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BAG, Ur­teil vom 19.03.2008, 5 AZR 429/07

   
Schlagworte: Ausschlussfrist, Annahmeverzugslohn, Kündigungsschutzprozess, Ausschlussklausel
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 5 AZR 429/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 19.03.2008
   
Leitsätze: Ist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers geregelt, dass von der Gegenseite abgelehnte Ansprüche binnen einer Frist von drei Monaten einzuklagen sind, um deren Verfall zu verhindern, genügt die Erhebung der Kündigungsschutzklage, um das Erlöschen der vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängigen Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers zu verhindern.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 22.06.2006, 17 Ca 10223/05
Landesarbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 5.03.2007, 15 Sa 109/06
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

5 AZR 429/07
15 Sa 109/06
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ba­den-Würt­tem­berg

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

19. März 2008


UR­TEIL

Met­ze, Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Fünf­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der Be­ra­tung vom 19. März 2008 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Müller-Glöge, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Mi­kosch, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Laux so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Hin­richs und Heyn für Recht er­kannt:


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1. Auf die Re­vi­si­on des Klägers wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ba­den-Würt­tem­berg vom 5. März 2007 - 15 Sa 109/06 - auf­ge­ho­ben, so­weit es über die Vergütungs­ansprüche des Klägers für den Zeit­raum Ju­li bis Ok­to­ber 2005 ent­schie­den hat.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Vic­to­ria Le­bens­ver­si­che­rung AG für die Mo­na­te Ju­li bis Ok­to­ber 2005 Ver­si­che­rungs­beiträge auf die dor­ti­ge Le­bens­ver­si­che­rung des Klägers mit der Num­mer T 9537571.5-00619 in Höhe von 409,04 Eu­ro zuzüglich Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz hier­aus seit dem 16. Fe­bru­ar 2006 aus 400,00 Eu­ro und aus wei­te­ren 9,04 Eu­ro seit dem 24. Mai 2006 zu zah­len.

3. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Ver­sor­gungs­kas­se des Bank­ge­wer­bes e.V. auf das Ver­si­che­rungs­kon­to des Klägers mit der Num­mer 3066724-7 809,88 Eu­ro nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 26. Fe­bru­ar 2006 aus 720,00 Eu­ro und aus wei­te­ren 89,88 Eu­ro seit dem 24. Mai 2006 zu zah­len.


4. Im Übri­gen wird die Sa­che zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung - auch über die Kos­ten der Re­vi­si­on - an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über An­nah­me­ver­zugs­ansprüche. 


Der Kläger war seit 1992 bei der be­klag­ten Bank, zu­letzt auf der Grund­la­ge des Ar­beits­ver­trags vom 15. Mai 1999, als Fi­li­al­lei­ter beschäftigt. § 15 des Ver­trags lau­tet:


„Al­le Ansprüche, die sich aus dem Ar­beits­verhält­nis er­ge­ben, sind von den Ver­trag­schließen­den bin­nen ei­ner Frist von drei Mo­na­ten seit ih­rer Fällig­keit schrift­lich gel­tend zu ma­chen und im Fal­le ih­rer Ab­leh­nung durch die Ge­gen­par­tei bin­nen ei­ner Frist von drei Mo­na­ten ein­zu­kla­gen. Ei­ne späte­re Gel­tend­ma­chung ist aus­ge­schlos­sen“.

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Die Be­klag­te zahl­te spätes­tens zum 15. des lau­fen­den Mo­nats ei­ne mo­nat­li­che Brut­to­vergütung in Höhe von 5.464,00 Eu­ro, 40,00 Eu­ro brut­to Ar­beit­ge­ber­an­teil zu den vermögens­wirk­sa­men Leis­tun­gen und ein Es­sens­geld von 85,00 Eu­ro brut­to. Auf ei­ne Le­bens­ver­si­che­rung des Klägers leis­te­te die Be­klag­te mo­nat­lich 102,26 Eu­ro und auf ei­ne Ver­sor­gung des Klägers beim Ver­sor­gungs­werk des Bank­ge­wer­bes 202,47 Eu­ro. Ab 1. Sep­tem­ber 2005 erhöhte die Be­klag­te die Gehälter ih­rer Mit­ar­bei­ter um 1,6 %.

Die Be­klag­te kündig­te das Ar­beits­verhält­nis des Klägers mit Schrei­ben vom 30. Ju­ni 2004 zum 31. De­zem­ber 2004 und mit Schrei­ben vom 21. Ok­to­ber 2004 zum 30. Ju­ni 2005. Der Kläger er­hob Kündi­gungs­schutz­kla­ge. Das Ar­beits­ge­richt gab die­ser Kla­ge durch Ur­teil vom 12. Mai 2005 statt, das Lan­des­ar­beits­ge­richt ver­warf die Be­ru­fung der Be­klag­ten durch Ur­teil vom 23. De­zem­ber 2005.

Der Kläger hat im Ok­to­ber 2005 zunächst Zah­lungs­kla­ge für die Mo­na­te Ja­nu­ar bis Ju­ni 2005 er­ho­ben. Mit dem am 27. Ja­nu­ar 2006 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen und am 6. Fe­bru­ar 2006 dem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten der Be­klag­ten zu­ge­stell­ten Schrift­satz hat er die Kla­ge um Vergütungs­ansprüche für Ju­li bis De­zem­ber 2005 er­wei­tert. Er hat in­so­weit ei­ne mo­nat­li­che Vergütung von 5.589,00 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen abzüglich ei­nes mo­nat­li­chen Ar­beits­lo­sen­gel­des von 2.080,20 Eu­ro net­to gel­tend ge­macht. Mit ei­ner zwei­ten, beim Ar­beits­ge­richt am 2. Fe­bru­ar 2006 ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge­er­wei­te­rung hat der Kläger für die Zeit vom 1. Ja­nu­ar bis zum 31. De­zem­ber 2005 Zah­lung von mo­nat­lich 100,00 Eu­ro auf ein Kon­to bei sei­ner Le­bens­ver­si­che­rung und von mo­nat­lich 180,00 Eu­ro an ei­ne Ver­sor­gungs­kas­se, das im Ju­li 2005 fällig ge­wor­de­ne Ur­laubs­geld von 307,00 Eu­ro brut­to so­wie ab 1. Sep­tem­ber 2005 ei­ne mo­nat­li­che Ge­halts­erhöhung von 87,00 Eu­ro ver­langt. Mit ei­ner drit­ten Kla­ge­er­wei­te­rung vom 18. Mai 2006 hat er für die Le­bens­ver­si­che­rung mo­nat­lich ins­ge­samt 102,26 Eu­ro und für die Al­ters­ver­sor­gung mo­nat­lich ins­ge­samt 202,47 Eu­ro gel­tend ge­macht.
 


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Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge am 22. Ju­ni 2006 statt­ge­ge­ben. Mit Schrei­ben vom 17. Au­gust 2006 hat die Be­klag­te ab­ge­rech­net und die ent­spre­chen­den Net­to­beträge aus­ge­zahlt. Auf die in­so­weit be­schränk­te Be­ru­fung der Be­klag­ten hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt die Kla­ge hin­sicht­lich der Ansprüche für die Mo­na­te Ju­li bis Ok­to­ber 2005 ab­ge­wie­sen. Mit der Re­vi­si­on ver­folgt der Kläger sein Zah­lungs­be­geh­ren für die­se Mo­na­te wei­ter.


Der Kläger ver­tritt die Auf­fas­sung, die ein­zel­ver­trag­lich ver­ein­bar­te Aus­schluss­frist ste­he sei­nem An­spruch für die Mo­na­te Ju­li bis Ok­to­ber 2005 nicht ent­ge­gen.


Der Kläger hat in­so­weit be­an­tragt: 


1. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger 22.837,00 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz aus 5.896,00 Eu­ro brut­to seit dem 16. Ju­li 2005, aus 5.589,00 Eu­ro brut­to seit dem 16. Au­gust 2005, aus 5.676,00 Eu­ro brut­to seit dem 16. Sep­tem­ber 2005 und aus 5.676,00 Eu­ro brut­to seit dem 16. Ok­to­ber 2005 abzüglich auf das Ar­beits­amt über­ge­lei­te­ter Ansprüche in Höhe von 8.320,80 Eu­ro net­to zu zah­len.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Vic­to­ria Le­bens­ver­si­che­rung AG Ver­si­che­rungs­beiträge auf die Le­bens­ver­si­che­rung des Klägers mit der Num­mer T 9537571.5-00619 in Höhe von 409,04 Eu­ro zuzüglich Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz hier­aus seit Rechtshängig­keit zu zah­len.

3. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Ver­sor­gungs­kas­se des Bank­ge­wer­bes e.V. auf das Ver­si­che­rungs­kon­to des Klägers mit der Num­mer 3066724-7 wei­te­re 809,88 Eu­ro mo­nat­lich nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu zah­len.

Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt und sich vor­ran­gig auf Ver­fall be­ru­fen.
 


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Ent­schei­dungs­gründe


Die Re­vi­si­on des Klägers ist be­gründet. Sie führt zur Auf­he­bung des Be­ru­fungs­ur­teils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und im We­sent­li­chen zur Zurück­ver­wei­sung der Sa­che zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Lan­des­ar­beits­ge­richt (§ 563 Abs. 1 ZPO).


I. Die Kla­ge­ansprüche sind ent­stan­den. Die Be­klag­te schul­det die Brut­to­vergütung und ih­re Beiträge zur Le­bens­ver­si­che­rung und Ver­sor­gungs­kas­se für die Zeit von Ju­li bis Ok­to­ber 2005 abzüglich des vom Kläger be­zo­ge­nen Ar­beits­lo­sen­gelds gemäß §§ 611, 615 BGB. Die Vor­aus­set­zun­gen des An­spruchs, Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses und An­nah­me­ver­zug der Be­klag­ten, sind zwi­schen den Par­tei­en nicht strei­tig.


1. Dem Kläger steht als mo­nat­li­che Brut­to­vergütung für die Ka­len­der­mo­na­te Ju­li und Au­gust 2005 ein Be­trag von 5.589,00 Eu­ro und für Sep­tem­ber und Ok­to­ber 2005 von 5.676,00 Eu­ro zu.


2. Ne­ben dem je­wei­li­gen mo­nat­li­chen Brut­to­ge­halt und den vermögens­wirk­sa­men Leis­tun­gen in Höhe von mo­nat­lich 40,00 Eu­ro kann der Kläger das Es­sens­geld in Höhe von 85,00 Eu­ro brut­to mo­nat­lich be­an­spru­chen. Nach § 615 Satz 1 BGB erhält der Gläubi­ger kei­nen ei­genständi­gen, neu­en An­spruch. Er behält viel­mehr den ursprüng­li­chen Erfüllungs­an­spruch. Für die Höhe des An­spruchs gilt das Lohn­aus­fall­prin­zip. Der Gläubi­ger ist so zu stel­len, als hätte er ver­trags­gemäß ge­ar­bei­tet. Da­bei sind al­le Ent­gelt­be­stand­tei­le zu berück­sich­ti­gen. Da­von wer­den nur sol­che Leis­tun­gen nicht er­fasst, die da­von abhängig sind, dass der Ar­beit­neh­mer tatsächlich ar­bei­tet oder dass ihm tatsächlich Auf­wen­dun­gen ent­ste­hen. Da­zu können Es­sens­zuschüsse gehören, die nur ei­ne be­stimm­te rea­le Mehr­be­las­tung ab­gel­ten sol­len (BAG 18. Sep­tem­ber 2002 - 1 AZR 668/01 - AP BGB § 615 Nr. 99 = EzA Be­trVG 2001 § 87 Ar­beits­zeit Nr. 1, zu I 3 der Gründe; ErfK/Preis 8. Aufl. § 615 BGB Rn. 78). Hier wur­de das von der Be­klag­ten ge­schul­de­te Es­sens­geld un­abhängig vom Ver-
 


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hal­ten des Klägers und des­halb, wie die Be­klag­te in den von ihr selbst ge­fer­tig­ten Ab­rech­nun­gen zu Recht aus­weist, stets als Brut­to­be­trag ge­leis­tet.


3. Darüber hin­aus schul­det die Be­klag­te für Ju­li 2005 ein zusätz­li­ches Ur­laubs­geld von 307,00 Eu­ro brut­to.

4. Von den mo­nat­li­chen Brut­to­vergütun­gen ist das vom Kläger tatsächlich be­zo­ge­ne Ar­beits­lo­sen­geld ab­zu­zie­hen, weil in­so­weit der An­spruch des Klägers gemäß § 115 SGB X auf die Bun­des­agen­tur für Ar­beit über­ge­gan­gen ist. In wel­cher Höhe der Ab­zug vor­zu­neh­men ist, kann der Se­nat nicht be­ur­tei­len, denn das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat nicht fest­ge­stellt, wann der Kläger wel­che Zah­lun­gen der Bun­des­agen­tur für Ar­beit er­hal­ten hat. Im Hin­blick hier­auf ist die Sa­che zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen (§ 563 Abs. 1 ZPO).


5. Die von der Be­klag­ten ge­schul­de­ten Brut­to­beträge sind je­weils ab dem 16. je­den Mo­nats mit fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz zu ver­zin­sen (§§ 286, 288 Abs. 1 BGB), wo­bei das ab­zu­set­zen­de Ar­beits­lo­sen­geld ab dem Zeit­punkt des tatsächli­chen Zu­flus­ses aus­zu­neh­men ist (vgl. BAG 13. Ju­ni 2002 - 2 AZR 391/01 - BA­GE 101, 328, 340 f.). Außer­dem en­de­te der Schuld­ner­ver­zug der Be­klag­ten und da­mit die Ver­pflich­tung zur Leis­tung von Ver­zugs­zin­sen mit dem Zeit­punkt, in dem die Be­klag­te nach Verkündung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils zur Ab­wen­dung der Zwangs­voll­stre­ckung zahl­te (BGH 24. Ju­ni 1981 - IVa ZR 104/80 - NJW 1981, 2244). Auch im Hin­blick auf die­se tatsächli­chen Umstände ist die Sa­che zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­zu­ver­wei­sen (§ 563 Abs. 1 ZPO).


6. Die Be­klag­te schul­det fer­ner die Ar­beit­ge­ber­leis­tun­gen zur Le­bens­ver­si­che­rung und zur Ver­sor­gungs­kas­se für die Mo­na­te Ju­li bis Ok­to­ber 2005 in Höhe von je­weils 102,26 Eu­ro und 202,47 Eu­ro mo­nat­lich. In­so­weit ist der Rechts­streit zur Ent­schei­dung reif.

a) Ob die­se Beträge dem Kläger als Net­to- oder als Brut­to­beträge zu­ste­hen, bleibt of­fen. Die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen können nicht mit Bin­dungs-



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wir­kung für die Steu­er­behörden und Kran­ken­kas­sen fest­le­gen, ob ein Be­trag ab­ga­ben­pflich­tig ist oder nicht. Ei­ne Ver­ur­tei­lung zu ei­ner Net­to­zah­lung kommt nur in Be­tracht, wenn der Ar­beit­ge­ber aus ar­beits­recht­li­chen Gründen ge­hal­ten ist, al­le et­wai­gen Ab­ga­ben zu tra­gen, die auf ei­ne von ihm ge­schul­de­te Geld­leis­tung zu ent­rich­ten sind (BAG 26. Mai 1998 - 3 AZR 96/97 - AP TVG § 1 Ta­rif­verträge: Bau Nr. 207 = EzA TVG § 4 Bau­in­dus­trie Nr. 90; 28. April 1982 - 4 AZR 642/79 - BA­GE 38, 332). Hierfür hat der Kläger nichts vor­ge­tra­gen.

b) Die Ar­beit­ge­ber­leis­tun­gen zur Le­bens­ver­si­che­rung und zur Ver­sor­gungs­kas­se sind je­weils ab Rechtshängig­keit gemäß § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1, § 291 BGB zu ver­zin­sen. Die Ver­zin­sungs­pflicht be­gann nach § 187 Abs. 1 BGB je­weils ei­nen Tag nach dem Ein­tritt der Rechtshängig­keit (BAG 30. Ok­to­ber 2001 - 1 AZR 65/01 - BA­GE 99, 266, 273; Se­nat 15. No­vem­ber 2000 - 5 AZR 365/99 - BA­GE 96, 228, 233).


II. Die Kla­ge­ansprüche sind nicht gemäß § 15 des Ar­beits­ver­trags ver­fal­len.

1. Der Kläger hat mit der am 23. Ju­li 2004 ge­gen die Kündi­gung vom 30. Ju­ni 2004 er­ho­be­nen Kla­ge, die er am 3. No­vem­ber 2004 ge­gen die Kündi­gung vom 21. Ok­to­ber 2004 er­wei­ter­te, al­le hier­von abhängi­gen Ansprüche aus An­nah­me­ver­zug wirk­sam schrift­lich gel­tend ge­macht. Die Be­klag­te muss­te er­ken­nen, dass der Kläger nicht nur den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses, son­dern auch die durch die Kündi­gung be­droh­ten re­gelmäßig fällig wer­den­den Ein­zel­ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis si­chern woll­te (vgl. nur Se­nat 28. No­vem­ber 2007 - 5 AZR 992/06 - NZA 2008, 293; 26. April 2006 - 5 AZR 403/05 - BA­GE 118, 60, 62 mwN).


2. Mit der Er­he­bung der Kündi­gungs­schutz­kla­ge hat der Kläger die Ansprüche zu­gleich auch iSd. § 15 des Ar­beits­ver­trags „ein­ge­klagt“.

a) Der Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en be­inhal­tet All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen iSv. § 305 Abs. 1 BGB, die von der Be­klag­ten für ei­ne Viel­zahl von Verträgen gleich­lau­tend ver­wen­det und dem Kläger bei Ver­trags­ab­schluss

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ge­stellt wur­den. All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen sind nach ih­rem ob­jek­ti­ven In­halt und ty­pi­schen Sinn ein­heit­lich so aus­zu­le­gen, wie sie von verständi­gen und red­li­chen Ver­trags­part­nern un­ter Abwägung der In­ter­es­sen der nor­ma­ler­wei­se be­tei­lig­ten Ver­kehrs­krei­se ver­stan­den wer­den, wo­bei nicht die Verständ­nismöglich­kei­ten des kon­kre­ten, son­dern die des durch­schnitt­li­chen Ver­trags­part­ners des Ver­wen­ders zu­grun­de zu le­gen sind (st. Rspr., BAG 24. Ok­to­ber 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 13 ff., AP BGB § 307 Nr. 32 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 26 mwN; Se­nat 31. Au­gust 2005 - 5 AZR 545/06 - BA­GE 115, 372, 381). Maßge­bend sind die Verständ­nismöglich­kei­ten des ty­pi­scher­wei­se bei Verträgen der ge­re­gel­ten Art zu er­war­ten­den nicht rechts­kun­di­gen Ver­trags­part­ners (Däubler in Däubler/Dorn­dorf/ Bo­nin/Dei­nert AGB Kon­trol­le im Ar­beits­recht 2. Aufl. § 305c BGB Rn. 29). Der Ver­wen­der ist dem­gemäß ver­pflich­tet, die Rech­te und Pflich­ten des Ver­trags­part­ners möglichst klar und durch­schau­bar dar­zu­stel­len; sie müssen so ge­stal­tet sein, dass der nicht rechts­kun­di­ge Durch­schnitts­ar­beit­neh­mer die be­nach­tei­li­gen­de Wir­kung oh­ne Ein­ho­lung von Rechts­rat er­ken­nen kann (Rei­ne­cke BB 2005, 378, 379).

b) An­satz­punkt für die Aus­le­gung All­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen ist in ers­ter Li­nie der Ver­trags­wort­laut. Ist der Wort­laut ei­nes For­mu­lar­ver­trags nicht ein­deu­tig, kommt es für die Aus­le­gung ent­schei­dend dar­auf an, wie der Ver­trags­text aus der Sicht der ty­pi­scher­wei­se an Geschäften die­ser Art be­tei­lig­ten Ver­kehrs­krei­se zu ver­ste­hen ist, wo­bei der Ver­trags­wil­le verständi­ger und red­li­cher Ver­trags­part­ner be­ach­tet wer­den muss (Se­nat 31. Au­gust 2005 - 5 AZR 545/04 - BA­GE 115, 372, 381). Von Be­deu­tung für das Aus­le­gungs­er­geb­nis sind schließlich auch der von den Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ver­folg­te Re­ge­lungs­zweck so­wie die In­ter­es­sen­la­ge der Be­tei­lig­ten (BAG 18. April 2007 - 4 AZR 653/05 - Rn. 36, AP TVG § 1 Be­zug­nah­me auf Ta­rif­ver­trag Nr. 52 mwN). Die Aus­le­gung All­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen durch das Lan­des­ar­beits­ge­richt un­ter­liegt der vol­len re­vi­si­ons­recht­li­chen Nach­prüfung durch das Bun­des­ar­beits­ge­richt.

c) Wel­che Be­deu­tung ei­ner im AGB ent­hal­te­nen ein­zel­ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist zu­kommt, die vom Ar­beit­neh­mer ein Ein­kla­gen oder ei­ne ge-


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richt­li­che oder ei­ne kla­ge­wei­se Gel­tend­ma­chung von An­nah­me­ver­zugs­ansprüchen ver­langt, ist vom Bun­des­ar­beits­ge­richt nach In­kraft­tre­ten der §§ 305 ff. BGB noch nicht ent­schie­den.


d) Die von der Be­klag­ten als Ver­wen­de­rin der All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen in § 15 des Ver­trags gewähl­te For­mu­lie­rung, wo­nach Ansprüche ein­zu­kla­gen sind, kann von ei­nem nicht rechts­kun­di­gen Durch­schnitts­ar­beit­neh­mer nicht so ver­stan­den wer­den, dass nur die Er­he­bung ei­ner be­zif­fer­ten Leis­tungs­kla­ge die­sem Er­for­der­nis genügt. Er darf sie viel­mehr so ver­ste­hen, dass je­de pro­zes­sua­le Aus­ein­an­der­set­zung über den An­spruch sei­ne Ob­lie­gen­heit erfüllt.


aa) Das in ei­ner ein­zel­ver­trag­li­chen Aus­schluss­frist in der zwei­ten Stu­fe ent­hal­te­ne Er­for­der­nis des Ein­kla­gens von An­nah­me­ver­zugs­ansprüchen, die von ei­nem Kündi­gungs­schutz­pro­zess abhängen, ver­langt aus der Sicht des Durch­schnitts­ar­beit­neh­mers nicht mehr als die Er­he­bung der Kündi­gungs-schutz­kla­ge selbst, die be­reits ei­ne aus­rei­chen­de schrift­li­che Gel­tend­ma­chung der von dem Aus­gang des Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses abhängi­gen Ansprüche dar­stellt. Die zwei­te Stu­fe ver­deut­licht dem Ar­beit­neh­mer nach all­ge­mei­nem Sprach­ge­brauch nur, dass ein An­spruch vor ei­nem Ge­richt vor­ge­bracht wer­den muss und ei­ne außer­ge­richt­li­che Gel­tend­ma­chung nicht genügt. Wie bei der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung kann er da­von aus­ge­hen, dass die Er­he­bung ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge ei­ne Gel­tend­ma­chung von hier­von abhängi­gen Ansprüchen auf An­nah­me­ver­zugs­vergütung be­inhal­tet, denn die Kündi­gungs-schutz­kla­ge ist in der Re­gel nicht auf den Er­halt des Ar­beits­plat­zes be­schränkt, son­dern zu­gleich und ge­ra­de auch auf die Si­che­rung der Ansprüche ge­rich­tet, die durch den Ver­lust der Ar­beits­stel­le mögli­cher­wei­se ver­lo­ren­ge­hen. Dem Er­for­der­nis ei­ner Kla­ge­er­he­bung bzw. ge­richt­li­chen Gel­tend­ma­chung hat der Ar­beit­neh­mer aus sei­ner Sicht da­mit zu­gleich Genüge ge­tan. Von ei­nem nicht rechts­kun­di­gen Ar­beit­neh­mer kann ins­be­son­de­re nicht er­war­tet wer­den, dass er den pro­zes­sua­len Be­griff des Streit­ge­gen­stands und des­sen Be­deu­tung kennt. Will der Ar­beit­ge­ber als Ver­wen­der All­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen er­rei­chen, dass der Ar­beit­neh­mer be­reits vor dem rechts­kräfti­gen Ab­schluss
 


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des Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens, in Un­kennt­nis von des­sen Er­geb­nis und un­ter In­k­auf­nah­me ei­nes unnöti­gen Kos­ten­ri­si­kos, ei­ne be­zif­fer­te Leis­tungs­kla­ge bin­nen be­stimm­ter Frist je­weils nach Fällig­keit der An­nah­me­ver­zugs­ansprüche und et­wai­ger an­de­rer Ansprüche er­hebt, so muss er dies klar und deut­lich zum Aus­druck brin­gen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ei­nes wei­ter­ge­hen­den Schut­zes be­darf der Ar­beit­ge­ber nicht, denn durch die Kündi­gungs-schutz­kla­ge ist er aus­rei­chend über den Wil­len des Ar­beit­neh­mers un­ter­rich­tet, die durch die Kündi­gung be­droh­ten Ein­zel­ansprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis auf­recht­zu­er­hal­ten (vgl. auch Se­nat 26. April 2006 - 5 AZR 403/05 - BA­GE 118, 60, 62).


bb) Die­se Aus­le­gung ist auch im Streit­fall ge­bo­ten. Auch wenn vom Kläger als Bank­an­ge­stell­tem ge­wis­se Rechts­kennt­nis­se er­war­tet wer­den dürfen, be­zie­hen sich die­se ty­pi­scher­wei­se nicht auf die Ein­hal­tung ar­beits­recht­li­cher Aus­schluss­fris­ten.

3. Et­wai­ge, ge­ge­be­nen­falls auf die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu zwei­stu­fi­gen Aus­schluss­fris­ten in Ta­rif­verträgen zurück­ge­hen­de Aus­le­gungs­zwei­fel (vgl. hier­zu Se­nat 26. April 2006 - 5 AZR 403/05 - BA­GE 118, 60, 62 f.; Krau­se RdA 2004, 106, 115 ff. mit um­fang­rei­chen Nach­wei­sen) gin­gen nach der Un­klar­hei­ten­re­gel (§ 305c Abs. 2 BGB) zu Las­ten der Be­klag­ten. Führt nämlich die ob­jek­ti­ve Aus­le­gung zu dem Er­geb­nis, dass die vom Ar­beit­ge­ber ver­wen­de­te Klau­sel nach dem Wort­laut un­ter Berück­sich­ti­gung ih­res nach verständi­ger Würdi­gung zu er­mit­teln­den Sinns und Zwecks ob­jek­tiv mehr­deu­tig ist und die Mehr­deu­tig­keit nicht be­sei­tigt wer­den kann, greift die ar­beit­neh­mer­freund­lichs­te Aus­le­gung ein (BAG 24. Ok­to­ber 2007 - 10 AZR 825/06 - Rn. 14, AP BGB § 307 Nr. 32 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 26; 12. Sep­tem­ber 2006 - 9 AZR 675/05 - BA­GE 119, 248, 253). Die Aus­schluss­klau­sel gilt zwar für bei­de Ver­trags­par­tei­en glei­cher­maßen. Die Frist­wah­rung durch Er­he­bung ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge kommt aber nur zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers in Be­tracht.
 


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4. Da­nach kann hier da­hin­ste­hen, ob zwei­stu­fi­ge Aus­schluss­klau­seln, die dem Ar­beit­neh­mer die Pflicht auf­er­le­gen, vor rechts­kräfti­gem Ab­schluss ei­nes Kündi­gungs­schutz­pro­zes­ses die da­von abhängi­gen An­nah­me­ver­zugs­ansprüche je­weils bin­nen ei­ner mit Fällig­keit be­gin­nen­den Frist mit­tels ei­ner be­zif­fer­ten Leis­tungs­kla­ge gel­tend zu ma­chen, zu ei­ner un­an­ge­mes­se­nen Be­nach­tei­li­gung des Ar­beit­neh­mers führen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).


Müller-Glöge 

Mi­kosch 

Laux

W. Hin­richs 

Heyn

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