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LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 24.11.2010, 3 Sa 204/10

   
Schlagworte: Kündigung: Außerordentlich, Kündigung: Verhaltensbedingt
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Aktenzeichen: 3 Sa 204/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 24.11.2010
   
Leitsätze: Duldet ein Arbeitgeber jahrelang die Einbringung privater Werkzeuge in eine Dienstwerkstatt sowie deren Mit-/Benutzung für die Erbringung von Arbeitsleistungen, muss er regelmäßig zunächst klare Anweisungen zur Trennung von Geschäftlichem und Privatem erstellen und ggf. eine Abmahnung erteilen, bevor der Ausspruch einer Kündigung in Betracht kommt.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Elmshorn, Urteil vom 22.04.2010, 3 Ca 105 b/10
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein

Ak­ten­zei­chen: 3 Sa 204/10
3 Ca 105 b/10 ArbG Elms­horn (Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben!)

 

Verkündet am 24.11.2010

als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Ur­teil

Im Na­men des Vol­kes

In dem Rechts­streit pp.

hat die 3. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Schles­wig-Hol­stein auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 24.11.2010 durch die Vi­ze­präsi­den­tin des Lan­des­ar­beits­ge­richts ... als Vor­sit­zen­de und d. eh­ren­amt­li­chen Rich­ter ... als Bei­sit­zer und d. eh­ren­amt­li­chen Rich­ter ... als Bei­sit­zer

für Recht er­kannt:

 

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Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Elms­horn vom 22.04.2010 – 3 Ca 105 b/10 – wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

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Ge­gen die­ses Ur­teil ist das Rechts­mit­tel der Re­vi­si­on nicht ge­ge­ben; im Übri­gen wird auf § 72 a ArbGG ver­wie­sen.

 

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung und ei­ner hilfs­wei­se aus­ge­spro­che­nen außer­or­dent­li­chen Kündi­gung mit ei­ner so­zia­len Aus­lauf­frist.

Der Kläger ist am ....1950 ge­bo­ren und bei der Be­klag­ten seit dem 01.04.1995 als Schul­haus­meis­ter beschäftigt. Das Ar­beits­verhält­nis rich­tet sich nach den Be­stim­mun­gen des TVöD. Der Kläger er­hielt zu­letzt durch­schnitt­lich 3.400,-- EUR brut­to mo­nat­lich.

Bis An­fang Au­gust 2009 war der Kläger in der G... der Stadt Q... als Haus­meis­ter ein­ge­setzt. Im Kel­ler die­ser Schu­le be­fin­det sich ein Werk­statt­raum. Er ist von der Be­klag­ten mit vor vie­len Jah­ren mit werk­statt­taug­li­chem Licht und 2008 nach den gel­ten­den Brand­schutz­be­stim­mun­gen aus­ge­stat­tet wor­den. Die­ser Werk­statt­raum ist mit Geräten der Be­klag­ten, z. B. ei­ner Ho­bel­bank/Ho­bel­ma­schi­ne, Hämmern, Zan­gen und Schraub­zwin­gen, aber auch mit pri­va­ten Geräten des Klägers (Kreissäge, Dreh­bank, Ab­saug­gerät) aus­ge­stat­tet. Der Kläger nutz­te die­sen Kel­ler­raum für sei­ne Haus­meis­tertätig­keit und führ­te dort auch Holz­ar­bei­ten für die Schu­le durch. Ob die­ses auch für pri­va­te Zwe­cke ge­schah, ist zwi­schen den Par­tei­en strei­tig. Der Kläger hat dort z. B. Feu­er­holz gesägt. Es fan­den re­gelmäßig Schul­fes­te statt, auf de­nen Feu­er­holz be­nutzt wur­de. Es wur­den in der G... Re­pa­ra­tu­ren an Turn­geräten durch­geführt. Der Kläger hat Com­pu­ter­ti­sche her­ge­stellt.

Mit Schrei­ben vom 05.08.2009 be­an­trag­te der Kläger Al­ters­teil­zeit, be­gin­nend mit dem 01.12.2009. Am 07.08.2009 fand ein Gespräch im Rat­haus der Be­klag­ten u. a. un­ter Be­tei­li­gung des Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Be­klag­ten so­wie des Per­so­nal­rats statt. Dem Kläger wur­de die mehrwöchi­ge Nut­zung der Schul­du­sche außer­halb der Ar­beits­zeit vor­ge­wor­fen. Kon­kret wur­de dem Kläger vor­ge­hal­ten, mon­tags in der Zeit von 17.00 bis 18.00 Uhr und frei­tags in der Zeit von 16.00 bis 18.00 Uhr nach sei­nem Fei­er­abend ge­duscht zu ha­ben (Bl. 72 d. A.). Mit Schrei­ben der Be­klag­ten vom 03.09.2009 wur­de der Kläger ab­ge­mahnt. Dort heißt es, dass ihm vor­ge­wor­fen wer­de, mon­tags bis frei­tags in der Zeit von 16.00 bis 18.00 Uhr außer­halb sei­nes

 

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Diens­tes mehr­fach die Du­sche der Sport­hal­le in der G... ge­nutzt zu ha­ben, oh­ne dass hierfür ei­ne Er­laub­nis er­teilt wur­de (An­la­ge B 1, Bl. 41 d. A.).

Der Kläger hat die Außen- und In­nen­an­la­ge der Schu­le be­treut.

Schon vor der Ab­mah­nung, nämlich im Au­gust 2009 hat die Be­klag­te den Kläger in die W... ver­setzt. Er war seit­her je­doch im Rah­men von Be­reit­schafts­dienst je­weils ei­ne Wo­che im Mo­nat für die G... zuständig.

Im Ok­to­ber 2009 hat sich die Be­klag­te an die G... ge­wandt, um Ur­sa­chen für erhöhten En­er­gie­ver­brauch fest­zu­stel­len. An­fang No­vem­ber 2009 wur­de ei­ne Gebäude­kon­trol­le durch­geführt und auch die Werk­statt in Au­gen­schein ge­nom­men. Der Kläger wur­de da­nach am 06.11.2009 an­gehört. Er hat im Rah­men der Er­mitt­lung des Sach­ver­hal­tes u. a. vor­ge­bracht, dass die kläger­sei­ti­ge Nut­zung der Werk­statt der Be­klag­ten be­kannt ge­we­sen sei. Ob er sich da­bei zu ei­ner Pri­vat­nut­zung geäußert hat, ist strei­tig.

Mit Schrei­ben vom 09.11.2009 be­an­trag­te die Be­klag­te bei dem Per­so­nal­rat die Zu­stim­mung zu ei­ner „außer­or­dent­li­chen und frist­lo­sen Kündi­gung des Klägers, die hilfs­wei­se als or­dent­li­che und frist­ge­rech­te Kündi­gung aus­ge­spro­chen wer­den soll“ (Bl. 42 d. A.).

Mit Schrei­ben vom 16.11.2009 ver­wei­ger­te der Per­so­nal­rat die Zu­stim­mung und be­gründe­te die­ses u. a. da­mit, dass die Be­klag­te die Nut­zung der pri­va­ten Geräte durch den Kläger ge­bil­ligt und auch selbst in An­spruch ge­nom­men ha­be. Im Übri­gen sei die be­ab­sich­tig­te Kündi­gung un­verhält­nismäßig (Bl. 45 ff d. A.).

Mit Schrei­ben vom 18.11.2009 rief die Be­klag­te so­dann gemäß § 53 Abs. 2 Mit­be­stim­mungs­ge­setz Schles­wig-Hol­stein die Ei­ni­gungs­stel­le an. Die­se gab der Be­klag­ten mit Be­schluss vom 16.12.2009 auf, von der ge­plan­ten Maßnah­me Ab­stand zu neh­men und dem Kläger ei­ne Ab­mah­nung aus­zu­spre­chen.

 

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Gleich­wohl sprach die Be­klag­te so­dann mit Schrei­ben vom 28.12.2009 ei­ne außer­or­dent­li­che und frist­lo­se Kündi­gung so­wie hilfs­wei­se ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung mit ei­ner so­zia­len Aus­lauf­frist von sechs Mo­na­ten zum Quar­tals­en­de aus. Die­ses Schrei­ben wur­de dem Kläger am 29.12.2009 durch Ein­wurf in den Haus­brief­kas­ten zu­ge­stellt. Zu die­sem Zeit­punkt be­fand sich der Kläger im Ur­laub.

Das Ar­beits­ge­richt hat der am 19.01.2010 ein­ge­gan­ge­nen Kündi­gungs­schutz­kla­ge statt­ge­ge­ben. Das ist im We­sent­li­chen mit der Be­gründung ge­sche­hen, un­ter Berück­sich­ti­gung des Vor­brin­gens der Be­klag­ten sei das Vor­lie­gen ei­nes wich­ti­gen Grun­des für den Aus­spruch ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung nicht fest­stell­bar. Ein Kündi­gungs­grund sei schon un­ter Verhält­nismäßig­keits­ge­sichts­punk­ten nicht ge­ge­ben. Bezüglich wei­te­rer Ein­zel­hei­ten wird auf Tat­be­stand, Anträge und Ent­schei­dungs­gründe des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils vom 22.04.2010 ver­wie­sen.

Die Be­klag­te hat ge­gen die­se am 06.05.2010 zu­ge­stell­te Ent­schei­dung frist­ge­recht Be­ru­fung ein­ge­legt, die auch in­ner­halb der verlänger­ten Be­ru­fungs­be­gründungs­frist be­gründet wur­de.

Sie trägt vor, be­reits die frist­lo­se Kündi­gung sei ge­recht­fer­tigt. Je­den­falls aber die hilfs­wei­se aus­ge­spro­che­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung mit ei­ner so­zia­len Aus­lauf­frist zum 30.06.2010, die als frist­gemäße Kündi­gung um­zu­deu­ten sei. Der Kläger ha­be das Vermögen der Be­klag­ten geschädigt und das Ver­trau­en un­wi­der­bring­lich erschüttert. Er ha­be in beträcht­li­chem Um­fang in dem Werk­statt­raum der G... mit pri­va­ten Geräten und für pri­va­te Zwe­cke Holz­ar­bei­ten durch­geführt. Zurück­ge­rech­net auf ein dies­bezügli­ches Ver­hal­ten von sechs Jah­ren er­ge­be sich in et­wa ein Scha­den von min­des­tens 234,-- EUR. Die­ses Ver­hal­ten des Klägers sei ein wich­ti­ger Grund, der zu ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung be­rech­ti­ge. Das gel­te um­so mehr, als der Kläger be­reits mit der Ab­mah­nung vom 03.09.2009 dar­auf hin­ge­wie­sen wor­den sei, dass die Be­klag­te kor­rek­tes Ver­hal­ten er­war­te und kei­ne wei­te­ren Pflicht­ver­let­zun­gen dul­de.

Mit Schrift­satz vom 23.11.2010 hat die Be­klag­te so­dann noch be­strit­ten, dass der Kläger im Rah­men sei­ner dienst­li­chen Tätig­keit an der G... in Q... Feu­er­holz für die

 

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et­wa zwei­mal jähr­lich statt­fin­den­den Schul­fes­te be­reit­ge­stellt, Re­pa­ra­tu­ren an Turn­geräten durch­geführt und Tisch­plat­ten ge­holt hat.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Elms­horn vom 22.04.2010 – Az. 3 Ca 105 b/10 – ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Teil­ur­teil des Ar­beits­ge­rich­tes Elms­horn – 3 Ca 105 b/10 – vom 22.04.2010 zurück­zu­wei­sen.

Er hält das an­ge­foch­te­ne Ur­teil so­wohl in tatsäch­li­cher als auch in recht­li­cher Hin­sicht für zu­tref­fend. Be­reits die aus­ge­spro­che­ne Ab­mah­nung sei un­wirk­sam. Er ha­be die Schul­werk­statt zwar auf ei­ge­ne Kos­ten mit Werk­zeu­gen aus­ge­stat­tet, aber aus­sch­ließlich für dienst­li­che Zwe­cke ge­nutzt. Die­ses sei der Be­klag­ten auch be­kannt ge­we­sen. Sie ha­be es im ei­ge­nen In­ter­es­se ge­dul­det, Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten an Schul­in­ven­tar eben­so ent­ge­gen­ge­nom­men, wie von ihm zersägtes Feu­er­holz auf Schul­fes­ten ver­brannt. Im Übri­gen sei die Kündi­gung auch aus for­mel­len Ge­sichts­punk­ten un­wirk­sam. Schon die Ab­mah­nung sei nicht kor­rekt und auch nicht ein­schlägig. Ei­ne Um­deu­tung der ex­pli­zit als frist­lo­se Kündi­gung be­zeich­ne­ten Kündi­gung in ei­ne frist­gemäße Kündi­gung sei aus­ge­schlos­sen.

Hin­sicht­lich des wei­te­ren Vor­brin­gens wird auf den münd­lich vor­ge­tra­ge­nen In­halt der ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie die Pro­to­kol­le der Ver­hand­lun­gen Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung ist zulässig. Sie ist form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und in­ner­halb der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist auch be­gründet wor­den. In der Sa­che konn­te sie je­doch kei­nen Er­folg ha­ben.

 

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Mit ausführ­li­cher Be­gründung hat das Ar­beits­ge­richt der Kündi­gungs­schutz­kla­ge statt­ge­ge­ben und dar­auf ab­ge­stellt, dass kein Kündi­gungs­grund vor­liegt. Dem folgt das Be­ru­fungs­ge­richt im Er­geb­nis und in Tei­len der Be­gründung. Zur Ver­mei­dung von Wie­der­ho­lun­gen wird vor­ab auf die Ent­schei­dungs­gründe des an­ge­foch­te­nen Ur­teils ver­wie­sen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Le­dig­lich ergänzend und auch auf den neu­en Vor­trag der Par­tei­en ein­ge­hend, wird Fol­gen­des aus­geführt:

Un­ter Berück­sich­ti­gung der vor­lie­gen­den Ein­zel­fal­l­umstände und des Verhält­nismäßig­keits­grund­sat­zes be­rech­tigt das Ver­hal­ten des Klägers we­der zum Aus­spruch ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung gemäß §§ 626 Abs. 1 BGB noch zum Aus­spruch ei­ner or­dent­li­chen, ver­hal­tens­be­ding­ten Kündi­gung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Vor Aus­spruch ei­ner Kündi­gung hätte die Be­klag­te hier ei­ne Ab­mah­nung aus­spre­chen und kla­re be­trieb­li­che An­wei­sun­gen er­stel­len müssen. Vor die­sem Hin­ter­grund kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob die mit Schrei­ben vom 28.12.2009 aus­drück­lich als außer­or­dent­li­che, frist­lo­se Kündi­gung be­zeich­ne­te Wil­lens­erklärung der Be­klag­ten in ei­ne frist­gemäße Kündi­gung um­ge­deu­tet wer­den könn­te. Eben­so kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob es Feh­ler in der Per­so­nal­rats­anhörung gab oder ob die Zwei-Wo­chen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB ein­ge­hal­ten wur­de.

I. Die außer­or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 28.12.2009 ist un­wirk­sam. Ein wich­ti­ger Grund zur Kündi­gung liegt nicht vor.

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Ar­beits­verhält­nis aus wich­ti­gem Grund oh­ne Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist gekündigt wer­den, wenn Tat­sa­chen vor­lie­gen, auf­grund de­rer dem Kündi­gen­den un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände des Ein­zel­falls und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist nicht zu­ge­mu­tet wer­den kann. Die er­for­der­li­che Prüfung, ob ein ge­ge­be­ner Le­bens­sach­ver­halt ei­nen wich­ti­gen Grund dar­stellt, voll­zieht sich zwei­stu­fig: Im Rah­men von § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein be­stimm­ter Sach­ver­halt oh­ne die be­son­de­ren Umstände des Ein­zel­falls an sich als wich­ti­ger Kündi­gungs­grund ge­eig­net ist. Liegt ein sol­cher Sach­ver­halt vor, be­darf es stets der wei­te­ren Prüfung, ob die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält-

 

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nis­ses un­ter Berück­sich­ti­gung der kon­kre­ten Umstände des Ein­zel­falls und un­ter Abwägung der In­ter­es­sen bei­der Ver­trags­tei­le auf Dau­er zu­mut­bar ist oder nicht (BAG vom 23.06.2009 - 2 AZR 103/08 – zi­tiert nach Ju­ris, Rz. 18 m. w. N.).

Dem Sinn und Zweck des wich­ti­gen Grun­des zur außer­or­dent­li­chen Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ent­spricht es, dass auch bei ei­nem abs­trakt durch­aus er­heb­li­chen Ver­hal­ten doch noch in je­dem kon­kre­ten Ein­zel­fal­le ei­ne Abwägung al­ler für und ge­gen die Lösung des Ar­beits­verhält­nis­ses spre­chen­den Gründe er­folgt (BAG vom 23.01.1963 – 2 AZR 278/62 = AP Nr. 8 zu § 124 a Ge­wer­be­ord­nung). Bei der Prüfung des wich­ti­gen Grun­des kommt es nicht dar­auf an, wie ein be­stimm­tes Ver­hal­ten straf­recht­lich zu würdi­gen ist, son­dern dar­auf, ob der Ge­samt­sach­ver­halt die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses un­zu­mut­bar macht (BAG vom 27.01.1977 - 2 ABR 77/96 - = AP Nr. 7 zu § 103 Be­trVG 1972; BAG AP Nr. 13 zu § 626 BGB). Zweck ei­ner Kündi­gung we­gen ei­ner Ver­trags­ver­let­zung darf re­gelmäßig nicht die Sank­ti­on ei­ner Ver­trags­ver­let­zung sein. Die Kündi­gung dient der Ver­mei­dung des Ri­si­kos wei­te­rer Ver­trags­ver­let­zun­gen (BAG vom 23.06.2009 – 2 AZR 103/08 – zi­tiert nach Ju­ris). Das ist un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner ne­ga­ti­ven Zu­kunfts­pro­gno­se zu be­trach­ten.

2. Im Rah­men der er­for­der­li­chen In­ter­es­sen­abwägung und Ein­zel­fall­prüfung sind al­le für das je­wei­li­ge Ver­trags­verhält­nis in Be­tracht kom­men­den Ge­sichts­punk­te zu be­wer­ten. Da­zu gehören das ge­ge­be­ne Maß der Beschädi­gung des Ver­trau­ens, das In­ter­es­se an der kor­rek­ten Hand­ha­bung der Geschäfts­an­wei­sun­gen, das vom Ar­beit­neh­mer in der Zeit sei­ner un­be­an­stan­de­ten Beschäfti­gung er­wor­be­ne „Ver­trau­en­s­ka­pi­tal“ eben­so wie ggfs. die wirt­schaft­li­chen Fol­gen des Ver­trags­ver­s­toßes. Ei­ne ab­sch­ließen­de Aufzählung ist nicht möglich. Ins­ge­samt muss sich die so­for­ti­ge Auflösung des Ar­beits­verhält­nis­ses als an­ge­mes­se­ne Re­ak­ti­on auf die ein­ge­tre­te­ne Ver­tragsstörung er­wei­sen. Un­ter Umständen kann ei­ne Ab­mah­nung als mil­de­res Mit­tel zur Wie­der­her­stel­lung des für die Fort­set­zung des Ver­tra­ges not­wen­di­gen Ver­trau­ens aus­rei­chen, um ei­nen künf­tig wie­der störungs­frei­en Ver­lauf des Ar­beits­verhält­nis­ses zu be­wir­ken (BAG vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – Pres­se­mit­tei­lung 24/10).

 

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Be­ruht ei­ne Ver­trags­pflicht­ver­let­zung auf steu­er­ba­rem Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers, ist grundsätz­lich da­von aus­zu­ge­hen, dass sein künf­ti­ges Ver­hal­ten schon durch die An­dro­hung von Fol­gen für den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses po­si­tiv be­ein­flusst wer­den kann (Schlach­ter, NZA 2005, 433, 436). Die Ab­mah­nung dient der Ob­jek­ti­vie­rung der Pro­gno­se. Die or­dent­li­che wie die außer­or­dent­li­che Kündi­gung we­gen ei­ner Ver­trags­pflicht­ver­let­zung set­zen des­halb re­gelmäßig ei­ne Ab­mah­nung vor­aus (BAG vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – zi­tiert nach Ju­ris – Rz. 36). Ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung kommt nur in Be­tracht, wenn es kei­nen an­ge­mes­se­nen Weg gibt, das Ar­beits­verhält­nis fort­zu­set­zen, weil dem Ar­beit­ge­ber sämt­li­che mil­de­ren Re­ak­ti­onsmöglich­kei­ten un­zu­mut­bar sind (st. Rspr., vgl. nur BAG vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – zi­tiert nach Ju­ris, Rz. 34 m.w.N.) ).

3. Vor die­sem recht­li­chen Hin­ter­grund ist die außer­or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 28.12.2009 un­wirk­sam.

a) Wie das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend fest­ge­stellt hat, kann hier da­hin­ge­stellt blei­ben, ob der Kläger die von der Be­klag­ten be­haup­te­ten Ver­trags­pflicht­ver­let­zun­gen über­haupt be­gan­gen hat. Der Kläger hat die­ses stets be­strit­ten.

Die Be­klag­te hat das Vor­lie­gen ei­nes Kündi­gungs­grun­des nicht sub­stan­ti­iert dar­ge­legt. Sie ist je­doch dar­le­gungs- und be­weis­be­las­tet. Es ist be­reits strei­tig, ob der Kläger über­haupt im Schul­werk­statt­raum pri­va­te Holz­ar­bei­ten auf Strom­kos­ten der Be­klag­ten durch­geführt hat. Die Be­klag­te hat die­ses auch nicht annähernd sub­stan­ti­iert dar­ge­legt. Glei­ches gilt für ih­re nicht näher be­leg­te Be­haup­tung ge­stei­ger­ten Strom­ver­brauchs der G.... Erst recht fehlt kon­kre­tes Vor­brin­gen zu ei­ner Ursächlich­keit ei­nes et­wai­gen Ver­hal­tens des Klägers für ei­ne sol­che nicht näher kon­kre­ti­sier­te und durch nichts be­leg­te Stei­ge­rung des Strom­ver­brauchs. Die Be­klag­te hat le­dig­lich pau­scha­le Be­haup­tun­gen auf­ge­stellt.

b) Die Be­klag­te hat kon­kret fest­ge­stellt, dass der Kläger u.a. Holz zu Feu­er­holz in der Schul­werk­statt zersägt hat. So­weit sie we­ni­ge St­un­den vor der Be­ru­fungs­ver­hand­lung mit Schrift­satz vom 23.11.2010 be­strit­ten hat, dass er in den zurück­lie­gen­den 14 Jah­ren sei­ner Tätig­keit als Haus­meis­ter der G... u. a. Schul­geräte re­pa­riert,

 

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Feu­er­holz für die zwei­mal jähr­lich statt­fin­den­den Schul­fes­te zersägt und be­reit­ge­stellt, Re­pa­ra­tur­ar­bei­ten an Mo­bi­li­ar durch­geführt und Com­pu­ter­ti­sche her­ge­stellt hat­te, ist die­ses pau­scha­le Be­strei­ten so­wohl un­zulässig als auch größten­teils ver­spätet.

aa) Un­ter dem Ge­sichts­punkt der ab­ge­stuf­ten Dar­le­gungs- und Be­weis­last ist es nach der höchst­rich­ter­li­chen Recht­spre­chung ei­ner Par­tei ver­wehrt, ei­nen vor­ge­tra­ge­nen Sach­ver­halt pau­schal mit Nicht­wis­sen zu be­strei­ten, so­weit der vor­ge­tra­ge­ne Sach­ver­halt der ei­ge­nen Wahr­neh­mung zugäng­lich und von ihr er­mit­tel­bar ist, er so­gar durch ei­ge­ne Wei­sungs­be­fug­nis aus­ge­stal­tet wer­den kann und wird. Bei ei­ner der­ar­ti­gen Fall­kon­stel­la­ti­on ist es ge­bo­ten, auf kon­kre­ten Tat­sa­chen­vor­trag mit kon­kre­ten Tat­sa­chen zu er­wi­dern. Das schlich­te pau­scha­le Be­strei­ten kon­kre­ten Tat­sa­chen­vor­trags ist pro­zes­su­al un­zulässig und un­be­acht­lich.

bb) Un­ge­ach­tet des­sen ist das mit Schrift­satz vom 23.11.2010 vor­ge­brach­te pau­scha­le Be­strei­ten der Be­klag­ten auch ver­spätet im Sin­ne des § 67 Abs. 3 und Abs. 4 ArbGG. Bis zum letz­ten Tag vor der Be­ru­fungs­ver­hand­lung war un­strei­tig, dass der Kläger in der Schul­werk­statt Feu­er­holz für die zwei­mal jähr­lich statt­fin­den­den Schul­fes­te gesägt und be­reit­ge­stellt hat. Eben­so war un­strei­tig, dass er Gerätschaf­ten der Schu­le re­pa­riert, Com­pu­ter­ti­sche ge­baut und Tisch­plat­ten ge­holt hat. So­weit die Be­klag­te die­ses Vor­brin­gen des Klägers sub­stan­ti­iert mit ent­spre­chen­dem Ge­gen­be­weis­an­ge­bot be­strei­ten woll­te, hätte ent­spre­chen­der Tat­sa­chen­vor­trag gemäß §§ 66, 67 Abs. 3,4 ArbGG un­ter Be­ach­tung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist vor­ge­bracht wer­den müssen. Ab­ge­se­hen da­von, dass die­ses nicht ge­sche­hen ist, ist das späte Vor­brin­gen der Be­klag­ten auch un­ent­schul­digt und nicht ent­schuld­bar. Ihm nach­zu­ge­hen, hätte im Übri­gen auch zu ei­ner Verzöge­rung des Rechts­streits geführt, da es ei­ner Be­weis­auf­nah­me und da­mit ein­her­ge­hend ei­ner Zeu­gen­la­dung be­durft hätte. Das je­doch war so kurz­fris­tig nicht mehr recht­zei­tig rea­li­sier­bar. Zeu­gen wur­den auch sei­tens der Be­klag­ten nicht sis­tiert.

c. Ab­ge­se­hen da­von, ist der aus An­lass der Ar­beits­leis­tung des Klägers er­ho­be­ne Vor­wurf der Be­klag­ten vor­lie­gend be­reits grundsätz­lich nicht ge­eig­net, ei­ne frist­lo­se Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen. Der Kläger hat während der mehr als 14-jähri­gen Dau­er

 

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sei­ner Tätig­keit als Haus­meis­ter der G... ganz maßgeb­lich auch mit selbst ge­kauf­tem Werk­zeug in dem Werk­statt­raum der G... Holz­ar­bei­ten für die Schu­le und da­mit auch für die Be­klag­te als Träge­rin die­ser Schu­le ver­rich­tet. Die Be­klag­te hat sich um die Aus­stat­tung die­ses Werk­statt­rau­mes nicht – wirk­lich - gekümmert. Sie hat le­dig­lich ei­ne Ho­bel­bank für Holz­ar­bei­ten zur Verfügung ge­stellt und den Kel­ler­raum mit werk­statt­taug­li­chem Licht und nach den gel­ten­den Brand­schutz­be­stim­mun­gen aus­ge­stat­tet. Mit­hin war ihr die Exis­tenz der Werk­statt be­kannt.

Die Be­klag­te hat in der Ver­gan­gen­heit über vie­le Jah­re hin­weg in An­spruch ge­nom­men, dass zu ih­ren Schul­fes­ten zersägtes Feu­er­holz für Ak­ti­vitäten der Schu­le zur Verfügung stand. Sie hat die­ses Feu­er­holz we­der ex­tern be­sorgt noch sich auch nur Ge­dan­ken darüber ge­macht, wann von wem un­ter In­an­spruch­nah­me wel­cher Leis­tun­gen die­ses Feu­er­holz der Schu­le zur Verfügung ge­stellt wur­de. Die Be­klag­te hat sich um die Hin­ter­gründe nicht gekümmert, das Er­geb­nis aber in An­spruch ge­nom­men. Dass Feu­er­holz nicht auf ei­ner Ho­bel­bank, viel­mehr nur mit­tels ei­ner Säge zer­klei­nert wird, die die Be­klag­te für den Werk­statt­raum je­doch nicht zur Verfügung ge­stellt hat, ist of­fen­sicht­lich. Der Kläger hat u. a. ei­ne Kreissäge aus pri­va­ten Mit­teln zur Verfügung ge­stellt. Die Be­klag­te hat hier­aus Nut­zen ge­zo­gen, oh­ne Hand­lungs­an­lass zu se­hen oder ir­gend­et­was klar­zu­stel­len. Mit­hin ha­ben die Be­klag­te be­zie­hungs­wei­se ihr zu­zu­rech­nen­de Per­so­nen über Jah­re hin­weg die Nut­zung von pri­va­ten Ge­genständen des Klägers ent­ge­gen­ge­nom­men und die­se zu kei­nem Zeit­punkt zurück­ge­wie­sen. Eben­so we­nig hat die Be­klag­te je­mals ein dies­bezügli­ches Han­deln des Klägers un­ter­sagt. Es fehlt jeg­li­ches Vor­brin­gen der Be­klag­ten, dass und wann sie während der langjähri­gen Be­triebs­zu­gehörig­keit des Klägers über­haupt nur an­satz­wei­se je­mals ord­nend und re­gelnd An­wei­sun­gen darüber er­teilt hat, wel­che Ver­mi­schung pri­va­ter und dienst­li­cher An­ge­le­gen­hei­ten ge­dul­det, er­laubt, erwünscht oder un­erwünscht ist. Auf aus­drück­li­che Nach­fra­ge der Be­ru­fungs­kam­mer, ob An­wei­sun­gen in Be­zug auf die Nut­zung der Du­schen, ei­ne Betäti­gung in der Schul­werk­statt, ei­ne Nut­zung pri­va­ter Werk­zeu­ge in der­sel­ben und ei­ne Ver­ga­be von Holz­ar­bei­ten etc. in der Ver­gan­gen­heit er­teilt wur­den, ist die­ses de­fi­ni­tiv ver­neint wor­den. Un­ter Verhält­nismäßig­keits­ge­sichts­punk­ten hätte es je­doch ge­ra­de im vor­lie­gen­den Fall vor Aus­spruch ei­ner Kündi­gung ei­ner ex­pli­zi­ten Klar­stel­lung und An­wei­sung der Be­klag­ten be­durft. Ihr ob­lag auf­grund ih­res ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Di­rek­ti-

 

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ons­rech­tes die Be­fug­nis und die Möglich­keit, im In­ter­es­se an der kor­rek­ten Hand­ha­bung von Geschäften kla­re An­wei­sun­gen zu er­tei­len, die es ih­ren Ar­beit­neh­mern e-mögli­chen, sich an die­sen zu ori­en­tie­ren und die­se zu be­ach­ten. So­lan­ge je­doch der­ar­ti­ge kla­re An­wei­sun­gen über­haupt feh­len, fehlt auch die Be­rech­ti­gung, ein Ver­hal­ten als „Pflicht­ver­s­toß“ zu ahn­den, das nie­mals zu­vor als Pflicht­ver­s­toß de­fi­niert wur­de; das im Ge­gen­teil viel­mehr in der Ver­gan­gen­heit, wenn nicht gar befürwor­tend, je­den­falls la­tent dan­kend ent­ge­gen­ge­nom­men wur­de. Kla­re Ver­hal­tens­re­geln der Be­klag­ten ge­genüber dem Kläger im Um­gang mit dem Werk­statt­raum und den dort be­find­li­chen schul­ei­ge­nen Geräten exis­tie­ren nicht. Sie exis­tie­ren aber auch in Be­zug auf die Nut­zung der vie­len pri­va­ten Geräte des Klägers nicht. Die Be­klag­te hat auch Holz­re­pa­ra­tur­ar­bei­ten des Klägers an Schul­geräten nicht zurück­ge­wie­sen. Sie hätte je­doch klar re­gelnd vor­ge­hen müssen, um ein et­wai­ges Ver­hal­ten des Klägers über­haupt als pflicht­wid­rig fest­stel­len zu können.

Da die Be­klag­te je­doch kei­ne Geschäfts­an­wei­sun­gen er­teilt hat, kann dem Kläger un­ter Berück­sich­ti­gung der zurück­lie­gen­den 14-jähri­gen Hand­ha­bung im Zu­sam­men­hang mit sei­ner Tätig­keit als Haus­meis­ter kein Ver­s­toß ge­gen klar de­fi­nier­te Pflich­ten zur Last ge­legt wer­den.

d. Et­was an­de­res er­gibt sich auch nicht un­ter Berück­sich­ti­gung der dem Kläger mit Da­tum vom 03.09.2009 aus­ge­spro­che­nen Ab­mah­nung. Trotz Exis­tenz die­ses Ab­mah­nungs­schrei­bens wa­ren hier kla­re An­wei­sun­gen, ein Ab­war­ten, ob der Kläger die­se be­ach­ten würde und ge­ge­be­nen­falls ei­ne er­neu­te Ab­mah­nung un­erläss­lich.

aa) Die Ab­mah­nung vom 03.09.2010 ist be­reits im Tatsächli­chen in meh­rer­lei Hin­sicht un­kor­rekt und mit Feh­lern be­haf­tet. Die Be­klag­te wirft dem Kläger nach dem Wort­laut der Ab­mah­nung vor, er ha­be mon­tags bis frei­tags von 16.00 Uhr bis 18.00 Uhr mehr­fach ge­duscht. Be­reits die­se Zeit­an­ga­ben sind un­kor­rekt. Nach ei­ge­nem schriftsätz­li­chen Vor­brin­gen hat der Kläger al­len­falls un­be­fugt mon­tags bis don­ners­tags zwi­schen 17.00 Uhr und 18.00 Uhr die Du­sche der Sport­hal­le außer­halb der Ar­beits­zeit ge­nutzt, nicht je­doch von 16.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Außer­dem wird er wohl kaum ei­ne St­un­de oder gar zwei St­un­den lang ge­duscht ha­ben. Enthält ei­ne Ab­mah­nung un­kor­rek­te Tat­sa­chen, ist sie be­reits aus die­sem Grun­de recht­lich nicht halt­bar.

 

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Schon vor die­sem Hin­ter­grund sind die Wirk­sam­keit und die Außen­wir­kung der Ab­mah­nung der Be­klag­ten vom 03.09.2009 be­reits höchst frag­lich.

bb) Ab­ge­se­hen da­von ist die­se Ab­mah­nung nicht ein­schlägig. Sie be­zieht sich nicht auf die Werk­statt­nut­zung. Wie be­reits erwähnt, hat die Be­klag­te dem Kläger zu kei­nem Zeit­punkt ex­pli­zit mit­ge­teilt, was sie nicht dul­det, was sie als Pflicht­ver­let­zung an­sieht. Das wäre je­doch an­ge­sichts des 14 Jah­re lan­gen dul­den­den Ver­hal­tens un­erläss­lich ge­we­sen. Die Be­klag­te kann sich in­so­weit auch nicht dar­auf zurück­zie­hen, sie ha­be von der 14 Jah­re währen­den be­trieb­li­chen Ge­pflo­gen­heit nichts ge­wusst. Soll­te die­ses tatsächlich zu­tref­fen, kann die­ses nicht dem Kläger an­ge­las­tet wer­de. Sie hätte sie sich dar­um kümmern, die Ar­beits­leis­tun­gen ih­rer Haus­meis­ter über­prüfen müssen. Wenn die­ses tatsächlich nicht ge­sche­hen ist, war es erst recht un­erläss­lich, vor Aus­spruch ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung zunächst ein­deu­ti­ge kla­re An­wei­sun­gen zu er­tei­len, die un­ter an­de­rem dem Kläger auf­zei­gen, was aus Sicht der Be­klag­ten – nun­mehr – als rechtmäßig bzw. rechts­wid­rig an­ge­se­hen wird, da­mit er sein künf­ti­ges Ver­hal­ten dar­an aus­rich­ten kann.

cc) So­weit die Be­klag­te ih­re außer­or­dent­li­che Kündi­gung da­mit zu recht­fer­ti­gen ver­sucht, sie ha­be zu kei­nem Zeit­punkt die Nut­zung pri­va­ter Werk­zeu­ge des Klägers of­fi­zi­ell ge­dul­det, er­gibt sich hier­aus nichts an­de­res. Im Ge­gen­teil: Die Be­klag­te hat de­fi­ni­tiv den Werk­statt­raum der G... teil­wei­se mit Geräten und mit Strom aus­ge­stat­tet und auch die Ein­hal­tung von Brand­schutz­be­stim­mun­gen über­prüft. Ihr war da­mit die Exis­tenz der Werk­statt be­kannt. Die Be­klag­te war da­her ver­pflich­tet, die­se Werk­statt auf Ein­hal­tung der Ar­beits­schutz­be­din­gun­gen zu über­prüfen. Hat sie die­se Über­prüfungs­pflicht wahr­ge­nom­men, hat sie die Nut­zung pri­va­ter Geräte wie Kreissäge, Dreh­bank, Ab­saug­gerät ge­kannt, je­doch nicht gerügt. Hat sie die Über­prüfung der Ein­hal­tung der Ar­beits­schutz­be­din­gun­gen nicht durch­geführt, hat sie selbst ih­re ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Schutz- und Fürsor­ge­pflich­ten ver­letzt und ei­nen et­wai­gen Wild­wuchs gefördert. Bei bei­den Fall­kon­stel­la­tio­nen ist es un­verhält­nismäßig, oh­ne vor­he­ri­ge Auf­stel­lung kla­rer An­wei­sun­gen und oh­ne Ab­war­ten, ob die­se An­wei­sun­gen ein­ge­hal­ten wer­den, so­fort mit ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung zu re­agie­ren. Das gilt erst Recht un­ter Berück­sich­ti­gung der langjähri­gen Dau­er des Beschäfti­gungs-

 

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verhält­nis­ses. Die Re­ak­ti­on der Be­klag­ten ist da­her in je­der Hin­sicht un­verhält­nismäßig.

dd) So­weit der Kläger tatsächlich nach­weis­bar pri­va­te Tätig­kei­ten in der Schul­werk­statt ver­rich­tet ha­ben soll­te, wäre an­ge­sichts des­sen al­len­falls ei­ne Ab­mah­nung not­wen­dig, aber auch aus­rei­chend ge­we­sen. Ei­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung ist un­ter Berück­sich­ti­gung des Verhält­nismäßig­keits­grund­sat­zes nur ent­behr­lich, wenn ei­ne Ver­hal­tensände­rung in Zu­kunft trotz Ab­mah­nung nicht er­war­tet wer­den kann oder wenn es sich um ei­ne schwe­re Pflicht­ver­let­zung han­delt, de­ren Rechts­wid­rig­keit dem Ar­beit­neh­mer oh­ne Wei­te­res er­kenn­bar ist und bei der die Hin­nah­me des Ver­hal­tens durch den Ar­beit­ge­ber of­fen­sicht­lich aus­ge­schlos­sen ist. Selbst bei Störun­gen des Ver­trau­ens­be­rei­ches durch Ei­gen­tums- und Vermögens­de­lik­te kann es da­nach Fälle ge­ben, in de­nen ei­ne Ab­mah­nung nicht oh­ne Wei­te­res ent­behr­lich er­scheint (BAG vom 23.06.2009 – 2 AZR 103/08 – zi­tiert nach Ju­ris, Rz. 33). Man­gels auf­ge­stell­ter Spiel­re­geln und an­ders­lau­ten­der Hand­ha­bung in der Ver­gan­gen­heit ist aber ei­ne schwe­re Pflicht­ver­let­zung des Klägers vor­lie­gend schon nicht fest­stell­bar. Bei dem vor­ge­wor­fe­nen Ver­hal­ten han­delt es sich zu­dem ge­ra­de um ein steu­er­ba­res Ver­hal­ten. Es sind kei­ner­lei An­halts­punk­te dafür er­sicht­lich, dass der Kläger sein künf­ti­ges Ver­hal­ten nicht geändert hätte. Das gilt nach der Über­zeu­gung der Kam­mer trotz der Exis­tenz des nicht ein­schlägi­gen ab­mah­nen­den Schrei­bens der Be­klag­ten vom 03.09.2009. An die auf­ge­stell­ten Dusch­re­geln hat der Kläger sich nach die­sem Schrei­ben auch ge­hal­ten.

Nach al­le­dem ist die streit­be­fan­ge­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 28.12.2009 man­gels Vor­lie­gens ei­nes Kündi­gungs­grun­des un­wirk­sam. Sie stellt zu­dem kei­ne an­ge­mes­se­ne Re­ak­ti­on der Be­klag­ten dar.

II. Auch die vor­sorg­lich aus­ge­spro­che­ne „außer­or­dent­li­che Kündi­gung mit so­zia­ler Aus­lauf­frist von sechs Mo­na­ten zum Quar­tals­en­de“ ist aus den o. g. Gründen un­wirk­sam. Auch in­so­weit ist be­reits kein ver­hal­tens­be­ding­ter Kündi­gungs­grund im Sin­ne des § 1 Abs. 1 KSchG fest­stell­bar. Vor die­sem Hin­ter­grund be­darf es kei­ner Über­prüfung mehr, ob Ab­satz 2 der Kündi­gung vom 28.12.2009 über­haupt da­hin­ge­hend aus­le­gungsfähig ist, dass ent­ge­gen dem aus­drück­li­chen Wort­laut kei­ne auße-

 

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ror­dent­li­che Kündi­gung mit so­zia­ler Aus­lauf­frist, viel­mehr ei­ne or­dent­li­che frist­gemäße Kündi­gung aus­ge­spro­chen wer­den soll­te. Hier­auf kommt es vor­lie­gend je­doch nicht mehr an.

III. Es kann da­her auch da­hin­ge­stellt blei­ben, ob die Per­so­nal­rats­anhörung ord­nungs­gemäß war.

IV. Nach al­le­dem war der Kündi­gungs­schutz­an­trag be­gründet. Die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 28.12.2009 hat das Ar­beits­verhält­nis des Klägers nicht wirk­sam be­en­det. Sie war rechts­wid­rig. Der Kla­ge ist da­her zu Recht statt­ge­ge­ben wor­den. Die Be­ru­fung der Be­klag­ten war des­halb zurück­zu­wei­sen.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 ZPO.

Die Vor­aus­set­zun­gen des § 72 Abs. 2 ArbGG lie­gen nicht vor, so dass die Re­vi­si­on nicht zu­zu­las­sen war. Vor­lie­gend han­delt es sich aus­sch­ließlich um ei­ne Ein­zel­fall­ent­schei­dung.

 

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