nicht ein­greift.

Dafür kann der Ar­beit­neh­mer aber in ei­nem sol­chen Fall mögli­cher­wei­se von sei­nem Ar­beit­ge­ber Frei­stel­lung ver­lan­gen, d.h. er kann ver­lan­gen, daß der Ar­beit­ge­ber für ihn ein­springt und dem geschädig­ten Kol­le­gen Er­satz leis­tet.

Wann können Sie "Frei­stel­lung" von Ih­rem Ar­beit­ge­ber ver­lan­gen?

Ein Frei­stel­lungs­an­spruch setzt vor­aus, daß Sie den Un­fall we­der vorsätz­lich noch grob fahrlässig so­wie durch ei­ne be­trieb­lich ver­an­lass­te Tätig­keit her­bei­geführt ha­ben. Dann nämlich würden die oben be­schrie­be­nen Haf­tungs­be­schränkun­gen ein­grei­fen, wenn an­statt des geschädig­ten Kol­le­gen der Ar­beit­ge­ber der Geschädig­te wäre.

An­ders ge­sagt: In dem Um­fang, in dem Sie Ih­rem Ar­beit­ge­ber gemäß den o.g. drei Re­geln nicht zum Scha­dens­er­satz ver­pflich­tet wären, falls er selbst der Geschädig­te wäre, in dem Um­fang können Sie ver­lan­gen, dass er für den Scha­den Ih­res Kol­le­gen auf­kommt.

Wenn Sie al­so bei ei­ner be­trieb­lich ver­an­laßten Tätig­keit durch "leich­tes­te" Fahrlässig­keit ei­nen Sach­scha­den bei ei­nem Kol­le­gen her­beiführen, be­steht der Frei­stel­lungs­an­spruch in vol­ler Höhe, d.h. Sie können von dem Ar­beit­ge­ber ver­lan­gen, dass er für den Scha­den in vol­ler Höhe auf­kommt. Bei "mitt­le­rer" Fahrlässig­keit kommt ein "an­tei­li­ger" Frei­stel­lungs­an­spruch in Be­tracht und bei vorsätz­li­cher oder grob fahrlässi­ger Schädi­gung be­steht in der Re­gel gar kein Frei­stel­lungs­an­spruch.

Wann ver­sagt der Frei­stel­lungs­an­spruch?

Ihr Frei­stel­lungs­an­spruch ist wirt­schaft­lich nur et­was wert, wenn der Ar­beit­ge­ber ihn auch erfüllen kann. Er ver­sagt da­her, wenn der zu er­set­zen­de Scha­den die fi­nan­zi­el­len Möglich­kei­ten Ih­res Ar­beit­ge­bers über­steigt.

BEISPIEL: Der Ar­beit­neh­mer lenkt ei­nen Lkw, mit dem er im Auf­trag sei­nes Ar­beit­ge­bers fährt, mit leich­tes­ter Fahrlässig­keit in den Gra­ben, wo­durch ein Scha­den von 120.000 EUR ent­steht. Bei der Scha­den­ab­wick­lung stellt sich her­aus, daß der Lkw gar nicht dem Ar­beit­ge­ber, son­dern ei­nem Au­to­haus oder ei­ner Bank gehört. Der Ar­beit­ge­ber wird in der Fol­ge der Er­eig­nis­se zah­lungs­unfähig.

In sol­chen Fällen ha­ben Sie zwar ei­nen An­spruch ge­gen Ih­ren Ar­beit­ge­ber auf Frei­stel­lung von dem Scha­den­er­satz­an­spruch, den der geschädig­te Drit­te Ih­nen ge­genüber hat, doch ver­sagt Ihr Frei­stel­lungs­an­spruch prak­tisch, weil Ihr Ar­beit­ge­ber ihn auf­grund sei­ner Zah­lungs­unfähig­keit nicht erfüllen kann.

An­ders ge­sagt: Sie können Ih­ren Frei­stel­lungs­an­spruch wirt­schaft­lich nicht durch­set­zen, weil Ihr Ar­beit­ge­ber nicht aus­rei­chend zah­lungsfähig ist. Da­her blei­ben Sie als Scha­dens­ver­ur­sa­cher in vol­lem Um­fang in der Haf­tung ge­genüber dem geschädig­ten Drit­ten.

Für Ar­beit­neh­mer gilt da­her die fol­gen­de recht­li­che Emp­feh­lung (die natürlich al­les an­de­re als leicht um­set­zen ist!): Ver­langt der Ar­beit­ge­ber, dass der Ar­beit­neh­mer mit von ge­leas­ten oder auf Kre­dit ge­kauf­ten Sa­chen ar­bei­tet, kann der Ar­beit­neh­mer die­se Ar­beit ver­wei­gern, so­lan­ge für die­se Sa­chen kei­ne aus­rei­chen­de Ver­si­che­rung, d.h. kei­ne Voll­kas­ko­ver­si­che­rung mit über­schau­ba­rer Selbst­be­tei­li­gung be­steht.

Wo fin­den Sie mehr zum The­ma Haf­tung des Ar­beit­neh­mers?

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen, die Sie im Zu­sam­men­hang mit dem The­ma Haf­tung des Ar­beit­neh­mers in­ter­es­sie­ren könn­ten, fin­den Sie hier:

Kom­men­ta­re un­se­res An­walts­teams zu ak­tu­el­len Fra­gen rund um das The­ma Haf­tung des Ar­beit­neh­mers fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 23. September 2022

Was können wir für Sie tun?

Wenn Sie Fra­gen im Zu­sam­men­hang mit ei­nem Scha­dens­fall ha­ben, in den Sie ver­wi­ckelt sind, oder wenn der Ar­beit­ge­ber, ein ge­schä­dig­ter Ar­beits­kol­le­ge oder ein ge­schä­dig­ter Be­triebs­frem­der be­reits an Sie mit Er­satz­for­de­run­gen her­an­ge­tre­ten ist, be­ra­ten und un­ter­stüt­zen wir Sie ger­ne.

Wir Sind auch ger­ne be­hilf­lich, wenn es dar­um geht, Ih­re recht­li­chen Mög­lich­kei­ten und die wei­te­re Vor­ge­hens­wei­se in Ih­rem Fall ab­zu­klä­ren.

Selbst­ver­ständ­lich un­ter­stüt­zen wir Sie auch bei der Ab­wehr der Ih­nen ge­gen­über er­ho­be­nen Scha­dens­er­satz­an­sprü­che. Je nach La­ge des Fal­les bzw. ent­spre­chend Ih­ren Wün­schen tre­ten wir ent­we­der nach au­ßen nicht in Er­schei­nung oder aber wir ver­han­deln in Ih­rem Na­men mit dem Ge­schä­dig­ten.

Für ei­ne mög­lichst ra­sche und ef­fek­ti­ve Be­ra­tung be­nö­ti­gen wir fol­gen­de Un­ter­la­gen:

  • Ar­beits­ver­trag / Ge­schäfts­füh­rer­an­stel­lungs­ver­trag
  • Ge­halts­ab­rech­nun­gen
  • Un­ter­la­gen und Schrift­ver­kehr zum Scha­dens­fall

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 4.5 von 5 Sternen (34 Bewertungen)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de