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LAG Mün­chen, Ur­teil vom 12.11.2009, 3 Sa 579/09

   
Schlagworte: Leiharbeit, Arbeitnehmerüberlassung, Equal pay, Equal treatment, Ausschlussfrist
   
Gericht: Landesarbeitsgericht München
Aktenzeichen: 3 Sa 579/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 12.11.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Regensburg vom 05.06.2009, 3 Ca 3306/08
Revision anhängig beim BAG unter dem Aktenzeichen 5 AZR 7/10
   

3 Sa 579/09 

3 Ca 3306/08
(ArbG Re­gens­burg) 

 

Verkündet am: 12.11.2009

Kübler
Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt München

Im Na­men des Vol­kes

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

M.

- Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­ter -


Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:


ge­gen


Fir­ma T. GmbH


- Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin -


Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:

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hat die 3. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts München auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 12. No­vem­ber 2009 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Ro­sen­fel­der und die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Hopf­ner und Rie­del


für Recht er­kannt:


Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das En­dur­teil des Ar­beits­ge­richts Re­gens­burg vom 05.06.2009 – 3 Ca 3306/08 – un­ter Zurück­wei­sung der Be­ru­fung im Übri­gen geändert:


1. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger 3.540,35 € (i.W.: drei­tau­sendfünf­hun­dert­vier­zig Eu­ro 35/100) brut­to nebst Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit 20.11.2008 zu zah­len.


2. Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.


3. Von den Kos­ten des Rechts­streits tra­gen der Kläger 8/9 und die Be­klag­te 1/9.

4. Die Re­vi­si­on wird für den Kläger zu­ge­las­sen.


Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten um Ansprüche des Klägers, ei­nes Leih­ar­beit­neh­mers, ge­gen die Be­klag­te - ein Ar­beit­neh­merüber­las­sungs­un­ter­neh­men - auf Nach­zah­lung von Vergütung für die Dau­er von Einsätzen bei ei­nem ent­lei­hen­den Un­ter­neh­men aus dem Grund­satz des equal pay/equal tre­at­ment.


Der Kläger war bei der Be­klag­ten von 25.10.2005 bis 30.06.2008 als „Be­ra­ter“ beschäftigt. Laut Zu­satz­ver­ein­ba­rung vom 25.10.2005 zum Ar­beits­ver­trag vom sel­ben Ta­ge war er ver­pflich­tet, im Rah­men der ge­setz­li­chen Möglich­kei­ten un­ent­gelt­lich acht Über­stun­den im Mo­nat zusätz­lich zu er­brin­gen, falls sich die be­trieb­li­che Not­wen­dig­keit er­ge­be, die be­reits durch das Brut­to­mo­nats­ge­halt ab­ge­gol­ten sei­en. Das Brut­to­mo­nats­ent­gelt des Klägers bei der Be­klag­ten be­trug an­fangs 3.462,00 €, ab April 2007 3.850,00 €. Außer­dem zahl­te die Be­klag­te in den Jah­ren 2006 und 2007 ei­ne Son­der­vergütung in Höhe ei­nes Brut­to-

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mo­nats­ge­halts. Für das Ein­tritts­jahr 2005 er­hielt der Kläger von der Be­klag­ten ei­ne Son­der­vergütung in Höhe von 577,00 € brut­to.


Er war während der ge­sam­ten Dau­er sei­ner Beschäfti­gung bei der Be­klag­ten mit Aus­nah­me der Mo­na­te Ju­ni und Ju­li 2006 bei der C. GmbH für de­ren Pro­jek­te im Rah­men ei­ner Ar­beit­neh­merüber­las­sung als Ent­wick­lungs­in­ge­nieur ein­ge­setzt. Nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses der Par­tei­en durch Ei­genkündi­gung des Klägers und da­mit auch des Ein­sat­zes bei der Ent­lei­her­fir­ma teil­te der Baye­ri­sche Un­ter­neh­mens­ver­band Me­tall und Elek­tro e. V. (Bay­ME) dem Kläger auf sei­ne An­fra­ge mit Schrei­ben vom 28.07.2008 und 27.03.2009 für die Mit­glieds­fir­ma C. GmbH mit, ver­gleich­ba­re Ar­beit­neh­mer des Ent­lei­her­be­triebs hätten während des ers­ten Ein­sat­zes des Klägers vom Ok­to­ber 2005 bis 31.05.2006 bei ei­ner Wo­chen­ar­beits­zeit von 35 St­un­den ei­ne Mo­nats­grund­vergütung in Höhe von 3.250,00 brut­to er­hal­ten. Nach der Einführung des neu­en ta­rif­li­chen Ent­gelt-rah­men­ab­kom­mens (ERA) ab 01.04.2007 sei­en ver­gleich­ba­re Ar­beit­neh­mer der Ent­lei­her­fir­ma nach der Ent­gelt­grup­pe 11 des ERA-Ta­rif­ver­tra­ges für die Me­tall­in­dus­trie in Bay­ern be­zahlt wor­den, wo­nach die Grund­vergütung zunächst 3.604,00 € brut­to, ab 01.06.2004 3.742,00 € brut­to und ab 01.06.2008 3.816,00 € brut­to be­tra­gen ha­be. Außer­dem hätten ver­gleich­ba­re Ar­beit­neh­mer während des ers­ten Ein­sat­zes des Klägers bis Mai 2006 ei­ne ta­rif­li­che Leis­tungs­zu­la­ge von 6,08 % der Grund­vergütung und während der Dau­er des zwei­ten Ein­sat­zes des Klägers ab Au­gust 2006 ei­ne sol­che Zu­la­ge in Höhe von 9,8 % be­zo­gen. Dem Kläger ver­gleich­ba­re Ar­beit­neh­mer er­hiel­ten ein ta­rif­li­ches Ur­laubs­ent­gelt. Dies beträgt nach dem Man­tel­ta­rif­ver­trag für die An­ge­stell­ten der Baye­ri­schen Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie vom 31.10./02.11.1970 in der Fas­sung vom 24.05.2005 das 1,5-fa­che durch­schnitt­li­che Ar­beits­ver­dienst – oh­ne Mehr­ar­beits­vergütung und – zu­schläge -, den der Ar­beit­neh­mer in den letz­ten drei Ka­len­der­mo­na­ten vor dem Be­ginn des Ur­laubs er­hal­ten hat. Ei­ne ent­spre­chen­de Re­ge­lung fin­det sich im Nach­fol­ger-Ta­rif­ver­trag, dem ab 01.07.2008 gel­ten­den Man­tel­ta­rif­ver­trag vom 23.06.2008 für die Ar­beit­neh­mer der Baye­ri­schen Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie. Sch­ließlich teil­te der Bay­ME mit, ver­gleich­ba­re Ar­beit­neh­mer er­hiel­ten das ta­rif­li­cheWeih­nachts­geld“ un­ter der Vor­aus­set­zung, dass sie am Aus­zah­lungs­tag in ei­nem Ar­beits­verhält­nis stünden und dem Be­trieb un­un­ter­bro­chen sechs Mo­na­te an­gehört hätten. Die­ses be­lau­fe sich nach sechs Mo­na­ten Be­triebs­zu­gehörig­keit auf 25 % ei­nes Mo­nats­ver­diens­tes, nach zwölf Mo­na­ten Be­triebs­zu­gehörig­keit auf 35 % ei­nes Mo­nats­ver­diens­tes, nach 24 Mo­na­ten Be­triebs­zu­gehörig­keit

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auf 45 % ei­nes Mo­nats­ver­diens­tes und nach 36 Mo­na­ten Be­triebs­zu­gehörig­keit auf 55 % ei­nes Mo­nats­ver­diens­tes.


Der Kläger meint, er ha­be nach dem Grund­satz equal pay/equal tre­at­ment An­spruch auf die­sel­be Vergütung, die ein ver­gleich­ba­rer Ar­beit­neh­mer des Ein­satz­un­ter­neh­mens er­hal­ten ha­be. Für die ge­sam­te Ein­satz­zeit er­rech­ne sich un­ter Berück­sich­ti­gung der Son­der­zah­lun­gen ei­ne Dif­fe­renz in Höhe von 24.001,00 € brut­to. Ins­be­son­de­re ha­be er während der Dau­er sei­nes Ein­sat­zes bei der Ent­lei­her­fir­ma An­spruch auf das Mo­nats­ge­halt, das sich aus den in den Auskünf­ten des Bay­ME ge­nann­ten ta­rif­li­chen Ge­halts- bzw. Ent­gelt­grup­pen (bis 31.05.2006: SBA VI 1, ab 01.08.2006: Ent­gelt­grup­pe 11 des ERA-TV) er­ge­be. Da­bei sei­en die ta­rif­li­chen Mo­nats­ent­gel­te auf der Ba­sis von 35 Wo­chen­stun­den auf ei­ne 40-St­un­den-Wo­che hoch­zu­rech­nen. Der Kläger meint wei­ter, die Be­klag­te sei zur Ab­gel­tung von je­weils acht über die Wo­chen­ar­beits­zeit von 40 St­un­den hin­aus „un­ent­gelt­lich“ ge­leis­te­ten Über­stun­den ver­pflich­tet. Dies er­ge­be ei­nen An­spruch in Höhe von 4.998,24 € brut­to. Des Wei­te­ren ha­be die Be­klag­te noch ei­nen Ur­laubs­tag aus dem Jahr 2005 so­wie fünf Ur­laubs­ta­ge aus dem Jahr 2006 mit ei­nem Be­trag in Höhe von ins­ge­samt 1.151,44 € brut­to ab­zu­gel­ten. Sch­ließlich ha­be er ei­nen Scha­den­er­satz­an­spruch in Höhe von 5.673,00 €, weil ihm man­gels ei­ner ent­spre­chen­den In­for­ma­ti­on die Möglich­keit der Ent­gelt­um­wand­lung im Rah­men ei­ner be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung und da­mit ein Steu­er­vor­teil in Höhe von mo­nat­lich 183,00 € ent­gan­gen sei. Der Kläger ist der Auf­fas­sung, die Be­klag­te könne sich nicht auf die ein­schlägi­ge ta­rif­li­che Aus­schluss­frist des Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges für die Ar­beit­neh­mer der Baye­ri­schen Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie be­ru­fen. Die­se ta­rif­ver­trag­li­che Aus­schluss­frist kom­me nicht zur An­wen­dung, weil sie kei­ne we­sent­li­che Ar­beits­be­din­gung im Sin­ne von § 10 Abs. 4 AÜG sei.


Der Kläger macht des­halb ins­ge­samt rest­li­che Ent­gelt­ansprüche in Höhe von 28.999,24 € brut­to, Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche in Höhe von 1.151,44 € brut­to so­wie ei­nen Scha­den­er­satz­an­spruch in Höhe von 5.673,00 € net­to – je­weils nebst Zin­sen – gel­tend.


Die Be­klag­te hält die­sen Ansprüchen vor al­lem die Aus­schluss­frist des ein­schlägi­gen Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges ent­ge­gen, die da­zu führe, dass die gel­tend ge­mach­ten Ansprüche ganz über­wie­gend ver­fal­len sei­en. Die ta­rif­li­che Aus­schluss­frist­re­ge­lung sei ei­ne we­sent­li­che Ar­beits­be­din­gung im Sin­ne von § 10 Abs. 4 AÜG und auf die vom Kläger gel­tend ge-

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mach­ten Ansprüche nach dem Grund­satz des equal pay/equal tre­at­ment eben­so an­wend­bar wie die ta­rif­ver­trag­li­chen Ent­gelt­be­stim­mun­gen, weil die Ar­beit­neh­mer an­dern­falls ge­genüber den im Ein­satz­un­ter­neh­men beschäftig­ten Stamm­ar­beit­neh­mern bes­ser ge­stellt wären. Dies ent­spre­che nicht dem Sinn und Zweck des Ge­set­zes. Die Be­klag­te meint darüber hin­aus, die vom Kläger für die Ein­satz­zei­ten beim Ent­lei­her­un­ter­neh­men gel­tend ge­mach­te Ein­grup­pie­rung sei feh­ler­haft. Auch er­man­ge­le der Vor­trag des Klägers in Be­zug auf die Leis­tungs­zu­la­ge der Dar­le­gung über­durch­schnitt­li­cher Leis­tun­gen. Nach Auf­fas­sung der Be­klag­ten ist der gel­tend ge­mach­te Scha­den­er­satz­an­spruch un­schlüssig, weil es be­reits am hin­rei­chen­den Vor­trag ei­ner Pflicht­ver­let­zung der Be­klag­ten feh­le.


Das Ar­beits­ge­richt Re­gens­burg hat mit En­dur­teil vom 05.06.2009, auf das hin­sicht­lich der Ein­zel­hei­ten des erst­in­stanz­li­chen Vor­trags der Par­tei­en, der im ers­ten Rechts­zug ge­stell­ten Anträge so­wie der recht­li­chen Erwägun­gen des Erst­ge­richts ver­wie­sen wird, die Be­klag­te zur Zah­lung von 26.734,51 € brut­to abzüglich 4.336,00 € net­to so­wie wei­te­rer 919,60 € brut­to – je­weils nebst Zin­sen – ver­ur­teilt und die Kla­ge im Übri­gen ab­ge­wie­sen.


Es hat zur Be­gründung aus­geführt, der Kläger ha­be durch die Be­zug­nah­me auf die für den Ent­lei­her­be­trieb er­teil­ten Auskünf­te vom 28.07.2008 und ins­be­son­de­re vom 27.03.2009 aus­rei­chend dar­ge­legt, dass er während sei­ner Beschäfti­gungs­zeit im Ein­satz­be­trieb den Stamm­ar­beit­neh­mern des Ent­lei­her­be­triebs ver­gleich­bar ein­ge­setzt ge­we­sen sei und des­halb ei­nen An­spruch dar­auf ha­be, die­sel­be Vergütung wie die­se Ar­beit­neh­mer zu er­hal­ten. Die­sen Vor­trag ha­be die Be­klag­te nicht hin­rei­chend be­strit­ten. Ent­ge­gen de­ren Auf­fas­sung sei der ein­schlägi­ge Ta­rif­ver­trag nicht ob­jek­tiv an­zu­wen­den. Viel­mehr kom­me es auf das tatsächli­che Ar­beits­ent­gelt ei­nes ver­gleich­ba­ren Stamm­ar­beit­neh­mers im Ent­lei­her­be­trieb an. Auch bei An­wend­bar­keit ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges sei es die­sem Ar­beit­ge­ber nicht ver­wehrt, Ar­beit­neh­mer ge­genüber dem Ta­rif­ver­trag güns­ti­ger zu stel­len. Er könne des­halb Ar­beit­neh­mer, die ob­jek­tiv nur ei­nen An­spruch nach Ent­gelt-grup­pe 9 hätten, durch­aus nach Ent­gelt­grup­pe 10 oder 11 be­zah­len. Nur dar­auf kom­me es bei ei­nem Ver­gleich für die Er­mitt­lung ei­ner schlech­te­ren Be­hand­lung nach § 9 Nr. 2 AÜG an.


Ent­spre­chen­des gel­te auch für die Leis­tungs­zu­la­ge. Nach Aus­kunft des Ent­lei­her­be­triebs ha­be die­se im ers­ten Ein­satz­zeit­raum 6,08 % und im zwei­ten Ein­satz­zeit­raum 9,8 % des

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Grun­dent­gelts be­tra­gen. Nicht zu­letzt auf­grund des von der Be­klag­ten dem Kläger er­teil­ten Ar­beits­zeug­nis­ses sei da­von aus­zu­ge­hen, dass er über­durch­schnitt­li­che Leis­tun­gen er­bracht ha­be. In den Ver­gleich des Ent­gelts zwi­schen der Vergütung beim Ver­lei­her und der Vergütung des Ent­lei­hers sei­en auch die Son­der­zah­lun­gen ein­zu­be­zie­hen. Auch sei zu berück­sich­ti­gen, dass der Kläger nur für die ihm an­tei­lig für die Beschäfti­gungs­zeit beim Ent­lei­her zu­ste­hen­den Ur­laubs­ta­ge An­spruch auf zusätz­li­ches Ur­laubs­geld in den Jah­ren 2005 und 2008 ge­habt ha­be. Auch sei die im Ent­lei­her­be­trieb gel­ten­de Mo­nats­vergütung von ei­ner 35-St­un­den-Wo­che auf ei­ne 40-St­un­den-Wo­che hoch­zu­rech­nen.


Der Kläger ha­be fer­ner An­spruch auf die Dif­fe­renz­vergütung für Über­stun­den, die er – oh­ne zusätz­li­che Vergütung von der Be­klag­ten – über die ver­ein­bar­ten 40 Wo­chen­stun­den hin­aus ge­leis­tet ha­be. Es könne da­hin­ste­hen, ob die ar­beits­ver­trag­li­che Über­stun­den­ab­gel­tungs­klau­sel wirk­sam sei; je­den­falls wären die­se zusätz­li­chen Ar­beits­stun­den für ver­gleich­ba­re Ar­beit­neh­mer im Ent­lei­her­be­trieb zu vergüten ge­we­sen. Da die Be­klag­te die ent­spre­chen­den Ar­beits­zeit­nach­wei­se des Klägers er­hal­ten und ih­rer Ab­rech­nung ge­genüber dem Ent­lei­her­be­trieb ha­be zu­grun­de le­gen können, hätte sie, wenn sie mit ei­ner Wei­sung des Ent­lei­her­be­triebs ge­genüber dem Kläger zur Ab­leis­tung von Mehr­ar­beit nicht ein­ver­stan­den ge­we­sen wäre, dies dem Kläger nach Kennt­nis der Zeit­nach­wei­se je­den­falls für die Zu­kunft mit­tei­len müssen. Da dies nicht ge­sche­hen sei, ha­be der Kläger von ei­ner Dul­dung der Be­klag­ten mit den ab­ge­leis­te­ten St­un­den aus­ge­hen können.


Auch ha­be der Kläger An­spruch auf nicht gewähr­te sechs Ur­laubs­ta­ge der Jah­re 2005 und 2006. Zwar sei nicht ge­nom­me­ner Ur­laub gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG grundsätz­lich bis zum 31.03. des Fol­ge­jah­res ein­zu­brin­gen. Da der Kläger je­doch nicht den Ur­laub aus dem Ar­beits­ver­trag mit der Be­klag­ten gel­tend ma­che, viel­mehr die ihm aus dem Gleich­be­hand­lungs­ge­bot zu­ste­hen­de Ur­laubs­dif­fe­renz, gel­te dies vor­lie­gend nicht.


Bei der dem Kläger zu­ste­hen­den Dif­fe­renz­vergütung sei­en die von der Be­klag­ten in den Jah­ren 2005 bis 2007 an den Kläger ge­zahl­ten und von ihr in Höhe von 4.336,00 € gel­tend ge­mach­ten Miet­zuschüsse zu berück­sich­ti­gen.


Der vom Kläger ge­gen die Be­klag­te er­ho­be­ne Scha­den­er­satz­an­spruch be­ste­he nicht, weil be­reits frag­lich sei, in­wie­weit die Be­klag­te durch das Un­ter­las­sen ei­nes ent­spre­chen­den

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Hin­wei­ses tatsächlich in schuld­haf­ter Wei­se ei­ne ver­trag­li­che Pflicht­ver­let­zung be­gan­gen ha­be. Auch ha­be er nicht in er­for­der­li­cher Wei­se dar­ge­tan, wie sich die steu­er­li­che Er­spar­nis von an­geb­lich mo­nat­lich 183,00 € kon­kret er­rech­ne.


Nach Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts sind die Ansprüche des Klägers nicht we­gen Versäum­ung der ta­rif­li­chen Aus­schluss­frist ver­fal­len, da die­se kei­ne we­sent­li­chen Ar­beits­be­din­gun­gen im Sin­ne von § 9 Nr. 2 AÜG sei. Die Aus­schluss­fris­ten re­gel­ten nicht un­mit­tel­bar Ar­beits­be­din­gun­gen; viel­mehr dien­ten sie der Rechts­si­cher­heit. Sie sei­en so­mit kei­ne ma­te­ri­el­len Ar­beits­be­din­gun­gen im en­ge­ren Sin­ne, da mit ih­nen nicht ge­re­gelt wer­de, un­ter wel­chen Be­din­gun­gen die Haupt­leis­tungs­pflich­ten selbst aus­ge­tauscht würden. Auch § 2 Abs. 1 NachwG führe nicht zu ei­ner Ein­be­zie­hung der Aus­schluss­fris­ten in den Re­ge­lungs­be­reich der „we­sent­li­chen Ar­beits­be­din­gun­gen“. In­so­weit dürf­ten die un­ter­schied­li­chen Re­ge­lungs­zwe­cke des Nach­weis­ge­set­zes und des Gleich­be­hand­lungs­ge­bo­tes gemäß § 10 Abs. 4 AÜG nicht über­se­hen wer­den. § 2 NachwG be­zwe­cke ei­ne um­fas­sen­de Kennt­nis des Ar­beit­neh­mers über die schrift­lich fi­xier­ten Be­din­gun­gen des ein­ge­gan­ge­nen Ar­beits­verhält­nis­ses, zu de­nen auch ver­ein­bar­te Aus­schluss­fris­ten gehörten. Da­ge­gen be­zwe­cke § 10 Abs. 4 AÜG kei­ne völli­ge fik­ti­ve Gleich­stel­lung ei­nes Leih­ar­beit­neh­mers mit ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mern des Ent­lei­her­be­triebs; viel­mehr soll­ten die Leih­ar­beit­neh­mer nur hin­sicht­lich der ma­te­ri­el­len Ar­beits­be­din­gun­gen gleich­ge­stellt sein. Würden Aus­schluss­fris­ten tatsächlich zur An­wen­dung kom­men, wäre der Frist­ab­lauf – ähn­lich wie bei Scha­den­er­satz­ansprüchen – so lan­ge ge­hemmt, bis der Leih­ar­beit­neh­mer sei­nen Dif­fe­renz­an­spruch, re­gelmäßig erst nach ei­ner ent­spre­chen­den Aus­kunft des Ent­lei­hers, be­zif­fern könne. Nach al­lem führe die Aus­gren­zung der ta­rif­ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist­re­ge­lung aus den we­sent­li­chen Ar­beits­be­din­gun­gen im Sin­ne von § 9 Nr. 2 AÜG nicht zu ei­ner Bes­ser­stel­lung der Leih­ar­beit­neh­mer mit ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mern des Ent­lei­her­un­ter­neh­mens.


Die Be­klag­te hat ge­gen das ihr am 14.07.2009 zu­ge­stell­te En­dur­teil vom 05.06.2009 mit ei­nem am 17.07.2009 beim Be­ru­fungs­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se mit ei­nem am 07.09.2009 ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz be­gründet.


Sie weist dar­auf hin, dass der Kläger sei­ne Ansprüche erst­mals mit Schrei­ben vom 01.08.2008 gel­tend ge­macht ha­be. Die An­wen­dung der ta­rif­ver­trag­li­chen Aus­schluss­fris-

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ten des § 22 Zif­fer 3 Abs. 1 MTV auf die streit­ge­genständ­li­chen Ansprüche sei nicht nur aus rechts­sys­te­ma­ti­schen Gründen zwin­gend ge­bo­ten; viel­mehr kom­me auch un­ter Wer­tungs­ge­sichts­punk­ten kei­ne an­de­re Lösung in Be­tracht. Die Be­klag­te, die den Kläger oh­ne je­de Ein­schränkung durch Beifügung ei­nes Merk­blatts der Er­laub­nis­behörde zum Ar­beits­ver­trag über sei­ne Rech­te und Pflich­ten nach dem AÜG in­for­miert ha­be, ver­die­ne das glei­che Maß an Rechts­si­cher­heit und Rechts­klar­heit wie der Ent­lei­her­be­trieb und könne nicht nach dem En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses mit dem Kläger in un­be­grenz­tem Aus­maß für des­sen Versäum­nis­se bei Gel­tend­ma­chung sei­ner Ansprüche aus dem AÜG in Haf­tung ge­nom­men wer­den. Dies be­deu­te, dass mit dem Schrei­ben des Klägers vom 01.08.2008 le­dig­lich Ent­gelt­ansprüche für die Mo­na­te Mai und Ju­ni 2008 hätten gel­tend ge­macht wer­den können, da zu je­nem Zeit­punkt nur die­se noch nicht gemäß § 22 Zif­fer 3 Abs. 1 b MTV ver­fal­len ge­we­sen sei­en.


Die Be­klag­te be­tont ins­be­son­de­re, Aus­schluss­fris­ten gehörten zu den we­sent­li­chen Ar­beits­be­din­gun­gen im Sin­ne von § 10 Abs. 4 AÜG. Bei Aus­le­gung die­ser Vor­schrift sei vor dem Hin­ter­grund des § 11 Abs. 1 AÜG vor al­lem § 2 Abs. 1 NachwG her­an­zu­zie­hen. We­sent­li­che Ar­beits­be­din­gun­gen sei­en Aus­schluss­fris­ten auch des­halb, weil sie stets un­trenn­bar mit den ent­spre­chen­den ar­beits­ver­trag­li­chen Ansprüchen ver­bun­den sei­en. Die ta­rif­ver­trag­li­chen Aus­schluss­fris­ten sei­en so­mit ma­te­ri­ell­recht­li­che Re­ge­lun­gen. Für die ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mer des Ent­lei­her­un­ter­neh­mens sei­en die Aus­schluss­fris­ten Teil des In­halts der ent­spre­chen­den ta­rif­ver­trag­li­chen Ansprüche. Nur mit die­sem In­halt sei­en sie auch den Leih­ar­beit­neh­mern gemäß § 10 Abs. 4 AÜG zu gewähren. Die Be­klag­te ha­be auch nicht ih­re Pflich­ten aus dem Nach­weis­ge­setz ver­letzt, so dass dies­bezügli­che Scha­den­er­satz­ansprüche des Klägers aus­schie­den. § 2 Abs. 1 NachwG gel­te über § 11 Abs. 1 AÜG nur im Verhält­nis zwi­schen Ver­lei­her und Leih­ar­beit­neh­mer, nicht aber für die im Ent­lei­her­be­trieb gel­ten­den Ar­beits­be­din­gun­gen. § 11 Abs. 1 AÜG se­he kei­ne Pflicht des Ver­lei­hers vor, die im Ent­lei­her­be­trieb gel­ten­den Ar­beits­be­din­gun­gen ge­genüber dem Leih­ar­beit­neh­mer nach­zu­wei­sen. Nur der Ent­lei­her könne – und müsse ge­ge­be­nen­falls gemäß § 13 AÜG – die­se Auskünf­te ge­ben. Die Be­klag­te meint, selbst wenn sie zum Hin­weis auf die im Ent­lei­her­be­trieb gel­ten­den Aus­schluss­fris­ten ver­pflich­tet ge­we­sen wäre, hätte ei­ne Ver­let­zung die­ser Pflicht nicht zur Un­an­wend­bar­keit der Aus­schluss­frist­re­ge­lung geführt. Das Ar­gu­ment, § 10 Abs. 4 AÜG lie­fe leer, wenn man die An­wend­bar­keit der Aus­schluss­frist be­jah­te, sei falsch, da dem Leih­ar­beit­neh­mer der Aus-

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kunfts­an­spruch gemäß § 13 AÜG be­reits am ers­ten Tag des Ein­sat­zes im Ent­lei­her­be­trieb zu­ste­he. Dass sich der Kläger nicht um die Rea­li­sie­rung sei­ner Ansprüche gekümmert ha­be, könne nicht zu Las­ten der Be­klag­ten ge­hen.


Die Be­klag­te bleibt da­bei, dass die Auf­fas­sung des Klägers zu ei­ner Bes­ser­stel­lung im Verhält­nis zu den Stamm­ar­beit­neh­mern des Ent­lei­her­un­ter­neh­mens führe. Dies ent­spre­che nicht Sinn und Zweck der Re­ge­lung.


Auch bleibt die Be­klag­te da­bei, dass die fik­ti­ve Ein­grup­pie­rung des Klägers feh­ler­haft sei.


Den Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüchen für die Jah­re 2005 und 2006 hält sie nach wie vor ent­ge­gen, dass die­se Ansprüche ver­fal­len sei­en. So­weit der Kläger Ur­laubs­ansprüche aus § 18 MTV ab­lei­te, müsse auch § 18 A Zif­fer 7 gel­ten, wo­nach die Ansprüche drei Mo­na­te nach Ab­lauf des Ur­laubs­jah­res ver­fal­len.


Die Be­klag­te be­an­tragt:


1. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Re­gens­burg vom 05.06.2009 - 3 Ca 3306/08 - ab­geändert, so­weit es der Kla­ge statt­ge­ge­ben hat. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.


2. Der Kläger trägt die Kos­ten des Ver­fah­rens.


Der Kläger be­an­tragt, die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Re­gens­burg vom 05.06.2009 – 3 Ca 3306/08 - zurück­zu­wei­sen.


Er wie­der­holt sei­nen erst­in­stanz­li­chen Vor­trag und bleibt ins­be­son­de­re da­bei, dass die ta­rif­ver­trag­li­che Aus­schluss­frist nicht gel­te, da sie kei­ne we­sent­li­che Ar­beits­be­din­gung sei. Die von der Be­klag­ten her­an­ge­zo­ge­ne Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG 05.04.1984 – 6 AZR 443/81) sei nicht zu § 10 Abs. 4 AÜG er­gan­gen. Auch die Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 17.04.2002 (5 AZR 89/01) be­tref­fe ei­nen an­de-

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ren Sach­ver­halt. Der Be­klag­ten sei vor­zu­hal­ten, dass sie kei­nen Hin­weis auf die Gel­tung des MTV ge­ge­ben ha­be. Ent­ge­gen ih­rer Auf­fas­sung er­ge­be sich aus § 13 AÜG nicht, dass die Aus­schluss­fris­ten des Ent­lei­her­be­triebs an­zu­wen­den sei­en. Im Er­geb­nis blei­be es da­bei, dass die Be­klag­te je­den­falls ih­re Pflich­ten aus § 9 AÜG nicht erfüllt und da­mit zwin­gend die Rechts­fol­ge des § 10 Abs. 4 AÜG aus­gelöst ha­be.


Je­den­falls ha­be der Kläger we­gen nicht er­teil­ter oder un­vollständi­ger Aus­kunft der Be­klag­ten nach der Rechts­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG 17.04.2002 – 5 AZR 89/01) ei­nen Scha­den­er­satz­an­spruch un­abhängig da­von, ob er den schrift­li­chen Nach­weis gel­tend ge­macht ha­be. Der Kläger meint, es sei durch­aus ge­recht­fer­tigt, den Ver­lei­her, der § 10 Abs. 4 und § 9 Nr. 2 AÜG un­ter­lie­ge, an­ders zu be­han­deln als den Ent­lei­her, der mit sei­nen Ar­beit­neh­mern ei­nen Ta­rif­ver­trag ver­ein­ba­re.


Der Kläger pflich­tet dem Ar­beits­ge­richt so­wohl hin­sicht­lich des­sen Ausführun­gen zur (zu­tref­fen­den) Ein­grup­pie­rung des Klägers als auch in Be­zug auf das Fort­be­ste­hen der Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche für die Jah­re 2005 und 2006 bei.


Hin­sicht­lich des sons­ti­gen Vor­trags der Par­tei­en im zwei­ten Rechts­zug wird auf die Schriftsätze der Be­klag­ten vom 03.09.2009 und des Klägers vom 06.10.2009 so­wie auf die Sit­zungs­nie­der­schrift vom 12.11.2009 ver­wie­sen.


Ent­schei­dungs­gründe:

Die Be­ru­fung ist über­wie­gend be­gründet. Der Kläger kann von der Be­klag­ten le­dig­lich Zah­lung in Höhe von 3.540,35 € brut­to nebst Zin­sen ver­lan­gen.


1. Der Kläger hat nach § 10 Abs. 4 AÜG i. V. m. § 9 Nr. 2 AÜG An­spruch auf rest­li­che Vergütung für die Mo­na­te Mai und Ju­ni 2008 in Höhe der Dif­fe­renz zwi­schen der von der Ent­lei­her­fir­ma C. GmbH an ih­re ver­gleich­ba­ren Stamm­ar­beit­neh­mer ge­zahl­ten Vergütung un­ter Berück­sich­ti­gung der für den Kläger gel­ten­den 40-St­un­den-Wo­che und der vom Ent­lei­her­un­ter­neh­men an sei­ne ver­gleich­ba­ren Stamm­ar­beit­neh­mer ge­zahl­ten Leis-

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tungs­zu­la­ge, auf Vergütung für im Mai 2008 vom Kläger über 40 Wo­chen­stun­den hin­aus ge­leis­te­te vier Über­stun­den und auf zusätz­li­che Ur­laubs­vergütung – so­ge­nann­tes Ur­laubs­geld – für 2008. In­so­weit ist die Be­ru­fung der Be­klag­ten un­be­gründet.


Die­se Ansprüche sind nicht ver­fal­len gemäß § 17 Nr. 2 (I) b des Man­tel­ta­rif­ver­tra­ges für die An­ge­stell­ten der Baye­ri­schen Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie vom 31.10./02.11.1970 in der Fas­sung vom 24.05.2002 (MTV) bzw. sei­nem Nach­fol­ger-Ta­rif­ver­trag (MTV vom 23.06.2008, gültig ab 01.07.2008, § 22 Nr. 3).


a) Der Kläger hat die­se Ansprüche recht­zei­tig, das heißt drei Mo­na­te nach ih­rer Fällig­keit, mit Schrei­ben vom 01.08.2008 ge­genüber der Be­klag­ten gel­tend ge­macht. Die Be­klag­te selbst sieht die­ses Schrei­ben, dem ei­ne An­la­ge „Ge­halts­ab­rech­nung“ bei­lag, als aus­rei­chen­de Gel­tend­ma­chung an.


Die Fällig­keit der Ent­gelt­ansprüche für die ge­nann­ten Mo­na­te ist nach § 6 MTV vom 31.10./02.11.1970 in der Fas­sung vom 24.05.2002 am letz­ten Ar­beits­tag des je­wei­li­gen Ka­len­der­mo­nats ein­ge­tre­ten (nach § 16 Nr. 1 II Satz 1 des Nach­fol­ger-Ta­rif­ver­tra­ges: zum Schluss des je­wei­li­gen Ka­len­der­mo­nats).


Der An­spruch auf Ab­gel­tung des zusätz­li­chen, vom Ent­lei­her­un­ter­neh­men an sei­ne Stamm­ar­beit­neh­mer ge­zahl­ten ta­rif­li­chen Ur­laubs­ent­gelts (0,5-fa­cher durch­schnitt­li­cher Ar­beits­ver­dienst oh­ne Mehr­ar­beits­vergütung und –zu­schläge der letz­ten drei Ka­len­der­mo­na­te) ist – wie je­de Ur­laubs­ab­gel­tung – nicht vor dem En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses fällig ge­wor­den. Auch die­ser An­spruch ist mit­hin recht­zei­tig gel­tend ge­macht.


b) Die Höhe der Dif­fe­renz­vergütung, die der Kläger für Mai 2008 gemäß § 10 Abs. 4 AÜG i. V. m. § 9 Nr. 2 AÜG un­ter Berück­sich­ti­gung der ihm von der Be­klag­ten für die­sen Mo­nat ge­zahl­ten Vergütung ver­lan­gen kann, er­rech­net sich wie folgt:


Aus­zu­ge­hen ist von der Vergütung nach Ent­gelt­grup­pe 11 des ERA-TV. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten ist die­se Ent­gelt­grup­pe und nicht et­wa – we­gen „feh­ler­haf­ter“ Ein­grup­pie­rung – Ent­gelt­grup­pe 9 oder 10 an­wend­bar.

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Maßge­bend ist für den An­spruch auf equal pay al­lein die vom Ent­lei­her­un­ter­neh­men für ver­gleich­ba­re Stamm­ar­beit­neh­mer tatsächlich ge­zahl­te Vergütung. Die­se Vergütung muss nicht zwin­gend „ta­rif­ge­recht“ sein, das heißt, sie muss nicht der „rich­ti­gen“, sich bei zu­tref­fen­der Sub­sum­ti­on un­ter die ta­rif­ver­trag­li­chen Merk­ma­le und An­for­de­run­gen er­ge­ben­den Ein­grup­pie­rung ent­spre­chen. Auch ei­ne nicht ta­rif­ge­rech­te Vergütung kann dem An­spruch auf equal pay zu­grun­de lie­gen. Dies hat das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend er­kannt. Den vom Bay­ME für das Ent­lei­her­un­ter­neh­men C. GmbH er­teil­ten Auskünf­ten ist zu ent­neh­men, dass die­ses Un­ter­neh­men sei­nen ver­gleich­ba­ren Stamm­ar­beit­neh­mern oh­ne Wenn und Aber und oh­ne Rück­sicht dar­auf, ob die Ein­grup­pie­rung in al­len Ein­zel­hei­ten ta­rif­ge­recht ist oder nicht, Vergütung nach Ent­gelt­grup­pe 11 des ERA-TV zahlt. Dar­an muss sich die Be­klag­te im Rah­men des § 10 Abs. 4 AÜG i. V. m. § 9 Nr. 2 AÜG fest­hal­ten las­sen. Dem Ar­beits­ge­richt ist auch dar­in zu­zu­stim­men, dass die Be­klag­te nicht vor­ge­tra­gen hat, das Ent­lei­her­un­ter­neh­men ha­be an die­je­ni­gen Stamm­ar­beit­neh­mer, die während der Ein­satz­zei­ten des Klägers ge­nau die glei­che Tätig­keit wie die­ser aus­geübt hätten, ent­ge­gen den er­teil­ten Auskünf­ten ei­ne ge­rin­ge­re Vergütung als die­je­ni­ge nach Ent­gelt­grup­pe 11 ge­zahlt; sie hätte kon­kret vor­tra­gen müssen, wel­che Ar­beit­neh­mer auf­grund ih­rer Tätig­keit und Qua­li­fi­ka­ti­on kon­kret mit dem Kläger ver­gleich­bar ge­we­sen sei­en und le­dig­lich ei­ne Vergütung nach Ent­gelt­grup­pe 9 oder 10 er­hal­ten hätten. Ei­ne sol­che Dar­le­gung lässt der Vor­trag der Be­klag­ten in bei­den Rechtszügen ver­mis­sen. Sie ver­kennt, dass ge­ge­be­nen­falls auch ein An­spruch auf nicht ta­rif­ge­rech­tes equal pay­ment be­steht.


Da sich die nach den er­teil­ten Auskünf­ten er­ge­ben­de Vergütung ver­gleich­ba­rer Stamm­ar­beit­neh­mer des Ent­lei­her­un­ter­neh­mens auf ei­ne 35-St­un­den-Wo­che be­zieht, ist sie auf ei­ne – vom Kläger ge­leis­te­te – 40-St­un­den-Wo­che hoch­zu­rech­nen.


Fer­ner ist in das Ent­gelt ver­gleich­ba­rer Stamm­ar­beit­neh­mer des Ent­lei­her­un­ter­neh­mens die an die­se ge­zahl­te Leis­tungs­zu­la­ge zu berück­sich­ti­gen. Auch in­so­weit kommt es nicht dar­auf an, ob der Kläger die Vor­aus­set­zun­gen bzw. Tat­be­stands­merk­ma­le des An­spruchs auf ta­rif­ver­trag­li­che Leis­tungs­zu­la­ge erfüllt. Viel­mehr ist al­lein aus­schlag­ge­bend, ob das Ent­lei­her­un­ter­neh­men an ver­gleich­ba­re Stamm­ar­beit­neh­mer, die die glei­che Ar­beits­leis­tung wie der Kläger er­brach­ten, die­se Zu­la­ge ge­zahlt hat. Dies er­gibt sich ein­deu­tig aus der (zwei­ten) Aus­kunft des Bay­ME vom 27.03.2009. Ab­ge­se­hen da­von ist mit der zu­tref­fen­den Be­gründung des Ar­beits­ge­richts da­von aus­zu­ge­hen, dass der Kläger während

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sei­nes Ein­sat­zes bei dem Ent­lei­her­un­ter­neh­men je­den­falls über­durch­schnitt­li­che Leis­tun­gen im Sin­ne von § 6 ERA-TV er­bracht hat. Zu Recht hat das Ar­beits­ge­richt in­so­weit auf das dem Kläger er­teil­te Ar­beits­zeug­nis vom 02.07.2008 hin­ge­wie­sen.


Auf die­ser Grund­la­ge er­gibt sich für Mai 2008 ein Ent­gelt nach Ent­gelt­grup­pe 11 in Höhe von 3.752,00 € brut­to bei 35 Wo­chen­stun­den, aus dem sich bei 40 Wo­chen­stun­den, ei­nen Brut­to­be­trag in Höhe von 4.288,00 € er­rech­net. Bei Hin­zu­rech­nung ei­ner Leis­tungs­zu­la­ge in Höhe von 9,8 % beträgt das nach § 10 Abs. 4 AÜG maßge­ben­de Ver­gleichs­ent­gelt 4.708,22 € brut­to. Da die Be­klag­te an den Kläger für die­sen Mo­nat ein Brut­to­ent­gelt in Höhe von 3.850,00 € ge­zahlt hat, ver­bleibt ei­ne noch of­fe­ne Dif­fe­renz­vergütung in Höhe von 858,22 € brut­to.


Im Ju­ni 2008 be­trug das Ver­gleichs­ent­gelt nach Ent­gelt­grup­pe 11 auf­grund ei­ner Ta­ri­fent­gel­terhöhung 3.816,00 € bei ei­ner 35-St­un­den-Wo­che. Hoch­ge­rech­net auf ei­ne 40-St­un­den-Wo­che und un­ter Hin­zu­rech­nung ei­ner Leis­tungs­zu­la­ge in Höhe von 9,8 % er­gibt dies ei­nen Brut­to­be­trag in Höhe von 4.788,53 €. Da von der Be­klag­ten an den Kläger für die­sen Mo­nat ei­ne Vergütung in Höhe von 3.850,00 € brut­to ge­zahlt wur­de, ver­bleibt ein noch of­fe­ner Dif­fe­renz­be­trag in Höhe von 938,53 € brut­to.


Die ge­nann­ten Beträge kann der Kläger von der Be­klag­ten gemäß § 10 Abs. 4 AÜG i. V. m. § 9 Nr. 2 AÜG ver­lan­gen.


Da­ge­gen ist in die Ver­gleichs­be­rech­nung das ta­rif­li­che an­tei­li­ge 13. Mo­nats­ge­halt für 2008 nicht ein­zu­be­zie­hen, weil man­gels Be­ste­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses im Aus­zah­lungs­zeit­punkt das Ent­lei­her­un­ter­neh­men die­se Leis­tung an ver­gleich­ba­re Stamm­ar­beit­neh­mer nicht er­bracht hätte.


c) Der Kläger hat An­spruch auf Dif­fe­renz­vergütung für vier im Mai 2008 über die ver­ein­bar­ten 40 Wo­chen­stun­den hin­aus ge­leis­te­te Über­stun­den; im Ju­ni 2008 sind sol­che Über­stun­den nicht an­ge­fal­len.


Dem Ar­beits­ge­richt ist dar­in bei­zu­pflich­ten, dass auf­grund des sub­stan­ti­ier­ten Vor­trags des Klägers nicht nur die Ab­leis­tung die­ser St­un­den un­strei­tig ist, son­der dass je­den­falls

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auch von de­ren Dul­dung aus­zu­ge­hen ist. Die Be­klag­te hat den Vor­trag des Klägers, die Be­klag­te ha­be von An­fang an die ent­spre­chen­den Ar­beits­zeit­nach­wei­se er­hal­ten und auch ih­rer Ab­rech­nung ge­genüber dem Ent­lei­her­un­ter­neh­men zu­grun­de le­gen können, nicht be­strit­ten. Das Ar­beits­ge­richt hat zu Recht aus­geführt, so­weit der Kläger im Rah­men der Ar­beit­neh­merüber­las­sung auf Wei­sung des Ent­lei­her­un­ter­neh­mens mehr St­un­den ge­leis­tet und dies bei sei­nen Ar­beits­zeit­nach­wei­sen ge­genüber der Be­klag­ten an­ge­ge­ben ha­be, ha­be er – man­gels ei­ner Be­an­stan­dung von Sei­ten der Be­klag­ten ihm ge­genüber – von ei­ner Dul­dung der Leis­tung sol­cher Übe­r­ar­beit aus­ge­hen können. Dem ist zu fol­gen. Al­les an­de­re wäre völlig le­bens­fremd.


Zu­tref­fend er­schei­nen auch die Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts, die­se zusätz­li­chen Ar­beits­stun­den sei­en je­den­falls bei ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mern im Ent­lei­her­be­trieb zu vergüten ge­we­sen. Ein ge­gen­tei­li­ger Vor­trag der Be­klag­ten fehlt.


Aus­ge­hend von ei­nem Ver­gleichs­ent­gelt in Höhe von 4.708,22 € brut­to bei ei­ner 40-St­un­den-Wo­che er­gibt sich für ei­ne Ar­beits­stun­de ein St­un­den­satz in Höhe von 27,22 € brut­to. Für vier Über­stun­den kann der Kläger so­mit 106,88 € brut­to be­an­spru­chen. Al­ler­dings ist die Be­ru­fungs­kam­mer auf­grund des An­sat­zes ei­ner ge­ringfügig zu nied­ri­gen Mo­nats­vergütung in­so­weit le­dig­lich zu ei­nem Be­trag in Höhe von 104,56 € brut­to ge­langt.


d) Der Kläger kann von der Be­klag­ten nach § 10 Abs. 4 AÜG i. V. m. § 9 Nr. 2 AÜG für den Teil­ur­laubs­an­spruch, den ver­gleich­ba­re Stamm­ar­beit­neh­mer des Ent­lei­her­un­ter-neh­mens bei ei­nem Aus­schei­den aus dem Ar­beits­verhält­nis zum Ab­lauf des 30.06.2008 – bei durch­ge­hen­der Ar­beits­leis­tung ab Ja­nu­ar 2008 – er­wor­ben hätten, Ab­gel­tung des zusätz­li­chen ta­rif­ver­trag­li­chen Ur­laubs­ent­gelts (0,5-fa­cher durch­schnitt­li­cher Ar­beits­ver­dienst oh­ne Mehr­ar­beits­vergütung und –zu­schläge der letz­ten drei Ka­len­der­mo­na­te bei ei­nem Ge­samt-Ur­laubs­ent­gelt in Höhe des 1,5-fa­chen durch­schnitt­li­chen Ar­beits­ver­diens­tes) ver­lan­gen. Die­ser An­spruch er­gibt sich für die ver­gleich­ba­ren Stamm­ar­beit­neh­mer des Ent­lei­her­un­ter­neh­mens aus § 15 Buchst. C MTV vom 31.10./02.11.1970 in der Fas­sung vom 24.05.2002 bzw. aus § 18 A Nr. 7 Satz 2, C Nr. 1 Satz 1 MTV vom 23.06.2008.


Bei ei­ner zu­grun­de zu le­gen­den Mo­nats­vergütung (un­ter Hoch­rech­nung von ei­ner 35- St­un­den-Wo­che auf ei­ne 40-St­un­den-Wo­che, un­ter Berück­sich­ti­gung der Leis­tungs­zu­la­ge

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von 9,8 % so­wie un­ter Berück­sich­ti­gung der Ta­ri­fent­gel­terhöhung ab Ju­ni 2008) von je­weils 4.708,22 € brut­to im April und Mai 2008 so­wie von 4.788,53 € brut­to im Ju­ni 2008 er­gibt sich für drei Wo­chen Teil­ur­laub (bei ei­nem ta­rif­li­chen Jah­res­ur­laub von 30 Ar­beits­ta­gen) ein zusätz­li­ches Ur­laubs­ent­gelt in Höhe von 1.639,04 € brut­to (durch­schnitt­li­cher Wo­chen­ver­dienst der letz­ten drei Ka­len­der­mo­na­te: 1.092,69 € x 3 x 50 %).


2. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ist be­gründet, so­weit sie sich da­ge­gen wen­det, dass das Ar­beits­ge­richt dem Kläger Ansprüche auf Dif­fe­renz­vergütung und Über­stun­den­vergütung für die Zeit bis ein­sch­ließlich April 2008 so­wie Ansprüche auf Ab­gel­tung von ins­ge­samt sechs Ur­laubs­ta­gen der Jah­re 2005 und 2006 zu­ge­spro­chen hat. Denn al­le die­se Ansprüche sind er­lo­schen.


a) Die Ansprüche auf Dif­fe­renz­vergütung nach dem Grund­satz des equal pay/equal tre­at­ment für die Zeit bis April 2008 sind auf­grund der Aus­schluss­frist­re­ge­lung des § 17 Nr. 2 (I) b MTV vom 31.10./02.11.1970 in der Fas­sung vom 24.05.2002 ver­fal­len, weil sie nicht in­ner­halb von drei Mo­na­ten nach ih­rer Fällig­keit schrift­lich gel­tend ge­macht wur­den. Das glei­che gilt hin­sicht­lich der Ansprüche auf Über­stun­den­vergütung gemäß § 10 Abs. 4 AÜG i. V. m. § 9 Nr. 2 AÜG für die Zeit bis ein­sch­ließlich April 2008.


Die ta­rif­ver­trag­li­che Aus­schluss­frist­re­ge­lung er­fasst auch die­se Ansprüche.


aa) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts schei­det die An­wen­dung der Aus­schluss­frist im Rah­men des An­spruchs auf das Ver­gleichs­ent­gelt gemäß § 10 Abs. 4 AÜG i. V. m. § 9 Nr. 2 AÜG nicht des­halb aus, weil es sich um kei­ne ma­te­ri­el­len Ar­beits­be­din­gun­gen im en­ge­ren Sin­ne han­de­le. Der Be­klag­ten ist dar­in bei­zu­pflich­ten, dass bei der Be­stim­mung bzw. Kon­kre­ti­sie­rung des Be­griffs der „we­sent­li­chen Ar­beits­be­din­gun­gen“ gemäß § 10 Abs. 4 AÜG die Aufzählung des § 2 Abs. 1 Satz 2 NachwG her­an­zu­zie­hen ist. Dies ent­spricht zum ei­nen der An­nah­me der Ein­heit­lich­keit der Be­griffs­ver­wen­dung in der Ar­beits­rechts­ord­nung. Ob­wohl in § 11 Abs. 1 AÜG, wo auf § 2 Abs. 1 NachwG Be­zug ge­nom­men ist, von we­sent­li­chen „Ver­trags­be­din­gun­gen“ die Re­de ist, wo­ge­gen in § 11 Abs. 4 AÜG der Be­griff der we­sent­li­chen „Ar­beits­be­din­gun­gen“ ver­wen­det wird, spre­chen kei­ne durch­grei­fen­den Ge­sichts­punk­te da­ge­gen, in­so­weit von ei­ner Kon­kor­danz

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der Be­griffs­ver­wen­dung aus­zu­ge­hen (vgl. Thüsing, AÜG, § 3 Rn. 60; Schüren, AÜG, § 9 Rn. 137; Hens­s­ler/Wil­lem­sen/Kalb, AÜG, § 3 Rn. 29).


bb) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers läuft der Grund­satz des equal pay/equal tre­at­ment gemäß § 10 Abs. 4 AÜG i. V. m. § 9 Nr. 2 AÜG bei ei­ner Ein­be­zie­hung ta­rif­ver­trag­li­cher Aus­schluss­frist­re­ge­lun­gen, die beim Ent­lei­her­un­ter­neh­men gel­ten, in den ge­setz­li­chen Gleich­stel­lungs­an­spruch nicht leer. Dies folgt - auch - aus ei­ner sys­te­ma­ti­schen Erwägung: Das AÜG gewährt dem Leih­ar­beit­neh­mer in § 13 im Fal­le der Über­las­sung ge­genüber dem Ent­lei­her ei­nen An­spruch auf Aus­kunft über die im Ent­lei­her­be­trieb für ei­nen ver­gleich­ba­ren Ar­beit­neh­mer des Ent­lei­hers gel­ten­den we­sent­li­chen Ar­beits­be­din¬gun­gen ein­sch­ließlich des Ar­beits­ent­gelts. Die­se Re­ge­lung soll of­fen­sicht­lich die prak­ti­sche Durch­setz­bar­keit des An­spruchs auf equal pay/equal tre­at­ment gewähr­leis­ten. Da­mit hat es der Leih­ar­beit­neh­mer in der Hand, durch Gel­tend­ma­chung die­ses Aus­kunfts­an­spruchs den „Fall­stri­cken“ von im Ent­lei­her­be­trieb an­ge­wand­ten Ta­rif­re­ge­lun­gen – so­mit ge­ra­de auch den eben­so gängi­gen wie für den Gläubi­ger gefähr­li­chen Aus­schluss­frist­re-ge­lun­gen – zu ent­ge­hen. Das AÜG gewährt dem Leih­ar­beit­neh­mer sol­che Aus­kunfts­ansprüche über die im Be­trieb des Ent­lei­hers gel­ten­den we­sent­li­chen Ar­beits­be­din­gun­gen ge­ra­de nicht ge­gen sei­nen ei­ge­nen, ver­lei­hen­den Ar­beit­ge­ber. Dies ist zum Ei­nen im Ge­gen­schluss (ar­gu­men­tum e con­tra­rio) aus dem Wort­laut des § 13 Abs. 1 AÜG zu ent­neh­men, zum An­de­ren aus dem Zu­sam­men­spiel zwi­schen die­ser Vor­schrift und § 11 Abs. 1 AÜG. § 11 Abs. 1 AÜG re­gelt die Nach­weis- und da­mit auch Aus­kunfts­pflicht des Ver­lei­hers ge­genüber sei­nem Leih­ar­beit­neh­mer un­ter Be­zug­nah­me auf § 2 Abs. 1 NachwG. Wenn al­so das AÜG hin­sicht­lich der im Ent­lei­her­be­trieb gel­ten­den we­sent­li­chen Ar­beits­be­din­gun­gen nicht ei­nen dop­pel­ten Aus­kunfts­an­spruch des Leih­ar­beit­neh­mers re­gelt - ei­nen Aus­kunfts­an­spruch gemäß § 13 ge­genüber dem Ent­lei­her und ei­nen sol­chen An­spruch gemäß § 11 ge­genüber dem Ver­lei­her -, wo­von nicht aus­zu­ge­hen ist, ste­hen bei­de Aus­kunfts­re­ge­lun­gen in wech­sel­sei­ti­ger Ergänzung ne­ben­ein­an­der. Da­mit geht das Ge­setz aber da­von aus, dass der Schutz des Leih­ar­beit­neh­mers, ge­ra­de auch in Be­zug auf den An­spruch auf equal pay/equal tre­at­ment gemäß § 10 Abs. 4 AÜG i. V. m. § 9 Nr. 2 AÜG, aus­rei­chend gewähr­leis­tet ist, wenn der Ver­lei­her sei­nen Leih­ar­beit­neh­mer le­dig­lich über die im Leih­ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Ver­trags­par­tei­en selbst ver­ein­bar­ten bzw. über die im Leih­ar­beits­verhält­nis kraft ar­beits­ver­trag­li­cher Be­zug­nah­me oder nor­ma­ti­ver Wir­kung gel­ten­den ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen in­for­miert, der Ent­lei­her da­ge­gen auf

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Ver­lan­gen des Leih­ar­beit­neh­mers die­sem über die im Ent­lei­her­be­trieb für ver­gleich­ba­re Ar­beit­neh­mer gel­ten­den we­sent­li­chen Ar­beits­be­din­gun­gen Aus­kunft gibt.


cc) Dass die gel­tend ge­mach­ten Ansprüche, die al­le­samt auf der vom Ent­lei­her­un­ter­neh­men prak­ti­zier­ten An­wen­dung des Ta­rif­werks der Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie in Bay­ern be­ru­hen, der ein­schlägi­gen ta­rif­ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist­re­ge­lung un­ter­lie­gen, folgt aber vor al­lem dar­aus, dass die Aus­schluss­frist­re­ge­lung Teil des je­wei­li­gen Ent­gelt­an­spruchs selbst der ver­gleich­ba­ren Stamm­ar­beit­neh­mer des Ent­lei­hers im Ent­lei­her­be­trieb ist. Aus­schluss­frist­re­ge­lun­gen sind ma­te­ri­el­le Ar­beits­be­din­gun­gen. Sie sind un­trenn­bar mit der ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lung des An­spruchs als sol­chen und sei­ner Höhe ver­bun­den. Der An­spruch erwächst so­mit von An­fang an mit der zeit­lich be­schränk­ten Möglich­keit der Gel­tend­ma­chung. Er lässt sich nicht von der ihm in­ne­woh­nen­den zeit­li­chen Di­men­si­on und der Wir­kung des Ver­falls nach de­ren Ab­lauf tren­nen (vgl. BAG 05.04.1984 – 443/81). Die Dau­er, in­ner­halb de­rer der An­spruch gel­tend ge­macht wer­den kann, gehört zum in­te­gra­len Be­stand­teil des An­spruchs selbst und ist die­sem nicht von außen „über­gestülpt“. Mit eben die­sem In­halt geht der An­spruch des ver­gleich­ba­ren Stamm­ar­beit­neh­mers in den An­spruch des Leih­ar­beit­neh­mers auf equal pay gemäß § 10 Abs. 4 AÜG i. V. m. § 9 Nr. 2 AÜG ein.


dd) Sch­ließlich wi­derspräche die Loslösung der vom Kläger gel­tend ge­mach­ten Ansprüche von der ta­rif­ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist­re­ge­lung dem Zweck des § 10 Abs. 4 AÜG.


Durch die­se Be­stim­mung soll ei­ne Gleich­stel­lung des Leih­ar­beit­neh­mers mit ver­gleich­ba­ren Stamm­ar­beit­neh­mern des Ent­lei­hers er­reicht wer­den, nicht da­ge­gen ei­ne Bes­ser­stel­lung. Zu ei­ner sol­chen käme es je­doch, wenn für die Leih­ar­beit­neh­mer – im Ge­gen­satz zu den Stamm­ar­beit­neh­mern des Ent­lei­her­un­ter­neh­mens – die Aus­schluss­frist­re­ge­lung nicht gälte. Um­ge­kehrt würde der Ver­lei­her dann schlech­ter ge­stellt als der Ent­lei­her. Dies ist vom Ge­setz nicht ge­wollt und – ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers – auch sach­lich zu recht­fer­ti­gen. Denn, wie aus­geführt wur­de, wirkt § 13 AÜG den prak­ti­schen Schwie­rig­kei­ten ent­ge­gen, de­nen der Leih­ar­beit­neh­mer bei der tatsächli­chen Durch­set­zung des equal pay/equal tre­at­ment be­geg­net. Das Ge­setz geht aber da­von aus, dass es der Leih­ar­beit­neh­mer durch Gel­tend­ma­chung sei­nes Aus­kunfts­an­spruchs gemäß § 13 AÜG ge­genüber

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dem Ent­lei­her selbst in die Hand nimmt, den ge­setz­li­chen Gleich­stel­lungs­an­spruch zu ver­wirk­li­chen. Es bürdet, wie § 11 Abs. 1 AÜG zeigt, dem ver­lei­hen­den Ar­beit­ge­ber in­so­weit nur die Erfüllung der Nach­weis­pflich­ten des § 2 Abs. 1 NachwG auf, nicht aber das Ri­si­ko der Un­kennt­nis des Leih­ar­beit­neh­mers von sol­chen im Ent­lei­her­be­trieb gel­ten­den we­sent­li­chen Ar­beits­be­din­gun­gen, die für den Ar­beit­neh­mer nach­tei­lig sind. Auch ist – wor­auf die Be­klag­te zu Recht hin­ge­wie­sen hat – nicht ein­zu­se­hen, wie­so der Ver­lei­her auf­grund der §§ 9 Nr. 2, 10 Abs. 4 AÜG we­ni­ger schutzwürdig sein soll als ein Ar­beit­ge­ber, der auf­grund frei­en Wil­lens­ent­schlus­ses (Ver­bands­zu­gehörig­keit oder ar­beits­ver­trag­li­che Be­zug­nah­me auf Ta­rif­verträge) ei­nen Ta­rif­ver­trag zur An­wen­dung bringt.


Ei­ne Schlech­ter­stel­lung des Ver­lei­hers ge­genüber dem von ei­ner ta­rif­ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist­re­ge­lung geschütz­ten Ent­lei­her ist nach al­lem vom Re­ge­lungs­zweck der §§ 10 Abs. 4, 9 Nr. 2 AÜG auch dann nicht ge­bo­ten, wenn es der Ver­lei­her un­ter­las­sen hat, sei­nen Leih­ar­beit­neh­mer auf den In­halt der beim Ent­lei­her gel­ten­den we­sent­li­chen Ar­beits­be­din­gun­gen hin­zu­wei­sen. Ei­ne sol­che Hin­weis­pflicht be­steht nicht. Im Übri­gen würden die ta­rif­ver­trag­li­chen Aus­schluss­fris­ten hier selbst dann gel­ten, wenn man ei­ne sol­che Hin­weis­pflicht annähme (vgl. zur Gel­tung ta­rif­ver­trag­li­cher Aus­schluss­fris­ten trotz Ver­s­toßes des Ar­beit­ge­bers ge­gen § 2 Abs.1 NachwG BAG 05.11.2003 – 5 AZR 676/02; BAG 29.05.2002 – 5 AZR 105/01; BAG 17.04.2002 – 5 AZR 89/01).

b) Die vom Kläger gel­tend ge­mach­ten Ansprüche auf Dif­fe­renz­vergütung und Über­stun­den­ent­gelt auf­grund von § 10 Abs. 4 AÜG i. V. m. § 9 Nr. 2 AÜG ha­ben sich nach ih­rem Ver­fall auf­grund der ta­rif­ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist­re­ge­lung auch nicht in Scha­den­er­satz­ansprüche gemäß §§ 280 Abs. 2, 286, 249 BGB ver­wan­delt.


Zwar kom­men sol­che Scha­den­er­satz­ansprüche in Be­tracht, wenn sich der Ar­beit­ge­ber mit der Aushändi­gung ei­ner Nie­der­schrift im Sin­ne von § 2 Abs. 1 NachwG in Ver­zug be­fin­det, wenn – ge­ge­be­nen­falls un­ter Zu­hil­fe­nah­me der Ver­mu­tungs­wir­kung aufklärungs­ge­rech­ten Ver­hal­tens – von ei­ner Kau­sa­lität der Pflicht­ver­let­zung für den ein­ge­tre­te­nen Scha­den aus­zu­ge­hen wäre, und wenn schließlich ein Mit­ver­schul­den des Klägers aus­schie­de (vgl. z. B. BAG 17.04.2002 - 5 AZR 89/01).

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Hier kommt ei­ne sol­che Scha­den­er­satz­pflicht je­doch schon des­halb nicht in Be­tracht, weil es, wie aus­geführt wur­de, an ei­ner Nach­weis­pflicht des ver­lei­hen­den Ar­beit­ge­bers in Be­zug auf die im Ent­lei­her­be­trieb gel­ten­den we­sent­li­chen Ar­beits- oder Ver­trags­be­din­gun­gen fehlt. Die­ser Nach­weis bzw. die­se Aufklärung ob­liegt nach § 13 AÜG al­lein dem Ent­lei­her auf Ver­lan­gen des Leih­ar­beit­neh­mers, nicht je­doch dem Ver­lei­her.


c) Der Kläger kann von der Be­klag­ten auch nicht Ab­gel­tung rest­li­cher Ur­laubs­ta­ge der Jah­re 2005 und 2006 ver­lan­gen.


Die­se Ansprüche sind nach § 7 Abs. 3 BUrlG ver­fal­len. Die Be­ru­fungs­kam­mer ver­mag dem Ar­beits­ge­richt nicht dar­in zu fol­gen, es han­de­le sich nicht um ar­beits­ver­trag­li­che Ur­laubs­ansprüche, son­dern um ge­setz­li­che Ansprüche, die dem Ver­fall gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG ent­zo­gen sei­en. Denn es han­delt sich zum ei­nen um Ansprüche auf Er­ho­lungs­ur­laub, die dem Kläger im Rah­men des mit der Be­klag­ten be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses, al­so letzt­lich auf­grund Ar­beits­ver­tra­ges, zu­ste­hen. Zum an­de­ren macht der Um­stand, dass das Ge­setz die­se Ur­laubs­ansprüche im Rah­men des equal pay/equal tre­at­ment gewähr­leis­tet, die­se Ansprüche nicht zu Ansprüchen, die außer­halb der Gel­tung des Bun­des­ur­laubs­ge­set­zes stünden. Sch­ließlich gilt auch hier, dass die­se - über­ge­setz­li­chen - Ansprüche, die der Kläger aus dem ein­schlägi­gen Man­tel­ta­rif­ver­trag ab­lei­tet, auch der ta­rif­ver­trag­li­chen, für den Ur­laub gel­ten­den Ver­fall­frist von drei Mo­na­ten nach Ab­lauf des Ur­laubs­jah­res un­ter­lie­gen muss.


3. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf §§ 97 Abs. 1 und 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.


4. Die Re­vi­si­on wird für den Kläger zu­ge­las­sen. Nähe­res hier­zu ist der nach­fol­gen­den Rechts­mit­tel­be­leh­rung zu ent­neh­men.

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Rechts­mit­tel­be­leh­rung:


Ge­gen die­ses Ur­teil kann der Kläger Re­vi­si­on ein­le­gen.


Für die Be­klag­te ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Frist von ei­nem Mo­nat ein­ge­legt und in­ner­halb ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten be­gründet wer­den.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung des Ur­teils.

Die Re­vi­si­on muss beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt

Hu­go-Preuß-Platz 1

99084 Er­furt

Post­an­schrift:
Bun­des­ar­beits­ge­richt
99113 Er­furt

Te­le­fax-Num­mer:
0361 2636-2000


ein­ge­legt und be­gründet wer­den.


Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.


Es genügt auch die Un­ter­zeich­nung durch ei­nen Be­vollmäch­tig­ten der Ge­werk­schaf­ten und von Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie von Zu­sam­men­schlüssen sol­cher Verbände
- für ih­re Mit­glie­der
- oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der

oder

 

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von ju­ris­ti­schen Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich in wirt­schaft­li­chem Ei­gen­tum ei­ner der im vor­ge­nann­ten Ab­satz be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen,
- wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt
- und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.


In je­dem Fall muss der Be­vollmäch­tig­te die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.


Zur Möglich­keit der Re­vi­si­ons­ein­le­gung mit­tels elek­tro­ni­schen Do­ku­ments wird auf die Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ar­beits­ge­richt vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hin­ge­wie­sen. Ein­zel­hei­ten hier­zu un­ter http://www.bun­des­ar­beits­ge­richt.de


Dr. Ro­sen­fel­der 

Dr. Hopf­ner 

Rie­del


 

Hin­weis der Geschäfts­stel­le:


Das Bun­des­ar­beits­ge­richt bit­tet, al­le Schriftsätze in sie­ben­fa­cher Aus­fer­ti­gung ein­zu­rei­chen.

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