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LAG Ham­burg, Be­schluss vom 16.11.2017, 7 TaBV 3/17

   
Schlagworte: Einigungsstelle, Sozialplan, Sozialplan: Diskriminierung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Aktenzeichen: 7 TaBV 3/17
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 16.11.2017
   
Leitsätze:

1. Die Einigungsstelle verfügt über einen weiten Ermessensspielraum bei der Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang sie die Nachteile einer Betriebsänderung für die betroffenen Arbeitnehmer ausgleichen will, wobei der Normzweck des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG nicht verfehlt werden darf, die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer zumindest zu mildern. Hat der Betriebsrat den Spruch einer Einigungsstelle zu einem Sozialplan angefochten, führt dieser aber zu einer substantiellen Milderung der für die Arbeitnehmer entstandenen Nachteile, so kommt es auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens nicht an.

2. Der per Spruch einer Einigungsstelle beschlossenen Sozialplans ist wegen Verstoßes gegen § 75 BetrVG, §§ 1, 7 AGG insoweit unwirksam, als Arbeitnehmer von einer Sozialplanabfmdung ausgeschlossen werden, die nach Bezug von Arbeitslosengeld I eine vorgezogene, gekürzte Rente in Anspruch nehmen können. Eine Gesamtunwirksamkeit des Sozialplans scheidet in so einem Fall aus, wenn die zur Verfügung gestellten Sozialplanmittel nicht voll ausgeschöpft wurden.

Vorinstanzen: Vorgehend Arbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 02.02.207, 29 BV 23/16
Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 07.05.2019, 1 ABR 54/17
   

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg 7. Kam­mer, Be­schluss vom 16.11.2017, 7 TaBV 3/17

§ 76 Abs 5 Be­trVG, § 112 Be­trVG, § 75 Be­trVG, § 1 AGG, § 7 AGG, § 10 S 3 Nr 6 AGG

 

Te­nor

Auf die Be­schwer­de des Be­tei­lig­ten zu 1) wird der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 2. Fe­bru­ar 2017 (29 BV 23/16) ab­geändert und ins­ge­samt wie folgt neu ge­fasst:

Es wird fest­ge­stellt, dass der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le über den So­zi­al­plan vom 14. Sep­tem­ber 2016, zu­ge­stellt am 22. Sep­tem­ber 2016, teil­wei­se un­wirk­sam ist, so­weit sol­che Ar­beit­neh­mer in § 1 Abs. 2 des So­zi­al­plans von ei­ner So­zi­al­plan­ab­fin­dung aus­ge­schlos­sen wur­den, die nach Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld I ei­ne vor­ge­zo­ge­ne (gekürz­te) Al­ters­ren­te in An­spruch neh­men können.

Im Übri­gen wird der An­trag des Be­tei­lig­ten zu 1) ab­ge­wie­sen.

Die Rechts­be­schwer­de wird für bei­de Be­tei­lig­te zu­ge­las­sen.

Gründe

 

1

I.

Die Be­tei­lig­ten ha­ben über die Wirk­sam­keit ei­nes von der Ei­ni­gungs­stel­le be­schlos­se­nen So­zi­al­plans ge­strit­ten. 

2 Der Be­tei­lig­te zu 1) (nach­fol­gend „Be­triebs­rat") ist der bei der Be­tei­lig­ten zu 2) (nach­fol­gend „Ar­beit­ge­be­rin") ge­bil­de­te fünfköpfi­ge Be­triebs­rat. Die Ar­beit­ge­be­rin gehört zum Kon­zern ei­ner mit­telständi­schen, in­ha­ber­geführ­ten Un­ter­neh­mens­grup­pe mit Sitz im Ham­bur­ger Ha­fen und den Schwer­punk­ten Ha­fen­lo­gis­tik und Ha­fen­dienst­leis­tun­gen.
3 Die Ar­beit­ge­be­rin be­trieb im Ham­bur­ger Ha­fen über vie­le Jah­re ei­nen Ter­mi­nal­be­trieb für den Um­schlag von kon­ven­tio­nel­lem Stück­gut und Pro­jekt­la­dung. Zu­letzt beschäftig­te sie dort noch et­wa 50 bis 60 Ar­beit­neh­mer mit ei­ner durch­schnitt­li­chen Be­triebs­zu­gehörig­keit von 27,66 Jah­ren.
4 Der Be­trieb wur­de zum 31. De­zem­ber 2016 ge­schlos­sen. Hin­ter­grund der Be­triebs­still­le­gung ist die (vor­zei­ti­ge) Rück­ga­be der Ter­mi­nalflächen an die Freie und Han­se­stadt Ham­burg (FHH), auf wel­chen u.a. die Ar­beit­ge­be­rin ih­ren Ter­mi­nal­be­trieb un­ter­hielt. Die Ar­beit­ge­be­rin hat­te mit der FHH bzw. H. (H. P. A.) im Jahr 2009 Verträge ge­schlos­sen, nach de­nen die bis zum 31. De­zem­ber 2018 lau­fen­den Pacht­verträge vor­zei­tig gelöst wer­den konn­ten, al­ler­dings nicht vor dem 31. De­zem­ber 2012. Im Ge­gen­zug wur­den Entschädi­gungs­zah­lun­gen ver­ein­bart. In ei­ner Ver­ein­ba­rung vom 20. De­zem­ber 2012 wur­de so­dann zwi­schen der H. und u.a. der Ar­beit­ge­be­rin ver­ein­bart, dass das Pacht­verhält­nis zum 31. De­zem­ber 2016 en­den würde. In § 2 die­ser Ver­ein­ba­rung wur­de ge­re­gelt, dass die Ar­beit­ge­be­rin der H. mit­teilt, wel­che An­stren­gun­gen sie un­ter­nom­men hat, um die in § 6 der Rah­men­ver­ein­ba­rung be­schrie­be­ne Ver­ant­wor­tung für die be­ste­hen­den Ar­beitsplätze zu über­neh­men. Eben­so ver­pflich­te­te sich die Ar­beit­ge­be­rin hier, ei­nen de­tail­lier­ten In­ter­es­sen­aus­gleich und So­zi­al­plan über die mit der Rück­ga­be der Mietfläche ver­bun­de­ne Be­triebsände­rung vor­zu­be­rei­ten und dar­in kon­kre­te Maßnah­men dar­zu­stel­len, um die Ver­la­ge­rung und/oder den Ab­bau der Ar­beitsplätze so­zi­al­verträglich zu ge­stal­ten, und —so­weit möglich — ei­ne Wei­ter­beschäfti­gung in­ner­halb der B.-Un­ter­neh­mens­grup­pe an­zu­bie­ten. Für die vor­zei­ti­ge Rück­ga­be der Pachtflächen an die FHH er­hielt die Ar­beit­ge­be­rin — ne­ben wei­te­ren Un­ter­neh­men der B.-Un­ter­neh­mens­grup­pe — ei­ne Entschädi­gungs­zah­lung.
5 Aus­weis­lich ei­ner gut­ach­ter­li­chen Äußerung nach § 81 Abs. 3 LHO des Rech­nungs­hofs der FHH vom 9. De­zem­ber 2014 er­folg­ten die Entschädi­gungs­zah­lun­gen an die Ar­beit­ge­be­rin im Hin­blick auf die vor­zei­ti­ge Rück­ga­be der Pachtflächen des Ter­mi­nal­be­triebs zu 37 % nach den AVB Hl (all­ge­mei­ne Ver­trags­be­din­gun­gen für Ha­fen- und In­dus­trieg­rundstücke). Zu 17 % er­folg­ten die Entschädi­gungs­zah­lun­gen für Ab­bruch- und Räum­ungs­kos­ten so­wie in ei­nem Um­fang von 46 % als Kom­pen­sa­tio­nen für Pla­nungs­un­si­cher­hei­ten, ent­gan­ge­ne Geschäfte und Stand­ort­nach­tei­le (Anl. A 11, Bl. 165 ff d.A., dort S. 24 = Bl. 190 d.A.).
6 Am 14. Sep­tem­ber 2016 be­schloss die Ei­ni­gungs­stel­le ei­nen dem Be­triebs­rat am 22. Sep­tem­ber 2016 zu­ge­stell­ten So­zi­al­plan mit ei­nem Vo­lu­men von et­wa € 2 Mio. (An­la­ge A 32, Bl. 357 bis 365 d. A.). Der So­zi­al­plan re­gelt in § 4 die Höhe der Ab­fin­dun­gen, die Mit­ar­bei­ter für den Ver­lust des Ar­beits­plat­zes er­hal­ten sol­len. Je nach Al­ters­grup­pe be­lau­fen sich die Be­rech­nungs­fak­to­ren auf 0,15, 0,25 und 0,32 Brut­to­mo­nats­ent­gel­te pro Beschäfti­gungs­jahr für den Grund­be­trag der Ab­fin­dung. Das führt bei der größten Ar­beit­neh­mer­grup­pe der 53- bis 61-Jähri­gen zu ei­ner durch­schnitt­li­chen Ab­fmdung in Höhe von et­wa € 29.500,00 net­to, mit der durch­schnitt­lich ein wirt­schaft­li­cher Ver­lust von et­wa 22 Mo­na­ten Ar­beits­lo­sig­keit kom­pen­siert wer­den kann.
7 § 1 des So­zi­al­plans re­gelt den persönli­chen Gel­tungs­be­reich so­wie Aus­schluss­tat­bestände. Hier heißt es in Ab­satz 2:
8

(2) Kei­ne Leis­tun­gen nach den Be­stim­mun­gen die­ses So­zi­al­plans er­hal­ten Mit­ar­bei­ter (Aus­schluss­tat­bestände),

die aus Gründen aus­schei­den, die nicht mit der Still­le­gung des Be­trie­bes zu­sam­menhängen, ins­be­son­de­re Mit­ar­bei­ter,

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...
Die ent­we­der un­mit­tel­bar nach dem Aus­schei­den aus dem Ar­beits­verhält­nis oder im An­schluss an ei­ne mögli­che Be­zug­nah­me von Ar­beits­lo­sen­geld 1 (un­abhängig von der tatsächli­chen Be­zug­nah­me des Ar­beits­lo­sen­gel­de) ei­ne Al­ters­ren­te (gekürzt oder un­gekürzt) aus der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung in An­spruch neh­men können (sog. „ren­ten­na­he Ar­beit­neh­mer"), wo­bei ei­ne Al­ters­ren­te für schwer­be­hin­der­te Men­schen gemäß §§ 37, 236a SGB VI so­wie ei­ne Al­ters­ren­te für Frau­en gern. § 237a SGB VI außer Be­tracht bleibt."

10 We­gen der wei­te­ren Re­ge­lun­gen des So­zi­al­plans wird auf die An­la­ge A 32 (Bl. 357 bis 365 d. A.) Be­zug ge­nom­men.
11 In ei­ner Ab­fmdungs­auf­stel­lung der Ar­beit­ge­be­rin (Anl. AG 2, Bl. 449 f. d.A.) sind 72 Vorgänge auf­ge­lis­tet. In die­se Ta­bel­le sind sämt­li­che Ar­beit­neh­mer auf­ge­nom­men wor­den, die von der Still­le­gung be­trof­fen wa­ren, auch sol­che mit be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­sen, die nach den So­zi­al­plan­re­ge­lun­gen kei­ne Ab­fin­dun­gen er­hal­ten ha­ben (§ 1 Abs. 2, ers­ter Un­ter­punkt des So­zi­al­plans). Eben­so sind die Ar­beit­neh­mer ent­hal­ten, die auf­grund der Ren­tennähe von Ab­fin­dungs­zah­lun­gen aus­ge­schlos­sen sind (sie­he oben zi­tier­te Re­ge­lung). Hier­bei han­delt es sich um 9 Ar­beit­neh­mer, de­nen oh­ne die Aus­schluss­klau­sel ins­ge­samt ei­ne Ab­fin­dungs­sum­me von € 339.275,93 zu­ge­stan­den hätte. Von der So­zi­al­plan­sum­me gemäß den Be­rech­nun­gen der Ar­beit­ge­be­rin in der Auf­lis­tung der An­la­ge AG 2 in Höhe von € 1.958.392,88 wa­ren auf­grund der aus­ge­schlos­se­nen ren­ten­na­hen Jahrgänge ins­ge­samt € 1.619.116,95 zur Aus­zah­lung be­stimmt.
12 § 21 Zif­fer 1 des RTV-Ha­fen lau­tet:
13

„'21
Kündi­gung

14

Zwi­schen dem Ha­fen­ein­zel­ar­bei­ter und dem Ha­fen­ein­zel­be­trieb so­wie zwi­schen dem Ge­samt­ha­fen­ar­bei­ter und dem zuständi­gen Ver­wal­tungs­träger des Ge­samt­ha­fen­be­triebs beträgt die Kündi­gungs­frist für bei­de Sei­ten 4 Wo­chen.

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Hat das Ar­beits­verhält­nis ein­sch­ließlich der Aus­bil­dungs­zeit bei dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber 5 Jah­re be­stan­den, so erhöht sich die­se Kündi­gungs­frist auf ei­nen Mo­nat zum Mo­nats­en­de.

16

Hat das Ar­beits­verhält­nis ein­sch­ließlich der Aus­bil­dungs­zeit bei dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber 10 Jah­re be­stan­den, so erhöht sich die­se Kündi­gungs­frist auf 3 Mo­na­te zum En­de ei­nes Ka­len­der­vier­tel­jah­res.

17

Hat das Ar­beits­verhält­nis ein­sch­ließlich der Aus­bil­dungs­zeit 15 Jah­re bei dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber be­stan­den, beträgt die­se Kündi­gungs­frist 6 Mo­na­te zum En­de ei­nes Ka­len­der­vier­tel­jah­res.

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Hat das Ar­beits­verhält­nis ein­sch­ließlich der Aus­bil­dungs­zeit 15 Jah­re bei dem­sel­ben Ar­beit­ge­ber be­stan­den und hat der Ha­fen­ar­bei­ter das 50. Le­bens­jahr voll­endet, beträgt die­se Kündi­gungs­frist 9 Mo­na­te zum En­de ei­nes Ka­len­der­halb­jah­res.

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Bei An­wen­dung von So­zi­alplänen re­geln sich die Kündi­gungs­fris­ten nach Abs. 2 die­ser Zif­fer"

20 Die Ar­beits­verhält­nis­se der von der Be­triebs­still­le­gung be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer wur­den un­ter An­wen­dung der in § 21 Ziff. 1 Abs. 5 verkürz­ten ta­rif­li­chen Kündi­gungs­frist im No­vem­ber 2016 zum 31. De­zem­ber 2016 gekündigt. Na­he­zu al­le Ar­beit­neh­mer ha­ben ei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge er­ho­ben und da­bei ins­be­son­de­re gerügt, dass die or­dent­li­che ta­rif­li­che Kündi­gungs­frist gekürzt wor­den sei.
21 Mit sei­ner am 05. Ok­to­ber 2016 beim Ar­beits­ge­richt Ham­burg ein­ge­gan­ge­nen An­trags­schrift hat der Be­triebs­rat die Fest­stel­lung be­gehrt, dass der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le un­wirk­sam ist.
22 Der Be­triebs­rat hat vor­ge­tra­gen, der So­zi­al­plan sei un­ter­do­tiert. Den Ar­beit­neh­mern entstünden Nach­tei­le im Um­fang von ca. € 25 Mio. Der Ge­sell­schaf­ter der Ar­beit­ge­be­rin ha­be von der Frei­en und Han­se­stadt Ham­burg im Jahr 2009 für die vor­zei­ti­ge Rück­ga­be von Pachtflächen im Ham­bur­ger Ha­fen für drei Un­ter­neh­men ei­ne Entschädi­gungs­leis­tung von et­wa 150 Mio. € ver­trag­lich zu­ge­si­chert und weit­ge­hend tatsächlich er­hal­ten. Der größte Teil sei der Ar­beit­ge­be­rin zu­ge­flos­sen. Die­se Zah­lung ha­be auch Kos­ten ei­ner Be­triebs­sch­ließung be­inhal­tet, u.a. auch die ei­nes So­zi­al­plans. Die Ei­ni­gungs­stel­le sei zu Un­recht dem Vor­trag der Ar­beit­ge­be­rin ge­folgt, dass ei­ne In­sol­venz dro­he und kei­ne li­qui­den Mit­tel mehr vor­han­den sei­en. Der Ge­sell­schaf­ter der Ar­beit­ge­be­rin ha­be die­ser Gel­der ent­zo­gen, um sei­ner So­zi­al­plan­pflicht zu ent­ge­hen, in­dem er selbst € 42.393.634,20 zum 31. De­zem­ber 2010 durch Bu­chun­gen auf ein Ver­lust­vor­trags­kon­to der Kom­man­di­tis­ten und auf Ka­pi­tal­kon­ten II der Kom­man­di­tis­ten ent­nom­men und in­dem die Ar­beit­ge­be­rin gemäß sei­ner Verfügung an­de­ren Un­ter­neh­men des Kon­zerns un­be­si­cher­te Dar­le­hen in Höhe von mehr als € 50 Mio. gewährt ha­be, die zum Zeit­punkt der Sch­ließung nicht mehr wert­hal­tig ge­we­sen sei­en. Dies sei bei der Do­tie­rung des So­zi­al­plans zu berück­sich­ti­gen. An­ge­sichts der Aus­sich­ten der vom Ar­beits­platz­ver­lust be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer auf dem Ar­beits­markt, de­nen mehr­heit­lich ent­we­der ei­ne länge­re Zeit der Ar­beits­lo­sig­keit dro­he oder nur deut­lich schlech­ter vergüte­te an­de­re Ar­beitsplätze ver­mit­telt wer­den könn­ten, be­wir­ke das be­schlos­se­ne So­zi­al­plan­vo­lu­men kei­ne an­ge­mes­se­ne Mil­de­rung der den Ar­beit­neh­mern ent­ste­hen­den Nach­tei­le. Außer­dem sei dem Be­triebs­rat im Ei­ni­gungs­stel­len­ver­fah­ren kein aus­rei­chen­des recht­li­ches Gehör gewährt wor­den. We­gen der Ein­zel­hei­ten des Vor­trags wird auf den Schrift­satz vom 4. Ok­to­ber 2016, des­sen An­la­gen (Bl. 1 ff d.A.) so­wie den Schrift­satz vom 19.12.2016 (Bl. 410 ff d.A.) ver­wie­sen.
23 Der Be­triebs­rat hat be­an­tragt,
24

fest­zu­stel­len, dass der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le über ei­nen So­zi­al­plan vom 14.09.2016, zu­ge­stellt am 22.09.2016, un­wirk­sam ist.

25 Die Ar­beit­ge­be­rin hat be­an­tragt,
26

den An­trag des Be­triebs­rats ab­zu­wei­sen.

27 Die Ar­beit­ge­be­rin hat vor­ge­tra­gen, der So­zi­al­plan sei nicht un­wirk­sam. Ins­be­son­de­re sei die Un­ter­gren­ze der So­zi­al­plan­leis­tun­gen nicht un­ter­schrit­ten wor­den mit der Fol­ge, dass kei­ne Un­ter­do­tie­rung und kein Er­mes­sens­fehl­ge­brauch der Ei­ni­gungs­stel­le fest­zu­stel­len sei­en. Die Ei­ni­gungs­stel­le ha­be Re­ge­lun­gen ge­trof­fen, die ei­ne sub­stan­ti­el­le Mil­de­rung der wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le für die Ar­beit­neh­mer dar­stel­le. Der So­zi­al­plan ori­en­tie­re sich an Ab­fin­dungs­fak­to­ren, die be­reits Ge­gen­stand ei­nes frühe­ren Ei­ni­gungs­stel­len­spruchs ge­we­sen sei­en. Mit den Ab­fin­dun­gen (vgl. Anl. AG 2, Bl. 449 f. d.A.) könn­ten meh­re­re Mo­na­te Ar­beits­lo­sig­keit aus­ge­gli­chen wer­den, so in der größten Grup­pe der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer, der 53- bis 61-jähri­gen, ei­ne Dau­er von durch­schnitt­lich 22 Mo­na­ten. Das sei aus­rei­chend, ins­be­son­de­re vor dem Hin­ter­grund, dass die Ver­mitt­lungs­chan­cen auf dem Ar­beits­markt gut sei­en, zu­min­dest in der Lo­gis­tik- und Bau­bran­che. Selbst wenn man von ei­ner Un­ter­do­tie­rung des So­zi­al­plans aus­ge­he, würde das nicht zur Un­wirk­sam­keit des Spruchs der Ei­ni­gungs­stel­le führen, da ei­ne Un­ter­schrei­tung der Gren­ze des § 112 Abs. 1 S. 2 Be­trVG auf­grund der wirt­schaft­li­chen La­ge der Ar­beit­ge­be­rin ge­recht­fer­tigt wäre. Ein höhe­res So­zi­al­plan­vo­lu­men sei wirt­schaft­lich un­ver­tret­bar ge­we­sen. Die Ar­beit­ge­be­rin ha­be nämlich kurz vor der In­sol­venz ge­stan­den. Das So­zi­al­plan­vo­lu­men sei nur des­halb möglich ge­we­sen, weil der mit­tel­ba­re Al­lein­ge­sell­schaf­ter den So­zi­al­plan er­heb­lich be­zu­schusst ha­be. Das Vermögen der B. Group und das des Ge­sell­schaf­ters Dr. K. sei­en nicht zu berück­sich­ti­gen. Ei­ne Durch­griffs­haf­tung kom­me nicht in Be­tracht. Die Recht­fi­gur des qua­li­fi­ziert fak­ti­schen Kon­zerns sei von der Recht­spre­chung auf­ge­ge­ben wor­den. In Be­tracht kom­me nur noch ei­ne sog. Exis­tenz­ver­nich­tungs­haf­tung mit der Rechts­fol­ge ei­nes Scha­dens­er­satz­an­spruchs nach § 826 BGB bei vorsätz­li­cher sit­ten­wid­ri­ger Schädi­gung des Ge­sell­schafts­vermögens durch den Al­lein- oder Mehr­heits­ge­sell­schaf­ter. Vor­aus­set­zung sei aber ei­ne In­sol­venz, die da­durch her­bei­geführt oder ver­tieft wäre. An die­ser Vor­aus­set­zung feh­le es vor­lie­gend. Zu­dem feh­le es an der wei­te­ren Vor­aus­set­zung eins miss­bräuch­li­chen, kom­pen­sa­ti­ons­lo­sen Ein­griffs in das im Gläubi­ger­inter­es­se zweck­ge­bun­de­ne Ge­sell­schafts­vermögen. Vor al­lem die Dar­le­hens­ver­ga­be im Jahr 2009 an an­de­re B.-Ge­sell­schaf­ten sei nicht miss­bräuch­lich und kom­pen­sa­ti­ons­los ge­we­sen. Die Schuld­ner sei­en bis da­to ih­ren Ver­pflich­tun­gen aus den Dar­le­hen stets nach­ge­kom­men. Bei Ver­ga­be der Dar­le­hen sei auch nicht ab­seh­bar ge­we­sen, dass die­se Jah­re später im Wert hätten ab­ge­schrie­ben wer­den müssen. Tatsächlich ha­be die Ge­sell­schaf­ter­sei­te nach 2009 ei­ne Rei­he von exis­tenz­er­hal­ten­den Maßnah­men zu­guns­ten der Ar­beit­ge­be­rin vor­ge­nom­men. Die Entschädi­gungs­leis­tun­gen der H. P. A. sei­en nur zum Teil an die Ar­beit­ge­be­rin ge­zahlt wor­den. Zu­dem sei die­se im We­sent­li­chen da­zu be­stimmt ge­we­sen, die Ar­beit­ge­be­rin für den Ver­lust des er­heb­li­chen Be­triebs­vermögens zu entschädi­gen. Die Entschädi­gungs­zah­lun­gen sei­en so­dann re­inves­tiert wor­den, teil­wei­se in den Ha­fen­be­trieb, teil­wei­se in den Kauf von Schif­fen. Die Entschädi­gungs­zah­lun­gen sei­en nicht mit der Ziel­set­zung er­folgt, die Kos­ten ei­nes So­zi­al­plans zu fi­nan­zie­ren. Das sei nie Ge­gen­stand der Ver­hand­lun­gen mit der FHH ge­we­sen. Sch­ließlich sei dem Be­triebs­rat in der Ei­ni­gungs­stel­le aus­rei­chend Gehör gewährt wor­den. Ins­be­son­de­re sei ihm, was un­strei­tig ist, mehr­fach an­ge­bo­ten wor­den, die wirt­schaft­li­che Si­tua­ti­on der Ar­beit­ge­be­rin für die letz­ten 5 Jah­re durch ei­nen ei­ge­nen wirt­schaft­li­chen Sach­verständi­gen über­prüfen zu las­sen. Das ha­be dem Be­triebs­rat nicht genügt, da er der Mei­nung ge­we­sen sei, die letz­ten 5 Jah­re sei­en für ei­ne Über­prüfling nicht aus­rei­chend. Hier­auf kom­me es aber auch nicht an, da bei der Über­prüfung des Spruchs der Ei­ni­gungs­stel­le ei­ne rei­ne Er­geb­nis­kon­trol­le vor­zu­neh­men sei.
28 Mit Be­schluss vom 2. Fe­bru­ar 2017 hat das Ar­beits­ge­richt den An­trag des Be­triebs­rats zurück­ge­wie­sen. Dies hat es im We­sent­li­chen da­mit be­gründet, dass der von der Ei­ni­gungs­stel­le be­schlos­se­ne So­zi­al­plan die Gren­ze des § 112 Abs. 1 S. 2 Be­trVG nicht un­ter­schrei­te und da­mit man­gels Er­mes­sens­feh­ler wirk­sam sei. Die vor­ge­se­he­nen Leis­tun­gen stell­ten ei­ne sub­stan­ti­el­le Mil­de­rung der mit der Be­triebsände­rung ver­bun­de­nen wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le dar. Die vor­ge­se­he­nen und er­re­chen­ba­ren Ab­fin­dungs­beträge be­gründe­ten ei­ne spürba­re Mil­de­rung der Nach­tei­le der Ar­beit­neh­mer. So könne die größte Ar­beit­neh­mer­grup­pe der 53- bis 61-Jähri­gen mit der durch­schnitt­li­chen Ab­fin­dung von et­wa € 29.500,00 net­to durch­schnitt­lich ei­nen wirt­schaft­li­chen Ver­lust von et­wa 22 Mo­na­ten Ar­beits­lo­sig­keit kom­pen­sie­ren. Das genüge. Von ei­ner dau­er­haf­ten Ar­beits­lo­sig­keit ha­be die Ei­ni­gungs­stel­le nicht aus­ge­hen müssen. We­gen der Be­gründung des Be­schlus­ses im Ein­zel­nen wird auf des­sen Gründe Be­zug ge­nom­men (Bl. 456 ff d.A.).
29 Der Be­schluss ist dem Be­triebs­rat am 1. März 2017 zu­ge­stellt wor­den. Hier­ge­gen hat er am 27. März 2017 Be­schwer­de ein­ge­legt und die­se mit Schrift­satz vom 13. Ju­ni 2017, am 14. Ju­ni 2017 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg ein­ge­gan­gen, be­gründet nach Verlänge­rung der Be­gründungs­frist bis zum 16. Ju­ni 2017.
30 Der Be­triebs­rat trägt vor, die Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts sei feh­ler­haft. Der So­zi­al­plan sei un­ter­do­tiert. Mehr als 10% der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer er­hiel­ten — we­gen der Möglich­keit ei­nes (vor­zei­ti­gen) Ren­ten­be­zugs nach In­an­spruch­nah­me von Ar­beits­lo­sen­geld I — nicht nur kei­ne Ab­fin­dung, son­dern müss­ten auch noch ei­ne Verkürzung ih­rer or­dent­li­chen Kündi­gungs­frist hin­neh­men, oh­ne dass die Ei­ni­gungs­stel­le die­se kon­kre­te Si­tua­ti­on älte­rer Ar­beit­neh­mer be­han­delt oder gewürdigt hätte. Die­se Ar­beit­neh­mer würden nicht ein­mal ei­ne sub­stan­ti­el­le Mil­de­rung ih­rer Nach­tei­le er­fah­ren (s. im Ein­zel­nen SS des Be­triebs­rats vom 13. Ju­ni 2017, dort S. 31 ff = Bl. 544 d.A.). Der So­zi­al­plan sei auch un­ter­do­tiert, da das Vo­lu­men des So­zi­al­plans ge­rin­ger sei als die Sum­me, die die Ar­beit­ge­be­rin al­lein durch die Verkürzung der Kündi­gungs­frist er­spart ha­be. Hier­bei han­de­le es sich um ei­ne Sum­me in Höhe von ins­ge­samt € 2.113.684,08. Wei­ter sei der So­zi­al­plan un­ter­do­tiert, weil die FHH der Ar­beit­ge­be­rin min­des­tens € 100 Mio. Entschädi­gungs­zah­lun­gen für die vor­zei­ti­ge Lösung des Pacht­ver­trags ge­zahlt ha­be, von de­nen mehr als € 10 Mio. für ei­nen So­zi­al­plan vor­ge­se­hen ge­we­sen sei­en, das IST-Vo­lu­men des So­zi­al­plans aber nicht ein­mal € 2 Mio. be­tra­ge, oh­ne dass die Ei­ni­gungs­stel­le die von der FHH zur Verfügung ge­stell­ten Gel­der in ih­re Über­le­gun­gen ein­be­zo­gen ha­be. An­fang 2016 sei­en (un­strei­tig) noch Rück­stel­lun­gen für ei­nen So­zi­al­plan in der Bi­lanz der Ar­beit­ge­be­rin mit € 8,5 Mio. aus­ge­wie­sen ge­we­sen. Den­noch sei die Ei­ni­gungs­stel­le al­lein dem Vor­trag der Ar­beit­ge­be­rin ge­folgt, dass ei­ne In­sol­venz­ge­fahr dro­he und kei­ne li­qui­den Mit­tel mehr vor­han­den ge­we­sen sein. Auch oh­ne wirt­schaft­li­chen Sach­ver­stand sei aber an­hand der Geschäfts­be­rich­te der von dem Ge­sell­schaf­ter ge­hal­te­nen Un­ter­neh­men er­sicht­lich, dass die­ser der Ar­beit­ge­be­rin Gel­der ent­zo­gen und die­se Gel­der an­de­ren Un­ter­neh­men sei­ner Un­ter­neh­mens­grup­pe zur Verfügung ge­stellt ha­be, u.a. als un­be­si­cher­te Dar­le­hen in zwei­stel­li­ger Mil­lio­nenhöhe. Da­mit sei der Ge­sell­schaf­ter den sich ab­zeich­nen­den Ver­pflich­tun­gen aus dem So­zi­al­plan ent­gan­gen. Bei der Do­tie­rung des So­zi­al­plans und des­sen wirt­schaft­li­cher Ver­tret­bar­keit sei­en das Vermögen der B. Group so­wie das Vermögen des Ge­sell­schaf­ters Dr. K. zu berück­sich­ti­gen, da er u.a. durch die ge­nann­ten Dar­le­hens­ver­ga­ben miss­bräuch­lich das zweck­ge­bun­de­ne Ge­sell­schafts­vermögen geschädigt ha­be. Der Be­triebs­rat hal­te auch dar­an fest, dass die Un­ter­gren­ze von § 112 Abs. 1 S. 2 Be­trVG ver­letzt, der So­zi­al­plan ins­ge­samt un­ter­do­tiert sei, al­lein schon we­gen der Kürzung der ta­rif­li­chen or­dent­li­chen Kündi­gungs­fris­ten. Zum Teil er­lit­ten die Ar­beit­neh­mer hier ei­nen Ver­lust in Höhe ei­nes Jah­res­brut­to­ge­halts. Sch­ließlich ha­be die Ei­ni­gungs­stel­le das recht­li­che Gehör des Be­triebs­rats ver­letzt. Es hätte zwin­gend noch der von ihm be­nann­te Sach­verständi­ge gehört wer­den müssen.
31 Der Be­triebs­rat be­an­tragt,
32

den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 02.02.2017 un­ter dem Az.: 29 BV 23/16 ab­zuändern und fest­zu­stel­len, dass der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le über ei­nen So­zi­al­plan vom 14.09.2016, zu­ge­stellt am 22.09.2ß16, un­wirk­sam ist.

33 Die Ar­beit­ge­be­rin be­an­tragt,
34

die Be­schwer­de zurück­zu­wei­sen.

35 Die Ar­beit­ge­be­rin ver­tei­digt den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts und trägt vor, die verkürz­ten Kündi­gungs­fris­ten führ­ten nicht da­zu, dass die Mit­ar­bei­ter durch den So­zi­al­plan be­nach­tei­ligt würden. Hätte die Ar­beit­ge­be­rin kei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich und So­zi­al­plan ab­sch­ließen müssen, hätte sie be­reits An­fang des Jah­res Kündi­gun­gen aus­spre­chen können. Auch un­ter Berück­sich­ti­gung der lan­gen ta­rif­li­chen Kündi­gungs­fris­ten wären in die­sem Fall al­le Mit­ar­bei­ter zum 31. De­zem­ber 2016 gekündigt wor­den, sie hätten dann aber kei­ne Ab­fin­dung er­hal­ten. Fer­ner ver­lan­ge auch die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts nicht, dass ein von der Ei­ni­gungs­stel­le auf­ge­stell­ter So­zi­al­plan zu­min­dest die ta­rif­lich an­ge­ord­ne­ten Verkürzun­gen der Kündi­gungs­fris­ten kom­pen­sie­ren müsse. So­weit ei­ni­ge Mit­ar­bei­ter auf­grund ih­rer Ren­tennähe von So­zi­al­plan­leis­tun­gen aus­ge­schlos­sen wor­den sei­en, sei dies nach § 10 S. 3 Nr. 6 AGG zulässig. Grund hier­fiir sei die Über­brückungs­funk­ti­on des So­zi­al­plans. So­bald ein Mit­ar­bei­ter wirt­schaft­lich bis zum Be­zug ei­ner Al­ters­ren­te — ggf. nach Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld — ab­ge­si­chert sei, be­ste­he kein „Über­brückungs­er­for­der­nis", so dass es zulässig sei, ihn von den So­zi­al­plan­leis­tun­gen aus­zu­sch­ließen. Das ha­be das Bun­des­ar­beits­ge­richt mehr­fach aus­drück­lich für zulässig er­ach­tet und gel­te un­abhängig da­von, mit wel­cher Kündi­gungs­frist ein Mit­ar­bei­ter aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schei­de. Die Ab­si­che­rung der ren­ten­na­hen Mit­ar­bei­ter er­fol­ge nämlich nicht durch die Dau­er der Kündi­gungs­frist, son­dern da­durch, dass sie zeit­nah nach Aus­schei­den aus dem Ar­beits­verhält­nis An­spruch auf ei­ne Al­ters­ren­te hätten. So­fern der Be­triebs­rat wei­ter­hin der Auf­fas­sung sei, dass die Mil­de­rung der Nach­tei­le „nicht an­ge­mes­sen" sei, so ver­ken­ne er nach wie vor das Er­mes­sen der Ei­ni­gungs­stel­le so­wie den Um­fang der ge­richt­li­chen Kon­trol­le von Ei­ni­gungs­stel­lensprüchen. Ei­ne Un­wirk­sam­keit des Spruchs der Ei­ni­gungs­stel­le kom­me über­haupt nur dann in Be­tracht, wenn nicht ein­mal ei­ne spürba­re Mil­de­rung der ent­stan­de­nen Nach­tei­le er­reicht wer­de. Das sei vor­lie­gend aber nicht der Fall. Selbst wenn es aber der Fall wäre, wäre ei­ne Un­ter­schrei­tung der Gren­zen des § 112 Abs. 1 S. 2 Be­trVG auf­grund der wirt­schaft­li­chen La­ge der Ar­beit­ge­be­rin ge­recht­fer­tigt. Ein höher do­tier­ter So­zi­al­plan wäre für die Ar­beit­ge­be­rin aus wirt­schaft­li­chen Gründen nicht zu­mut­bar ge­we­sen. Die wirt­schaft­li­che La­ge sei so prekär ge­we­sen, dass die­se kurz vor der In­sol­venz ge­stan­den ha­be. Hätte nicht der mit­tel­ba­re Al­lein­ge­sell­schaf­ter wei­te­re Zu­wen­dun­gen getätigt und sich für die Fi­nan­zie­rung der Ar­beit­ge­be­rin ein­ge­setzt, so hätte jed­we­des So­zi­al­plan­vo­lu­men zu ei­ner Il­li­qui­dität, bi­lan­zi­el­len Über­schul­dung und Schmäle­rung des Ei­gen­ka­pi­tals geführt. Das wer­de letzt­lich auch vom Be­triebs­rat nicht be­strit­ten. Auch sei des­sen Auf­fas­sung falsch, der Ge­sell­schaf­ter Dr. K. ha­be dem Un­ter­neh­men miss­bräuch­lich fi­nan­zi­el­le Mit­tel ent­zo­gen. Ins­be­son­de­re sei­en die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes exis­tenz­ver­nich­ten­den Ein­griffs nicht ge­ge­ben. Es man­ge­le so­wohl an ei­ner In­sol­venz der Ar­beit­ge­be­rin als auch an vorsätz­li­chen, miss­bräuch­li­chen und kom­pen­sa­ti­ons­lo­sen Ein­grif­fen in das im Gläubi­ger­inter­es­se zweck­ge­bun­de­ne Ge­sell­schafts­vermögen. Des­halb sei das Vermögen der B. Group und das Vermögen des Ge­sell­schaf­ters Dr. K. bei der So­zi­al­plan­do­tie­rung nicht zu berück­sich­ti­gen ge­we­sen. Zu­dem träfe die Be­haup­tung des Be­triebs­rats nicht zu, die Entschädi­gungs­zah­lung der FIM ha­be auch da­zu ge­dient, die Nach­tei­le aus­zu­glei­chen oder zu mil­dern, die die bei der Ar­beit­ge­be­rin beschäftig­ten Mit­ar­bei­ter auf­grund der Be­triebs­rats­sch­ließung zu er­war­ten ge­habt hätten. Sch­ließlich sei dem Be­triebs­rat in der Ei­ni­gungs­stel­le aus­rei­chend recht­li­ches Gehör gewährt wor­den.
36

Hin­sicht­lich des wei­te­ren Vor­brin­gens der Be­tei­lig­ten, der von ih­nen über­reich­ten Un­ter­la­gen so­wie ih­rer Rechts­ausführun­gen wird ergänzend auf den ge­sam­ten Ak­ten­in­halt Be­zug ge­nom­men.

II.

37

Die Be­schwer­de des Be­triebs­rats ist zulässig, aber über­wie­gend un­be­gründet.

A.

38

Die Be­schwer­de des Be­triebs­rats ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statt­haft und im Übri­gen form- und frist­gemäß ein­ge­legt und be­gründet wor­den und da­mit zulässig (§§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 6, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO). In­halt­lich be­zieht sie sich in der Be­gründung aus­rei­chend ge­nau auf die Gründe des ar­beits­ge­richt­li­chen Be­schlus­ses, denn sie setzt sich mit der Be­gründung des Ar­beits­ge­richts hin­rei­chend aus­ein­an­der.

B.

39 Die Be­schwer­de ist über­wie­gend un­be­gründet. Fest­zu­stel­len war le­dig­lich die Teil­un­wirk­sam­keit des Spruchs der Ei­ni­gungs­stel­le und zwar im Hin­blick auf die Re­ge­lung in § 1 Abs. 2 des So­zi­al­plans, so­weit auch die Mit­ar­bei­ter von ei­ner So­zi­al­plan­ab­fin­dung aus­ge­schlos­sen wur­den, die nach dem Ar­beits­lo­sen­geld­be­zug nur ei­ne vor­ge­zo­ge­ne Al­ters­ren­te (mit Ab­schlägen) in An­spruch neh­men können. Im Übri­gen ist der So­zi­al­plan wirk­sam, die Be­schwer­de des Be­triebs­rats in­so­weit un­be­gründet.
40

Im Ein­zel­nen:

1.

41 Der Fest­stel­lungs­an­trag des Be­triebs­rats ist zulässig.
42 Die Be­triebs­rat hat in­ner­halb der Zwei-Wo­chen-Frist des § 76 Abs. 5 S. 4 Be­trVG beim Ar­beits­ge­richt gel­tend ge­macht, die Ei­ni­gungs­stel­le ha­be mit ih­rem Spruch vom 14. Sep­tem­ber 2016 die Gren­zen des Er­mes­sens über­schrit­ten, der Spruch sei un­wirk­sam. Der schrift­lich ab­ge­fass­te Spruch ist dem Be­triebs­rat am 22. Sep­tem­ber 2016 zu­ge­stellt wor­den; sein An­trag, ge­rich­tet auf Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit des Spruchs, ist am 5. Ok­to­ber 2016 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen.
43

Der An­trag auf Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit des Ei­ni­gungs­stel­len­spruchs ist zulässig, weil die ge­richt­li­che Ent­schei­dung über die Un­wirk­sam­keit ei­nes Ei­ni­gungs­stel­len­spruchs nur rechts­fest­stel­len­de, aber kei­ne rechts­ge­stal­ten­de Be­deu­tung hat. Aus die­sem Grun­de kann nur die Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit be­an­tragt wer­den und nicht die Auf­he­bung des Ei­ni­gungs­stel­len­spruchs (vgl. BAG, 1 ABR 16/93; zit. nach ju­ris).

2.

44 Der An­trag des Be­triebs­rats ist über­wie­gend un­be­gründet.
45 Der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le enthält zwar ei­nen Rechts­ver­s­toß im Hin­blick auf den Aus­schluss sol­cher ren­ten­na­her Ar­beit­neh­mer von ei­ner So­zi­al­plan­ab­fin­dung, die nach dem Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld I nur ei­ne vor­ge­zo­ge­ne, gekürz­te Al­ters­ren­te in An­spruch neh­men können. In­so­weit war die Teil­un­wirk­sam­keit des Spruchs der Ei­ni­gungs­stel­le fest­zu­stel­len.
46 Im Übri­gen konn­te al­ler­dings we­der ein Rechts­ver­s­toß fest­ge­stellt wer­den noch hat die Ei­ni­gungs­stel­le die Gren­zen des ihr zu­ste­hen­den Er­mes­sens über­schrit­ten.

a)

47 Sprüche der Ei­ni­gungs­stel­le un­ter­lie­gen ei­ner um­fas­sen­den Rechts­kon­trol­le (vgl. BAG, 1 ABR 16/93; 4.5.1993, 1 ABR 57/92; zit. nach ju­ris).
48 Ent­schei­det die Ei­ni­gungs­stel­le im Rah­men ei­ner Re­ge­lungs­strei­tig­keit über die An­wen­dung von Rechts­nor­men, so un­ter­liegt ihr Spruch in­so­weit ei­ner un­be­schränk­ten ge­richt­li­chen Kon­trol­le. Die Ge­rich­te für Ar­beits­sa­chen ha­ben die Rechts­la­ge selbst zu prüfen und zu ent­schei­den, ob der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le wirk­sam ist (vgl. 11.7.2000, 1 ABR 43/99; BAG, 1 ABR 16/93; zit. nach ju­ris). Da­bei hat die Ei­ni­gungs­stel­le vor­ran­gi­ges zwin­gen­des Recht zu be­ach­ten, so u.a. § 75 Be­trVG und die Be­stim­mun­gen des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes (AGG).
49 Im Übri­gen hat die Ei­ni­gungs­stel­le gemäß § 76 Abs. 5 Be­trVG ih­re Be­schlüsse un­ter an­ge­mes­se­ner Berück­sich­ti­gung der Be­lan­ge des Be­trie­bes und der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer nach bil­li­gem Er­mes­sen zu fas­sen. Ob der Spruch die Gren­zen des der Ei­ni­gungs­stel­le ein­geräum­ten Er­mes­sens ge­wahrt hat, be­ur­teilt sich al­lein da­nach, ob sich die ge­trof­fe­ne Re­ge­lung als sol­che in­ner­halb die­ser Gren­zen hält. Es kommt hin­ge­gen nicht dar­auf an, ob die dem Spruch zu­grun­de lie­gen­den Erwägun­gen der Ei­ni­gungs­stel­le fol­ge­rich­tig wa­ren und ei­ne erschöpfen­de Würdi­gung zum In­halt ha­ben (vgl. BAG, 1 ABR 16/93; 27.10.1992, 1 ABR 4/92; zit. nach ju­ris). Geht es um ei­nen So­zi­al­plan, ist Ge­gen­stand der ge­richt­li­chen Kon­trol­le nach § 76 Abs. 5 Satz 4, § 112 Abs. 5 Be­trVG, ob sich der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le als an­ge­mes­se­ner Aus­gleich der Be­lan­ge des Be­triebs und Un­ter­neh­mens auf der ei­nen und der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer auf der an­de­ren Sei­te er­weist. Maßgeb­lich ist auch hier al­lein die ge­trof­fe­ne Re­ge­lung als sol­che. Ei­ne Über­schrei­tung der Gren­zen des Er­mes­sens muss in der Re­ge­lung selbst als Er­geb­nis des Abwägungs­vor­gangs lie­gen. Auf die von der Ei­ni­gungs­stel­le an­ge­stell­ten Erwägun­gen kommt es nicht an (BAG, 22.01.2013, 1 ABR 85/11; zit. nach ju­ris). Die in­so­weit er­for­der­li­che Über­prüfung des Ei­ni­gungs­stel­len­spruchs steht den Ge­rich­ten für Ar­beits­sa­chen in vol­lem Um­fang zu.
50 Gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG dient der So­zi­al­plan dem Aus­gleich oder der Mil­de­rung der wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le, die den Ar­beit­neh­mern in­fol­ge der ge­plan­ten Be­triebsände­rung ent­ste­hen. Das Ge­setz gibt da­bei kei­ner der bei­den Al­ter­na­ti­ven „Aus­gleich" oder „Mil­de­rung" den Vor­zug. Viel­mehr ste­hen bei­de grundsätz­lich gleich­be­rech­tigt ne­ben­ein­an­der. Ein So­zi­al­plan muss des­halb nicht in ers­ter Li­nie die wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le der Ar­beit­neh­mer möglichst vollständig aus­glei­chen, mit der Fol­ge, dass nur dann, wenn dies nicht möglich er­scheint, ei­ne bloße Mil­de­rung aus­rei­chend wäre. Dem­ent­spre­chend be­sit­zen die Be­triebs­par­tei­en und die Ei­ni­gungs­stel­le nach ständi­ger Recht­spre­chung und ein­hel­li­ger Auf­fas­sung im Schrift­tum ei­nen wei­ten Er­mes­sens­spiel­raum bei der Ent­schei­dung darüber, ob und in wel­chem Um­fang sie die Nach­tei­le ei­ner Be­triebsände­rung für die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer aus­glei­chen wol­len (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach ju­ris, m.w.N.). Sie können im Rah­men ih­res Er­mes­sens von ei­nem Nach­teils­aus­gleich gänz­lich ab­se­hen und nach der Ver­meid­bar­keit der Nach­tei­le un­ter­schei­den und sind nicht ge­hal­ten, al­le denk­ba­ren Nach­tei­le entschädi­gen zu wol­len (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach ju­ris, m.w.N.). Ein So­zi­al­plan ist folg­lich nicht al­lein des­we­gen er­mes­sens­feh­ler­haft, weil er nicht sämt­li­che mit der Be­triebsände­rung ver­bun­de­nen Nach­tei­le der Ar­beit­neh­mer vollständig aus­gleicht, ob­wohl dies dem Un­ter­neh­men wirt­schaft­lich möglich wäre. Al­ler­dings darf er nicht den Norm­zweck des § 112 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG ver­feh­len, die wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le der Ar­beit­neh­mer zu­min­dest zu mil­dern (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach ju­ris).
51 Aus die­ser Funk­ti­on des So­zi­al­plans er­ge­ben sich Fol­gen für die Ober- und die Un­ter­gren­ze der in ihm vor­ge­se­he­nen Leis­tun­gen. Weil der So­zi­al­plan ei­ner­seits in kei­nem Fall mehr als ei­nen Aus­gleich der mit der Be­triebsände­rung ver­bun­de­nen wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le für die Ar­beit­neh­mer be­wir­ken soll, stellt der für den vollständi­gen Aus­gleich die­ser Nach­tei­le benötig­te Leis­tungs­um­fang den höchstmögli­chen So­zi­al­plan­be­darf dar. Die­ser ist da­mit zu­gleich die Ober­gren­ze für die Be­mes­sung der So­zi­al­plan­leis­tun­gen durch die Ei­ni­gungs­stel­le nach § 112 Abs. 5 Satz 1 Be­trVG. Die so­zia­len Be­lan­ge der Ar­beit­neh­mer recht­fer­ti­gen in kei­nem Fall höhe­re Leis­tun­gen als sie ein vollständi­ger Aus­gleich al­ler wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le ver­langt (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach ju­ris). Weil der So­zi­al­plan an­de­rer­seits je­den­falls ei­ne Mil­de­rung der wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le der Ar­beit­neh­mer be­wir­ken soll, muss er - un­ter dem Vor­be­halt sei­ner wirt­schaft­li­chen Ver­tret­bar­keit - zu­min­dest so do­tiert sein, dass sei­ne Leis­tun­gen als ei­ne sol­che „Mil­de­rung" an­ge­se­hen wer­den können. Da­zu genügt nicht be­reits je­de Leis­tung zu­guns­ten der Ar­beit­neh­mer, un­abhängig von ih­rem wirt­schaft­li­chen Wert. Es muss sich viel­mehr im Verhält­nis zu den mit der Be­triebsände­rung ver­bun­de­nen Nach­tei­len um ei­ne „spürba­re" Ent­las­tung der Ar­beit­neh­mer han­deln. § 112 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG ver­langt ei­ne sub­stan­ti­el­le Mil­de­rung der mit der Be­triebsände­rung ein­her­ge­hen­den wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le. An­dern­falls sind die so­zia­len Be­lan­ge der Ar­beit­neh­mer i.S.d. § 112 Abs. 5 Satz 1 Be­trVG nicht hin­rei­chend berück­sich­tigt. Wo ge­nau die­se Un­ter­gren­ze für So­zi­al­plan­leis­tun­gen verläuft, lässt sich nicht sche­ma­tisch an­ge­ben, son­dern kann nur mit Rück­sicht auf die Verhält­nis­se im Ein­zel­fall, ins­be­son­de­re das Ge­wicht der die Ar­beit­neh­mer tref­fen­den Nach­tei­le fest­ge­stellt wer­den. Auch die für den Fall der be­triebs­be­ding­ten Kündi­gung un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen in § la Abs. 2 KSchG vor­ge­se­he­ne Höhe der Ab­fin­dung von 0,5 Mo­nats­ver­diens­ten für je­des Jahr des Be­ste­hens des Ar­beits­verhält­nis­ses ist in­so­weit kein taug­li­cher Maßstab. Der mit die­ser Re­ge­lung ver­folg­te Zweck ei­ner Ver­mei­dung von Kündi­gungs­schutz­kla­gen und die dafür er­for­der­li­che An­reiz­funk­ti­on ei­ner Ab­fin­dung spie­len im Zu­sam­men­hang mit der Do­tie­rung ei­nes So­zi­al­plans kei­ne Rol­le (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach ju­ris).
52 Er­ge­ben sich so­mit so­wohl die Ober- als auch die Un­ter­gren­ze des Vo­lu­mens der So­zi­al­plan­leis­tun­gen aus dem Aus­gleichs- bzw. Mil­de­rungs­be­darf der Ar­beit­neh­mer, so sind die­se Gren­zen un­abhängig von den wirt­schaft­li­chen Verhält­nis­sen des Un­ter­neh­mens zu er­mit­teln. Dies kommt in § 112 Abs. 5 Satz 1 Be­trVG schon sprach­lich zum Aus­druck, wo die so­zia­len Be­lan­ge der Ar­beit­neh­mer und die wirt­schaft­li­che Ver­tret­bar­keit für das Un­ter­neh­men - an­ders als in § 76 Abs. 5 Satz 3 Be­trVG - nicht von vorn­her­ein auf die­sel­be Ebe­ne ge­stellt wer­den, und ist Fol­ge des mit § 112 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG ver­bun­de­nen Norm­zwecks: Der Aus­gleichs- und Mil­de­rungs­be­darf der Ar­beit­neh­mer be­misst sich nach den ih­nen ent­ste­hen­den Nach­tei­len und nicht nach der Wirt­schafts­kraft des Un­ter­neh­mens (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach ju­ris). Der wirt­schaft­li­chen Ver­tret­bar­keit der aus dem Ent­las­tungs­be­darf der Ar­beit­neh­mer fol­gen­den Be­las­tun­gen für den Ar­beit­ge­ber kommt in die­sem Zu­sam­men­hang al­ler­dings gemäß § 112 Abs. 5 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 Be­trVG ei­ne Kor­rek­tur­funk­ti­on zu. Die Rück­sicht­nah­me auf die wirt­schaft­li­che Ver­tret­bar­keit ih­rer Ent­schei­dung ver­langt von der Ei­ni­gungs­stel­le, von ei­nem vollständi­gen Aus­gleich al­ler wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le der Ar­beit­neh­mer ab­zu­se­hen, wenn dies den Fort­be­stand des Un­ter­neh­mens gefähr­den würde. Die wirt­schaft­li­che Ver­tret­bar­keit ih­rer Ent­schei­dung stellt da­mit ei­ne zusätz­li­che Er­mes­sens­gren­ze für die Ei­ni­gungs­stel­le dar (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach ju­ris). Ist der für an­ge­mes­sen er­ach­te­te Aus­gleich von Nach­tei­len der Ar­beit­neh­mer für das Un­ter­neh­men wirt­schaft­lich nicht ver­tret­bar, ist das So­zi­al­plan­vo­lu­men bis zum Er­rei­chen der Gren­ze der wirt­schaft­li­chen Ver­tret­bar­keit zu min­dern (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach ju­ris).
53 Die ge­bo­te­ne Rück­sicht­nah­me auf die wirt­schaft­li­chen Verhält­nis­se des Un­ter­neh­mens kann die Ei­ni­gungs­stel­le so­gar zum Un­ter­schrei­ten der aus § 112 Abs. 1 Satz 2 fol­gen­den Un­ter­gren­ze des So­zi­al­plans zwin­gen. Er­weist sich auch ei­ne noch sub­stan­ti­el­le Mil­de­rung der mit der Be­triebsände­rung ver­bun­de­nen Nach­tei­le als für das Un­ter­neh­men wirt­schaft­lich un­ver­tret­bar, ist es nach § 112 Abs. 5 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 Be­trVG zulässig und ge­bo­ten, von ei­ner sol­chen Mil­de­rung ab­zu­se­hen (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach ju­ris).
54 Für die ge­richt­li­che Kon­trol­le der So­zi­al­plan­do­tie­rung durch die Ei­ni­gungs­stel­le be­deu­tet dies, dass der An­fech­ten­de die Über­schrei­tung ei­ner die­ser Er­mes­sens­gren­zen dar­tun muss. Ficht der Ar­beit­ge­ber den So­zi­al­plan we­gen Über­do­tie­rung an, so hat er ent­we­der dar­zu­le­gen, dass des­sen Re­ge­lun­gen zu ei­ner Über­kom­pen­sa­ti­on der ein­ge­tre­te­nen Nach­tei­le führen und des­halb schon die Ober­gren­ze des § 112 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG ver­let­zen, oder dass sie je­den­falls die Gren­ze der wirt­schaft­li­chen Ver­tret­bar­keit für das Un­ter­neh­men über­schrei­ten. Soll­te dies mit Blick auf die wirt­schaft­li­chen Verhält­nis­se al­lein des Ar­beit­ge­bers zu be­ja­hen sein, liegt dar­in ein Er­mes­sens­feh­ler der Ei­ni­gungs­stel­le aber nur, falls nicht ein Be­rech­nungs­durch­griff auf Ge­sell­schaf­ter recht­lich ge­bo­ten ist (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach ju­ris; vgl. auch Fit­ting, Be­trVG, 28. Aufl. 2016, §§ 112, 112a Rn. 258 m.w.N.). Ficht der Be­triebs­rat den So­zi­al­plan we­gen Un­ter­do­tie­rung an, so hat er dar­zu­le­gen, dass des­sen Re­ge­lun­gen die Un­ter­gren­ze des § 112 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG ver­let­zen, weil sie nicht nur kei­nen Aus­gleich, son­dern nicht ein­mal ei­ne sub­stan­ti­el­le Mil­de­rung der für die Ar­beit­neh­mer ent­stan­de­nen Nach­tei­le dar­stel­len. Erst wenn ihm dar­in zu fol­gen ist, stellt sich die Fra­ge, ob ei­ne Un­ter­schrei­tung der Gren­ze des § 112 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG mit Rück­sicht auf de­ren wirt­schaft­li­che Un­ver­tret­bar­keit für das Un­ter­neh­men ge­recht­fer­tigt ist. Soll­te dies mit Blick auf die Verhält­nis­se al­lein des Ar­beit­ge­bers zu be­ja­hen sein, liegt ein Er­mes­sens­feh­ler der Ei­ni­gungs­stel­le in die­sem Fall nur dann vor, wenn statt der iso­lier­ten Be­trach­tung ein Be­rech­nungs­durch­griff auf wirt­schaft­lich bes­ser ge­stell­te Kon­zer­no­ber­ge-sell­schaf­ten ge­bo­ten ist (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach ju­ris).
55

Hat die Ei­ni­gungs­stel­le Re­ge­lun­gen ge­trof­fen, die so­wohl ei­ne sub­stan­ti­el­le Mil­de­rung der wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le für die Ar­beit­neh­mer dar­stel­len als auch für das Un­ter­neh­men wirt­schaft­lich ver­tret­bar sind, so hat sie sich in­ner­halb des ihr ge­setz­lich ein­geräum­ten Er­mes­sens ge­hal­ten. Die ge­richt­li­che Fest­stel­lung ei­ner Un­wirk­sam­keit der von ihr ge­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen we­gen Über- oder Un­ter­do­tie­rung des So­zi­al­plans schei­det un­ter die­ser Vor­aus­set­zung aus (BAG, 24.08.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach ju­ris).

b)

56 Aus­ge­hend von die­sen Grundsätzen zeigt sich zunächst, dass der per Spruch be­schlos­se­ne So­zi­al­plan in § 1 Abs. 2 rechts­un­wirk­sam ist, so­weit Ar­beit­neh­mer von der So­zi­al­plan­ab­fin­dung aus­ge­schlos­sen wur­den, die nach Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld I ei­ne vor­ge­zo­ge­ne, gekürz­te Ren­te in An­spruch neh­men können und für die da­durch ent­ste­hen­den Nach­tei­le kei­ner­lei Aus­gleich bzw. Mil­de­rung er­hal­ten. Die Un­wirk­sam­keit der vor­ge­nann­ten Re­ge­lung folgt aus ei­nem Ver­s­toß ge­gen § 75 Be­trVG, §§ 1, 7 AGG. Da­bei be­wirkt die Un­wirk­sam­keit der vor­ge­nann­ten Be­stim­mung nur ei­ne Teil­un­wirk­sam­keit des So­zi­al­plans, nicht des­sen Ge­samt­un­wirk­sam­keit.

aa)

57 § 1 Abs. 2 des So­zi­al­plans ist teil­un­wirk­sam, so­weit Ar­beit­neh­mer von der So­zi­al­plan­ab­fin­dung aus­ge­schlos­sen wur­den, die nach dem Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld I ei­ne vor­ge­zo­ge­ne, gekürz­te Ren­te in An­spruch neh­men können, weil hier­in ein Ver­s­toß ge­gen § 75 Be­trVG, §§ 1, 7 AGG vor­liegt. Das er­gibt sich aus fol­gen­den Über­le­gun­gen:
58 aaa)
59 Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat ha­ben nach § 75 Abs. 1 Be­trVG darüber zu wa­chen, dass je­de Be­nach­tei­li­gung von Per­so­nen aus den in der Vor­schrift ge­nann­ten Gründen un­ter­bleibt. § 75 Abs. 1 Be­trVG enthält nicht nur ein Über­wa­chungs-ge­bot, son­dern ver­bie­tet zu­gleich Ver­ein­ba­run­gen, durch die Ar­beit­neh­mer auf­grund der dort auf­geführ­ten Merk­ma­le be­nach­tei­ligt wer­den. Der Ge­setz­ge­ber hat die in § 1 AGG ge­re­gel­ten Be­nach­tei­li­gungs­ver­bo­te in § 75 Abs. 1 Be­trVG über­nom­men. Die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung der Be­triebs­an­gehöri­gen aus ei­nem in § 1 AGG ge­nann­ten Grund ist da­her nur un­ter den im AGG nor­mier­ten Vor­aus­set­zun­gen zulässig (BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; zit. nach ju­ris). Sind die­se erfüllt, ist auch der be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ge­wahrt und um­ge­kehrt.
60 bbb)
61 Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftig­te nicht we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des be­nach­tei­ligt wer­den. Be­stim­mun­gen in Ver­ein­ba­run­gen, die ge­gen die­ses Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot ver­s­toßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG un­wirk­sam. Der Be­griff der Be­nach­tei­li­gung be­stimmt sich nach § 3 AGG. Ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde. Ei­ne un­mit­tel­bar auf dem Al­ter be­ru­hen­de Un­gleich­be­hand­lung kann aber nach § 10 AGG un­ter den dort ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen zulässig sein. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG ge­stat­ten die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen des Al­ters, wenn die­se ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen und durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt ist und wenn die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind (BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; zit. nach ju­ris).
62 ccc)
63 Nach § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG können die Be­triebs­par­tei­en ei­ne nach Al­ter oder Be­triebs­zu­gehörig­keit ge­staf­fel­te Ab­fin­dungs­re­ge­lung vor­se­hen, in der sie die we­sent­lich vom Al­ter abhängen­den Chan­cen auf dem Ar­beits­markt durch ei­ne verhält­nismäßig star­ke Be­to­nung des Le­bens­al­ters er­kenn­bar berück­sich­ti­gen, oder auch Beschäftig­te von den Leis­tun­gen des So­zi­al­plans aus­sch­ließen, weil die­se, ge­ge­be­nen­falls nach Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld I, ren­ten­be­rech­tigt sind. Mit die­ser Vor­schrift hat der Ge­setz­ge­ber den Be­triebs­par­tei­en ei­nen Ge­stal­tungs- und Be­ur­tei­lungs­spiel­raum eröff­net, der es ih­nen un­ter den in der Vor­schrift be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen ermöglicht, das Le­bens­al­ter als Be­mes­sungs­kri­te­ri­um für die So­zi­al­plan­ab­fmdung her­an­zu­zie­hen (BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; zit. nach ju­ris).

(1)

64 Mit der Re­ge­lung in § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG woll­te der Ge­setz­ge­ber den Be­triebs­par­tei­en ent­spre­chend dem zu­kunfts­ge­rich­te­ten Entschädi­gungs­cha­rak­ter von So­zi­al­plan­leis­tun­gen ermögli­chen, die­se bei „ren­ten­na­hen" Ar­beit­neh­mern stärker an den tatsächlich ein­tre­ten­den wirt­schaft­li­chen Nach­tei­len zu ori­en­tie­ren, die ih­nen durch den be­vor­ste­hen­den Ar­beits­platz­ver­lust und ei­ne dar­auf zurück­ge­hen­de Ar­beits­lo­sig­keit dro­hen. Durch die­se Ge­stal­tungsmöglich­keit kann das An­wach­sen der Ab­fin­dungshöhe, das mit der Ver­wen­dung der Pa­ra­me­ter Be­triebs­zu­gehörig­keit und/oder Le­bens­al­ter bei der Be­mes­sung der Ab­fin­dung zwangsläufig ver­bun­den ist, bei ab­neh­men­der Schutz­bedürf­tig­keit im In­ter­es­se der Ver­tei­lungs­ge­rech­tig­keit zu Guns­ten der jünge­ren Ar­beit­neh­mer be­grenzt wer­den (BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; 23.3.2010, 1 AZR 832/08; zit. nach ju­ris).

(2)

65 § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG er­fasst nach sei­nem Wort­laut nur den Aus­schluss von älte­ren Ar­beit­neh­mern, die ent­we­der un­mit­tel­bar nach dem Aus­schei­den oder im An­schluss an den Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld I durch den Be­zug ei­ner Al­ters­ren­te wirt­schaft­lich ab­ge­si­chert sind. Die Vor­schrift ist glei­cher­maßen an­wend­bar, wenn die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer zwar nicht un­mit­tel­bar nach dem Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld I ren­ten­be­rech­tigt sind, die Ab­fin­dung aber aus­rei­chend be­mes­sen ist, um die wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le aus­zu­glei­chen, die sie in der Zeit nach der Erfüllung ih­res Ar­beits­lo­sen­geld­an­spruchs bis zum frühestmögli­chen Be­zug ei­ner Al­ters­ren­te er­lei­den. Dies ist stets der Fall, wenn die Ab­fin­dungshöhe für die­sen Zeit­raum den Be­trag der zu­letzt be­zo­ge­nen Ar­beits­vergütung er­reicht. Die von der Be­triebsände­rung be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer sind dann wirt­schaft­lich so ge­stellt, als wäre das Ar­beits­verhält­nis bis zu dem Zeit­punkt fort­ge­setzt wor­den, in dem sie nach dem Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld I naht­los ei­ne Al­ters­ren­te be­zie­hen können (BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; 23.3.2010, 1 AZR 832/08; zit. nach ju­ris).

(3)

66 Die Aus­ge­stal­tung des durch § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG eröff­ne­ten Ge­stal­tungs- und Be­ur­tei­lungs­spiel­raums un­ter­liegt al­ler­dings noch ei­ner wei­te­ren Verhält­nismäßig­keitsprüfung nach § 10 Satz 2 AGG. Die von den Be­triebs­par­tei­en gewähl­te So­zi­al­plan­ge­stal­tung muss ge­eig­net sein, das mit § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG ver­folg­te Ziel tatsächlich zu fördern und darf die In­ter­es­sen der be­nach­tei­lig­ten (Al­ters-)Grup­pe nicht un­verhält­nismäßig stark ver­nachlässi­gen.
67 ddd)
68 Der in § 1 Abs. 2 des So­zi­al­plans ge­re­gel­te Aus­schluss von Ab­fin­dungs­ansprüchen für sol­che Ar­beit­neh­mer, die un­mit­tel­bar nach dem Aus­schei­den aus dem Ar­beits­verhält­nis oder im An­schluss an ei­ne mögli­che Be­zug­nah­me von Ar­beits­lo­sen­geld I (un­abhängig von der tatsächli­chen Be­zug­nah­me des Ar­beits­lo­sen­gel­des) ei­ne Al­ters­ren­te (gekürzt oder un­gekürzt) aus der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung in An­spruch neh­men können (sog. „ren­ten­na­he Ar­beit­neh­mer"), verstößt ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot in § 7 Abs. 1 AGG.

(1)

69 Die Ei­ni­gungs­stel­le hat zwei Grup­pen „ren­ten­na­her Ar­beit­neh­mer" von Ab­fin­dungs­ansprüchen aus­ge­nom­men. Zum ei­nen die Ar­beit­neh­mer, die ei­ne un­gekürz­te Re­gel­al­ters­ren­te in An­spruch neh­men können, und zum an­de­ren die, die nur ei­ne gekürz­te Al­ters­ren­te (un­ter Hin­nah­me von zum Teil er­heb­li­chen Ab­schlägen, z. T. bis zu 9,9 %; so z.B. un­be­strit­ten der Fall bei den Mit­ar­bei­tern I., V. und W.) in An­spruch neh­men können. Da­bei wur­de zwar nicht di­rekt an ein Le­bens­al­ter an­ge­knüpft, son­dern an die Möglich­keit der In­an­spruch­nah­me ei­ner Ren­te. Dies wie­der­um knüpft aber stets an ein be­stimm­tes Le­bens­al­ter an (Voll­endung ei­nes be­stimm­ten Le­bens­jah­res, nämlich des 67., 65., 63., 62. Le­bens­jah­res, vgl. §§ 35 ff SGB VI). Da­mit stützt sich die Möglich­keit der In­an­spruch­nah­me ei­ner Al­ters­ren­te auf ein Kri­te­ri­um, das un­trenn­bar mit dem Al­ter der Ar­beit­neh­mer ver­bun­den ist. Das wie­der­um hat zur Fol­ge, dass vor­lie­gend der Aus­schluss von So­zi­al­plan­ab­fin­dun­gen ei­ne un­mit­tel­bar auf dem Merk­mal des Al­ters be­ru­hen­de Un­gleich­be­hand­lung dar­stellt (vgl. EuGH, 26.2.2015, C-515/13; 12.10.2010, C-499/08; zit. nach ju­ris).

(2)

70 Die­se Un­gleich­be­hand­lung ist nur im Hin­blick auf die Ar­beit­neh­mer ge­recht­fer­tigt, die ei­ne un­gekürz­te Re­gel­al­ters­ren­te in An­spruch neh­men können. Hier lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des § 10 Satz 3 Nr. 6 Alt. 2 AGG vor. Hin­sicht­lich der Ar­beit­neh­mer, die nur ei­ne gekürz­te, vor­ge­zo­ge­ne Ren­te in An­spruch neh­men können, ist das je­doch nicht der Fall.
71 Von dem Aus­schluss­tat­be­stand in § 1 Abs. 2 des So­zi­al­plans sind die Ar­beit­neh­mer er­fasst, die nach dem Aus­schei­den aus dem Ar­beits­verhält­nis und ggf. den Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld I die vol­le Re­gel­al­ters­ren­te oder ei­ne vor­ge­zo­ge­ne, gekürz­te Ren­te be­an­spru­chen können. Bei­de Grup­pen wa­ren bis zum mögli­chen Be­zug ei­ner (gekürz­ten) Ren­te wirt­schaft­lich ab­ge­si­chert. Der Aus­schluss von jeg­li­cher Ab­fin­dungs­leis­tung mag auch in Be­zug auf bei­de Grup­pen der „ren­ten­na­hen Ar­beit­neh­mer" an­ge­mes­sen und er­for­der­lich im Sin­ne von § 10 S. 3 Nr. 6 AGG ge­we­sen sein. Im Hin­blick auf die Grup­pe, die nur ei­ne vor­ge­zo­ge­ne, gekürz­te Al­ters­ren­te in An­spruch neh­men können, fehlt es je­doch an der Verhält­nismäßig­keit im en­ge­ren Sin­ne.

(a)

72 Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ha­ben So­zi­alpläne ei­ne zu­kunfts­be­zo­ge­ne Aus­gleichs- und Über­brückungs­funk­ti­on. Geld­leis­tun­gen in Form ei­ner Ab­fin­dung stel­len kein zusätz­li­ches Ent­gelt für die in der Ver­gan­gen­heit er­brach­ten Diens­te dar, son­dern sol­len die vor­aus­sicht­lich ent­ste­hen­den wirt­schaft­li­chen Fol­gen ei­nes durch Be­triebsände­rung ver­ur­sach­ten Ar­beits­platz­ver­lus­tes aus­glei­chen oder zu­min­dest ab­mil­dern. Die Be­triebs­par­tei­en können die­se Nach­tei­le auf­grund ih­res Be­ur­tei­lungs- und Ge­stal­tungs­spiel­raums in ty­pi­sier­ter und pau­scha­lier­ter Form aus­glei­chen (BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; 7.6.2011, 1 AZR 34/10; zit. nach ju­ris). Da­zu können sie die übermäßige Begüns­ti­gung, die älte­re Beschäftig­te mit langjähri­ger Be­triebs­zu­gehörig­keit bei ei­ner am Le­bens­al­ter und an der Be­triebs­zu­gehörig­keit ori­en­tier­ten Ab­fin­dungs­be­rech­nung er­fah­ren, durch ei­ne Kürzung für ren­ten­na­he Jahrgänge zurückführen, um ei­ne aus ih­rer Sicht ver­tei­lungs­ge­rech­te Ab­mil­de­rung der wirt­schaft­li­chen Fol­gen der Be­triebsände­rung zu Guns­ten der jünge­ren Ar­beit­neh­mer zu ermögli­chen (BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; 23.3.2010, 1 AZR 832/08; zit. nach ju­ris).

(b)

73 Die Er­stre­ckung der Ab­fmdungs­re­gel in § 4 des So­zi­al­plans auch auf Ar­beit­neh­mer, die ei­ne Al­ters­ren­te in An­spruch neh­men können, hätte Beschäftig­te mit länge­ren Beschäfti­gungs­zei­ten über­pro­por­tio­nal begüns­tigt. Die Be­triebs­par­tei­en konn­ten bei die­sen Ar­beit­neh­mern ty­pi­sie­rend da­von aus­ge­hen, dass die­se (ggf. nach dem Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld I) we­gen der Möglich­keit der In­an­spruch­nah­me ei­ner (vor­ge­zo­ge­nen) Al­ters­ren­te weit­ge­hend wirt­schaft­lich ab­ge­si­chert sind. Ei­ne ver­gleich­ba­re Ab­si­che­rung konn­ten die Be­triebs­par­tei­en bei den ren­ten­fer­ne­ren Jahrgängen nicht pro­gnos­ti­zie­ren. Selbst wenn die­se ei­ne An­schluss­beschäfti­gung fmden (bzw. ge­fun­den ha­ben), ver­lie­ren die ent­las­se­nen Ar­beit­neh­mer ih­re bis­he­ri­ge kündi­gungs­schutz­recht­li­che Stel­lung und gehören bei künf­ti­gen Per­so­nal­re­du­zie­run­gen re­gelmäßig zu den Beschäftig­ten, de­nen we­gen ih­rer kur­zen Be­triebs­zu­gehörig­keit vor­ran­gig gekündigt wird. Über­dies können sie re­gelmäßig bei der Neu­be­gründung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses nicht ihr bis­he­ri­ges Ar­beits­ent­gelt er­zie­len, was, eben­so wie die vor­an­ge­hen­den Zei­ten ei­ner Ar­beits­lo­sig­keit, zu Nach­tei­len in ih­rer Ren­ten­bio­gra­fie führt (BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; zit. nach ju­ris). Hätten die ren­ten­be­rech­tig­ten Mit­ar­bei­ter auch ei­ne Ab­fin­dung — wenn auch für die über 61jähri­gen mit ei­nem re­du­zier­ten Fak­tor — er­hal­ten, so wären sie ge­genüber den jünge­ren Ar­beit­neh­mern deut­lich bes­ser ge­stellt. Die Ab­fin­dung wäre nämlich nicht er­for­der­lich, um sie wirt­schaft­lich ab­zu­si­chern und länge­re, über den Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld I hin­aus­ge­hen­de Zeiträume zu über­brücken.

(c)

74 Die In­ter­es­sen der Ar­beit­neh­mer­grup­pe, die ei­ne un­gekürz­te Al­ters­ren­te in An­spruch neh­men können, sind von der Ei­ni­gungs­stel­le auch hin­rei­chend be­ach­tet wor­den. Zwar er­hal­ten sie kei­ner­lei Ab­fin­dung. Dies ist je­doch des­halb nicht un­an­ge­mes­sen, weil sie (ggf nach dem Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld I) ei­ne un­gekürz­te Re­gel­al­ters­ren­te be­an­spru­chen können und da­mit dau­er­haft wirt­schaft­lich eben­so ab­ge­si­chert sind, als wären sie von der Be­triebs­still­le­gung nicht be­trof­fen. Zu­dem ist ty­pi­sie­rend da­von aus­zu­ge­hen, dass sie mit Er­rei­chen der Re­gel­al­ters­ren­te oh­ne­hin aus dem Er­werbs­le­ben aus­schei­den. 
75 Dies trifft je­doch auf die Ar­beit­neh­mer­grup­pe nicht zu, die nur ei­ne gekürz­te Al­ters­ren­te (nach Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld I) in An­spruch neh­men kann. Die In­ter­es­sen die­ser be­nach­tei­lig­ten Al­ters­grup­pe sind un­verhält­nismäßig stark — so­wohl im Ver­gleich zu den jünge­ren Ar­beit­neh­mern mit ei­nem Ab­fin­dungs­an­spruch als auch im Ver­gleich zu den Mit­ar­bei­tern, die ei­ne vol­le Re­gel­al­ters­ren­te be­an­spru­chen können — ver­nachlässigt wor­den. Die von ei­ner vor­ge­zo­ge­nen Al­ters­ren­te be­trof­fe­nen Mit­ar­bei­ter ha­ben zum über­wie­gen­den Teil ei­ne Kürzung der Ren­te in Höhe von 9,9 % hin­zu­neh­men (fol­gend aus § 77 Abs. 2 SGB VI) und sind da­mit dau­er­haft er­heb­li­chen wirt­schaft­li­chen Nach­tei­len aus­ge­setzt, oh­ne dass sie ir­gend­ei­nen Aus­gleich hierfür, ggf. auch nur in pau­scha­lier­tem Um­fang, er­hiel­ten. Auch wenn nur be­grenzt So­zi­al­plan­mit­tel zur Verfügung stan­den, ist die Nicht­berück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen die­ser Ar­beit­neh­mer­grup­pe nicht verhält­nismäßig. Das gilt vor al­lem vor dem Hin­ter­grund, dass das zur Verfügung ge­stell­te So­zi­al­plan­vo­lu­men von 2 Mio. Eu­ro durch die Aus­schluss­tat­bestände nach dem un­be­strit­te­nen Sach­vor­trag des Be­triebs­rats nicht voll aus­geschöpft wur­de, son­dern ge­ra­de um die Sum­men, die grundsätz­lich — d.h. oh­ne Aus­schluss­tat­be­stand in § 1 Abs. 2 des So­zi­al­plans — an die ren­ten­na­hen Jahrgänge zu zah­len ge­we­sen wären, ein­ge­spart wur­de mit der Fol­ge, dass nicht et­wa 2 Mio. Eu­ro (ge­nau: € 1.958.392,88 — Ta­bel­le AG 2), son­dern nur ein um et­wa € 339.00,00 (ge­nau: 339.275,93) re­du­zier­ter Be­trag an Ab­fin­dungs­zah­lun­gen zu leis­ten wa­ren (d.h. 1.619.116,95). Der dau­er­haf­te Ver­lust von knapp 10 % der Ren­te er­scheint auch un­ter Berück­sich­ti­gung der wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le, die den jünge­ren Mit­ar­bei­tern durch länge­re Ar­beits­lo­sig­keit und/oder ei­ne An­schluss­beschäfti­gung zu schlech­te­ren Kon­di­tio­nen ent­ste­hen können, der­art er­heb­lich, dass ein vollständi­ger Aus­schluss von jeg­li­cher So­zi­al­plan­leis­tung un­an­ge­mes­sen ist (an­ders aber: BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; zit. nach ju­ris). Ins­be­son­de­re er­weist sich ih­re Si­tua­ti­on auch er­heb­lich schlech­ter als die Si­tua­ti­on der voll ren­ten­be­rech­tig­ten Mit­ar­bei­ter.
76 Fer­ner ist zu be­ach­ten, dass der Aus­schluss der Ar­beit­neh­mer, die nur ei­ne vor­ge­zo­ge­ne Ren­te be­an­spru­chen können, von jeg­li­cher Ab­fin­dung ei­nen Ver­s­toß ge­gen die Richt­li­nie 2000/78/EG be­wirkt. Zwar hat der EuGH im Ur­teil vom 6. De­zem­ber 2012 (C-152/11) bestätigt, dass ei­ne So­zi­al­plan­re­ge­lung, die nach Al­ter un­ter­schei­det, ge­recht­fer­tigt sein kann. So ist in dem vor­ge­nann­ten Fall aus­ge­fiihrt wor­den, dass ei­ne Un­gleich­be­hand­lung von älte­ren Ar­beit­neh­mern bei der Be­rech­nung der So­zi­al­plan­ab­fin­dung durch ein le­gi­ti­mes Ziel i.S.v. Art. 6 Abs. 1 Un­terabs. 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG ge­recht­fer­tigt sein kann, wenn der So­zi­al­plan die Gewährung ei­nes Aus­gleichs für die Zu­kunft, den Schutz der jünge­ren Ar­beit­neh­mer so­wie die Un­terstützung bei ih­rer be­ruf­li­chen Wie­der­ein­glie­de­rung und ei­ne ge­rech­te Ver­tei­lung der be­grenz­ten fi­nan­zi­el­len Mit­tel be­zweckt. Ei­ne in Abhängig­keit von Le­bens­al­ter und Be­triebs­zu­gehörig­keit be­rech­ne­te Ab­fin­dung könne bei Ar­beit­neh­mern, die im Zeit­punkt der Ent­las­sung durch den mögli­chen Be­zug ei­ner vor­ge­zo­ge­nen ge­setz­li­chen Al­ters­ren­te wirt­schaft­lich ab­ge­si­chert sind, ge­min­dert wer­den (EuGH, 6.12.2012, C-152/11; zit. nach ju­ris). Vor­lie­gend geht es aber nicht um ei­ne Min­de­rung ei­ner Ab­fin­dung, son­dern um jeg­li­chen Aus­schluss von ei­ner Ab­fin­dung, ob­wohl durch die gekürz­te, vor­ge­zo­ge­ne Ren­te ein er­heb­li­cher dau­er­haf­ter wirt­schaft­li­cher Nach­teil ge­ge­ben ist. Zwar mag der Aus­schluss von ren­ten­na­hen Jahrgängen von ei­ner So­zi­al­plan­ab­fin­dung mit Art. 6 Abs. 1 Un­terabs. 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG in Ein­klang ste­hen, so­fern ei­ne un­gekürz­te Al­ters­ren­te be­an­sprucht wer­den kann. Das ist mit dem Zweck ei­nes So­zi­al­plans, ei­nen Aus­gleich für die Zu­kunft, den Schutz der jünge­ren Ar­beit­neh­mer so­wie die Un­terstützung bei ih­rer be­ruf­li­chen Wie­der­ein­glie­de­rung zu gewähren und be­grenz­te fi­nan­zi­el­le Mit­tel ge­recht zu ver­tei­len, ver­ein­bar. Al­ler­dings darf der Schutz sol­cher Ar­beit­neh­mer, die nur ei­ne gekürz­te, mit Ab­schlägen ver­se­he­ne Al­ters­ren­te in An­spruch neh­men können, nicht vollständig ver­nachlässigt wer­den. Die­se benöti­gen des­halb zu­min­dest ei­nen ge­wis­sen Schutz in Form ei­nes fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs, weil sie ent­we­der dau­er­haft Ren­tenkürzun­gen hin­zu­neh­men ha­ben oder weil sie ei­ne Beschäfti­gung bis zur Re­gel­al­ters­ren­te auf­neh­men möch­ten und bei der Su­che ggf. länge­re Zeit benöti­gen als die Zeit­span­ne, für wel­che sie Ar­beits­lo­sen­geld I be­zie­hen. Dem kom­men auch die Ausführun­gen des EuGH im Fall An­der­sen na­he (EuGH, 12.10.2010, C­499/08; zit. nach ju­ris). Dort ist der Aus­schluss von Ent­las­sungs­entschädi­gun­gen (die ge­setz­lich nur für Ar­beit­neh­mer mit ei­ner be­stimm­ten Be­triebs­zu­gehörig­keit vor­ge­se­hen wa­ren) we­gen des An­spruchs auf ei­ne vor­ge­zo­ge­ne, aber re­du­zier­te Al­ters­ren­te für un­zulässig und un­ver­ein­bar mit der Richt­li­nie 2000/78 erklärt wor­den. Die Ent­las­sungs­entschädi­gung dien­te da­bei dem Zweck, Ar­beit­neh­mer stärker zu schützen, de­ren Über­gang in ei­ne an­de­re Beschäfti­gung sich auf­grund der Dau­er ih­rer Be­triebs­zu­gehörig­keit als schwie­rig dar­stell­te. Die Ent­las­sungs­entschädi­gung soll­te sie bei der Su­che nach ei­ner neu­en Beschäfti­gung un­terstützen. Da­bei be­ruh­te der Aus­schluss von ei­ner (ge­setz­li­chen) Ent­las­sungs­entschädi­gung, die die Ar­beit­neh­mer ei­gent­lich hätten be­an­spru­chen können, auf dem Um­stand, dass sie ei­ne vor­ge­zo­ge­ne Be­triebs­ren­te in An­spruch neh­men konn­ten. Ent­schie­den sie sich, die­se nicht zu be­zie­hen, son­dern wei­ter zu ar­bei­ten, er­hiel­ten sie den­noch kei­ne Entschädi­gungs­zah­lung. D.h. die Re­ge­lung lief dar­auf hin­aus, ent­las­se­nen Ar­beit­neh­mern, die auf dem Ar­beits­markt blei­ben woll­ten, die­se Ab­fin­dung al­lein aus dem Grund vor­zu­ent­hal­ten, dass sie u. a. auf­grund ih­res Al­ters ei­ne gekürz­te Ren­te in An­spruch neh­men konn­ten. Sie er­schwer­te Ar­beit­neh­mern, die be­reits ei­ne Al­ters­ren­te be­zie­hen konn­ten, die wei­te­re Ausübung ih­res Rechts, zu ar­bei­ten, weil sie beim Über­gang in ein neu­es Beschäfti­gungs­verhält­nis — im Ge­gen­satz zu an­de­ren Ar­beit­neh­mern mit gleich lan­ger Be­triebs­zu­gehörig­keit — kei­ne Ent­las­sungs­ab­fmdung er­hiel­ten. Fer­ner konn­te die Re­ge­lung die­se Ar­beit­neh­mer zwin­gen, ei­ne nied­ri­ge­re Al­ters­ren­te an­zu­neh­men als die, die sie be­an­spru­chen könn­ten, wenn sie bis in ein höhe­res Al­ter be­rufstätig blie­ben, was für sie ei­nen auf lan­ge Sicht er­heb­li­chen Ein­kom­mens­ver­lust nach sich zöge (zu al­lem: EuGH, 12.10.2010, C-499/08; zit. nach ju­ris).Das führ­te gemäß der Ent­schei­dung des EuGH zu ei­ner übermäßigen Be­ein­träch­ti­gung der be­rech­tig­ten In­ter­es­sen der Ar­beit­neh­mer, die sich in die­ser Si­tua­ti­on be­fan­den. Der EuGH hielt die­sen Aus­schluss von der Ent­las­sungs­entschädi­gung für un­verhält­nismäßig, auch weil die vor­ge­zo­ge­ne Ren­te sehr viel nied­ri­ger war als die Re­gel­ren­te. Es ha­be für die­se Ar­beit­neh­mer die Ge­fahr be­stan­den, dass die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer ei­ne nied­ri­ge­re Al­ters­ren­te an­neh­men müssen, was für sie ei­nen er­heb­li­chen Ein­kom­mens­ver­lust be­deu­tet hätte. Da die­ser Ef­fekt nicht an­der­wei­tig entschärft wor­den war, ging der EuGH von ei­nem Ver­s­toß ge­gen die Vor­ga­ben der Richt­li­nie 2000/78 aus (EuGH, 12.10.2010, C-499/08; zit. nach ju­ris). Der EuGH hat darüber hin­aus aber auch be­tont, dass Ren­ten­be­rech­tig­te im Übri­gen zulässi­ger­wei­se von der Ent­las­sungs­entschädi­gung aus­ge­nom­men wer­den durf­ten. Das gilt im vor­lie­gen­den Fall — wie be­reits be­schrie­ben — für die ren­ten­na­hen Jahrgänge, die ei­ne un­gekürz­te Re­gel­al­ters­ren­te in An­spruch neh­men können. So­weit es um die Fälle der nur gekürz­ten Ren­te geht und ei­ne Entschärfung der wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le auch nicht in an­de­rer Form als ei­ner So­zi­al­plan­ab­fin­dung er­folgt ist, liegt je­doch ei­ne Un­ver­ein­bar­keit mit Art. 6 Abs. 1 Un­terabs. 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG vor.
77 Die Si­tua­ti­on die­ser Ar­beit­neh­mer ist ver­gleich­bar mit de­nen in dem vom EuGH ent­schie­de­nen und so­eben dar­ge­stell­ten Fall. Zwar mag die Ziel­rich­tung der vom EuGH ent­schie­de­nen Re­ge­lung im däni­schen Recht und die ei­ner So­zi­al­plan­ab­fin­dung et­was un­ter­schied­lich ge­la­gert sein. Bei­de be­inhal­ten aber den Zweck, wirt­schaft­li­che Nach­tei­le in Fol­ge ei­ner Ent­las­sung ab­mil­dern und Über­brückungs­hil­fe leis­ten zu wol­len, sind al­so zu­kunfts­ge­rich­tet aus­ge­stal­tet, um den Ar­beit­neh­mer fi­nan­zi­ell für ei­nen ge­wis­sen Zeit­raum zu un­terstützen, bis ei­ne an­de­re wirt­schaft­li­che Ab­si­che­rung (z.B. in Form ei­nes neu­en Ar­beits­plat­zes) ge­fun­den ist. Zu­dem wer­den vor­lie­gend — ähn­lich wie im obi­gen Fall des EuGH — Ar­beit­neh­mer von ei­ner So­zi­al­plan­ab­fmdung al­lein des­halb aus­ge­nom­men, weil sie ei­ne vor­ge­zo­ge­ne Al­ters­ren­te in An­spruch neh­men können, die al­ler­dings dau­er­haft zu er­heb­li­chen Ein­kom­mens­ein­bußen (im Ver­gleich zu ei­ner Voll­ren­te) führt. Dem können sie nur ent­ge­hen, wenn sie sich für die Wei­ter­ar­beit ent­schei­den. Da­bei er­hal­ten sie aber kei­ne Über­brückungs­hil­fe in Form ei­ner — wenn auch re­du­zier­ten oder pau­scha­lier­ten —Ab­fin­dung im Ge­gen­satz zu den jünge­ren Mit­ar­bei­tern. Außer­dem ist zu be­ach­ten, dass sie nach dem Ab­lauf des Be­zugs von Ar­beits­lo­sen­geld I nicht Leis­tun­gen gemäß der sog. Hartz IV Re­ge­lun­gen be­an­spru­chen können, um die Zeit zu über­brücken, die sie ggf noch für die Su­che nach ei­nem neu­en Ar­beits­platz benöti­gen. In­so­weit gilt, dass die Be­trof­fe­nen in der Re­gel ei­ne Auf­for­de­rung er­hal­ten, ei­nen Ren­ten­an­trag zu stel­len (§§ 5 Abs. 3 SGB II, 12 a SGB II). Tun sie dies nicht, so kann der Leis­tungs­träger für „Hartz IV" den Ren­ten­an­trag für den Be­trof­fe­nen stel­len (§ 5 Abs. 3 SGB II). Es gilt der Nach­rang­grund­satz der Leis­tun­gen nach dem SGB II (vgl. Bayr. LSG, 21.11.2016, L 11 AS 721/16 B ER, zit. nach ju­ris), d.h.: be­steht ein An­spruch auf ei­ne (vor­ge­zo­ge­ne) Al­ters­ren­te, so ist die­se vor­ran­gig vor Leis­tun­gen nach dem SGB II zu be­an­tra­gen, da so die Hil­fe­bedürf­tig­keit ver­mie­den, be­sei­tigt oder je­den­falls ge­min­dert wer­den kann (vgl. § 7 Abs. 4 SGB II, wo­nach Leis­tun­gen nach dem SGB II nicht erhält, wer Ren­te we­gen Al­ters be­zieht). Hat dem­nach ein sol­cher Ar­beit­neh­mer kei­ne pri­va­ten Re­ser­ven, wird er fak­tisch in die vor­ge­zo­ge­ne Al­ters­ren­te ge­zwun­gen, die dau­er­haft er­heb­li­che wirt­schaft­li­che Nach­tei­le mit sich führt. Dies könn­te ver­mie­den oder zu­min­dest ab­ge­mil­dert wer­den, wenn auch er ei­ne So­zi­al­plan­ab­fin­dung — ggf. auch gekürzt oder pau­scha­liert — erhält.
78 Der Be­klag­ten ist in die­sem Zu­sam­men­hang zwar zu­zu­ge­ste­hen, dass das Bun­des­ar­beits­ge­richt auch den Aus­schluss sol­cher ren­ten­na­her Jahrgänge von Ab­fin­dungs­leis­tun­gen für ge­recht­fer­tigt ge­hal­ten hat, die nur ei­ne vor­ge­zo­ge­ne Al­ters­ren­te be­zie­hen konn­ten (BAG, 26.3.2013, 1 AZR 813/11; zit. nach ju­ris). In sei­nem Ur­teil vom 9. De­zem­ber 2014 (1 AZR 102/13; zit. nach ju­ris) hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt al­ler­dings be­tont, dass der vollständi­ge Aus­schluss sol­cher Ar­beit­neh­mer, die (nach Be­zug von Ar­beits­lo­sen­geld I) ei­ne vor­ge­zo­ge­ne Ren­te in An­spruch neh­men konn­ten, in dem zu ent­schei­den­den Fall des­halb ge­recht­fer­tigt und noch als an­ge­mes­sen zu be­wer­ten ge­we­sen sei, weil die Ar­beit­neh­mer nur von ei­ner Ver­set­zung be­trof­fen wa­ren und die mit dem Ver­lust des Ar­beits­plat­zes ver­bun­de­nen wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le durch ei­ne bis zum Er­rei­chen der Al­ters­gren­ze be­grenz­te Wei­ter­ar­beit an ei­nem an­de­ren Stand­ort ver­meid­bar ge­we­sen sei. Im Un­ter­schied zum vor­lie­gen­den Fall wa­ren je­ne (ren­ten­na­he) Ar­beit­neh­mer fak­tisch nicht zur In­an­spruch­nah­me ei­ner vor­ge­zo­ge­nen Ren­te ge­zwun­gen. Hier ist je­doch ge­nau das der Fall. Dies stellt nach der Be­wer­tung durch die Kam­mer ei­ne un­verhält­nismäßige Maßnah­me dar, ins­be­son­de­re vor dem Hin­ter­grund, dass das ursprüng­lich zur Verfügung ge­stell­te So­zi­al­plan­vo­lu­men von 2 Mio. Eu­ro nicht voll aus­geschöpft, son­dern ge­nau um die Sum­men gekürzt wur­de, die den ren­ten­na­hen Jahrgängen oh­ne Aus­schluss­tat­be­stand zu­ge­stan­den hätte.

(d)

79 Ab­sch­ließend soll ergänzend noch dar­auf hin­ge­wie­sen wer­den, dass ein Ver­s­toß we­gen ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung be­ru­hend auf ei­ner Schwer­be­hin­de­rung nicht ge­ge­ben ist. Die Al­ters­ren­te für schwer­be­hin­der­te Men­schen (§§ 37, 236 a SGB VI) bleibt nach § 1 Abs. 2 des So­zi­al­plans bei der Re­ge­lung des Aus­schluss­tat­be­stands aus­drück­lich außer Be­tracht, führt al­so nicht zu dem Aus­schluss von ei­ner So­zi­al­plan­ab­fin­dung.

bb)

80 Im Übri­gen er­weist sich der So­zi­al­plan als wirk­sam, ins­be­son­de­re konn­ten in An­wen­dung der un­ter B 2. a) dar­ge­stell­ten Grundsätze der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts Er­mes­sens­feh­ler nicht fest­ge­stellt wer­den. Al­le an­de­ren Mit­ar­bei­ter er­hal­ten ent­we­der ei­nen an­ge­mes­se­nen Aus­gleich bzw. Mil­de­rung der in­fol­ge der Be­triebs­stil­le­gung ein­tre­ten­den wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le oder sind — wie be­reits dar­ge­stellt — zu Recht von der So­zi­al­plan­ab­fin­dung aus­ge­nom­men wor­den (so­weit ih­nen nämlich ein An­spruch auf ei­ne un­ge­schmäler­te Re­gel­al­ters­ren­te zu­steht, s.o.).
81 aaa)
82 Der von der Ei­ni­gungs­stel­le be­schlos­se­ne So­zi­al­plan un­ter­schrei­tet die Gren­ze des § 112 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG nicht. Die in ihm vor­ge­se­he­nen Leis­tun­gen stel­len ei­ne sub­stan­ti­el­le Mil­de­rung der mit der Be­triebsände­rung ver­bun­de­nen wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le für die (übri­gen) Ar­beit­neh­mer dar.
83 Bei der Be­mes­sung der den Ar­beit­neh­mern ent­ste­hen­den Nach­tei­le darf die Ei­ni­gungs­stel­le pau­scha­le und ty­pi­sche An­nah­men zu­grun­de le­gen. Des­halb konn­te sie hin­sicht­lich der Aus­sich­ten der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer auf dem Ar­beits­markt gemäß § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 Be­trVG nach de­ren Al­ter dif­fe­ren­zie­ren (vgl. BAG a.a.O., Rn. 38). Sie hat dem­ent­spre­chend in § 4 Abs. (5) des So­zi­al­plans vier Al­ters­grup­pen ge­bil­det und die­sen un­ter­schied­li­che Fak­to­ren zur Be­rech­nung vor­ge­se­he­ner Ab­fmdun­gen zu­ge­ord­net. Die Ab­fin­dun­gen ent­spre­chen dem Pro­dukt aus der Dau­er der Be­triebs­zu­gehörig­keit, der Höhe der Mo­nats­vergütung und ei­nem "Mul­ti­pli­ka­tor". Die­ser beträgt für die Grup­pe der 53- bis 60-Jähri­gen 0,32, für die Grup­pe der 46- bis 52-Jähri­gen, für die Grup­pe der 61 und mehr Jah­re al­ten Ar­beit­neh­mer 0,25 und für die Grup­pe der 45 und we­ni­ger Jah­re al­ten Ar­beit­neh­mer 0,15. Die­se Al­ters­dif­fe­ren­zie­run­gen als sol­che er­schei­nen nicht un­an­ge­mes­sen (vgl. zu ei­ner in­halt­lich glei­chen So­zi­al­plan­re­ge­lung BAG, 1 ABR 23/03; zit. nach ju­ris) und wer­den vom Be­triebs­rat nicht in Zwei­fel ge­zo­gen.
84 Die sich auf die­se Wei­se er­rech­nen­den ab­so­lu­ten Ab­fin­dungs­beträge stel­len nämlich trotz der re­la­tiv klei­nen "Mul­ti­pli­ka­to­ren" und auch an­ge­sichts ei­ner mögli­cher­wei­se länge­ren Zeit der Ar­beits­lo­sig­keit ei­ne spürba­re Mil­de­rung der wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le der Ar­beit­neh­mer dar. Dies be­ruht vor al­lem dar­auf, dass mit den ge­rin­gen "Mul­ti­pli­ka­to­ren" viel­fach lan­ge Beschäfti­gungs­zei­ten ein­her­ge­hen. Das führt bei der größten Ar­beit­neh­mer­grup­pe der 53- bis 61-Jähri­gen zu ei­ner durch­schnitt­li­chen Ab­fmdung in Höhe von et­wa € 29.500,00 net­to, mit der durch­schnitt­lich ein wirt­schaft­li­cher Ver­lust von et­wa 22 Mo­na­ten Ar­beits­lo­sig­keit kom­pen­siert wer­den kann. Die­se Zeit er­scheint als aus­rei­chend, um ei­nen neu­en, ggf. auch ge­rin­ger do­tier­ten Ar­beits­platz fmden zu können (vgl. BAG, 1 ABR 23/03; zit. nach ju­ris - wo ei­ne Über­brückung von le­dig­lich neun Mo­na­ten Ar­beits­lo­sig­keit als spürba­re Mil­de­rung der wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le an­ge­se­hen wur­de). So hat der Ver­tre­ter der Agen­tur für Ar­beit in der Ei­ni­gungs­stel­le aus­geführt, dass selbst für die älte­ren Ar­beit­neh­mer gu­te Chan­cen auf dem Ar­beits­markt bestünden, ins­be­son­de­re in der Trans­port- und Lo­gis­tik­bran­che.
85 An­ge­sichts des­sen kann im Hin­blick auf die (übri­gen) Ar­beit­neh­mer nicht da­von ge­spro­chen wer­den, der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le ha­be die Un­ter­gren­ze des § 112 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG ver­letzt und die so­zia­len Be­lan­ge der Ar­beit­neh­mer i.S.v. § 112 Abs. 5 Satz 1 Be­trVG nicht hin­rei­chend berück­sich­tigt. Da­zu hätte der Be­triebs­rat dar­le­gen müssen, an­hand wel­cher tatsächli­chen Umstände, et­wa an­ge­sichts ge­ra­de hier be­ste­hen­der be­son­de­rer und un­ty­pi­scher Verhält­nis­se die Re­ge­lun­gen des So­zi­al­plans im Streit­fall nicht ein­mal als Mil­de­rung der wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le der Be­trof­fe­nen i.S.v. § 112 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG soll­ten an­ge­se­hen wer­den können. Sol­che Umstände sind sei­nem Vor­brin­gen nicht zu ent­neh­men. Ins­be­son­de­re muss­te die Ei­ni­gungs­stel­le — wie be­reits aus­geführt —nicht da­von aus­ge­hen, dass ein Ver­lust des Ar­beits­plat­zes bei der Ar­beit­ge­be­rin un­umgäng­lich zu ei­ner dau­er­haf­ten Ar­beits­lo­sig­keit der ent­las­se­nen Mit­ar­bei­ter führen würde, was mögli­cher­wei­se Zwei­fel an der aus­rei­chen­den Mil­de­rungs­funk­ti­on des So­zi­al­plans be­gründen könn­te. Viel­mehr er­scheint die An­nah­me ver­tret­bar, dass die Be­trof­fe­nen nach ei­ner ge­wis­sen Zeit ei­nen an­de­ren, und sei es ei­nen ge­rin­ger do­tier­ten Ar­beits­platz fmden können.
86 Die Re­ge­lun­gen zur Er­mitt­lung der Ab­fmdun­gen in § 4 des Ei­ni­gungs­stel­len­spruchs und das vor al­lem durch sie fest­ge­leg­te Ge­samt­vo­lu­men des So­zi­al­plans hal­ten da­mit der ge­richt­li­chen Über­prüfung stand (vgl. BAG, 1 ABR 23/03; zit. nach ju­ris).
87 bbb)
88 Hier­an ändert auch der vom Be­triebs­rat an­geführ­te Um­stand nichts, dass die Mit­ar­bei­ter mit ei­ner verkürz­ten ta­rif­li­chen Frist von nur ei­nem Mo­nat zum Mo­nats­en­de gekündigt wur­den. Da­bei ist zunächst dar­auf hin­zu­wei­sen, dass dies kei­ne Re­ge­lung ist, die in dem So­zi­al­plan ent­hal­ten ist. Der So­zi­al­plan ist nur Vor­aus­set­zung dafür, dass auf­grund der ta­rif­li­chen Re­ge­lung ge­ne­rell mit ei­ner kur­zen Frist gekündigt wer­den kann. So­weit der Be­triebs­rat rügt, die Ei­ni­gungs­stel­le ha­be sich mit die­sem Um­stand nicht aus­ein­an­der­ge­setzt, was zu ei­nem Er­mes­sens­feh­ler führe, kann dem nicht ge­folgt wer­den. So ist in dem Pro­to­koll der Ei­ni­gungs­stel­le vom 21. Sep­tem­ber 2016 (Anl. A 31, Bl. 343 ff) auf Sei­te 8 (Bl. 350 d.A.) aus­geführt, dass die Ar­beit­ge­be­rin dar­auf hin­ge­wie­sen hat­te, dass die Ver­hand­lun­gen über den So­zi­al­plan kei­nen Auf­schub vertrügen, weil die an­zu­wen­den­den Kündi­gungs­fris­ten we­gen § 2 Nr. 4 RTV Ha­fen von dem Ab­schluss ei­nes So­zi­al­plans ab­hin­gen. Zwar mag hier nicht die kor­rek­te ta­rif­li­che Norm der verkürz­ten Kündi­gungs­fris­ten zi­tiert wor­den sein. Es wird aber deut­lich, dass das The­ma der verkürz­ten Kündi­gungs­fris­ten In­halt der Erörte­run­gen der Ei­ni­gungs­stel­le wa­ren. Wird dann ein Spruch gefällt, so kann an­ge­nom­men wer­den, dass die Ei­ni­gungs­stel­le ent­we­der die Nach­tei­le ver­bun­den mit ei­ner verkürz­ten Kündi­gungs­frist nicht aus­glei­chen woll­te, was zulässig ist. Oder aber sie sah die Nach­tei­le als aus­rei­chend kom­pen­siert durch die Ab­fin­dungs­re­ge­lun­gen an, da ein er­heb­li­cher Zeit­raum ei­ner mögli­chen Ar­beits­lo­sig­keit — wie dar­ge­stellt — mit Hil­fe der Ab­fin­dung über­brückt, d.h. die wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le in­so­weit ab­ge­mil­dert wer­den können. Der vom Be­triebs­rat geführ­te Ein­wand, der So­zi­al­plan sei auch des­halb un­ter­do­tiert, da das Vo­lu­men des So­zi­al­plans ge­rin­ger sei als die Sum­me, die die Ar­beit­ge­be­rin al­lein durch die Verkürzung der Kündi­gungs­frist er­spart ha­be, verfängt nicht. Bei der Fra­ge der Un­ter­do­tie­rung geht es al­lein um die Fra­ge, ob die durch die Be­triebsände­rung ein­ge­tre­te­nen Nach­tei­le im Sin­ne ei­ner Über­brückungs­funk­ti­on aus­rei­chend aus­ge­gli­chen oder zu­min­dest hin­rei­chend ge­mil­dert sind. Die­se zu­kunfts­ge­rich­te­te Be­wer­tung hat vor­lie­gend zu dem Er­geb­nis geführt, dass das (mit Aus­nah­me der ren­ten­na­hen Mit­ar­bei­ter, die nur ei­ne vor­ge­zo­ge­ne Ren­te in An­spruch neh­men können) der Fall ist.
89 Ob tatsächlich mit der kur­zen Frist hätte gekündigt wer­den dürfen, ist ei­ne Rechts­fra­ge, die sich vor­lie­gend nicht stellt, son­dern die die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer im Rah­men ei­ner in­di­vi­du­el­len Kündi­gungs­schutz- oder Fest­stel­lungs­kla­ge klären las­sen können, was die Mit­ar­bei­ter — so­weit er­kenn­bar — auch tun. Auch aus die­sem Um­stand wird deut­lich, dass die­se Fra­ge für die Wirk­sam­keit des So­zi­al­plans kei­ne Rol­le spie­len kann. Denn wird in­di­vi­du­al­recht­lich fest­ge­stellt, dass die kur­zen Fris­ten nicht an­ge­wandt wer­den durf­ten, son­dern mit der lan­gen Frist hätte gekündigt wer­den müssen, ent­fie­le der Ein­wand des Be­triebs­rats im Hin­blick auf die Un­ter­do­tie­rung des So­zi­al­plans. Sch­ließlich würde die Be­wer­tung die­ses Um­stan­des als Un­ter­do­tie­rung des So­zi­al­plans da­zu führen, dass der So­zi­al­plan ggf. rück­wir­kend un­wirk­sam (da „ un­ter­do­tiert") würde, nämlich wenn sich der Ar­beit­ge­ber ent­schließt, von der verkürz­ten ta­rif­li­chen Frist Ge­brauch zu ma­chen —wo­hin­ge­gen das nicht der Fall wäre, wenn er sich nach Ab­schluss des So­zi­al­plans dafür ent­schei­det, die re­gulären Kündi­gungs­fris­ten an­zu­wen­den. Von sol­chen Zufällig­kei­ten und ein­sei­ti­gen Ent­schei­dun­gen des Ar­beit­ge­bers kann aber nicht die Wirk­sam­keit ei­nes Spruchs der Ei­ni­gungs­stel­le abhängig sein.
90 ccc)
91 Mit sei­ner Rüge, ihm sei im Ei­ni­gungs­stel­le­ver­fah­ren nicht hin­rei­chend recht­li­ches Gehör gewährt wor­den, dringt der Be­triebs­rat eben­falls nicht durch, weil die ge­richt­li­che Kon­trol­le des Ei­ni­gungs­stel­len­spruchs ei­ne rei­ne Er­geb­nis­kon­trol­le ist (vgl. BAG, 24.8.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach ju­ris). Im Übri­gen er­scheint die­ser Ein­wand an­ge­sichts meh­re­rer Ter­mi­ne der Ei­ni­gungs­stel­le und meh­re­rer schriftsätz­li­cher Stel­lung­nah­men des Be­triebs­rats zwei­fel­haft. Zu­dem wur­de ihm un­be­strit­ten die Möglich­keit ein­geräumt, ein Gut­ach­ten ei­nes Wirt­schafts­sach­verständi­gen in Be­zug auf die letz­ten 5 Jah­re ein­zu­ho­len. Hier­von hat der Be­triebs­rat aber Ab­stand ge­nom­men, da ihm die­ser Zeit­raum für nicht aus­rei­chend er­schien.
92 ddd)
93 So­weit der Be­triebs­rat rügt, ren­ten­na­he Jahrgänge würden kei­ne Mil­de­rung der wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le er­fah­ren, ist im Hin­blick auf die Mit­ar­bei­ter, die nur ei­ne gekürz­te Ren­te in An­spruch neh­men können und von ei­ner So­zi­al­plan­ab­fin­dung aus­ge­schlos­sen wor­den sind, be­reits fest­ge­stellt, dass ein Rechts­ver­s­toß ge­ge­ben ist (sie­he oben un­ter B, 2. b). Ob in­so­weit auch ein Er­mes­sens­feh­ler der Ei­ni­gungs­stel­le vor­liegt, kann da­hin­ste­hen.
94 So­weit es um die Mit­ar­bei­ter geht, die ei­ne un­gekürz­te Al­ters­ren­te in An­spruch neh­men können (ggf. nach Be­zug von ALG I) und des­halb von der So­zi­al­plan­ab­fin­dung aus­ge­schlos­sen wur­den, ist eben­falls be­reits aus­geführt wor­den, dass die­ser Aus­schluss­tat­be­stand zu Recht er­folgt ist (sie­he oben un­ter B, 2. b). Da­mit schei­det zu­gleich ein Er­mes­sens­fehl­ge­brauch der Ei­ni­gungs­stel­le aus.
95 eee)
96 Auf die vom Be­triebs­rat auf­ge­wor­fe­ne Fra­ge ei­nes Durch­griffs auf Vermögens­wer­te der Ober­ge­sell­schaft bzw. des Ge­sell­schaf­ters Dr. K. kommt es nicht an, da ei­ne Un­ter­do­tie­rung des So­zi­al­plans, so­weit der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le wirk­sam ist, ins­ge­samt nicht ge­ge­ben ist.

c)

97 Die fest­ge­stell­te Un­wirk­sam­keit von § 1 Abs. 2 des So­zi­al­plans in Be­zug auf die Ar­beit­neh­mer, die (nach Ar­beits­lo­sen­geld­be­zug) ei­ne vor­ge­zo­ge­ne, gekürz­te Al­ters­ren­te in An­spruch neh­men können, be­wirkt nicht die Ge­samt­un­wirk­sam­keit des Spruchs der Ei­ni­gungs­stel­le.
98 Ent­spre­chend der her­an­zu­zie­hen­den Re­ge­lung in § 139 BGB hat die Teil­nich­tig­keit ei­nes Rechts­geschäfts des­sen Ge­samt­nich­tig­keit zur Fol­ge, wenn nicht an­zu­neh­men ist, dass es auch oh­ne den nich­ti­gen Teil vor­ge­nom­men wor­den wäre (BAG, 24.8.2004, 1 ABR 23/03; zit. nach ju­ris) und der ver­blei­ben­de Teil oh­ne die un­wirk­sa­men Be­stim­mun­gen kei­ne sinn­vol­le und in sich ge­schlos­se­ne Re­ge­lung enthält (BAG, 11.1.2011, 1 ABR 104/09; 26.8.2008, 1 ABR 16/07; 22.3.2005, 1 ABR 64/03; zit. nach ju­ris). Die Wei­ter­gel­tung der von der Teil­nich­tig­keit nicht be­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen folgt aus dem Nor­men­cha­rak­ter ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung.
99 Zwar ist im Re­gel­fall, so­fern das Ver­tei­lungs­vo­lu­men be­trof­fen ist, von ei­ner Ge­samt­un­wirk­sam­keit ei­nes So­zi­al­plans aus­zu­ge­hen. Bei dem Be­schluss über ei­nen So­zi­al­plan ist das sich aus den So­zi­al­plan­leis­tun­gen er­ge­ben­de Ge­samt­vo­lu­men des So­zi­al­plans nämlich von maßgeb­li­cher Be­deu­tung. Die­ses Ge­samt­vo­lu­men kann in er­heb­li­cher Wei­se verändert wer­den, wenn von So­zi­al­plan­leis­tun­gen aus­ge­schlos­se­ne Ar­beit­neh­mer auf­grund der Un­wirk­sam­keit des Aus­schlus­ses nun­mehr an­spruchs­be­rech­tigt wären. Außer­dem könn­ten bei Kennt­nis der Teil­nich­tig­keit ei­ner Re­ge­lung die So­zi­al­plan­leis­tun­gen ins­ge­samt an­ders ver­teilt wor­den sein (vgl. BAG, 25.1.2000, 1 ABR 1/99; zit. nach ju­ris).
100 Hier stellt der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le aber zunächst auch bei ei­nem Weg­fall des in § 1 Abs. 2 ent­hal­te­nen Aus­schluss­tat­be­stands in Be­zug auf die Ar­beit­neh­mer, die ei­ne vor­ge­zo­ge­ne, gekürz­te Al­ters­ren­te in An­spruch neh­men können, ins­ge­samt ei­ne noch sinn­vol­le und in sich ge­schlos­se­ne Re­ge­lung dar. Die Teil­nich­tig­keit hat le­dig­lich zur Fol­ge, dass die bis­lang von So­zi­al­plan­ab­fin­dun­gen aus­ge­schlos­se­nen Mit­ar­bei­ter ei­nen An­spruch er­hal­ten. Im Übri­gen ändert sich nichts. Des Wei­te­ren ist nicht an­zu­neh­men, dass die Ei­ni­gungs­stel­le bei Kennt­nis der (Teil-)Un­wirk­sam­keit des Aus­schluss­tat­be­stands in Be­zug auf die ren­ten­na­hen Ar­beit­neh­mer mit An­spruch auf ei­ne vor­ge­zo­ge­ne Al­ters­ren­te die Ver­tei­lung an­ders vor­ge­nom­men, ins­be­son­de­re an­de­re Fak­to­ren be­schlos­sen hätte. Für die be­trof­fe­ne Grup­pe der über 61jähri­gen ist ei­ne (re­du­zier­te) Ab­fin­dungs­for­mel auf­ge­nom­men wor­den und zunächst auch ein ent­spre­chen­des So­zi­al­plan­vo­lu­men, so je­den­falls nach dem un­be­strit­te­nen Sach­vor­trag des Be­triebs­rats, zur Verfügung ge­stellt wor­den. Hier­aus wird deut­lich, dass die Ei­ni­gungs­stel­le grundsätz­lich auch die In­ter­es­sen der über 61jähri­gen ein­be­zo­gen hat und die mögli­chen wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le ab­mil­dern woll­te. Fer­ner ist zu be­ach­ten, dass ein So­zi­al­plan­vo­lu­men von knapp 2 Mio. Eu­ro (un­strei­tig) von der Ar­beit­ge­ber­sei­te zur Verfügung ge­stellt wor­den war. Der in­so­weit vom Be­triebs­rat im Schrift­satz vom 13. Ju­ni 2017 (B1. 506 ff d.A.) dar­ge­stell­ten Be­rech­nung und Dar­le­gung des zur Verfügung ge­stell­ten Vo­lu­mens ist die Ar­beit­ge­be­rin nicht ent­ge­gen ge­tre­ten. Da­bei hat der Be­triebs­rat ins­be­son­de­re un­wi­der­spro­chen aus­geführt, dass in der An­la­ge AG 2 der Ar­beit­ge­be­rin sämt­li­che sich nach dem So­zi­al­plan rech­ne­risch er­ge­ben­den Ab­fin­dun­gen auf­geführt sind — auch die sol­cher Ar­beit­neh­mer, die auf­grund ei­ner Ren­tennähe kei­ne Ab­fin­dung er­hal­ten ha­ben. Da­bei han­del­te es sich um 9 Ar­beit­neh­mer (wo­von 7 Ar­beit­neh­mer An­spruch auf ei­ne vor­ge­zo­ge­ne, gekürz­te Al­ters­ren­te ha­ben). Das von der Ar­beit­ge­be­rin dar­ge­leg­te und in­so­weit grundsätz­lich zur Verfügung ge­stell­te Ab­fin­dungs­vo­lu­men be­trug € 1.958.392,88. Nach Ab­zug der von ei­ner Ab­fin­dung we­gen Ren­tennähe aus­ge­schlos­se­nen Mit­ar­bei­ter ver­blie­be ei­ne nur zu zah­len­de Ab­fin­dungs­sum­me von € 1.619.11695. D.h. die Aus­schluss­tat­bestände ha­ben zu ei­ner ent­spre­chen­den Ein­spa­rung bei der Ar­beit­ge­be­rin geführt, das ursprüng­lich an­ge­setz­te So­zi­al­plan­vo­lu­men gemäß den Be­rech­nun­gen der Ar­beit­ge­be­rin wur­de nicht voll aus­geschöpft. Viel­mehr steht noch ein Aus­zah­lungs­vo­lu­men zur Verfügung. Da nur 7 Ar­beit­neh­mer von der Teil­nich­tig­keit be­trof­fen sind (zu Un­recht von ei­ner So­zi­al­plan­ab­fin­dung aus­ge­schlos­sen wur­den), ver­bleibt ge­nug des grundsätz­lich zur Verfügung ge­stell­ten So­zi­al­plan­vo­lu­mens, um auch die­sen Mit­ar­bei­tern ei­ne Ab­fin­dung gemäß den Be­rech­nungs­pa­ra­me­tern des So­zi­al­plans zu­kom­men zu las­sen, oh­ne dass das Ge­samt­vo­lu­men über­schrit­ten oder gar ge­sprengt würde. Da­mit ist das Ver­tei­lungs­vo­lu­men ins­ge­samt we­der zu Las­ten der Ar­beit­ge­be­rin berührt noch zu Las­ten der sonst an­spruchs­be­rech­tig­ten Mit­ar­bei­ter. Von ei­ner an­de­ren Ver­tei­lung der zur Verfügung ge­stell­ten Mit­tel bei Kennt­nis der Teil­un­wirk­sam­keit des So­zi­al­plans muss­te vor die­sem Hin­ter­grund nicht aus­ge­gan­gen wer­den.
101 We­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung war die Rechts­be­schwer­de zu­zu­las­sen (§§ 92, 72 Abs. 2 ArbGG).
   

 

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