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Abfindung und Diskriminierung - Alter

Lesen Sie hier, wann Abfindungsunterschiede eine Diskriminierung wegen des Alters sind und wie Sie in einem solchen Fall Ihre Rechte wahren.
Im Einzelnen finden Sie Informationen dazu, warum die Zahlung geringerer Abfindungen an "rentennahe" Arbeitnehmer nach der heutigen Rechtsprechung in den meisten Fällen rechtens ist, im Einzelfall aber ausnahmsweise doch diskriminierend bzw. unzulässig sein kann.
Auf dieser Seite finden Sie auch Hinweise dazu, welche rechtlichen Möglichkeiten Sie als Arbeitnehmer haben, wenn sie sich wegen einer zu geringen Abfindung aufgrund Ihres Alters diskriminiert sehen.
von Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin
- Sind Abfindungsunterschiede aufgrund des Alters eine verbotene Diskriminierung?
- Sind Sozialplanabfindungen unter Berücksichtigung von Alter und Betriebszugehörigkeit zulässig?
- Können Sozialplanabfindungen das Alter in Form von Altersgruppen berücksichtigen?
- Dürfen rentennahe Arbeitnehmer eine geringere oder gar keine Abfindung erhalten?
- Sind Höchstbetragsregelungen (Kappungsgrenzen) altersdiskriminierend?
- Was tun, wenn Unterschiede bei der Abfindung altersdiskriminierend sind?
- Wo finden Sie mehr zum Thema Abfindung und Diskriminierung - Alter?
- Was können wir für Sie tun?
Sind Abfindungsunterschiede aufgrund des Alters eine verbotene Diskriminierung? 
Abfindungen werden traditionell unter Berücksichtigung des Alters und/oder der Dauer der Betriebszugehörigkeit festgelegt, so dass sich ältere Arbeitnehmer besser als jüngere stehen, die vielleicht eine hohe Abfindung auch gut gebrauchen könnten - insbesondere aufgrund von Unterhaltspflichten, mit denen viele ältere Kollegen nicht (mehr) belastet sind.
Das Prinzip „höheres Alter, höhere Abfindung“ wird aber manchmal an einem Punkt plötzlich gestoppt, nämlich dann, wenn der entlassene Arbeitnehmer eine Altersrente beziehen könnte. Dann sehen Abfindungsformeln manchmal vor, dass bei der Berechnung der Abfindungshöhe nicht mehr die Vergangenheit (Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit) eine Rolle spielen soll, sondern die Zukunft, nämlich die finanziellen Verluste, die durch Arbeitslosengeld- und anschließenden, möglicherweise vorzeitigen Rentenbezug im Vergleich zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses entstehen werden.
Diese voraussichtlichen Verluste sollen durch eine andere Abfindungsformel, die speziell für „rentennahe“ Arbeitnehmer gilt, ausgeglichen werden. Und wer eine nach dieser Rentennähe-Formel berechnete Abfindung erhält, bekommt in der Regel nur einen kleinen Bruchteil der Abfindung, die seine nur wenige Jahre jüngeren Kollegen erhalten.
Beide Schlechterstellungen, d.h. die der jüngeren Arbeitnehmer infolge einer „normalen“ Abfindungsberechnung und die der rentennahen Arbeitnehmer infolge einer speziell für sie gestrickten Abfindungsformel, sind durch § 10 Satz 1 - 3 und Nr. 6 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ausdrücklich erlaubt. Diese Vorschrift lautet:
„Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein. Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:
(…)
6. Differenzierungen von Leistungen in Sozialplänen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, wenn die Parteien eine nach Alter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung geschaffen haben, in der die wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt worden sind, oder Beschäftigte von den Leistungen des Sozialplans ausgeschlossen haben, die wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind.“
Trotz dieser eigentlich klaren gesetzlichen Erlaubnis sind
- die rechtliche Zulässigkeit der Schlechterstellung jüngerer Arbeitnehmer bei Abfindungen und
- die Schlechterstellung rentennaher Arbeitnehmer
immer wieder vor Gericht umstritten, so dass auch heute noch viele Gerichtsprozesse vor den Arbeitsgerichten mit dem Ziel geführt werden, eine höhere Abfindung gemäß einer günstigeren Berechnungsformel zu erhalten.
Sind Sozialplanabfindungen unter Berücksichtigung von Alter und Betriebszugehörigkeit zulässig? 
An sich erlaubt das Gesetz höhere Abfindungen nur in Abhängigkeit vom Lebensalter „oder“ von der Betriebszugehörigkeit. Man könnte daher meinen, dass in Sozialplänen festgelegte Abfindungsformeln nicht so gestrickt sein dürfen, dass die Höhe der Abfindung
• sowohl vom Lebensalter
• als auch von der Dauer der Betriebszugehörigkeit
abhängt. Denn dadurch, so könnte man aus Sicht der jüngeren Arbeitnehmer argumentieren, werden die älteren doppelt bessergestellt, da sie meist auch eine längere Betriebszugehörigkeit vorweisen können.
Nach der Rechtsprechung ist es aber erlaubt, bei der Berechnung der Abfindung sowohl das Lebensalter als auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen, d.h. das im Gesetz verwendete Wörtchen „oder“ ist im Sinne einer beispielhaften Aufzählung, d.h. im Sinne von „und/oder“ zu verstehen. Daher ist es nach der Rechtsprechung zulässig, z.B. folgende Abfindungsformel in einen Sozialplan aufzunehmen:
(Monatseinkommen x Lebensalter x Jahre der Betriebszugehörigkeit) : 100 = Abfindung
Letztlich werden dadurch ältere Arbeitnehmer stärker begünstigt als bei anderen Berechnungsformeln, da sie ja nicht nur ein höheres Alter, sondern oft auch eine längere Betriebszugehörigkeit vorweisen können, aber das Gesetz erlaubt es ja auch ausdrücklich, dass in der Abfindungsformel die „wesentlich vom Alter abhängenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt durch eine verhältnismäßig starke Betonung des Lebensalters erkennbar berücksichtigt“ werden.
Eine solche Berücksichtigung muss sich im übrigen nur in der Abfindungsformel selbst niederschlagen. Arbeitgeber und Betriebsrat müssen keine auf ihre Stadt oder ihre Region bezogenen Arbeitsmarktstudien betreiben, um herauszufinden, wie es hier und heute steht mit den Arbeitsmarktchancen entlassener älterer Arbeitnehmer.
Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des BAG vom Mai 2009 (BAG, Urteil vom 26.05.2009, 1 AZR 198/08 - wir berichteten darüber in: Arbeitsrecht aktuell 09/149 Lebensalter und Betriebszugehörigkeit dürfen bei Sozialplanabfindung den Ausschlag geben). Die Betriebsparteien haben hier einen Einschätzungsspielraum, den sie nutzen können (aber natürlich nicht nutzen müssen), um durch eine Abfindungsberechung entsprechend der obigen oder einer ähnlichen Formel ältere Arbeitnehmer besser zu stellen.
Können Sozialplanabfindungen das Alter in Form von Altersgruppen berücksichtigen? 
Altersbedingte Schlechterstellungen bei Sozialplanabfindungen werden von den betroffenen Arbeitnehmern oft als besonders hart empfunden, wenn sie mit starren Altersgrenzen begründet werden: Ein stetiges und damit sanftes („lineares“) altersabhängiges Ansteigen von Abfindungen ist für die jüngeren Arbeitnehmer meist besser zu verschmerzen als wenn sie abrupt von einer Abfidungserhöhung ausgeschlossen werden, weil diese einer anderen Arbeitnehmergruppe vorbehalten ist.
Denn wenn sich ein 39jähriger entlassener Arbeitnehmer mit einem 40jährigen entlassenen Kollegen vergleicht, der dieselbe Betriebszugehörigkeit aufweist, wird er eine deutliche Besserstellung des 40jährigen beim Thema Abfindung nur schwer akzeptieren können.
Die Frage, ob nämlich ältere Arbeitnehmer bei Sozialplanabfindungen durch Bildung von Altersgruppen besser gestellt werden dürfen, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer Entscheidung vom April 2011 geklärt (Urteil vom 12.04.2011, 1 AZR 764/09 - Pressemitteilung des BAG 28/11 - wir berichteten darüber in: Arbeitsrecht aktuell 11/087 Abfindung: Diskriminierung durch Staffelung nach Altersgruppen?).
Diesem Urteil zufolge dürfen Arbeitgeber und Betriebsrat bei der Bemessung der Abfindungshöhe in einem Sozialplan gemäß § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG Altersstufen bilden, wenn sie davon ausgehen, dass ältere Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt typischerweise größere Schwierigkeiten haben eine Anschlussbeschäftigung zu finden als jüngere.
Die konkrete Ausgestaltung der Altersstufen im Sozialplan liegt im Ansatzpunkt im Ermessen der Betriebspartner, doch muss sich ihre Alterstufenbildung eine „Verhältnismäßigkeitsprüfung“ gefallen lassen, d.h. es wird im Falle einer Klage auf Zahlung einer höheren Abfindung gerichtlich überprüft, ob die Altersstufenbildung § 10 Satz 2 AGG entspricht.
Danach muss die altersgruppenmäßige Staffelung der Abfindung (als Mittel) zur Erreichung des Ziels einer besseren Absicherung der älteren Arbeitnehmer nicht nur geeignet, sondern auch „angemessen und erforderlich“ sein. Sie darf daher die Interessen der benachteiligten Altersgruppen nicht unangemessen vernachlässigen. Konkret es danach beispielsweise zulässig, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat annehmen, dass die Arbeitsmarktchancen der über 40jährigen Mitarbeiter schlechter sind als die der 30 bis 39jährigen, und auf dieser Grundlage einen Abfindungsabschlag zulasten der 30 bis 39jährigen gegenüber der Gruppe der über 40jährigen vereinbaren.
Arbeitnehmer, die aufgrund einer solchen Altersgruppenbildung schlechter fahren, können daher im Ergebnis vor Gericht nicht damit argumentieren, dass ihre individuellen Arbeitsmarktchancen (z.B. als 39jähriger) schlechter sind als die eines nur geringfügig älteren, aber nach der günstigeren Formel behandelten (z.B. 40jährigen) Kollegen.
Denn es kommt nicht auf einen Vergleich der Arbeitsmarktchancen eines 39-jährigen mit denen eines 40-jährigen an, sondern auf einen Vergleich der Arbeitsmarktchancen der gesamten Gruppen. Und an diesem Punkt ist es eine rechtlich zulässige Einschätzung der Betriebspartner, dass es die Gruppe der 30- bis 39jährigen leichter hat als die Gruppe der älteren Arbeitnehmer, eine neue Beschäftigung zu finden.
Schließlich dürfen Altersgruppen bei der Berechnung der Abfindung nur eine beschränkte Rolle spielen, d.h. die Abschläge zulasten jüngerer Arbeitnehmergruppen dürfen „nicht unangemessen“ (BAG) sein.
BEISPIEL: Eine Abfindungsregelung sieht vor, dass 40jährige anders als die jüngeren Arbeitnehmer auf der Grundlage einer nur für sie geltenden, günstigeren Berechnungsformel eine Abfindung erhalten, die im Einzelfall doppelt so hoch ausfällt wie die Abfindung eines 39jährigen mit derselben Betriebszugehörigkeit. Dies wäre rechtlich unzulässig, weil die Belastung jüngerer Arbeitnehmer in diesem Fall unangemessen wäre.
Dürfen rentennahe Arbeitnehmer eine geringere oder gar keine Abfindung erhalten? 
Nach dem Gesetz dürfen rentenahe Arbeitnehmer nicht nur eine geringere Abfindung als jüngere erhalten, sondern sie sogar völlig von jeglicher Abfindung ausgeschlossen werden. Voraussetzung dafür ist nach § 10 Satz 3 Nr.6 AGG, dass die von Abfindungen ausgeschlossenen oder mit deutlich geringeren Abfindungen bedachten Arbeitnehmer „wirtschaftlich abgesichert sind, weil sie, gegebenenfalls nach Bezug von Arbeitslosengeld, rentenberechtigt sind“.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich bislang strikt an diese gesetzliche Vorgabe gehalten. So hat es mit Urteil vom 11.11.2008 (1 AZR 475/07) entschieden, dass Sozialpläne für rentennahe Arbeitnehmer geringere oder sogar gar keine Abfindungen vorsehen dürften (wir berichteten darüber in: Arbeitsrecht aktuell 08/134 Diskriminierung: Abfindungskürzung für Arbeitnehmer im rentennahen Alter und in: Arbeitsrecht aktuell 09/035 Sozialpläne dürfen niedrigere Abfindungen für rentennahe Arbeitnehmer vorsehen).
Denn Sozialpläne sollen gemäß § 112 Abs.1 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) wirtschaftlicher Nachteile, die Arbeitnehmern infolge von Betriebsänderungen entstehen, ausgleichen oder mildern. Sozialplanabfindungen haben daher nach Ansicht des BAG eine „zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion“. Und da der weitere berufliche Werdegang bei nahe bevorstehender Berentung in finanzieller Hinsicht durch eine Entlassung nicht mehr so stark wie bei jüngeren beeinträchtigt wird, kann auch der Ausgleich durch eine Abfindung geringer ausfallen, so das BAG.
Anfang 2010 legte das BAG dann noch einmal nach und entschied, dass es nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstößt, wenn der Arbeitgeber ausschließlich jüngeren Arbeitnehmern ein Aufhebungsvertragsangebot mit Abfindungsregelung unterbreitet (BAG, Urteil vom 25.02.2010, 6 AZR 911/08 - wir berichteten darüber in: Arbeitsrecht aktuell 10/045 Aufhebungsvertrag mit Abfindung).
Denn der Ausschluss von einem Aufhebungsvertragsangebot mit Abfindungsregelung stellt, so das BAG, gar keine Benachteiligung älterer Arbeitnehmer dar, da sie ihren Arbeitsplatz behalten sollen und demzufolge gar nicht schlechter dastehen als diejenigen jüngeren Arbeitnehmer, denen der Arbeitgeber eine Vertragsaufhebung mit Abfindung anbietet.
Dann allerdings entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf der Grundlage eines aus Dänemark stammenden Vorlagefalles, dass der völlige Ausschluss „rentennaher“ Arbeitnehmer von Abfindungen bei betriebsbedingten Entlassungen eine rechtlich unzulässige Diskriminierung wegen des Alters darstellen kann (EuGH, Urteil vom 12.10.2010, C-499/08, Ingeniørforeningen i Danmark ./. Region Syddanmark - wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 10/114 Ausschluss rentennaher Arbeitnehmer von Abfindung und in: Arbeitsrecht aktuell 11/004 Auch rentennahe Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Abfindungszahlung).
Unzulässig ist der Ausschluss von jeglichen Abfindungen nach diesem EuGH-Urteil jedenfalls dann, wenn der entlassene Arbeitnehmer
- rentenberechtigt ist, aber eine vorzeitige Rente mit Rentenabschlägen in Anspruch nehmen müsste,
- trotz seiner Rentenberechtigung weiter arbeiten möchte, und
- von jeglichen Abfindungen ausgeschlossen wird, d.h. überhaupt keine Abfindung erhalten soll.
Unter solchen Umständen ist der vollständige Ausschluss von Abfindungszahlungen für diejenigen älteren bzw. rentenberechtigten Arbeitnehmer unzumutbar, die einer vorzeitigen Berentung ein erneutes Beschäftigungsverhältnis vorziehen.
Da dieses EuGH-Urteil Schlußfolgerungen aus der Richtlinie 2000/78/EG zieht, die zu den Grundlagen des in Deutschland erlassenen AGG gehört, ist es auch bei der Auslegung des AGG bzw. seines § 10 Satz 3 Nr.6 zu beachten. § 10 Satz 3 Nr.6 AGG ist daher einschränkend auszulegen, d.h. der - an sich im Gesetz als Möglichkeit zugelassene - vollständige Ausschluss rentennaher Arbeitnehmer von jeglichen Abfindungszahlungen ist jedenfalls dann unzulässig, wenn der Entlassene weiter arbeiten möchte und infolge einer vorzeitigen Berentung Rentenabschläge hinnehmen müsste.
Ob sich aus dem EuGH-Urteil vom 12.10.2010 (C-499/08) auch ergibt, dass eine deutliche Verminderung von Abfindungen auf der Grundlage einer ungünstigeren, nur für „rentennahe“ Arbeitnehmer geltenden Abfindungsformel unzulässig ist, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt. Angesichts des EuGH-Urteils kann man aber argumentieren, dass eine unzulässige Altersdiskriminierung vorliegt, wenn der Arbeitnehmer durch die Abfindungsregelung - mittelbar - dazu gezwungen werden soll, eine Rente in Anspruch zu nehmen anstatt sich eine anderweitige Beschäftigung zu suchen.
Ob solche Klagen Aussicht auf Erfolg hätten, muss aber bezweifelt werden, weil es in praktisch allen Fällen gar nicht darum geht, gekündigte Arbeitnehmer ohne jeden Ausgleich in eine Rentenkürzung hineinzutreiben.
Vielmehr sehen die rechtlich umstrittenen Sozialpläne für rentennahe Jahrgänge ebenfalls eine mehr oder weniger hohe Abfindung vor, die sich allerdings nach einer anderen, zukunftsbezogenen Formel berechnet. Und eine Abfindung stellt nach der ständigen Rechtsprechung des BAG keine zusätzliche Bezahlung für geleistete Arbeit dar, sondern soll immer nur künftige finanzielle Nachteile ausgleichen.
Daher ist eine speziell für rentennahe Arbeitnehmer geltende Abfindungsformel in aller Regel rechtens, wenn sie einen Ausgleich für die Mindereinnahmen vorsieht, die rentennahe Arbeitnehmer infolge des Bezugs von Arbeitslosengeld und/oder infolge einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente erleiden. Je besser die Sozialplanleistungen an diesem Punkt sind, desto schlechter stehen die Chancen, sich auf den altersdiskriminierenden Charakter der Sonderformel für rentennahe Arbeitnehmer zu berufen.
Sind Höchstbetragsregelungen (Kappungsgrenzen) altersdiskriminierend? 
Sehen Sozialplanformeln vor, dass Abfindungen je nach Alter und Betriebszugehörigkeit immer höher werden, können sie ab einem gewissen Punkt unangemessen hoch werden. Außerdem stellt sich für Arbeitgeber und Betriebsrat bei der Aufstellung des Sozialplans die Frage, ob Abfindungen von mehreren Hundertausend Euro bezahlbar sind. Vor diesem Hintergrund enthalten Sozialplanabfindungsregelungen oft Höchstbeträge, d.h. sie schreiben vor, dass Abfindungen jedenfalls nicht höher sein dürfen als z.B. 180.000,00 EUR.
Solche Höchstbetragsregelungen oder „Kappungsgrenzen“ stellen aus Sicht des von ihr betroffenen Arbeitnehmers eine Benachteiligung dar. Denn ohne eine solche Begrenzung wäre die Abfindung nach der im Grundsatz anzuwendenden Formel ja höher ausgefallen. Und da von solchen Grenzen nur ältere Arbeitnehmer mit besonders langer Betriebszugehörigkeit betroffen sein können, kann man argumentieren, dass hier eine verbotene Diskriminierung wegen des Alters vorliegt.
Mit einer solchen Rechtsauffassung wird man aber vor Gericht keinen Erfolg haben. Denn man muss schon recht einseitig auf die Kappungsgrenze schauen, um überhaupt eine altersbedingte Benachteiligung erkennen zu können.
Schaut man auf die gesamte Abfindungsregelung, d.h. auch auf die im Allgemeinen anzuwendende Formel, so liegt hier zunächst einmal eine Begünstigung älterer Arbeitnehmer vor, da deren Abfindungen ja erst einmal altersbedingt immer höher werden. So gesehen ist die Höchstbetragsregelung als solche gar keine Benachteiligung älterer Arbeitnehmer, sondern sie begrenzt nur deren Besserstellung gegenüber jüngeren Belegschaftsmitgliedern.
In diesem Sinne hat das Landesarbeitsarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschieden (Urteil vom 09.12.2010, 26 Sa 1632/10).
Was tun, wenn Unterschiede bei der Abfindung altersdiskriminierend sind? 
Wenn Sie auf der Grundlage eines Sozialplanes eine Abfindungsregelung erhalten oder zu beanspruchen haben, deren möglicherweise auf einer zu Ihren Lasten gehenden altersbedingten Diskriminierung beruht, können Sie eine Abfindung in der Höhe beanspruchen, wie sie diejenigen vergleichbaren Arbeitnehmer erhalten, die das nach den Sozialplanregelungen „passende“ Alter haben.
Es findet also eine „Angleichung nach oben“ statt: Der Verstoß des Sozialplans gegen die Vorschriften zum Schutz der Arbeitnehmer gegen eine altersbedingte Diskriminierung führt also nicht etwa dazu, dass der gesamte Sozialplan ungültig wäre und daher neu aufgestellt werden müsste, sondern vielmehr dazu, die zu Unrecht schlechter gestellten Arbeitnehmer eine erhöhte Abfindung erhalten. Dadurch steigt der Gesamtumfang der vom Arbeitgeber zu zahlenden Abfindungen.
Bei der Durchsetzung von Ansprüchen müssen Arbeitnehmer auf § 15 Abs. 4 AGG achten. Diese Vorschrift lautet:
„Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.“
Mit „Anspruch nach Absatz 1 oder 2“ sind zwar vom Wortlaut her nur Ansprüche auf Schadensersatz oder auf Geldentschädigung gemeint, die aus einer dem AGG Diskriminierung hergeleitet werden, d.h. Ansprüche aus einer Sozialplanregelung beispielsweise nicht. Trotzdem wird die Meinung vertreten, dass die Frist von zwei Monaten für eine schriftliche Geltendmachung finanzieller Forderungen auch dann zu beachten ist, wenn es sich bei juristisch genauer Betrachtung weder um Schadensersatz- noch um Geldentschädigungsansprüche, sondern um andere Ansprüche handelt.
Daher sollte man als Betroffener einer Altersdiskriminierung spätestens zwei Monate nach Fälligkeit der Sozialplanabfindung vom Arbeitgeber schriftlich eine zusätzliche Zahlung verlangen, die man am besten auch ungefähr beziffern sollte.
Zahlt der Arbeitgeber daraufhin nicht, ist die Erhebung einer Klage unumgänglich. Auch hier gibt es eine Sondervorschrift, nämlich § 61b Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Sie schreibt vor, dass eine drei Monate lange Klagefrist zu beachten ist. Sie beginnt mit der schriftlichen Geltendmachung.
Schließlich kann auch aus einem weiteren Grund Eile bei der Rechtsdurchsetzung geboten sein. Viele Sozialpläne sehen nämlich Ausschlussfristen vor, die man einhalten muss, wenn man Ansprüche aus dem Sozialplan geltend machen möchte.
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Letzte Überarbeitung: 10. Juni 2017
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